Volltext Seite (XML)
Stellvertreters des Führers Rudolf Heß. der mehreren Auffüh rungen beiwohnte. Eingerahmt von einem Gastspiel der Kölner Oper mit Verdis »Falstaff« unter Erich Riedes feinsinniger Stab führung und Aufführungen von »Romeo und Julia« und den »Lustigen Weibern von Windsor« standen im Mittelpunkt die von Saladin Schmitt inszenierten Römerdramen: Titus Andronicus, Coriolan, Julius Cäsar, Antonius und Kleopatra, über deren meisterhafte Wiedergabe die Tages presse des In- und Auslandes bereits ausführlich berichtet hat. Ten Auftakt hierzu gab eine Großkundgebung, bei der der Präsident der Deutschen Shakespeare-Gesellschaft, Prof. W. Teetjen (Weimar), sowie der Gauleiter Josef Wagner und Neichsdramaturg vr. R. Schlösser erneut Deutschlands Bekenntnis zu Shakespeare ablegten und das Wort von dem Rufe nach einem »deutschen Shakespeare« seine Deutung fand. Wenn irgendwann, dann bestätigte sich gerade in diesen Tagen wiederum das schöne Wort Alois Brandts, daß Shakespeare der dauernde Gesandte Englands bei uns sei, aber nicht akkreditiert bei einem einzelnen, sondern beim ganzen deutschen Volke! Das bewiesen nicht nur die Begeisterungsstürme bei den hinreißenden Aufführungen, sondern auch die von Pros. Niessen (Köln) aufgebaute und er öffnet Ausstellung »Shakespeare auf der deutschen Bühn e«, die in Anwesenheit zahlreicher Gäste in der Städtischen Ge mäldegalerie mährend der Festwoche der Öffentlichkeit zugänglich ge macht wurde. Ziel dieser Ausstellung ist es, das unablässige Ringen Deutschlands um den großen englischen Dramatiker in Wort und Szene anschaulich zu machen, vor allem in der Szene, sodaß Prof. Niessen mit Recht von einem »szenischen Kommentar zur Geschichte Shakespeares auf der deutschen Bühne« sprechen konnte, in deren Mittelpunkt darum be wußt der Schauspieler gestellt wurde. Es geht hier nicht um das für den Fachmann und auch manchen Theaterfreund reizvolle stilistische Vergleichen: ein erregender Kampf um die reinste Form der Verleib- lichung dramatischer Dichtungen lebt in der Ausstellung fort und ver leiht ihr eine ungewöhnliche innere Bewegtheit. In zahlreichen Vi trinen finden wir z. T. kostbare und seltene Dokumente, darunter das nur wenig bekannte Manuskript einer singspielhaften Romeo-Be arbeitung des jungen Goethe und eine Skizze zur Gruft szene von seiner Hand, ferner einunddreißig Zeichnungen, Jffland in verschiedenen Momenten des Lear darstellend, weiter eine Zeichnungs folge der Unzelmann als Lady Macbeth, um nur einiges zu nennen, daneben zahlreiche Bilder Tevrients, Kainz' und anderer in Shake speare-Rollen. Eine ganze Kulturgeschichte des deutschen Theaters im Spiegel Shakespeares zieht an uns vorüber, Handschriften und Nollen- bücher, Frühdrucke und Bearbeitungen sowie die lange Reihe der Ein deutschungsversuche von Bork und Wieland über Schlegel-Tieck bis herab zu Josten. Wir selben die stolzen Zeugnisse der Shakespeare-Eroberung von Herder und Goethe und als Gegenspiel Grabbes »Shakespearo- manie«. Nicht weniger bedeutungsvoll und interessant die alten Theater zettel und Beispiele der Wirkung des Dichters ans Oper und Mu- s i.k und schließlich als Beweis der Volkstümlichkeit die Shakespeare- Bilderbogen und zerschlissenen Hefte des Hamlet als P u p p e n s p i e l. Neben diesen mehr literarischen Dokumenten beherrschen jedoch das Gesamtbild weithin die anschaulichen Zeugnisse und Mo delte, von Jmmermanns bahnbrechender »Was ihr wollt«-Jnsze- nierung bis zu der Marburger Freilichtbühne. Bewußt herausgestellt sind auch die Zeichnungen, Figurinen und szenischen Ausarbeitungen Herzog Georgs und der Meininger, neben denen die soge nannte »Meiningerei« und die kunstgewerblichen Auswüchse um die Jahrhundertwende auch die Schatten im Bilde Shakespeares auf der deutschen Bühne nicht verschweigen. Dasselbe gilt von den für sich spre chenden jüdischen Verzerrungen eines »Hamlet im Frack« und ähnlicher Experimente eines Jeßner u. a. Mit Recht hebt ein besonderer B o ch u m er Raum die Arbeit dieser Bühne unter Saladin Schmitt und der Bühnenbildner Johannes Schröder — der auch die Römer dramen szenisch gestaltete — und vr. Mänz hervor. Nicht zuletzt aber galt es auch, die Verdienste der kleinen Provinz- und Wanderbühnen in ihrer hohen kulturtragenden Bedeutung zu würdigen, denn sie gerade schlagen ja die Brücken zwischen Dichter und Volk bis hinab in die kleinste Gemeinde, und gerade der Sinn solchen Wirkens findet seine schönste Bestätigung in den merkwürdigen Zeugnissen des Front- und Gefangenentheaters aus dem Weltkrieg, wo deutsche. Soldaten selbst in Japan Stücke des größten Dichters ihres damaligen Gegners aufführten, weil er ihnen eben wirkliche Herzenssache war. Alles in allem ist diese Ausstellung somit tatsächlich »ein sichtbarer Dank, den wir für deutsche Generationen an Shakespeare und seine Heimat, die ihn gebar, abstatten« (Niessen). vr. Walter Rumps. Rinaldo Rinaldini und die Nachdrucker Ein Beitrag zur Geschichte des Nachdruckes Der Nachdruck — so alt wie der Buchdruck selbst — erlebt in Deutschland im 18. Jahrhundert und in den ersten Jahrzehnten des 19. Jahrhunderts seine große Blütezeit. Der Unterschied zwischen der Frühzeit des Nachdrucks im 15. und 16. Jahrhundert und der späteren Zeit, dem 18. und l9. Jahrhundert, besteht vorwiegend darin, daß anfangs nur der Verlegerdrucker, in der späteren Zeit neben dem Ver leger vor allem auch der Autor, der ausschließlich oder doch bis zu einem gewissen Grade von seinen Honoraren leben mußte, geschädigt wurde. Konnte der Truckerverleger der Frühzeit, wenn er sich durch den Nachdruck seiner Verlagswerke geschädigt sah, leicht Gleiches mit Gleichem vergelten, indem er sich seinerseits — und das taten fast alle Verleger des 15. und 16. Jahrhunderts — unter die Nachdrucker ein reihte, so war der nachgedruckte Autor der späteren Zeit völlig wehr und schutzlos dem räuberischen Unwesen ausgeliefert. Es war für den geschädigten Schriftsteller oder Dichter nur ein schwacher Trost, daß durch den Nachdruck seiner Schriften sein Ruhm gemehrt wurde, spür barer war der in jedem Falle damit verbundene materielle Schaden. Die Erbitterung der Autoren darüber, daß alle ihre berechtigten Klagen ohne Wirkung im Winde verhallten, war maßlos. Man muß sich auch nur einmal vorstellen, was es bedeutete: ein Werk geschrieben zu haben, das dem literarischen Geschmack der Zeit so gemäß war, daß man es überall zu lesen begehrte, und doch nur eine kleine Zahl von Neu auflagen herausbringen zu können, eben weil die rührigen Nachdrucker das Geschäft verdarben. Denn diese konnten bei einfacherer Satz berechnung und schlechtem Papier billiger Herstellen und billiger ver kaufen. Einer dieser Autoren, die die unerfreulichen Wirkungen des Nach drucks am eigenen Leibe zu spüren bekamen, war Christian VuIpius, der Verfasser der einst gierig verschlungenen »romantischen Geschichte« von dem ach, so edelen und ach, so unglücklichen Räuberhauptmann »Rinaldo Rinaldini«, aus der sich bis in unsere Zeit noch das Räuber lied »In des Waldes finstern Gründen...« gerettet hat. Vulpius er lebte nur fünf rechtmäßige Auslagen des »Rinaldini« — gemessen an dessen Beliebtheit eine sehr niedrige Zahl. Alle Bemühungen, für die ältere Zeit das Verhältnis der rechtmäßigen Ausgaben zu den Nachdrucken im Einzelfalle festzustellen, sind aus begreiflichen Gründen stets ungemein schwierig und mühsam, oft sogar ganz erfolglos; auf Vollständigkeit können solche Untersuchungen nie Anspruch machen. Im Falle von Christian Vulpius besitzen wir zwar eine »Biblio graphie der selbständig erschienenen Werke (1762^1827)«, die Wolf gang Vulpius im »Jahrbuch der Sammlung Kippenberg« 1926 ver öffentlicht hat. Aber auch diese ist, wie der Verfasser selbst zugcsteht, trotz allen Anstrengungen und trotz der ihm von vielen Seiten im In- und Ausland zuteil gewordenen Unterstützung »noch lückenhaft«. Sie ist es wohl auch gerade in Hinsicht auf den »Ninaldo Rinaldini«. Denn Wolfgang Vulpius kann davon bis zum Tode des Verfassers nur zwei Nachdrucke verzeichnen, der eine mit dem Vermerk »Leipzig 1800«, der andere soll 1801 ebenfalls in Leipzig erschienen sein, beide ohne Angabe eines Verlegers oder Druckers. Ob diese beiden Nach drucke wirklich in Leipzig herausgekommen sind, ist fraglich, da falsche oder fingierte Ortsbezeichnungen bei Nachdrucken nichts Ungewöhn liches sind. Es ist vielmehr durchaus möglich, daß zumindest der eine von beiden anderswo gedruckt ist. Leipzig als Verlagsort zu nennen, hätte dann deshalb nahegelegen, weil die vorausgegangene erste und zweite rechtmäßige Ausgabe des »Ninaldo Rinaldini« bei Heinrich Gräff in Leipzig erschienen waren, ganz abgesehen davon, daß die Nachörucker gern vom wahren Verlagsort ablenkten. Wir kommen zu dieser Vermutung, weil der besondere Zorn Christian Vulpius', wie wir noch sehen werden, sich gegen einen Ncutlingcr Nachdrncker richtet. Es ist aber auch nicht ausgeschlossen, daß eine weitere, also dritte Nachdruckausgabe tatsächlich in Reutlingen heraus gebracht worden ist, von der Christian Vulpius gewußt hat, die aber heute nicht mehr nachweisbar ist. Wie dem auch sei, jedenfalls ist es eine recht originelle Art der Rache, die Vulpius an seinemNachdruckern nimmt. In eine spätere Auflage seines »Ninaldo Rinaldini« (in die 5. von 1824 z. B., erschienenen Leipzig bei Wienbrackj fügte er eine ur sprünglich fehlende Szene ein, in der sich sein ganzer Zorn gegen die ihm verhaßten Näuber-Nachdrucker Luft macht. Es heißt da nämlich 830 Nr. 243 Dienstag, den Id. Oktober 1V37