verlangte er als Gegenleistung, daß sie ihm in seiner Woh nung drei Küsse geben sollte. Sie versprach es, kam eines Nachmittags, gab die drei Küsse und ging sofort wieder ihrer Wege. Wehr als die drei ausbedungensn Küsse bekam er nicht zu schmecken. Er durfte nicht einmal ihre Hand be rühren. Sie begann nun schon, mit seiner Hilfe zu rechnen. Einmal brauchte sie 50 Mark. „Gewiß," sagte er; „Sie sollen die 50 Mark haben, wenn Sie mir versprechen, sich in zwei Wochen öffentlich mit mir zu verloben." Sie brauchte das Geld wirklich nötig, und so verlobten sie sich nach zwei Wochen. Verlobung ist noch nicht Hochzeit, dachte sie. Die Hochzeit wurde indessen durch ein anderes Vorkommnis beschleunigt. Als sie eines Abends aus ihrem Schneideratelier kam und über den Augustusplatz schlenderte, stand dort ein bildschöner Offizier mit großen, dunkeln Augen. Er sah sie prüfend an und ihr war zu Mute, als ob sie hypnotisiert sei. Sie kam sich wie eine willenlose Nacht wandlerin vor. Ohne ein Wort zu sagen, stieg der Offizier in eine geschlossene Droschke, winkte und sie folgte ihm. Nach einer einstündigen Spazierfahrt, während der sie sich dem Fremdling wortlos hingegeben, fand sie sich auf der Promenade des Thomasringes wieder und erwachte wie aus einem Traume. Jetzt ergriff sie ein wahres Grauen vor sich selbst. Hatte sie denn gar keine Ueberlegung, Selbstbeherrschung und Energie mehr? Vielleicht hatte ein Bekannter den Vorgang beobachtet. Zitternd und zagend trat sie den Heimweg an und plötzlich kam ihr wie eine Erlösung der Gedanke: „Rette dich in die Ehe, bevor sich ähnliches wiederholt, und du deinen mo ralischen Halt verlierst." Und so hatte sie ihn geheiratet. In ihrer jungen Ehe wollte sie durch nichts an ihre leichtlebige Vergangenheit er innert sein. Deshalb drängte sie ihren Gatten, von Leipzig fortzuziehen. Er entsprach gern ihrem Wunsche. Sie ließen sich in Dortmund nieder, wo er eine kleine Schlosserei auf-