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Amerikanische Teppichbeete. Als mir dieser Tage die zweite Auflage von Ham- pel’s Teppichgärtnerei zu Händen kam, untersuchte ich das umgearbeitete und vermehrte Werk zunächst darauf hin, ob die neueste Errungenschaft der Teppichkünstelei: Tier- und Menschenformen plastisch durch Erde und Pflanzen nachzubilden, in ihm behandelt sei. — Leider nicht! —Wie weit sind wir doch noch zurück! —Unsere italienischen Kollegen sind im Fortschritt gegen uns; sie sind in der Tierdarstellung vom Löwen sogar schon bis auf den Hund gekommen und einer der ihrigen hatte vor einigen Jahren — wie ein deutscher Professor be richtete — den Vesuv mit glühenden AUernanthera- Lavaströmen dargestellt. Und nun gar erst die Ameri kaner! Während bei uns kaum die ersten Versuche in dem Portraitiren mit Teppichpflanzen zu verzeichnen sind — man erinnere sich nur des aus Ziegelsteinbrocken, Kohlenstücken, Sand, Porzellanscherben und einigen Pflanzen zusammengepflasterten „Bildes Sr. Majestät des Kaisers Wilhelm I., umgeben von einem Lorbeer und ruhend auf den Fittigen eines Adlers“ auf der Garten bauausstellung in Liegnitz — hat der Fachgenosse jen- seit des Ozeans kühn in den Maltopf des Gärtners ge- griffen und im Lapidarstil auf den Beeten seiner Parks die nationalen Grössen gemodelt und abgemalt. In jenem Lande liegt 110 Meilen westlich von New- York am nördlichen Ufer des Alleghanyflusses die Fabrik stadt Alleghany mit viel Eisen- und Glasindustrie und ungeheuren Fettkohlenlagern, vor nicht langer Zeit noch ein Dorf, jetzt über 80,000 Einwohner zählend. Auf dem früheren, 40 ha grossen Weideplätze des Dorfes, der durch Umbauung mit Häusern für seine ursprüng liche Bestimmung ungeeignet wurde, ist mit einem Kosten aufwande von 1,200,000 Mark ein Park angelegt, indem der leitende Gärtner, Herr Hamilton, Proben der plastischen Portraitbildnerei mit Erde und Pflanzen zur Anschauung brachte, die wir im Bilde mit Portraittreue wiedergeben. Es sind George Washington und Abra ham Lincoln dargestellt, für deren Häupter je 6000 Echeveria zur Verwendung gelangt sind, während für die Gewandung und das übrige Beiwerk eines jeden Beetes za. 8000 verschiedene Alternanthera und 1000 Sedum und Mesemhryanthemum verarbeitet wurden. Die Aus führung ist auf einer gegen den Beschauer geneigten Fläche geschehen. Wir unterbreiten diese Muster amerikanischer Tep pichgärtnerei der geneigten Beurteilung der Spezialisten dieses Faches mit dem treugemeinten Wunsche, dass sie sich dadurch in ihren Ideen befruchtet und zur Schöpfung vollendeter Werke dieser Genres begeistert fühlen möchten. Ist es Zufall oder ist es der Schatten kommender Ereignisse, dass in einer Zeit, wo der Reifrock in mo derner Form wieder auftaucht, wo Herr Hampel in der Vorrede zu seinem neuen Teppichwerke mit besonderer Freude konstatirt, dass unter den vielen Fortschritten, welche in neuerer Zeit im Gartenbau gemacht worden sind, die Teppichgärtnerei in erster Linie verzeichnet werden kann, der runden und eckigen Regelmässigkeit in den Gärten das Wort geredet wird, wie es von dem Architekten Lothar Abel in Wien geschieht, oder der regelmässige Gartenstil verherrlicht wird, wie u. a. durch Herrn Postbaurat Tuckermann in seinem Pracht werk: „Die Gartenkunst der Renaissance-Zeit“ oder durch Herrn von Falke in seinem nicht minder präch tigen: „Der Garten und seine Kunstgeschichte“? Uns fehlt auf landschaftsgärtnerischem Gebiete die Führer schaft eines Fachmannes! Unsere in ausgedehnter prak tischer Tätigkeit stehenden Meister dieser Kunst sind literarisch nicht tätig und fast scheint es, als ob Ar chitekten sich der Führung bemächtigen werden. Er weist es sich denn als unabwendbar, dass der Gärt ner sich mit Zirkel, Winkelmass und Richtscheit aus rüstet und in Pflanzenstuckatur arbeitet, was bleibt dann uns, die wir die Aufgabe haben, den Pulsschlag der Zeit zu fühlen, weiter übrig, als die neue Richtung fröhlich einzuläuten? — Ludwig Möller. Beitrag zur Beförderung des Obstbaues. Von Rudolf Erbe, Kunstgärtner, z. z. in London. Recht erfreulich sind oft die Berichte über den deutschen Gartenbau, wobei die Obstkultur im allgemeinen als rasch sich fortentwickelnd bezeichnet wird, namentlich gilt dies für den Obstbau im grossen, bezw. die Kultur der Hochstämme, deren Produkte hauptsächlich zur Her stellung von Obstweinen, Konserven etc. dienen. Weniger günstige Resultate werden von der Kultur der Form obstbäume berichtet, deren Erzeugnisse als Tafelfrchte in Verbrauch kommen. Es ist dies leicht erklärlich, denn die Kultur der Formbäume verlangt weit mehr Erfah rung, Aufmerksamkeit und Pflege, als die der Hochstämme und stellt sich hierbei der Schnitt als grosse Schwierig keit zuerst entgegen. Wol haben wir eine umfangreiche Fachliteratur, auch werden durch diese die Regeln und wich tigen Operationen des Baumschnittes sehr gut erklärt und durch beigefügte Illustrationen erläutert, wobei auch die verschiedenen zweckmässigen Baumformen eingehend ver anschaulicht werden. Wenn nun die Bäume ohne viel Schwierigkeiten und Umstände so wachsen würden, wie sie in den Büchern so schön abgebildet sind, dann würde die Formbaumzucht mit viel mehr Energie betrieben werden, manche Wand oder Mauer, welche noch unbe nutzt ist, würde mit Obstbäumen besetzt sein. Der Hauptgrund der immer noch geringen Verbreitung der Formobstbaumzucht liegt darin, dass von manchem wol schöne Baumformen gezogen wurden, die Ernten aber viel zu wünschen übrig liessen und die Schuld dann den ungünstigen klimatischen Verhältnissen zugeschrieben wurde, während sie doch in der unrichtigen Behandlung des Fruchtholzes lag. Ueber solche Verhältnisse ist nicht zu staunen, denn wie mag sich mancher bei einer langen Theorie und den vielen Benennungen, wie sie oft unnötig angegeben sind, herausfinden, es wird ihm dann wol wie einem meiner Bekannten gehen, der mir einst mitteilte: „Ja, ich hatte das Werk von .... über Baumschnitt durchstudirt und als ich vor dem Baum stand, wusste ich faktisch nicht, was ich schneiden sollte“. Allgemein bekannt ist ja auch, dass die Ansichten über den Baumschnitt selber oft sehr auseinander gehen; wie kann man z. B. aufstellen, dass die Sommeroperationen, wie das Entspitzen (Pin- ziren) nur zur Bildung des Fruchtholzes dienen, als wenn man die Leitzweige unberührt liesse und im Winter gar nicht auf Fruchtholzbildung schneide, ferner dass Zwerg formbäume nur in den ersten Jahren zu schneiden seien, hernach aber vom Schnitt verschont bleiben müssten; wenn der Schnitt späterhin unterlassen wird, dann sage man auch nicht, dass es Formbäume sind. Wie unklar sind die Ansichten beim Entspitzen (Pinziren). Allgemein heisst es: Birnen werden nur auf 4 Blätter entspitzt, wohin gegen es heissen sollte: Birnen, überhaupt auch alle übrigen Obstbäume sind je nach Verhältniss, Stellung und Beschaffenheit des Fruchtholzes zu entspitzen und es geschieht bei Kernobstbäumen auf 2, 4, 6, 8 oder 10 Blätter, wie es eben die Eigenschaft des Fruchtholzes mit sich bringt. Am verkehrtesten ist diese Entspitzungs- theorie z. B. bei 2 jährigen Fruchtaugen, denn wird hier auch auf 4 Blätter entspitzt, so wird der Saft nach dem Fruchtauge gedrängt, dieses kommt zum Austreiben