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Hohenstein-Ernstthaler Anzeiger : 23.09.1904
- Erscheinungsdatum
- 1904-09-23
- Sprache
- Deutsch
- Vorlage
- SLUB Dresden
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id1841177954-190409231
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id1841177954-19040923
- OAI
- oai:de:slub-dresden:db:id-1841177954-19040923
- Sammlungen
- Zeitungen
- Saxonica
- LDP: Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
-
Zeitung
Hohenstein-Ernstthaler Anzeiger
-
Jahr
1904
-
Monat
1904-09
- Tag 1904-09-23
-
Monat
1904-09
-
Jahr
1904
- Titel
- Hohenstein-Ernstthaler Anzeiger : 23.09.1904
- Autor
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worden. DaS könne gelegentlich jedem Partei, genoffen passieren. Ihm daraus einen Strick zu drehen, sei ungerecht. Unter der heutigen Gesell- schaft-ordnung komme man unter Umständen ohne Protektion auf wirtschaftlichem Gebiete nicht mehr auS. AuS Parteikreisen heraus z. B. sei schon einmal U-sperrureg -ege« ausländische Arbeiter verlangt worden zum Schutze der Existenzbedingungen der deutschen Arbeiter. DaS sei genau dasselbe, wie die Forderung anderer Schutzzölle. Seine An schauungen habe er in langjährigen Studien und Arbeiten sich erworben. Trotzdem lasse er gelten, wenn man mit ihm darüber streite, und beklage ich nicht etwa über polemische Artikel an sich, andern nur über solche, die nicht die Absicht hätten, hn zu belehren, sondern ihn in Mißkredit zu bringen. Er lese diese einfach nicht, dazu sei er auch nicht verpflichtet. Warum spitze man den Kopf jetzt auf einmal so zu, obwohl das Buch schon vor drei Jahren erschienen sei und in der ganzen Zeit nicht der geringste Vorwurf gegen ihn gerichtet worden sei? Von einem Parteigenossen müsse man ver langen, daß er sich dem Rahmen des Parteipro gramm- und der ParteidiSzipli« einfüge und der Partei in ihren Beschlüssen keinen Knüppel zwischen die Beine werfe. Gewiß, aber eS sei doch zu berücksichtigen, daß er seinen Vortrag über die Agrarzölle in kleinerem, geschlossenem Kreise gehalten habe, ohne zu wissen, daß ein Be richt darüber veröffentlicht werden würde. Dos gebe er zu, daß so, wie dieser Bericht erschienen sei, er geeignet sei, eine gewisse Unruhe zu erregen. Die Veröffentlichung sei aber nicht seine Schuld. WaS die Resolution Bebels betreffe, so hätte er erwartet, daß er der Erste sein würde, der nach dem Dresdner Parteitage seinen schlechten Ton vorgeworfen bekäme. (Heiterkeit.) In der Resolution Bebel sei irrtümlich, daß er erst durch die Fraktion gedrängt eine Erklärung abgegeben habe. Erhübe daS sofort freiwillig getan. Warum auch in der Resolution die Festnagelung, daß er seinen Stand punkt in der Agrarfrage von Grund aus gewechselt habe? Das habe er stets zugegeben, weil die von vornherein nicht zu übersehende Entwickelung in dieser Frage die Konsequenzen eben nicht ohne weiteres übersehen lasse. Eine ähnliche Revision werde die Partei bei gebotenen Umständen in manchen Fragen vornehmen, wie es schon oft ge- schehen sei. Sindermann-Dresden greift hierauf Schippel heftig an. WaS die Vertrauensvoten in dem Chemnitzer Wahlkreise betreffe, so seien sie unter eigentümlichen Umständen zustande gekommen. Schippel habe sie zum Teil selbst geschrieben und sich die Leute ausgesucht, die sie einbrachten. Sicher würden die Chemnitzer Genossen jetzt das Verhalten Schippels durchschauen und ihm hoffentlich bald die verdienten Wege zeigen. Bebels Resolution sei viel zu milde. Wer so wie Schippel die Partei verhöhnt habe, gehöre nicht mehr hinein. Bernstein wendet sich hierauf gegen die Bebel- sche Resolution, weil sie nicht das treffe, worauf e- antomme, nämlich, daß Schippels Ansichten theoretisch falsch und zweideutig wären. Die Partei stehe unverrückbar auf dem Standpunkte der Handelsfreiheit, selbst in agrarischer Hinsicht. Dieser Standpunkt müsse vorweg betont werden. Daraus könne man allerdings Schippel keinen Vorwurf machen. Aber wie er seinen Standpunkt verteidigt habe, das sei bedauerlich und insbesondere, was den von ihm angeschlagenen Ton anbelange. Bernstein beantragt Uebergang zur Tagesordnung über den Fall Schippel. (Heiterkeit und Widerspruch.) Paeplow-Hamburg befürwortet die Resolution Bernstein. Man müsse Schippel Gelegenheit geben, seine Fehler wieder gut zu machen. Gensch-Berlin wirft Schippel vor, daß er da durch, daß er die Notwendigkeit der heutigen Zoll politik wissenschaftlich zu rechtfertigen versuchte, den Gegnern der Partei die gefährlichsten Waffen gegen seine Parteigenossen schmiedete. Wie Schippel bei seiner wissenschaftlichen Auffassung von der Zoll frage erklären könne, daß er die Haltung und Taktik der Partei und Fraktion teile, sei dem schlichtenMenschenverstande nicht begreiflich. Schippel hätte selbst sein Mandat als Reichstagsabgeordneter niederlegen müssen, dann konnte er reden und schreiben, waS er wollte. Bebel will mit Schippel reine Bahn machen Bebel betont, daß es sich nicht um Unterdrückung der Meinungsfreiheit handele. Diese bestehe in der Partei wie in keiner anderen. Schippel habe aber Schriften verfaßt, in denen die ganzen gegenwärtigen Gesellschasts- und Wirtschaftszustände gerechtfertigt werden. Wie er als Sozialdemokrat dies tun könne, sei unverständlich. Als das Referat über Schippels Vortrag begann, sei die Fraktion außer sich gewesen. Es herrschte die Empfindung vor, daß Schippel beabsichtige von der Partei loszu kommen, daß er hinausgeworfen werden wolle. Die Angelegenheit hat die Partei ernsthaft be- schäftigt, bevor sie die öffentliche Erklärung gegen Schippel erließ mit der Aufforderung, seine Zoll politik unzweideutig zu präzisieren. Darüber bestand keine Differenz in der Partei. Die Fraktion sei gegen Schippel tolerant im höchsten Maße gewesen. Es sei Schippels Taktik von jeher gewesen, jeder klaren Stellungnahme aus dem Wege zu gehen. Innerlich gehöre er nach allgemeiner Ansicht schon lange nicht mehr zur Partei. Was soll man von einem solchen Manne halten? Wenn Schippel meint, daß seine Artikel nicht hinreichend gelesen würden, so sei ihm zu entgegnen, daß hinreichende Auszüge davon in der gesamten Parteipresse ge standen hätten. Der Parteitag sei zu einem end gültigen Urteil durchaus kompetent, umsomehr als alle paar Jahre ein neuer Fall Schippel die Partei beschäftigen könne. Es sei endlich einmal an der Zeit, reine Bahn zu machen. Wenn die Partei noch mehr solche „Schippels" in den verschiedensten Fragen hätte, dann würde daS den Untergang der Partei bedeuten. v. Elm-Hamburg nimmt dagegen Schippel in Schutz, der nur theoretisch erörtert habe, daß die Agrarzölle vom Standpunkte der heutigen Gesell schaftsordnung berechtigt seien, während er vom sozialistischen Standpunkte aus praktisch auf dem entgegengesetzten Standpunkte der Partei bezw. der Fraktion stehe. Darin liege doch kein Verbrechen gegen die Partei. Abg. Dr. Südekum-Dresden sagt u. a., Schippel sei ein psychologisches Rätsel, das die Partei zu lösen habe, und da die Partei jetzt schon mehrere psychologische Rätsel aufweise, die man nicht zu lösen vermochte, so werde es wohl nichts schaden, wenn man die Sache erst den Instanzenweg gehen lasse und ein Schiedsgericht anhöre, ehe man von Partei wegen darüber beschließe. In seinem Schlußworte sagte Schippel, er wende sich vor allem gegen die Art des gegen ihn ge führten Kampfes. Wenn diese Art aufhören werde, könne er und die Partei immer noch mit einander auskommen. Die Resolution BebelS angenommen. Es folgte dann das Schlußwort Ledebours, worauf in namentlicher Abstimmung die Haupt resolution Bebel mit 234 gegen 44 Stimmen in der vorgelegten Fassung angenommen wurde. Gegen die Resolution stimmten von Vollmar, Bernstein, von Elm, Dr. Südekum, Dr. Grad- naver, Eisner vom „Vorwärts". Die Revisionisten fanden sich also wieder zusammen. Das Amende ment zur Bebelschen Resolution, das diese erheb lich verschärft, fand ebenfalls, allerdings nur mit schwacher Mehrheit Annahme. Damit war der Fall Schippel erledigt. Dann wurde das Mandat des Genossen Fähn drich-Freiburg i. B. für gültig erklärt und um sieben Uhr die Sitzung auf Freitag vertagt. Morgen, Donnerstag, fällt die Sitzung der Helgolandfahrt halber aus. 4- * * Berlin, 22. September. Zu dem gestrigen Beschlusse des Bremer Parteitags schreibt der „Vorwärts" : „So hat nun der Bremer Parteitag den Fall Schippel glücklich überwunden. Es ist einmütig festgestellt, daß niemand das Verhalten Schippels billigt, daß es aber die Lebensfrage der Sozialdemokratie ist, daß die Männer ihres Ver trauens nicht von zweideutiger Unsicherheit in der Aktion sein dürfen. Aber er hat zugleich die Hoffnung nicht aufgegeben, daß Schippel der Partei nicht verloren zu gehen braucht. Auch das war die allgemeine Empfindung, daß es nun genug sei der „Fälle" und der Bremer Parteitag sich ganz und gar erquicklicherer und fruchtbarerer Arbeit hingeben könne." Deutliches und Sächsisches. Hohenstein-Ernstthal, 22. September. *— Ein Patent erteilt wurde dem Besitzer des Logenhauses, Herrn Wilh. Weise, auf die von ihm erfundene Straßenbahnschutzvorrichtung, be stehend aus zwei spitzwinklig zueinander gestellten, entgegengesetzt zur Fahrtrichtung sich drehenden Walzen. *— Zur Beachtung! Für den bevorstehen den Wohnungs-Kündigungstermin ist eine in den „Bl. für Rechtspflege" mitgeteilte landgerichtliche Entscheidung beachtenswert, wonach die Kündigung eines zwischen einem Hauswirt und zwei Ehe leuten gemeinsam geschlossenen Mietsvertrages rechtswirksam nicht vom Ehemann allein erfolgen kann, vielmehr von beiden Eheleuten erklärt werden muß. Schwindcloffcrtc«. Ende vorigen Jahres überschwemmte die Porträtfirma Richard Becker L Cie.-Paris alle Gegenden Deutschlands mit marktschreierischen Offerten, in denen sie den Em pfängern kostenlose Anfertigung lebensgroßer Kohlen stift-Porträts versprachen und als einzigen Gegen dienst die Empfehlung im Bekanntenkreise erbaten. Da selbst mehrere deutsche Zeitungen sich nach dem der Offerte beigefügten Auszug von Anerkennungs schreiben angeblich von der Leistungsfähigkeit der Firma überzeugt hatten, konnte es nicht fehlen, daß viele von dem günstigen Angebot sich blenden ließen, um — hineinzufallen oder sich wenigstens Aerger und Verdruß zu bereiten. Wie verschiedene andere, erbat sich auch ein hiesiger Geschäftsmann die unentgeltliche Lieferung eines solchen Kunst werkes, erhielt aber vorerst nur ein Schreiben, dem zufolge er sich verpflichten sollte, entweder einen Rahmen von der betreffenden Firma zu beziehen, oder, falls er einen solchen nicht wünschte, Porto, Verpackungs- und sonstige Spesen im Betrage von 7,35 Mark zu tragen. Unter Verzichtleistung auf den Rahmen entschloß sich dieser nach langem Drängen — denn man kauft bekanntlich nicht gern die Katze im Sack — das geforderte Geld für die bei der Versendung des Bildes entstehenden Aus gaben zu opfern. Bald darauf erhielt er ein Schreiben von dem „reellen" Geschäftshaus, in welchem ihm mitgeteilt wurde, daß das für ihn angefertigte „lebensgroße" Porträt irrtümlich in einen Rahmen, der sonst nur zum Preise von 35 Mark geliefert werden könnte, eingerahmt und gegen Nachnahme von 9,50 Mark an seine Adresse abgesandt worden sei. Doch auf diesen Leim ging der Besteller nicht; er löste die Nachnahme nicht ein, auch dann nicht, als die Herren Becker 8c Cie. dieselbe auf 5 Mark reduzierten, sodaß ihm schließ lich das Paket ohne weitere Kosten ausgehändigt wurde. Doch nun kam erst die Ueberraschung. Der prächtige Rahmen im Preise von 35 Mark entpuppte sich als ein ganz gewöhnliches, aus vier etwas verzierten und mit Goldbronze übertünchten Leisten zusammengenageltes Machwerk, das kaum einen Wert von zwei Mark hat. Das Porträt selbst ist ein dem Original vollständig unähnliches, verschmiertes Bild, wie es ein Schuljunge, der Halbwegs etwas Zeichentalent besitzt, nicht viel schlechter Herstellen würde. Wenn die Herren Becker L Cie. die Porträts überdies für „lebens- große" anpreisen, dann müssen sich dieselben in dem festen Glauben befinden, daß die Deutschen Liliputaner geworden sind. — Diesem Schwindel ist nicht allein der erwähnte Geschäftsmann, sondern leider eine ganz« Anzahl Hohenstein-Ernstthaler zum Opfer gefallen. Da diese betrügerischen Pa riser Anpreisungen alljährlich vor der Weihnachts zeit wiederzukehren pflegen, seien alle diejenigen davor gewarnt, die sich nicht gern unliebsame Auf regungen, unnötige Schreibereien und Belästigungen auf den Hals laden und event. überdies noch eine ihrer Photographien loS werden wollen. Ueber- haupt sollte ein jeder ausländische Offerten äußerst vorsichtig aufnehmen, da die meisten derselben un lauterem und schwindelhaftem Geschäftsgebahren entspringen, dem bedauerlicherweise schwer zu steuern oder gar nicht beizukommen ist. *— Jllustrationsschwindel. In der „Petersb. Ztg." lesen wir: Die Jagd nach möglichst rascher illustrativer Darstellung der Ereignisse vom Kriegs schauplatz führt — da es ja dabei mehr auf die „Fixigkeit" als auf die Richtigkeit ankommt — zu allerlei Kniffen und Kunstgriffen: Szenen aus dem Türkenkriege werden dem Leser als „Schlacht am Jaluflusse" oder als „Sturm auf Port Arthur" — aufgetischt, oder man macht es wie die „Birshewyja Wedomosti", die ein hochaktuelles Kriegsbild bringen mit der Unterschrift: „Die Ja paner bereiten Deckungen für ihre Infanterie am Ufer des Taitseho vor." Natürlich! Eben ist ja die große Schlacht um Liaujang geschlagen wor den. Eine Kriegsszene daraus wird die Leser ge wiß interessieren — schade nur, daß sich dasselbe Bild ein paar Tage früher in der Leipziger „Illustrierten Ztg." befindet und dort die Unter schrift trägt: „Von den Truppenmanövern: Die Angriffsübung bei Taucha (Sachsen). Das Aus werfen und Ausbauen von Schützengräben und Deckungen durch Pioniere am 25. August" und daß cs sich um ein Manöver sächsischer und preußischer Truppen handelt! (Derartige Klagen über die von Berliner kartographischen Anstalten an die Zeitungen gelieferten sogen, „aktuellen Illustrationen" sind schon vielfach erhoben und durch ebenso drastische Beispiele, wie sie die „Petersb. Ztg." anführt, belegt worden. Aus diesem Grunde haben wir uns auch bisher nicht ent schließen können, den verlockenden Angeboten jener Anstalten zu folgen und unseren Lesern Bilder vor zuführen, die vielfach das „Gemachte" auf den ersten Blick erkennen lassen. D. Red.) * Waldenburg, 21. Septbr. Gestern abend brachten die Schüler des hiesigen Fürstlich Schön- burgischen Seminars ihrem mit Ende dieses Monats von der Anstalt scheidenden langjährigen Musik lehrer, dem Königlichen Musikdirektor Bern hardt Reichardt, einen Fackelzug dar. — Der Schuhmachermeister Schüler hierselbst beging am heutigen Tage in voller Rüstigkeit sein 50jähriges Bürgerjubiläum. Aus diesem Anlasse wurde der Jubilar seitens der Stadtvertrctung durch die Herren Bürgermeister Kretzschmer und Stadtver- ordneten-Vorsteher Geiler in seiner Wohnung be glückwünscht. * Glauchau, 11. Sept. Der hiesige Gewerbe verein hat die Gründung einer Handwerks-Genossen schaft am Platze ins Auge gefaßt. Sein Vorsteher, Apotheker Brox, wird auf dem am 2. Oktober in Lichtenstein stattfindenden Gewerbeverbandstage der erzgebirgischen Gewerbevereine über jene Frage einen Vortrag halten. — Die diesjährige Herbst versammlung des Bezirks Glauchau des König!. Sächsischen Militärvereinsbundes findet am 16. Oktober hier statt. * Hartenstein, 21. Sept. Ein durch Brand stiftung entstandenes Schadenfeuer äscherte am Sonntag abend das Nebengebäude des Gasthofes „Zum schwarzen Adler" völlig ein; der Gasthof selbst, sowie das nebenanstehende König!. Amts gericht blieben trotz der bedrohlichen Nähe des Brandherdes, dank der Bemühungen der Lösch mannschaften, erhalten. * Dresden. 21. Sept. Heute sand, wie der „Dresdner Anz." meldet, eine Sitzung des Vor standes des sächsischen Gemeindetagcs unter Leitung des Oberbürgermeisters Geheimen Oberfinanzrates Beutler statt, in der über die Stellung des Ge meindetages zu der von der Regierung beabsichtigten Gemeindesteuerreform beraten wurde. Man beschloß, in der Zeit vom 23. bis 25. Februar 1905 einen ordentlichen Gemeindetag nach Dresden einzuberusen, der sich lediglich mit dieser Reformsrage beschäftigen wird. Es sollen sechs Referate und die gleiche Anzahl Korreferate über die Regierungsvorlage und die dazu von der Zweiten Ständekammer gegebenen Leitsätze und einzelne besondere Steuerfragen an den Gemeindetag erstattet werden. Ueber diese Referate wird, sobald sie im Entwürfe vorliegen, etwa Mitte Januar n. I. der Vorstand und die Herren Berichterstatter endgültig Beschluß fassen. * Dresden, 21. Sept. Gegen das Militär verbot nahm der Verein der Saalinhaber von Dresden und Umgebung heute in einer Versammlung Stellung. Der Leiter derselben, Herr Gustav Fritzsche, wies auf ein Schreiben des sozialdemo kratischen Verbandes hin, das von den Saalinhabern bis zum 30. d. M. eine Entscheidung darüber fordert, ob sie ihre Lokale den Sozialdemokraten zur Verfügung stellen wollen. Der Verband der Saalinhaber hat daraufhin an das Kriegsministerium eine Eingabe gerichtet, in welcher um Einschränkung des Militärverbots auf die Tage gebeten wird, an denen in einem Lokal sozialdemokratische Versamm lungen abgehalten werden. An ein hierzu von Herrn Adolf Thomas erstattetes Referat schloß sich eine längere Debatte, in deren Verlauf folgende Resolution Annahme fand: „Die am Mittwoch, den 21. Sept. 1904, im „Eldorado" versammelten Saalinhaber sind nicht abgeneigt, allen Parteien ihre Säle zur Verfügung zu stellen, sobald die maßgebenden Behörden ein Entgegenkommen be züglich der Aushebung des Militärverbots zeigen." Dieser Beschluß soll den Sozialdemokraten mit- geteilt werden mit dem Bemerken, daß zunächst die Antwort des Kriegsministers abgewartet werden müsse. Ferner wurde beschlossen, in dem Ginne der Eingabe an das Kriegsministerium auch noch ein Gesuch an das Ministerium des Innern zu richten, da die Zivilbehörden bezüglich deS Militär- oerbots mit den Militärbehörden Hand in Hand gehen. * Dresden, 22. Sept. In ihrer gestrigen Sitzung bedauerte die Dresdener Handelskammer die eigentümliche Haltung der sächsischen Regierung in Sachen des industriellen NotstandStarifeS. Be- rechtigte Erwartungen seien getäuscht und die Industrie durch die Haltung der Regierung schwer geschädigt. Die Regierung habe eine Gelegenheit versäumt, der Industrie ihre Sympathie zu zeigen und ebenso zu zeigen, daß die Selbständigkeit der sächsischen Bahnen noch einen Wert habe. Die schwersten Bedenken fordere aber die verschieden artige Behandlung von Landwirtschaft und In- dustrie heraus. * Waldheim, 21. Septbr. Bei dem Versuch, einen versagten Sprengschuß in einem hiesigen Steinbruch auszubohren, erlitten zwei Arbeiter durch Explosion dieses totgeglaubten Schusses schwere Brandwunden im Gesicht und an den Augen, so daß sich ihre Ueberführung nach der Augenklinik nötig machte. Ein dritter Arbeiter erlitt Ver letzungen an einem Bein. — Eine seltene Feier vollzog sich am Sonntag nach Schluß des Vor mittagsgottesdienstes in der Dorfkirche zu Reins dorf ; drei Katholiken, zwei Frauen und ein Mann, wurden nach gehöriger Vorbereitung in den Ver band der evangelisch-lutherischen Landeskirche aus genommen. Die seierliche Handlung, von Pfarrer Führer in herzerhebender Meise ausgeführt, machte auf alle, die ihr beiwohnten, einen tiefen Eindruck. * Aue, 21. Septbr. Einen Selbstmordversuch unternahm gestern vormittag die auf der Wehr straße wohnende unverehelichte Minna Schmuck. Die Lebensmüde ist eine geistig etwas beschränkte Person und Hal ihren Entschluß, sich das Leben zu nehmen, schon mehrfach geäußert. Gestern ver- schritt sie zur Tat und sprang in der dritten Etage des Hauses zum Fenster heraus auf die Straße. Schwerverletzt wurde sie aufgehoben und in das Stadtkrankenhaus eingeliefert. * Buchholz, 21. Septbr. Die gemeldete Ver giftung durch Pilze nimmt einen glücklichen Aus gang. Sämtliche fünf Personen sind, dank den Bemühungen des Krankenhausarztes, außer Gefahr. Im Interesse der Allgemeinheit sei mitgeteilt, daß die Familie verschiedene der bekannten Mittel an gewandt hat, um festzustellen, ob unter den ge sammelten Pilzen sich giftige Exemplare befänden. Sämtliche Anzeichen, wie das Verfärben einer Zwiebel, das Anlaufen eines Löffels, sind nicht eingetreten. Daraus ergibt sich, daß lediglich eine gute Kenntnis der Pilze vor Vergiftung zu schützen vermag. * Netzschkau i. V, 21. Sept. Dem hiesigen alten Konsum-Verein ging folgender Brief zu: „Ein Ungenannter hat dem Konsum-Verein in früherer Zeit etwas veruntreut, dessen ungefähren Wert derselbe auf zwanzig Mark schätzt. Sein Gewissen läßt ihm keine Ruhe, bis es zurücker stattet ist, was mit dieser eingezahlten Summe, Mark zwanzig in vier Scheinen geschieht." Dem Schreiben entnahm man vier Fünfmarkscheine. * Treuen, 21. September. Zwei bedeutende Schadenfeuer, deren Entstehungsursache zweifellos auf Brandstiftung zurückzuführen ist, ereigneten sich am Montag abend. In Stangengrün brannte das Weichselsche Bauerngut, aus Wohnhaus, Scheune und Schuppen bestehend, gänzlich nieder; in Rempesgrün wurde zur gleichen Zeit die Möckelsche Schiffchenstickerei, aus Wohn- und Fabrikgebäude bestehend, in Asche gelegt. Möckel, welcher versichert hatte, wurden beträchtliche wert volle Warenvorräte mit vernichtet. * Zittau, 21. Sept. In Deutsch-Südwest-Afrika ist der Sohn des Gutsbesitzers Förster im benach barten Mittelherwigsdorf, der Reiter Förster, am 18. September im Lazarett in Okahandja am TyphuS gestorben. Der 22jährige junge Mann, der vorher bei dem Garde du Corps-Regiment diente, hatte mehrere Gefechte gegen die Herero mitgemacht. * Altenburg, 21. Septbr. Im benachbarten Nobitz brannte das Ackermannsche Bäckereigrund stück total nieder, wodurch 4 Familien obdachlos wurden. Zwei derselben hatten leider ihre Habe nicht versichert. Auch dieses Schadenfeuer ist auf das Konto der Brandstiftung zu setzen. Lehrer Kindt tot aufgefunden. Annaberg, 22. Sep». Die alarmierende Nach richt: „Lehrer Kindt ist gesunden l" durcheilte gestern nachmittag unsere Stadt, überall das größte Auf- sehen hervorrufend. Ueber die Entdeckung deS Leich nam? deS seit dem 9. November v. I. Verschwundenen berichtet daS „Annab. Wchbl." folgendes: „Zwei Knaben, Realgymnasiasten, gingen gestern gegen mittag in dem Teile deS StadtwaldeS, der nach der GeyerSdorfec Seite gelegen ist, spazieren, als sie plötzlich etwa 50 Meter unterhalb der dort befind lichen Holzkaue einen Leichnam im dicksten Dickicht hängen sahen. Erschrocken liefen sie za dem Wald wärter, und als dieser kam, konstatierte er an der Taschenuhr, dem Trauring, den dabeistehenden Gummischuhen und dem in der Erde steckenden Spazierstock leicht, daß der Leichnam kein anderer sein könne, als der deS verschwundenen Lehrer Kindt. Der Waldwärter benachrichtigte sofort die Polizei. Inzwischen hatte sich die Kunde mit Blitzesschnelle in der Stadt verbreitet, sodaß schon eine große Menschenmenge die Fundstätte umgab, al» die be hördliche Aufhebung der natürlich sehr entstellten Leiche eifolgte. — Mit dieser unvermuteten Auf findung des freiwillig auS dem Leben Geschiedenen ist von der gesamten Einwohnerschaft, besonder» aber von dec bedauernswerten Familie de» Ver storbenen eine schwere Last genommen. Mochten auch in seiner Familie die letzten Hoffnungen auf eine
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