Beinr Anblicke dieser studentischen Boheme wurde Annu von einer plötzlichen Ernüchterung ergriffen. Sie erklärte nunmehr, ohne Verzug in ihr Hotel gehen zu wollen. Sie fand keinen Widerspruch. Henkel erbot sich, sie zu begleiten, was sie annahm. Alle hatte momentan eine solche Ueber- müdung ergriffen, daß niemand mehr von einer Fortsetzung der Ausschweifung redete. Auch Lassens wollten nach Hause, und Tlara legte allen dringend ans Herz, wenn sie schon nicht zur standesamtlichen Trauung kämen, die früh 9 Uhr statt fände, so doch wenigstens bestimmt nach der Trauung sich in der Lassenschen Wohnung zum Hochzeitsessen einzufinden. Lassens, Henkel und Anna machten sich nun auf den weg. Als Anna Rühlemann noch einen Abschiedsblick in die Bohemebude zurückwarf, sah sie in dem einen Bette Sofia weiß und regungslos wie eine Leiche liegen, während unter dem Zudeck des anderen Bettes gerade Heimann und Fanny verschwanden. Sie hatten sich bereits vorher ohne Scheu in Gegenwart der anderen entkleidet. Tlara Lassen schlug den Heimweg mit ihrem Gatten, der jetzt auffallend zahm geworden war, durch die Invaliden straße ein. Sie wohnten am Bahnhofe Tiergarten und hatten noch ein tüchtiges Stück weg vor sich. Henkel und Anna pilgerten zu Fuß die Friedrichstraße hinunter. Anna wohnte in einem Hotel am Bahnhofe Friedrichstraße, wie sie sagte. Henkel befleißigte sich jetzt eines zurückhaltenden Benehmens gegen die junge Frau. Die Ursache dieser Veränderung in seinem Wesen war, daß er fürchtete, zu weit gegangen zu sein. In seinem neuen Wirkungskreise in Dortmund wollte er sich vorteilhaft einführen und er vermochte noch nicht zu erkennen, ob seine fortgesetzten Liebesbewerbungen von Frau Rühlemann als Belästigungen ausgefaßt wurden, oder ob sie erwünscht waren. „Warum verkehren Sie eigentlich mit Dr. Lassen?" fragte die junge Frau. „Er ist doch gar kein Parteigenosse." „Er sagt allerdings, daß er es jetzt nicht ist. Aber er