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Hohenstein-Ernstthaler Anzeiger : 15.07.1904
- Erscheinungsdatum
- 1904-07-15
- Sprache
- Deutsch
- Vorlage
- SLUB Dresden
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id1841177954-190407153
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id1841177954-19040715
- OAI
- oai:de:slub-dresden:db:id-1841177954-19040715
- Sammlungen
- Zeitungen
- Saxonica
- LDP: Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
-
Zeitung
Hohenstein-Ernstthaler Anzeiger
-
Jahr
1904
-
Monat
1904-07
- Tag 1904-07-15
-
Monat
1904-07
-
Jahr
1904
- Titel
- Hohenstein-Ernstthaler Anzeiger : 15.07.1904
- Autor
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In seiner Antwort sagte der Vorsitzende, «an werde später die Untersuchungsrichter hören. Einem der Angeklagten zeigte der Vorsitzende ein bet ihm be schlagnahmte» Bild. Vor einem gehängten Menschen steht ein Mann mit der Krone auf dem Kops und einem Kinde auf dem Arm. Er, wie da« Kind, sind sichtlich erfreut. Die Unterschrift lautet: „Molau« II, nun kann ich im Frieden mit meinem Volke leben!" Der Vorsitzende nannte da« Bild rin« von seltener Scheußlichkeit und fragte, wer der Mann sei. Der Angeklagte antwortete, wahrscheinlich ein Polizist. Der Vorsitzende: Ein Polizist mit der Krone? Ist da« nicht der Zar? Daraus der Angeklagte: Der wird doch nicht sein Kind selbst so hintragen. Ver teidiger Haase wie« darauf hin, daß diese« Bild au« dem „Eimplicissimut" stamme. Kleine Chronik. * Berlin, 14. Juli. Außer dem 1 ^jährigen Söhnchen de« Schlosser« Spallrck werden jetzt in der Charitee zwei weitere Personen behandelt, bei denen eine Erkrankung an schwarzen Blattern zweifellos festgestellt ist. E« sind die» die 41jährige Aufwärterin Antonie Druckbier und der Arbeiter Wilhelm Bürger, 46 Jahre alt. * Berlin, 13. Juli. Der 8 Uhr-Ladenschluß gilt für Berlin als gesichert. Ein Antrag der Geschäftsinhaber sämtlicher Branchen mit Ausnahme der Lebensmittel- und Zigarrenhändler, liegt dem Polizeipräsidenten bereits vor und eS ist zu erwarten, daß die amtliche Abstimmung bald vorgenommen und der 8 Uhr-Ladenschluß in Berlin noch in diesem Jahre eingeführt wird. * Breslau, 13. Juli. Unerhörte Aus schreitungen verübten kroatische Arbeiter, die beim Bahabau Schmiedeberg-LandeShut beschäftigt sind, im Neumannschen Gasthofe zu Haselbach bei LandeS- hut. Ihren eigenen Schachtmeister verletzten sie durch einen Schuß in die Milz lebensgefährlich. Der Wirt Neumann erlitt drei schwere und mehrere leichte Schußverletzungen. DaS Lokal wurde demo liert, Mobiliar und Gefäße zertrümmert. Als sie ihr ZerstörungSwerk beendet hatten, kamen ihnen auf der Chaussee zwei Radfahrer in den Weg. Der eine wurde vom Rade gerissen, mit Schlagringen schwer verletzt und ihm Uhr und Portemonnaie ge- raubt. Dec „Schles. Ztg." zufolge sind einige der Täter bereits verhaftet. * Kiel, 13. Juli. Der Regierungsbauführer Lange beging Selbstmord, indem er sich aus dem Fenster seiner Wohnung im 3. Stock hinabstürzte. Der Unglückliche blieb zerschmettert auf dem Plaster liegen und der Tod trat sofort ein. * Erfurt, 13. Juli. Auf dem Ablagerungs platz der städtischen Müllabfuhr stürzten heute vor mittag beim Müllabladen 2 Arbeiter in eine Kloake und ertranken, ein dritter Arbeiter wurde durch die Gose betäubt; er befindet sich im Krankenhause. * Bitterfeld, 13. Juli. Gestern abend gegen 7 Uhr explodierte in der Trockenkammer der nahe gelegenen Ackermannschen Brikettfabrik Kohlenstaub, wodurch 6 daselbst beschäftigte Arbeiter zum Teil nicht unerheblich verletzt wurden. Aerzlliche Hilfe War bald zur Stelle, und die Verletzten wurden nach Anlegung eines Nolverbandes in daS hiesige KreiSkrankenhouL gebracht. * Hannover, 13. Juli. Hinter der Station UnterlüS an der Strecke Hannover-Homburg ent stand heute fiüh ein Heidebrand, welcher sich im Laufe deS Tages mehrere tausend Morgen weit auSdehnte. Nachmittags mußte aus Celle das 77. Infanterie-Regiment mittels Extrazuges zur Hilfe leistung herbeigeholt werden. * Düsseldorf, 13. Juli. Bei einer Schwimm übung im Rhein, die gestern nachmittag von der 5. Eskadron deS hier garnisoniecenden westfälischen UlanenregimentS Nr. 5 vorgenommen wurde, stieß ein schwimmendes Pferd gegen einen mit Ulanen besetzten Kahn. Dieser kenterte und die Insassen stürzten ins Wasser. Zwei Ulanen ertranken. * Recklinghausen, 13. Juli. Gestern abend 9'/z Uhr erfolgte in den Schächten 3 und 4 der Zeche General Blumenthal eine Entzündung schlagender Wetter: ein Bergarbeiter wurde getötet, 3 wurden schwer, 5 leicht verletzt. Da die BetriebS- und Wetterführung in Ordnung geblieben war, konnten die übrigen Mannschaften ungehindert herausgeschafft werden. Aus der Unfallstelle wurde eine durch Hackenhiebe beschädigte Sicherheitslampe gefunden. Die Untersuchung wurde sofort eingeleitet. * Straßburg i. Els., 13. Juli. Ein blu- tigeS Drama spielte sich gestern in Linthal bei Geb- weiler ab. Ein wegen Mißhandlung von Ver- wandten verurteilter und kürzlich aus dem Gefäng nis entlassener Mann namens Debenaih schoß mit einem Revolver aus seine Frau. Der Schuß ging fehl. Auf die Hilferufe der Frau eilten der Schwiegervater und besten Knecht herbei. Debenath gab auf sie mehrere Schüsse ab. Tödlich getroffen stürzten beide nieder. Der Mörder entkam. * Falkenau in Böhmen, 13. Juli. Heute ist der Mörder deS Gendarmeriewachtmeisters Storm in der Person deS Arbeiter« Franz Fischer verhaftet worden. * Wien, 13. Juli. Gestern erschoß sich hier auS Furcht vor Wahnsinn der Journalist Dr. BoriS MinzeS. In Rußland geboren, wirkte er dort als politischer Agitator, weshalb er das Reich verlassen mußte und sich Bulgarien zuwandte, wo er eine umfangreiche politische und publizistische Tätigkeit entwickelte. MinzeS galt als einer der besten Kenner deS Balkans. * Linz, 12. Juli. In der Nähe deS hiesigen Friedhofes spielte sich ein erschütterndes Familien- drama ab. Ein Fremder hotte in einem Gasthause der Jungwirthstraße mit einer Frau und einem Kinde ein bescheidenes Mahl eingenommen. Kaum hatte er daS Gasthaus verlassen, als er auf der Straße seinen Revolver zog und die Frau mit einem wohlgezielten Schuß in die Schläfe tötete. DaS Kind — ein dreijähriges, bildhübsches Mäd chen — schrie bei dieser Szene laut auf. Ein Schuß in die Brust streckte auch das Kind nieder. Hierauf wandte der Mann die Waffe gegen sich selbst. Er verletzte sich schwer im Gesichte und stürzte zu Boden. SIS Passanten herbeieilten, erhob er sich nochmal« und seuerte in sitzender Stellung einen zweiten Schuß gegen sich ab, welcher da« Auge schwer verletzte. Die Wunden deS Unglück- lichen boten einen schrecklichen Anblick. Eine unge heuere Menschenmenge hatte sich an der UnglückS- stelle angesammelt. Die Leichen der getöteten Frau und deS Kinde» wurden in die Leichenkammer des Friedhofes gebracht, der Mann durch die Freiwillige Rettungsgesellschaft in daS allgemeine Krankenhaus überführt, wo er bisher daS Bewußtsiin nicht ei- langt hat. Nach vorgefundenen Papielen heißt dei Unglückliche Michael Butkowily und ist im Jahre 1863 in Kroatien geboren; die getötete Dame heißt Barbara Friedl und ist au» KöuigSwart in Böhmen. Ueber daS Motiv der Schreckenstat ist nicht« Sicheres bekannt; man glaub«, daß materielle Ursachen daS Drama veranlaßten. * Die Ueberreichuug eines Bittgesuchs an den Kronprinzen Wilhelm gab, wie da» Potsdamer Jntelltgenzblatt mitteilt, Anlaß zu einer dramatischen Szene. Al« der Kronprinz sich gegen 10^ Uhr abend« nach der Kaserne de« 1. Garde-Regtment« zu Fuß zu einer Nachtübung begab, verließ eine elegant gekleidete junge Dame mit einem Kinde auf dem Arm plötzlich eine Droschke und warf sich, eine Bittschrift hochhaltend, vor das Pferd de« Prinzen, diesen laut um Hilfe anstehend. Der Kronprinz hielt sofort sein Pferd an und fragte, das G-such abnehmend, nach den Wünschen der Dame. Diese behauptete nun, daß eine hochstehende Persönlichkeit der Vater ihre« Kindes sei, sich aber darum nicht kümmere, und bat de«halb um Vermitstung. Der Kronprinz sagte zu, die Sache prüfen lasten zu wollen. * Der billigste Bahnhof. Man schreibt der Frks. Ztg.: Nicht in Kamerun, sondern, im Herzen Deutschland« muß man da« Mu ier an Einfachheit in der Anlage eine« Bahnhüf« suchen, in Petriroda -wischen Gotha und Ohrdruf. Der dortige Bahn hof, der noch ganz neu ist, besteht au« Staket mit Tür, einer Laterne, einer Laternenleiter und einem Schilde, da« den Namen der Station bekannt gibt. Da« ist alle«; al« Bahnhofshalle dient da« Himmel»- gewölbe, da« im Süden mit dem Thüringer Walde wtrkung«voll dekoriert ist. Man bedarf hier weder irgend eine« Gebäude« noch irgend eine« Beamten. Trotzdem hat man gleich die Bahnsteigsperre eingeführt. Wenn der Zug kommt, steigt der Schaffner heraus, geht an das Staket, öffnet die Tür und läßt die Reisenden au« Petriroda einsteigen. Wie kommen diese zu Fahrkarten? Hier hat man Temperenzler und Alkoholiker zu unterscheiden Die letzteren haben in dem etwa fünf Minuten entfernten Dorfe die Gastwirtschaft ausgesucht und dort vom Wirt ein Gla« Bier und eine Fahrkarte verlangt. Die Temperenzler läßt man ohne Fahrkarte durch die Stakettür schlüpfen und achtet nur darauf, daß sie sich in Goiha oder Georgenthal ihren Fahrschein nachträglich kaufen. * Das Verschlucken von Kirschsteiuen hat wieder ein Opser gefordert. Im Krankenhause zu Nippe« (Köln) sollte ein Kind infolge Verschlucken« von Kirschsteinen operiert werden, ist aber noch vor der Operation gestorben. * Mit dem Luftballon in den Rhein ge stürzt ist die Luftschifferin Fräulein Käthe Paulus, die dieser Tage vom Schützenhause in Bingen eine Auffahrt unternahm. Einige in der Nähe befind liche Schiffer eilten der kühnen Aöronautin mit ihren Nachen eiligst zur Hilfe und führten den noch aufgeblähten Ballon nach dem linken Rhein ufer zurück. * Soldateusclbstmord. Auf Fort Kamecke in Metz hol sich der Soldat Hesse des 2. bayrischen Fuß-Artilleiie-Regimenis mil einer Platzpatrone ins Herz geschossen und starb sofort. Er war ein tüchtiger Soldat und ausgezeichneter Mechaniker und soll sich wegen einer Lappalie das Ltben ge nommen haben, angeblich, west er von einem Feld webel der Halbinvalidenkompagnie, der ihn dabei betraf, wie er an einem Wege einige Stachelbeeren pflückte, mit Meldung bedroht worden war. * Beim Bootfahrcn ertrunken Aus Roden- kirchen wird berichtet: Drei Personen, die sich in einem Anhängcboote eines Schleppdampfers rheinauswärts ziehen lassen wollten, kamen infolge Kenterns des Anhängebootes umS Leben. * Die verwechselten Liebesgaben. Folgender heitere Z vtschenfall wird in der Südwestasrtkanischen Ztg. au« Okamantangara milgeteilt: Bet der Ver teilung von Licbe«gaben kam infolge eines eigen artigen Zufall« auch eine Kiste an« Tageslicht, die ursprünglich sür Lalesund in Norwegen bestimmt war. Sie war offenbar an Bord der „Darmstadt", al« das Schiff in Äalesund war, übersehen worden und mttgegangen, al« derselbe Dampfer die Truppen nach Swakopmnnd brachte. Beim Oeffnen stell!« e« sich heraus, daß die Kiste Damenwäsche, darunter auch Unterkleidung, enthielt, was beim Vorzeigen allgemeine Heiterkeit erregte. Auch einige Herren- kletdung«stücke besanden sich darin. Diese wurden den Eingeborenen gegeben. Auch Jakob, ein Ueber- läuser von den Herero, erhielt einen vollständigen Anzug und präsentierte sich, der soeben noch ganz nackt gegangen war, von Kops zu Fuß höchst nobel aurstassiert. Die Damenkleidung wurde unter die Bastardsrauen verteilt, die, ihren Männern folgend, die Abteilung begleiteten. * Künstlerblut. Russische Blätter veröffent lichen, wie wir in der Tgl. Rdsch. lesen, den Brief eine« in der Front kämpfenden Offizier«, in dem die folgende Stelle vorkommen soll: „Während unsere« Rückzüge« passierten wir eine Anzahl ver wundeter japanischer Soldaten. Unter ihnen war einer augenscheinlich mit dem Schreiben eine« Briefe« beschäftigt; der schweroerwundete Mann faß in einer Pfütze von Blut und trug einen rasch improvisierten rohen Verband um den linken Arm. Sein Gesicht zeigte Spuren unterdrückter heftiger Schmerzen — vielleicht war e« bereit« der herannahende Todes kampf. Auf seinen Knien, die bedruckte Seite nach unten, war eine zerfetzte Landkarte aurgebreitet, und auf der Rückseite skizzierte er mit einem in Blut getauchten Stöckchen mit großer Sorgfalt und nur ab und zu leise ächzend da« Bild eine« japanischen Infanteristen, der tollkühn ein russische» Feldgeschütz auf einem kleinen Hügel erobert hat . . ." * Rittmeister Jvkoff ist, so wird auS Peter», bürg geschrieben, freiwillig au» dem Leben geschieben. Man wird sich vielleicht noch erinnern, daß nach dem ersten Monat deS Kriege» plötzlich von der Verhaftung eine» Jntendantur-OifizierS gesprochen wurde, der zahlreiche wichtige Geheimnisse an Japan verkauft haben sollte. Man hat niemals gehört, welcher Natur der Verrat JvkoffS gewesen sein soll. In Petersburg hat man sich damal« gescheut, auS- zusprrchen, daß Jvkoff nur da» Opfer weit höher stehender Persönlichkeiten sei, die ihn nach Auf deckung unsauberer Machinationen haben fallen lassen. Jedenfalls ist dieser Mann etwa» anderes, als ein gewöhnlicher Vaterlandsverräter. Deshalb wurde auch seinerzeit die bekannt gegebene Urteil». Verkündigung g gen Jvkoff (angeblich 20 oder 25 Jahre Zwangsarbeit) in eingeweihten Kreisen un gläubig ausgenommen. Jetzt kommt die Mitteilung vom Selbstmorde JvkoffS. Der Mann muß einen ungeheueren Mut besessen haben, denn die Art seines Selbstmorde« gehört zu den schmerzhaftesten, die eS nur geben kann. Mit der Nadel, die seine Kra watte hielt, hat er sich die Schlagadern geöffnet, um sich langsam verbluten zu lassen. Jvkoff war in elner Zelle der Peter und Paul-Festung unter- gebracht. Er muß einen furchtbaren Todeskamps durchgemacht haben, da der Tod erst Stunden nach der Beibringung der Wunden kintrat. Damit ist die letzte Möglichkeit geschwunden, daß jemals Klarheit in diese rätselhafte Verratsgeschichte kommt. Schloß Altenstein. Roman von M. Lautner. 31. Forts. (Nachdruck verboten.) Und all ihre Liebe und Anhänglichkeit an die alte Heimat, die nun für immer ihr Eigentum war, beschäftigte sie in neuerwachtem Interesse für diesen Besitz. Inspektor Hübner, der langbewährte, treue Diener der Familie, in dessen Hand seit deS Freiherrn Tode die ganze Leitung und Verwaltung der großen Herrschaft uneingeschränkt lag, sand eine Menge Fragen zu beantworten und hatte Mühe, die Wißbegierde seiner jungen Gebieterin zu befriedigen. In alles wollte sie eingeweiht sein, von allem Kenntnis haben; auf seinen Runden durch die Wirlschaslshöfe und Fabrikanlagen und später, als bei wärmerem Welter die Feldbestellung begann, aus seinen weit-ren Ausflügen zu Pferde war sie j.-tzt oft seine Begleiterin und setzte den alten Herrn nicht selten in Erstaunen, sowohl durch ihren richtig trrffenden Blick, wie durch die schnelle Fassungs- gäbe, welche sie in diesem dem Wirkungskreis einer jungen Dame so gänzlich fernliegenden Bereich be kundete. Kurt war ein seltener Gast geworden in Nltenstein. Er machte nur dann und wann, wenn die Etikette und seine nahe verwandtschaftliche Stellung eS er- heijchlen, den Damen einen Besuch. Von einem ungezwungenen Verkehr, wie er unter anderen Veihältniffen so naher Nachbarschaft natür lich gewesen wäre, konnte selbstverständlich keine Rede sein. Die Worte, welche ihm Erna damals ins Gesicht geschleudert, brannten wie Flammevschrift in seiner Seele. Und Erna selbst konnte sich seit der Verhängnis- vollen Stunde, welche über ihr Schicksal entschieden, eines leisen Unbehagens nicht erwehren, jo oft sie daran dachte, daß sie ja eigentlich seiner Großmut verdanke, was sie besaß. Sein uneigennütziges Zurücktreten allein hatte ihr die Heimat erhalten, ein Wort von ihm hätte sie hinaustreiben können, in eine unbekannte Welt und er hatte dies Wort nicht gesprochen, hatte die Hand nicht ausgestrecki, um zu ergreifen, was man ihm bot. Wo wäre sie wohl jetzt, wenn seine Antwort damals anders gelautet? Freilich mußte sie sich sagen: er konnte nicht anders, nachdem sie seine Liebe zurückgewiesen. Es wäre unwürdig eines Ehrenmannes gewesen, ihren Besitz zu nehmen, da er doch wußte, daß sie selbst sich ihm verweigerte. Und doch hatte sie ihm das zugetraut; ja, hatte eS sicher erwartet. Nun, da er wie ein Gentleman und nicht wie ein Wicht gehandelt, konnte sie ihm ihre Anerkennung nicht versagen, so gern sie's auch gewollt hätte. Sie Halle sich in eine solch blinde Abneigung gegen ihn hineingelebt, daß sie nur mit Wider streben an eine gule, eine ehrenhafte Seite in seinem Cha.alter glauben konnte. Vor dem Gedanken an ein Wiedersehen bebte Erna zurück, wie vor etwas Schrecklichem, Ungeheuer, lichem, aber gerade weil sie es fürchtete, dachte sie daran, malte sich's aus und verluchte darüber in's Klare zu kommen, wie sie selbst bei einer solchen Eventualität sich verhalten sollte. Indessen verging ziemlich lange Zeit, ehe sie in diese Verlegenheit kam. Ihr Vetter war damals mehrere Wochen fort- geblieben, sein Aufenthalt in Ungarn halte sich bis kurz vor Weihnachten ausgedehnt und als er endlich zurückkam, machte er durchaus keinen Versuch, sie zu sehen. Der Zufall führte sie dann einmal bei Fuller» zusammen, doch war der Kreis, in welchem sie sich trafen, groß genug, um ein gegenseitige» Vermeiden in unauffälliger Weise zu ermöglichen. So ging es besser, als Erna bei dem ganz un vernünftigen Herzklopfen, da» sie bei seinem unver muteten Eintritt befiel, hoffen durfte. Auch ihm war einen Moment lang alle» Blut zum Herzen gedrängt, als er sie wiedersah; aber er ärgerte sich über eine solche Schwäche und schalt sich einen Toren. Sein Stolz hatte zwar auf» neue einen Kampf zu bestehen, auS dem er aber doch al» Sieger hervorging. Freilich war eS nicht leicht, sich als solchen zu behaupten; die mühsam erkämpfte Festigkeit drohte oft genug zusammenzubrechea vor einem Blick oder Lächeln de« reizende» Mädchen». Dazu kam noch, daß Erna ihre Abneigung gegen den Vetter allmählich nicht mehr so schroff zu Tage treten ließ, wie früher; mochte ihr dir» jetzt, da die leidige Angelegenheit ein für allemal au» der Welt geschafft war, nicht mehr der Mühe lohnen, oder sah sie ihn au» demselben Grunde jetzt mit anderen Augen an, genug, sie begegnete ihm nicht mehr so abstoßend, al« sie die» sonst getan und ihre ursprüngliche Heiterkeit brach sich Bahn auch in seiner Gegenwart. Nur eine gewisse Befangenheit konnte sie nicht unterdrücken, so oft sie mit ihm zusamwenkam, die sie ihm aber um so reizender erscheinen ließ. (Fortsetzung folgt.) Ohm Krüger Clarens (Kanton Waadt), 14 Juli Der frühere Präsident von Transvaal, Krüger, ist heute Nacht gestorben. Stephanus Johannes Paulus Krüger war 1825 geboren. Zum Präsidenten der süd afrikanischen Republik gewählt, schloß er 1897 und erneuerte 1899 das Schutz- und TrutzbündniS mit dem Oranjestaat, das aber den Untergang der Republiken in dem am 9. Oktober 1899 be gonnenen, durch mehrere Jahre sich hinziehenden Krieg mit den Engländern nicht verhindern konnte. Sein Weib starb, ohne daß er an ihrem Todeslager weilen durfte. Krankheiten schwächten neben dem Schmerz über daS Schicksal seines Volkes den alten, an Strapazen gewohnten Körper, aus dem der Kopf eines der bedeutendsten Diplomaten saß, den selbst ein Bismarck hoch schätzte, und beschleunigte seinen Tod. Neueste Nachrichten und Depeschen vom 13. Juli. Berlin. Die Ernennung Mykiphorows zum bulgarischen Gesandten in Berlin erfolgte auf Wunsch Kaiser Wilhelms, der auf einen bulgarischen Vertreter Wert legte. Crossen a. d O. In dem benachbarten Tschausdorf brach gestern mittag eine große Feuersbrunst aus. Sechs Wohnhäuser, etwa 30 Scheunen und Stallungen sind niedergebrannt, auch ist viel Vieh in den Flammen umgekommen. Wien. In Lemberg wurde der Philosoph Michael Lozinski unter dem Verdacht des Hoch verrats verhaftet. Wien. Die Dynamitattentate auf die Orient bahn riefen im Zildiz-Kiosk große Aufregung her. vor, und beunruhigten den Sultan sehr. Man befürchtet eine baldige Wiederholung der Attentate. Der österreichische und der russische Geschäftsträger in Sofia teilten der dortigen Regierung mit, daß nach ihnen zugegangenen Nachrichten neue Attentate gegen die aus Europa kommenden Züge geplant seien. Die Türkei beabsichtigt, die Grenzmaßregeln gegen Bulgarien zu verschärfen. Diplomatische Kreise halten ein bulgarisch-türkisches Abkommen für gescheitert. Budapest. Bei einem Brande in Bodony kamen 5 Personen in den Flammen um, 150 Per sonen trugen Verletzungen davon. Paris. Das Parlament wird erst im Oktober wieder zusammentreten. Mit dem Abg. Lasies kam ein Zwischenfall vor, indem er das Wort ver langte, um einen Antrag zur Schließung der freien Schulen einzubringen. Kammerpräsident Brisson lehnte es ab, ihm hierzu das Wort zu erteilen. Der Abg. Lasies bezeichnete hierauf den Präsiden ten als einen alten Bonapartisten. In den Wandel gängen der Kammer erklärte Brisson sich sehr ent rüstet und versicherte, er hätte erforderlichenfalls den Abg. Lasies mit Gewalt aus dem Parlament entfernen lassen. Zwischen den Abg. Klotz und Prossencö kam es zu einem heftigen Woriwechsel, welcher ein Duell zur Folge haben wird. Paris Der Bey von Tunis wohnte gestern abend mit dem Präsidenten Loubet einer Gala vorstellung in der Oper bei. Vlisfingen Zur Bewillkommnung des deutschen Geschwaders traf gestern der Vizeadmiral van Nees ein. Am Freitag gibt der Marineminister den deutschen Offizieren ein Diner, an dem auch der deutsche Gesandte von Schlözer teilnimmt. Am Montag ist für die deutschen Offiziere und einzelne Mitglieder der deutschen Kolonie ein großer Lunch angesetzt, worauf die Teilnehmer sich mittels Extra zuges nach Schloß Loo begeben werden. Am 19. Juli fährt die Flotte ab. Auf ihrer Fahrt nach Holland wird sie an der Küste entlang fahren, um den in Ostende mellenden König Leopold zu begrüßen. Loudon. Die „Times" melden aus Peking: In dortigen japanischen Kreisen hat das Telegramm des deutschen Kaisers an das Wyborgsche Regiment große Entrüstung hervorgerufen. Petersburg. Die gestrige Verfügung der Kommission gegen die Pestgefahr bestätigt die Be fürchtung wegen Einschleppung der Cholera. Es wird deshalb eine strenge Kontrolle des Schiffs verkehrs auf dem kaspischen Meere herbeigesührt und die Grenze nach dem Kaukasus geschlossen, bis auf 4 Stellen, wo ärztliche Kontrollen errichtet werden. Newyork Ein Telegramm aus Manila be richtet, daß ein heftiger Zyklon San Juan del Monte zerstört hat. 200 Personen sollen um gekommen sein. Der Schaden wird auf zwei Millionen Dollar geschätzt. Der Regen, welcher sich nach dem Zyklon einstellte, dauerte ununter brochen 27 Stunden. Chicago. Außer den 50 000 Packern der Konservenfabriken sind noch 30 000 andere Arbeiter in den Streik getreten. Die Preise für Konserven sind bereits im Steigen begriffen.
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