198 Stadt gelegenen, neu eröffneten Tafo zu gehen. Das Lokak lag im ersten Stock und besaß einen großen Balkon, auf dem man den ganzen vormittag die Sonne genießen konnte. Auf den Straßen war es ziemlich still, da wegen des Sonntags außer der elektrischen Bahn kaum wagen fuhren, vor den überfüllten und zu kleinen katholischen Kirchen standen barhäuptig Hunderte Arbeiter, meistens Polen, schauten durch die geöffneten Kirchentüren und versuchten von hier aus,, dem Gange des Gottesdienstes zu folgen. Auf dem Balkon des Kaffeehauses suchte sich Senkel ein verstecktes Plätzchen aus. Gr trank hier lässig seinen Kaffee, aß reichlich Kuchen und gab sich ganz dem tierisch- vegetativen Wohlbehagen hin, das eine Sonnenbestrahlung gewährt. Trotzdem er sich bemühte, an nichts zu denken, fielen ihm seine beiden Briefe ein, die er heute morgen erhalten hatte. Lr holte sie aus der Brusttasche. was mochten sie enthalten? Liner war von Anna Kuhlemann. Das sah er an der Sandschrift. Lndlich gab sie also ein Lebenszeichen von sich. Fünf Wochen mochten seit der bedeutungsvollen Unterredung zwischen Sans Und Senkel verflossen sein. Seit jenem Tage hatte Senkel Anna nicht wiedergesehen. Ls mußte allerdings zu gegeben werden, daß sich Senkel in keiner weise um eine Zusammenkunft bemüht hatte. Lr schämte sich nämlich seines Sautausschlages und fürchtete, bei seiner Geliebten Wider willen zu erregen. Um so peinlicher war ihm dieser Brief, was veranlaßte sie denn, sich schriftlich an ihn zu wenden und warum schrieb sie denn gleich einen so umfangreichen Brief? Schon wollte Senkel den Brief öffnen, da fiel ihm «in, es wäre besser, vor der Preßkommissionssitzung sein Ge hirn und seine Stimmung nicht durch andere Fragen zu zer streuen. Lr ließ deshalb beide Briefe uneröffnet neben seiner Kaffeetasse liegen. wieder gab er sich den süßen, sonnendurchleuchteten Träu men hin. Doch nun erregte ein anderer Gedanke seine Auf-