— 23 — „Das ist gar nicht lächerlich, Das Thema der Geschlechts krankheiten wird noch immer nicht genügend erörtert, was haben Zola und seine deutschen Schüler nicht alles aus dem Liebesleben zu sagen gewagt. Aber an die Geschlechtskrank heiten wagen sie sich nicht heran. Auch die neuere Literatur ist zu feige. Denke an das Tagebuch einer verlorenen. Das halbe Buch müßte davon handeln, wenn es der Spiegel des Prostituiertenlebens wäre. Statt dessen findet man in ihm nur eine Verhimmelung der Prostitution, wie in Manon Lescaut oder in der Kameliendame. Die Einseitigkeit der gesellschaftlichen Vorurteile ist himmelschreiend. Niemand verübelt dem Gottfried Keller, Gustav Frenssen u. a., daß sie mit raffinierter Absichtlichkeit die Sinnlichkeit ihrer Leser aufpeitschen, denn es ist gestattet, die Sonnenseite der Liebe zu zeigen, wehe aber über den, der auf die Schattenseiten weist: auf die Krankheiten. Das ist gemein. Uebrigens. . Dr. Lassen wurde plötzlich in seiner Rede unterbrochen. Der Oberkellner stand hinter ihm, tippte ihm mit dem Zeige finger auf die Schulter und präsentierte auf silbernem Teller ein Briefchen. „was gibt es denn nun?" rief Henkel neugierig. Dr. Lassen öffnete den Umschlag und las. Seine Augen brauen hoben sich, seine Mundwinkel senkten sich und seine Augen verengten sich zu Schlitzen. Ohne ein Wort zu sagen, überreichte er mit dieser Fratze das Briefchen Henkel. Dieser las es mit seinem dröhnenden Basse laut vor: „Da mehrere Herrschaften an Ihrer lauten, Anstand verletzenden Unterhaltung Anstoß nehmen, so ersuche ich Sie höflichst, umgehend und unauffällig mein Lokal zu verlassen. Mit vorzüglicher Hochachtung Der Geschäftsführer." „Empörend!" sagte Anna und bekam einen ganz roten Kopf. Aber Henkel fand die Sache komisch und rief ein-