Volltext Seite (XML)
51 Mein Weg führte mich gegen Ende Dezember vom Lago Maggiore, dem ich als einem alten Bekannten einen Besuch von einigen Tagen abgestattet hatte, zuerst über Mailand und Genua. Ueber der ganzen piemontesischen Ebene lagen eisige Nebel und die mit Eis und Schnee bedeckten Felder liessen das goldene Italien in diesem Zustande sich durch nichts von unseren nordischen Ge filden unterscheiden. Doch, nachdem der eilende Zug die Seealpen durchschnitten und sich mehr und mehr dem mittelländischen Meere näherte, änderte sich die ganze Szenerie. Tiefblauer, wolkenloser Himmel lachte über uns, eine milde, warme Luft drang durch die nieder gelassenen Koupefenster, das unendliche Meer kam immer mehr in unseren Gesichtskreis, als der Zug sich Genua näherte. Da ich diese Stadt von früher her kannte, hielt ich mich dort nicht auf, sondern strebte dem Zuge zu, der nach kurzem Aufenthalte meinem nächsten Be stimmungsorte, San Remo zueilte. Stundenlang läuft der Zug an der Meeresküste entlang, dem ob der sich ihm darbietenden Herrlichkeiten nicht ermüdenden Auge fortge setzt neue Bilder darbietend. Ungewohnte Szenerien zeigen sich dem Gärtner; grossartige Pflanzungen von Orangen und Zitronen wechseln mit Olivenwäldern ab. Da und dort zeigen sich wohlgepflegte Gemüsegärten, in denen mir, als in der jetzigen Zeit bei uns in Treibhäusern kaum zu findende schöne, blühende Erbsen, junge Salate und Kartoffeln, Artischoken etc. auffielen. Die Leute waren barfuss und hemdsärmelig fleissig bei der Arbeit. Auch bemerkte ich in den Villengärten zahlreiche Agaven und die bekannteren Phoenix und Chamaerops. Endlich, nachdem die Nacht ein weiteres Betrachten der Gegend unmöglich machte, erreichte ich meinen vor läufigen Bestimmungsort, San Remo, welches den Reigen der bekannten Luftkurorte eröffnet. Von hier aus war eine Fusspartie nach dem etwa 3 Stunden entfernten Bordighera vorgesehen, welcher Weg mir als besonders eigenartig empfohlen worden war. Hinter San Remo ist die Landstrasse, soweit sie zum Stadtbering gehört, mit einer für den Nordländer eigenartigen Allee bepflanzt, es sind hierzu abwechselnd 3—4m hohe Phoenix dacty- lifera und Oleanderbüsche oder -Bäume verwendet. Nur wenig Raum darf die Landstrasse hier einnehmen, denn nach Süden dehnt sich unmittelbar anschliessend das ungeheure Meer aus, und nördlich erheben sich bald mehr bald weniger schroff, bis zu einer bedeutenden Höhe die Seealpen. Je näher man Bordighera kommt, um so auffälliger wird die Pflanzenwelt. Zwischen den Oliven, Caruben (Johannisbrodbaum), Eucalyptus globulus etc., die bis zu einer gewissen Höhe das Gebirge bekleiden, während die Pinus maritima sich höher hinauf bis in’s sterilste Gefels einnisten, tauchen grössere und kleinere Palmenhaine von Phoenix dactylifera auf. Kräftige, undurchdringliche Agaven verwehren mit ihren spitzen Waffen gut die Eingänge und mächtige Opuntia Ficus indica zieren mit ihren roten Früchten schroffe Felsab hänge. Rechts und links der Landstrasse beginnen jetzt auch grössere eingezäunte Gärten, nur mit Phoenix be pflanzt, die sich hier besonders wohl fühlen müssen, denn in solchen Massen und in solcher Ueppigkeit sind sie an der ganzen Riviera kaum wieder zu finden. Hier, inmitten dieser Palmenwälder liegt der Palmengarten des Herrn L. Winter, welcher ja jüngst in der Deut schen Gärtner-Zeitung ausführlich beschrieben worden ist, doch sei es mir vergönnt, noch einige Worte darüber zu sagen. In sehr geschützter Lage erstreckt sich der Garten von der Landstrasse bis zu den schroffen Felsen und hat hier Herr Winter in der Tat eine landschaftlich schöne Anlage geschaffen und mit dem, seinen handels gärtnerischen Zwecken dienenden Terrain verbunden. Schön gewundene Wege führen uns bald durch eine besonders imposante Gruppe von Hunderten bis zu 8—10 m hohen Ph. dactylifera, die liegend Schlingpflanzen ähneln, oder mit ihren Ausläufern mächtige Büsche bilden. Bald führt der Weg auf eine mit Rosen bepflanzte Anhöhe, wo zwischen den Palmen hindurch eine reizende Aus sicht nach dem Meere oder Bordighera sich darbietet. Weiter führt uns der Weg zu anderen, besonders schönen Palmen; so überrascht eine kolossale Pritchardia filifera, die durch ihre riesig starke Wedelbildung einen Beweis liefert, wie sehr auch diese Palmenart die frische Luft dem dumpfigen Palmenhaus vorzieht. Bei vielen der Phoenix dactylifera sind die Wedel zusammen gebunden, die gebleicht für Makartbouketts, zum Neujahrsfest der Israeliten nach dem Norden und zum Palmensonntag nach Rom geliefert werden. So ergeben die alten, knorrigen, gekrümmten oder liegenden Stämme, die sonst keinen Verkaufswert mehr haben, noch durch den Schnitt der Blätter oder Samengewinnung einen Nutzen. Nur scheint es merkwürdig, dass sich die Pflanzen dies Zu sammenbinden auf die Dauer gefallen lassen, denn das selbe wird schon seit Jahren ausgeführt. Doch auch die Kultur von anderen Palmen wird hier mit Erfolg betrieben. In Massen finden wir Phoe nix reclinata, verschiedene Arten von Sabal, Kentia, Areca, Cocos etc., die hier im freien Lande ein sehr freudiges Gedeihen zeigen, wie wir es bei unseren Kul turen nur mit grosser Mühe erzielen. An einem steilen Felsabhange fällt eine ziemlich zahlreiche Cacteensamm- lung auf, dort überrascht uns eine herrliche Cocos australis mit 3 m Stammhöhe, während die ganze Pflanze etwa 7—8 m misst. Hunderte von jungen Citrus sind an den Terassenmauern angepflanzt, meist zum Zwecke der Ge winnung von Blüten, die ein sehr gesuchter Artikel sind. Hier und da sieht man Maler beschäftigt, welche die unvergleichlich schönen Partien mit Stift oder Pinsel bildlich darstellen. Doch es mahnte die vorgerückte Stunde, diesem paradiesischen Erdenstück den Rücken zuzukehren, da dem in neuerer Zeit durch die Palmen flechtereien berühmt gewordenen Magazine des Herrn Winter noch ein Besuch abgestattet werden soll. Hier traf ich Herrn Winter selbst und konnte einen Ein blick in die ausgedehnten Flechtereien tun, die einen Beweis liefern, wie sehr dieser Artikel allenthalben An klang findet. Man kann sich auch gar nichts graziöseres denken, als diese in zierlichster Ausführung verfertigten Aufsätze, Vasen etc. Es soll nun meine Absicht nicht sein, die Namen der Gärtner der Riviera nacheinander aufzuzählen, oder deren Geschäfte zu beschreiben, das wäre für den Leser nur eine starke Geduldsprobe, denn sowol auf der italienischen als auch besonders auf der französischen Seite der Riviera befassen sich zahlreiche deutsche wie französische Gärtner neben Palmenkulturen, hauptsäch lich mit Blumenexport. Die Namen derselben sind ja hinreichend bekannt. Es bestehen solche hier in Bordig hera, dann finden wir, haben wir bei dem von Bordighera etwa 2 Stunden entfernten Ventimiglia die italienische Grenze passirt und französisches Gebiet unter den Füssen, in jeder Stadt einen oder mehrere Rosenzüchter, so in Mentone, Monte Carlo, Beaulieu, Nizza bis Cannes und noch weiter. Genaue Einblicke in mehrere dieser Ge schäfte haben mir gezeigt, dass neben Rosen die ebenso sehr gesuchten Nelken, Levkoyen, Reseda, Veilchen, Orangen etc. mit peinlichster Sorgfalt kultivirt werden, um die zumteil recht anspruchsvollen Abnehmer nach Möglichkeit gut zu bedienen. Lassen sie mich hier ein Wort sagen über die Kultur der Rosen, wie sie hier betrieben wird. Die An zucht geschieht verhältnissmässig leicht und schnell. Als Unterlage dürfen die Rosa canina und R. villosa etc.