306 2— „Lies!" herrschte der Fürst ihn an. Beide traten, mechanisch vorgehend, in Goethes Zimmer; dieser wandte sich zum Fenster, um bei dem scheidenden Lichte sehen zu können, was ihm der Herzog gegeben. „Lin Brief von mir?" fragte er erstaunt, „und an die Herzogin?" Der Herzog lachte höhnisch auf; der andere hatte diesen Ton nie von ihm gehört. „Dein neuestes Gedicht!" sagte er mit verbissenem Ingrimm. Goethe las und erstarrte. „Meine Schrift!" sagte er. „Manches von meinen Gedanken und Redewendungen, und doch so — das ist infam!" Lr warf in tiefem Widerwillen den Brief mitten ins Zimmer und rief: „Durchlaucht, das schrieb ich nicht!" „Du — du leugnest?" „Ich leugne nicht allein, ich beschwöre, bei allem was es Heiliges gibt: ich weiß gar nichts von diesem Briefe!" „Wäre es möglich? Soll — darf — kann ich glauben?" „Nicht ohne Beweis; wir müssen den Urheber dieser Schandthat entdecken!" „Den Urheber? Göchhausen, der alte Tropf, gab mir den Brief; er hatte ihn aus deiner Tasche fallen sehen." „welch ein Gespinst von Lug und Trug! Dahinter steckt ein anderer als dieser blöde Baron!" „Lin anderer! Wer?"