165 -eigentlich in eine tiefere Klasse hinabgestiegen war. „Ach Unsinn," sagte er ärgerlich, „wir Sozialdemokraten wollen die ganzen Klassenscheidewände niederreißen, wenn ich auch jetzt materiell schlechter stehe, al- ich vielleicht stände, wenn ich Arzt oder Kaufmann geworden wäre, so arbeite ich in meinem jetzigen Beruf mit mehr Lust und Liebe." während er langsam den weg zur Kuhlemannschen Wohnung einschlug, ertappte er seine Gedanken plötzlich auf kapitalistischen Schleichwegen, wie? wäre es nicht verständi ger, wenn er sein Erbteil schön zusammengehalten hätte, oder wenn er das Geld, das er hier in der Brusttasche trug, behielte und jeden Monat von seinen 200 Mark Gehalt sOO Mark zurücklegte und sich dann nach einem Mädchen mit etwas Kapital umschaute, vielleicht unter seinen Jugendfreundinnen? Dann könnte er womöglich gar von seinen Zinsen leben. Lür die Partei könnte er unter diesen Umständen ehrenamtlich wie Singer weiterarbeiten. Und angesehener wäre er dann auch, denn die unabhängigen Parteigenossen sind bekanntlich die geachtetsten. Auch haben sie keine Leinde, weil sie keine bezahlten Parteiposten, die anderen begehrens- und erstrebens wert erscheinen, für sich mit Beschlag belegen. Der Teufel des" Kapitalismus setzte ihm böse zu. Aber Henkel erlag seinen Versuchungen nicht, vor seiner Seele tauchte das Bild Annas auf, das Bild seiner fröhlichen, fleißigen, naiven, kindlichen Geliebten und da nahm der Teufel Ueißaus. was war ihm das Geld? Er verstand keinen rechten Gebrauch davon zu machen. Er hegte die fixe Idee, daß dieses kleine Kapital ihn dem proletarischen Lühlen und Denken entfremde. Es veranlaßte ihn, wie er meinte, zu Extra vaganzen, zur Annahme kostspieliger Gewohnheiten, die wieder abzulegen, später recht verdrießlich sein würde. Henkel war an der Kuhlemannschen Wohnung ange langt. Er war jetzt mit sich einig und ging fröhlich und festen Schrittes die knarrende Treppe hinauf. Auf sein Klin geln öffnete ihm Anna selbst. Er wollte sie in dem dunkeln