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Börsenblatt f. d. Dtschn. Buchhandel. Redaktioneller Teil. 125, 19. Juni 1919. Buchbinder eine» um 10°/« höheren Lohn als die Buchdrucker erhalten hätten. Schade nur und recht bedauerlich ist es, das; die Arbeitgeber im B u ch d r u ck g e w c r b e nicht die gleiche Einigkeit zeigten wie die Buchbindereibesitzer. Auch der jungst für das Buchdruckgewerbe gefällte Schiedsspruch hülle von den Buchdruckcreibesitzern schon aus Gründen der Konsequenz abgclehnl werden müssen. Statt dessen ent schied eine kleine Mehrheit für die Annahme des Schiedsspruchs, die im übrigen ihrer entgegengesetzten Meinung durch scharf gefaßte Re solutionen Ausdruck gab. Vertieft man sich in diese Resolutionen, so wird man zu dem Ergebnis gelangen, daß gegenüber diesen entschie denen Worten die Annahme des Schiedsspruchs unerklärlich ist. Die Buchbindereibesitzer erkennen es anderseits als richtig an, wenn seitens der Führung der Arbeitnehmer im Buchbindereigewerbe immer wieder darauf hingewicsen wird, das; die Akkordsätze vielfach im Verhält nis zu der Stundenlohnaufbesserung heute zu niedrig seien und hier durch dem Arbeiter die Freude an der Akkordarbeit verdorben werde. Sie sind aber gewillt, vom 1. Juli d. I. ab für einen Teil der Ar beitnehmer neue Teuerungszulagen von 4 und 8 einzuführen (für Stundenarbciter und Stundenarbeiterinnen). Für Akkordarbciter und Akkordarbeiterinnen werden 25°/, auf die Akkorögrundlöhne zngestan- den. Die festen Teuerungszulagen, die bestehen bleiben, werden von diesem Zuschlag nicht betroffen. Die bisher in den einzelnen Betrieben gewährten Zuschläge sollen angerechnet werden. Es dürfen jedoch die verdienten Wochen- oder Akkordlöhne durch die bisher bewilligten und neueren Zuschläge nicht um mehr als 200"/, des letzten Friedens einkommens gesteigert werden. Hoffentlich findet das energische Vor gehen der Buchbindereibesitzer auch in den übrigen Zweigen des gra phischen Gewerbes recht bald Nachahmung, damit dem ständigen Höher schrauben der Phantasielöhne Einhalt geboten und endlich mit dem so notwendigen Abbau der Löhne begonnen werden kann. Streik der Buchdruckerci-Hilfsarbeiter. — In Berlin sind seit einigen Tagen die Buchdruckerei-Hilfsarbeiter ausständig geworden. Sie verlangen eine abermalige Erhöhung der Teuerungszulagen um wöchentlich 20 Sämtliche Berliner Zeitungen er scheinen nich t. Die Berliner Vuchdruckereibesitzer haben am ver flossenen Sonnabend die ausständigen Hilfsarbeiter entlassen und für das übrige Druckereipersonal einstweilen eine vierstündige Arbeits zeit eingeführt. Falls der Streik noch länger anhält, werden sehr wahrscheinlich alle Arbeiter, auch Setzer und Drucker, entlassen wer den müssen. — In M ü n ch e n haben die Hilfsarbeiter gleichfalls neue Zulagen in Höhe von 20 gefordert und sind nach Ablehnung in den Streik eingetreten. Die Zeit ungs Verleger haben für ihre Be triebe den Forderungen der Arbeiter stattgegeben und dadurch die Einigkeit unter den Buchöruckereibesitzern aufs empfindlichste geschä digt. Die anderen Buchdruckereibesitzer haben den Streik der Hilfs arbeiter mit einer Aussperrung beantwortet. 20 Druckereien haben zudem ihrem gesamten Setzer- und Drnckerpersonal gekündigt. Im allgemeinen wird als feststehende Tatsache angenommen, das; die Streike der Hilfsarbeiter hauptsächlich als Schrittmacher zur Dnrch- drückung weiterer Forderungen der gelernten Arbeiter zu be trachten sind. — Am Mittwoch, den 18. Juni, sind in Berlin wieder die meisten Zeitungen erschienen. Die Feuerversicherungs-Genossenschaft Deutscher Buchdrucker, die vom Deutschen Buchdrucker-Verein am 1. Juli 1899 mit einem von einigen Mitgliedern gezeichneten Garantiefonds von 1 Million Mark ins Leben gerufen wurde, zählte Ende des vergangenen Jahres rund 2000 versicherte Betriebe. Um das Zustandekommen der Genossenschaft haben sich besonders der verstorbene Bnchdruckereibesitzer und Ver leger Julius Mäscr und Generalsekretär Köhler verdient gemacht. Die Versicherungssumme stieg von rund 8 Millionen Mark im Jahre 1900 auf rund 130 Millionen Mark im Jahre 1918. Seit Bestehen der Ge nossenschaft betrug die Gesamteinnahme an Prämien rund 1 200 000 Mark, während die Brandschadcnvergiitnngen nur rund 250 000 Mark erforderten. Nach diesem gewiß günstigen Ergebnis waren zu Scha denvergütungen also nur 20°/, der Prämieneinnahme erforderlich. Schäden durch Explosionen werden von der Genossenschaft ohne be sonderen Prämienzuschlag in die Versicherung eingeschlosscn, des gleichen Gegenstände,- die in einem anderen Raume als in dem im Versicherungsschein genannten sich befinden, also unter die sogenannte Anßenversichernng fallen. Im Hinblick auf die Wertsteigerung aller im graphischen Gewerbe benötigten Roh-, Hilss-, Betriebsstoffe usw. macht die Genossenschaft auf die Wichtigkeit der Nachversicherungen auf merksam. Erfolgen diese nicht, dann werden die Versicherten im Schadensfälle ganz empfindliche Einbußen erleiden. Diese Nachver sicherungen können auch für sich vorgenommen werden, ohne die Hanpt- versicherung bei einer anderen Versicherungsgesellschaft aufzugeben. Bricssendungen nach Riga. — Nach Riga werden gewöhnliche und eingeschriebene offene Bricssendungen jeder Art und Zeitungen auf Gefahr des Absenders zur Beförderung angenommen. Die Sendun gen sind nach den Sätzen des Weltpostverkehrs freizumachen. Personalnachrichten. 75. Geburtstag. — Herr S. Scho ttlaen der in Breslau, bis zum Abbruch der Beziehungen zwischen Deutschland und Griechen land kgl. griechischer Konsul, begeht am 19. Juni seinen 75. Geburts tag, zu dem wir ihm unsere Glückwünsche aussprcchen. Im Jahre 1873 beteiligte er sich an der Gründung der national- liberalen Tageszeitung »Schlesische Presse«, die er 1876 allein über nahm. Anfang 1878 ging die im vorhergegangenen Jahre von Paul Lindau gegründete Monatsschrift »Nord und Süd« in den Schottlaen- derschen Verlag über, in dem sie — mit einer kurzen Unterbrechung — bis zum heutigen Tage verblieben ist. Auch nach der Umwandlung seines Unternehmens in eine Aktiengesellschafr (Schlesische Buch- drnckerei, Kunst- und Verlagsanstalt v. S. Schottlaender A.-G.) im Jahre 1889 ist Schottlaender selbst die leitende und bestimmende Per sönlichkeit darin geblieben. — Sein Name ist mit der literarischen Enl> Wicklung Deutschlands mehr denn ein Menschenalter aufs engste ver knüpft. Tenn die hervorragendsten Autoren des ganzen Zeitraumes, wie Anzengruber, Badenstedt, Felix Dahn, Fontane, Gutzkow, N. v. Gottschall, Wilhelm Jcnsen, Paul Lindau, Max Nordau, Otto Noquette, Richard Voß, Wilbrandt u. a., haben mit dem Verlage in Verbindung gestanden. Die von Schottlaender 1882—88 herausgegebene »Deutsche Bücherei« brachte Arbeiten aus der Feder berühmter Gelehrter und Fachmänner, wie Ebers, Wilhelm Hertz, Wilhelm Lübke, Dietrich Schäfer, Karl Vogt, M. v. Pettenkofer u. a. Insbesondere aber bildete »Nord und Süd« von Anbeginn an den Sammelpunkt für die be deutendsten Kräfte der deutschen Literatur. Außer den bereits ge nannten Autoren des Verlages erscheinen als Mitarbeiter hier Namen wie Ernst Curtius, N. v. Jhering, Wilhelm Roscher, Kuno Fischer, Berthold Auerbach, Emanucl Geibel, Paul Heyse, Hans Hopfen, Lud wig Pietsch. Und seit 1912, unter dem Herausgeber Prof. Or. Ludwig Stein, hat »Nord und Süd« sich auch auf politischem Gebiete eine be achtenswerte Stellung zu erringen gewußt. Überhaupt hat Schottlaender neben jenen »Alten« nicht minder die Vertreter der »jungen« Richtung stets mit Verständnis berücksichtigt und an seinen Verlag herangezogcu. Auch sein jüngstes periodisches Unternehmen, die »Durfmnsikke«, Halb monatsschrift für schlesische Mundart, hat wegen ihrer Verdienste um schlesische Heimatliebe, Heimatschutz und Hcimatknnst schon in kurzer Zeit allseitige Anerkennung gesunden. 70. Geburtstag. — Am 18. Juni vollendete Herr M aximilia n Levy, Seniorchef des angesehenen Vcrlagshauses Levy L Müller in Stuttgart, das 70. Lebensjahr. Er hat im Jahre 1871 mit Wil helm Müller zusammen in Stuttgart eine Verlagsbuchhandlung ge gründet, aus der aber Müller schon im März 1874 wieder ausschied Uber 11 Jahre hat Herr Levy dann das Geschäft, das immer größeren Um fang annahm, allein geleitet, bis er am 1. Januar 1885 Ludwig W. Schwabacher als Teilhaber aufnahm. Dieser trat 1892 wieder aus und übernahm einen Teil des Verlages, während der andere Herrn Levy verblieb. Der Verlag hatte sich bisher auf verschiedenen Ge bieten betätigt — es seien nur genannt: Salomon, Geschichte der deut schen Nationalliteratur, Junkermann, Humoristikum, ein vielgekauftes Buch, Neue Volksbibliothek, die cs auf viele Bände brachte —, jetzt wandte er sich nun mit Nachdruck der Jugendschriften-Literatur zu, die zur Spezialität des Verlages geworden ist und in der er Hervor ragendes geleistet hat. Herr Levy erfreut sich noch heute voller körper licher und geistiger Rüstigkeit und arbeitet unermüdlich in Gemein schaft mit seinen 1918 als Teilhaber eingetretenen Söhnen, den Her ren 7)r. püil. Richard und Erich Levy. Möge ihm noch ein scköner Lebensabend beschicken sein! Gestorben: am 14. Juni in Berlin im 47. Lebensjahre nach kurzer Krank heit an Lungenentzündung und Grippe der Buchhändler und Antiquar Herr Walter Bamberg er aus Hagen i. W. Zuletzt war er bei der Firma Siegfried Feldblum tätig, der er schau vor dem Kriege mehrere Jahre seine Dienste gewidmet hatte. Soweit bekannt, hat der Verstorbene in Hagen gelernt und war dann mehrere Jahre in mittel- und süddeutschen Ge schäften tätig, bis er 1901 nach Berlin kam, wo er verschiedene Stellungen innehatte. Ein Mann von großer Bescheidenheit und umfassendem Wissen ist mit ihm dahingegangen. Berantwortl. Ncb. i. V.: N i ch a r d N l b e r t i. — Verlag: DcrBörsenvcretn der Deutschen Buchhändler zu Leipzig, Deutsches NiEändlerhauS. Druck: Namm L Seemann. Sämtlich in Leipzig. - Adresse der Redaktion und Expedition: Leipzig, Gerichtsweg 28 (Buchhändlerhaus). 504