169 Eine feste, stolze Entschlossenheit straffte seine Muskeln. Sein Kopf wurde frei. Er schob den immer weiter redenden Henkel zur Seite und öffnete das vertikowschränkchen, in dem er seinen Vorrat unbenutzten Werkzeugs aufbewahrte. Henkel, der die seelische Wandlung Rühlemanns! nicht bemerkt hatte, setzte sich inzwischen auf einen der Polsterstühle, holte das Paket mit seinem Banknotenschatz hervor und begann in aller Ruhe die Scheine auf dem Tisch auszubreiten und aufzuzählen. Er drehte Rühlemann hierbei den Rücken zu. Rühlemann kniete vor dem offenen Schränkchen und wühlte unter den noch zum Teil verpackten Zeilen. Schließlich wählte er eine nadelspitze Stahlfeile mit hölzernem Handgriffe, pro bierte die Spitze an seinem linken Daumennagel und an der inneren linken Handfläche. Er überzeugte sich davon, daß die Zeile sehr scharf war. Sie glitt nicht vom Nagel ab und faßte gleich. Jetzt fiel ihm plötzlich eine Geschichte ein. In dem Hause, in dem seine Eltern wohnten, als er vielleicht zehn Jahre alt war, hatte den ganzen zweiten Stock ein Bankier Müller gemietet. Diesen Bankier zu ermorden und zu berauben hatte der Barbiergehilfe beschlossen, der den Bankier einen Tag um den anderen rasieren mußte. Der Bankier war unver heiratet. Seine Aufwartung besorgte eine alte taube Wirt schafterin. Der Barbiergehilfe schlich sich eines Abends in die Wohnung ein, setzte sich auf einen sogenannten Groß vaterstuhl, der in der Nische hinter der Schlafstubentüre stand und schlief hier ein. Als er wieder aufwachte, war der Bankier- schön nach Hause gekommen und lag schnarchend in seinem Bette. Der Verbrecher machte sich alsbald an den Schlafen den heran und versuchte, ihm mit einem Rasiermesser die Rehle zu durchschneiden. Da der Bankier zufällig wegen Hals- fchmerzen ein seidenes Halstuch umgebunden, hatte, glückte der Raubansall nicht. Das Messer verwickelte sich in das Tuch. Der Ueberfallene brüllte um Hilfe und bedrängte den Verbrecher, der Reißaus nahm und auf das Dach flüchtete.