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Grunde ist es also eine profanierende Albernheit, an der nackten Marmorstatue eines Kunstmeisters diesen notwendigen Teil der Harmonie durch einen absolut unzugehörigen Gegen stand wie das Blatt einer Pflanze, durch ein „Feigenblatt", zu verstümmeln. Rein ornamental bildet das Manuesorgan, Glied und gedoppelter Hodensack auf der Grenze gerade, wo die Einheit des Rumpfes durch die Zweiheit der Beinsäulen abgelöst wird, das schönste Form-Intermezzo durch seine kleine feine zwischen geschobene Dreiteilung. Durch das Organ gerade an dieser Stelle verliert der Leib das von unten her Aufgespaltene, die Spaltstelle wird verdeckt, ein harmonischer Linienstrom vom Unterleib in die Beinsäulen hinein erzeugt. Dem ganzen schweren, massigen Rumpf-Schenkelstück aber verleiht das scharf individualisierte, selbständig bewegliche Glied zugleich eine Art vergeistigten Mittelpunktes, es bildet gleichsam einen Finger, eine kleine dritte Hand an ihm, die mit den Händen rechts und links in eine rhythmische Beziehung für das Auge tritt. Wenn du dir dazu nun aus der Kette der Bilder, die ich dir vorgeführt habe, vergegenwärtigst, welche unendliche Feinarbeit der Natur nötig gewesen ist, um gerade diesen Leibespunkt so herauszubringen, wie er da ist, — wie der Mensch auch in diesem Organ unaufhaltsam sich herauf- und heraus gegipfelt hat, dieser innere, treibende Mensch, der über Nebel flecke und Sterne, Planet und Lebensformen tausendfältiger Art durch die Natur heran- und immer herangeschwommen ist seit Äonen der Zeit, — — wirst du nicht selber erröten müssen über dein klägliches Wörtlein „Unanständig"?