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Hohenstein-Ernstthaler Anzeiger : 23.06.1904
- Erscheinungsdatum
- 1904-06-23
- Sprache
- Deutsch
- Vorlage
- SLUB Dresden
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id1841177954-190406231
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id1841177954-19040623
- OAI-Identifier
- oai:de:slub-dresden:db:id-1841177954-19040623
- Sammlungen
- Zeitungen
- Saxonica
- LDP: Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
-
Zeitung
Hohenstein-Ernstthaler Anzeiger
-
Jahr
1904
-
Monat
1904-06
- Tag 1904-06-23
-
Monat
1904-06
-
Jahr
1904
- Titel
- Hohenstein-Ernstthaler Anzeiger : 23.06.1904
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zwei Minister: Bogoljepow (Unterricht) und Sipjägin (Inneres). Auf Gouverneure wurden Verbrechen verübt in Ufa auf den Generalgouverneur Bozdanowitsch, der getötet ward, Fürst Galitzin, Generalgouverneur des Kaukasus, ward schwer am Kopfe verletzt, leichter verwundet wurden General von Wahl in Wilna, Fürst Obolenski in Charkow. Der einflußreichste Mann Rußlands, Pobedonogew, Oberproturator des heiligen Synod, blieb von einer Kugel verschont, die ein Fenster seines Arbeits zimmers zerschmetterte. Ebenfalls unversehrt blieb Baron Korff, Gouverneur von Lomscha. Dazu kommt nun Bobrikow, der Generolgouverneur von Finnland. Aber auch diese Liste ist noch nicht vollständig, denn man behauptete, der erste Minister des Auswärtigen unter Nikolaus H., der nach dem Besuch von Wien plötzlich starb, sei ermordet worden. Etwas Zuverlässiges ist darüber aber nie an die Oeffentlichkeit gedrungen. Der Mörder des Generalgouverneurs Bobrikow, der in seinem hinterlassenen Briefe ganz offen er klärte, er habe sein Vaterland von einem Tyrannen befreien und den Zaren auf die Mißwirtschaft in Finnland aufmerksam machen wollen, hat sich augen scheinlich seit Jahren auf sein Verbrechen vorbereitet. Eugen Waldemar Schaumann war als Sohn eines finnländischen Senators 1875 geboren. Als Student zeigte er schon ein verschlossenes Wesen und trieb seit langen Jahren eifrig Pistolenschießen. Zu seinem Entschluß hatten ihn zugleich politische und persönliche Gründe bestimmt. Er war bei jeder Maßnahme und Agitation gegen die Russi- fizierungs-Maßnahmen beteiligt und im Frühjahr 1902 bekam er bei den Tumulten auf dem Markt platz in Helsingfors die Kosakenpeitsche zu fühlen. Er zog ein Messer und verwundete mehrere An greifer. Von seinem Plan hatte kein Mensch eine Ahnung. Oertliches und Sächsisches. Hohenstein-Ernstthal, den 22. Juni. * — Der Juni-Ausgang bringt drei — je nach der Gegend — für die Bevölkerung aus mehr fachen Gründen immer noch in hoher Bedeutung stehende Tage: den Johannistag, den Siebenschläfer und Peter Paul. Der Johannistag ist von der christlichen Kirche bekanntlich an die Stelle der alten heidnischen Sonnenwendfeier gesetzt, die bei unseren Vorfahren in außerordentlichem Ansehen stand und an die sich allerlei geheimnisvolle, noch heute in vielen Gebirgsgegenden fortlebenden Gebräuche knüpfen. Der Siebenschläfer hat viel von seinem Angst-Renommee, daß es sieben Wochen regne, wenn es an diesem Tage Regen gebe, ver loren. Es hat schon oft am Siebenschläfer ge regnet und blieb nachher trocken, während umgekehrt einem trockenen 27. Juni viele nasse Tage folgten. Der Peter Pauls-Tag gilt in der katholischen Kirche als hoher Feiertag. * — Sein 25jährigeS Amtsjubiläum feierte heute Herr Pfarrer Albrecht hier. Der Jubilar wirkt, nachdem er vorher in Gera und in Unter koskau im Reußischen geistliche Aemter bekleidet und 10 Jahre als Pfarrer in Crossen bei Zwickau amtiert, seit nunmehr 14 Jahren zum Segen der Gemeinde an der St. Christophorikirche als Pfarrer. Dem beliebten Seelsorger wurden anläßlich seines Jubiläumstages vielfache Ehrungen zuteil. * — Der Bezirkslehrerverein Hohenstein- Ernstthal hält Sonnabend, den 2. Juli, nachm. 5 Uhr im Gewerbehause seine nächste Versammlung ab. Die Tagesordnung lautet: 1. „Geistige Ent wicklungsgesetze und Unterricht", Vortrag des Herrn Seminaroberlehrers Dr. Seyfert, Annaberg. 2. Ge schäftliches, Eingänge und innere Vereinsangelegen heiten. * — Am 1 Juli tritt wieder ein neues sozialpolitisches Gesetz in Kraft Die Gewerbe- Inspektionen weisen darauf hin, daß am genannten Tage die für die Werkstätten der Kleider- und Wäsche-Konfektion zum Schutze der Arbeiterinnen und jugendlichen Arbeiter erlassenen gesetzlichen Vorschriften auch für die Gewerbebetriebe (selbst die kleinsten sind dabei nicht ausgenommen) in Kraft treten, in welchen Frauen- und Kinderkleidung auf Bestellung nach Maß angefertigt oder bearbeitet wird, oder in welchen Frauen- und Kinderhüte be setzt (garniert) werden. * — Wareuzeichcnschutz. Im kommenden Herbst erfüllen sich zehn Jahre seit Bestehen dieser Schutzart, demgemäß laufen auch zum ersten Male Warenzeichen ab, da dieselben immer auf 10 Jahre gelöst werden. — Wer sein Zeichen seit 1894 be sitzt und weiter zu sichern wünscht, muß es bis zu gedachter Frist erneuern. — Nicht erneuerte Zeichen werden für den allgemeinen Gebrauch frei. Aller dings behält der frühere Inhaber noch zwei Jahre lang das alleinige Recht, erneuert um Schutz für das Zeichen nachzusuchen, doch hat er dann mit dem üblichen Prüfungsverfahren zu rechnen. * — Jahresfest. Der Chemnitzer Kreisverband der evangelisch-lutherischen Jünglings- und Männer vereine wird am Sonntag, den 3. Juli d.J., sein Jahresfest in Rußdorf bei Limbach feiern. Nach mittags 2 Uhr wird ein Festzug durch den unteren Teil des Dorfes nach dem Gotteshause stattfinden, wo */,3 Uhr der Festgottesdienst beginnt. Die Festpredigt hat Herr Pastor Günther aus Hohenstein-Ernstthal übernommen. Nach dem Gottesdienste werden sich die Teilnehmer in festlichem Zuge durch den oberen Teil des Dorfes unter Nurantritt der Posaunenchöre nach dem Richterschen Gasthof begeben, wo '/,5 Uhr die Festversammlung ihren Anfang nehmen soll. Hierbei wird Herr Pastor Oertel-Chemnitz als Kreispräses die Begrüßungsrede und Herr Ephoralhilfsgeistlicher lüe. Wustmann-Chemnitz eine Ansprache halten. Das Programm für die Festversammlung weist ferner noch Posaunen- und Gesangsvorträge (Männerchöre), sowie eine Theateraufführung, „Jünglingsvereinler daheim und draußen", deutsch- asrikanisches Zeitbild in drei Aufzügen von Pastor Ackermann-Limbach, auf. Alle Freunde der Jüng lings- und Männervereinssache find zu diesem Jahresfest herzlichst willkommen. * — Landesverband sächsischer Hausbesitzer- Vereine. Der jetzt 95 Vereine mit 26 843 Mit gliedern zählende Landesverband sächsischer Haus besitzervereine nahm am Sonntag in seiner sechsten ordentlichen Hauptversammlung zu Leipzig nach stehende Resolution einstimmig an: „Der in Leipzig tagende Verband der sächsischen Hausbesitzervereine hält den Erlaß eines Gemeindesteuergesetzes nicht für nötig, weil die steuerlichen Verhältnisfe der einzelnen Gemeinden zu verschiedene sind. Falls aber die Regierung dennoch zu einer solchen Ge setzgebung verschreiten sollte, hält die Versammlung es für erforderlich, daß 1. schon bei der Vorberatung des zu erwartenden Gesetzentwurfs im Schoße der Regierung die Vertreter einzelner Stände, soweit sie durch gewisse Steuern besonders berührt werden, mit hinzugezogen werden; namentlich gilt dies hin sichtlich der Grundsteuer für den schon jetzt stark belasteten Grund- und Hausbesitzerstand; 2. daß der fertiggestellte Gesetzentwurf so zeitig zur Ver öffentlichung gelangt, daß er im Lande besprochen und Wünsche rechtzeitig an den Landtag gerichtet werden können; 3. eine gemeindliche Vorbelastung des Grundbesitzes läßt sich nach den Grundsätzen der Gerechtigkeit nicht begründen und spricht des halb der Verbandstag die Hoffnung aus, daß in dem künftigen Gemeindesteuergesetz eine zwangs weise Einführung von Gemeindegrundsteuern nicht vorgesehen werde; 4. die Einführung von Zuwachs steuern bedeutet einen gefährlichen Schritt in den Zukunftsstaat hinein, mit dem die bürgerliche Ge sellschaft nicht einverstanden sein kann, und die daher abzulehnen ist; falls die Königl. Staats regierung demnach zu einer Zuwachssteuer greifen sollte, muß auch jeder andere unverdiente Wert und Vermögenszuwachs besonders versteuert werden; 5. die vorstehende Resolution ist der Königl. Sächs. Staatsregierung zur geeigneten Berücksichtigung zu unterbreiten." — Erwähnt sei noch, daß als Vor ort für die nächsten drei Jahre Chemnitz wieder-, sowie als Versammlungsort des nächstjährigen Verbandstages Zwickau gewählt wurde. Hj Gersdorf, 22. Juni. Bei dem gestrigen Gewitter fielen hier Schloßen in Größe eines Taubeneies, überall mehr oder weniger Schaden anrichtend. Zweige nebst Obst sind vielfach von den Bäumen abgeschlagen worden; auch Garten- und Feldfrüchte haben strichweise sehr gelitten. Die Fensterscheiben an Gebäuden sind indeß, da das Schloßenwetter nicht von heftigem Wind begleitet war, verschont geblieben. — Auf dem Festplatz des Gasthofes zum „blauen Stern- hat der bekannte Zirkus „Bavaria" aus München, welcher ca. 1200 Personen faßt, Aufstellung genommen und wird am Mittwoch, Donnerstag und Freitag hier Vor stellung geben. * Neukirchen, 22. Juni. Gestern vormittag bis nachmittags wurde hier eine Treibjagd auf die Kuh veranstaltet, die dem Viehhändler Pinkus in Neustadt vor mehreren Tagen entlaufen war. Die Kuh, welche in den Feldern ziemlichen Schaden angerichtet hat, konnte jedoch hier nicht gefangen werden, sondern erst in Stelzendorf. * LaugcnchurSdorf, 21. Juni. Der hiesige Dorfweg wird wegen Massenschüttung auf der Strecke von der Gustav Gränz'schen bis zur Heinrich Stiegler'schen Schankwirtschaft von heute bis mit 27. dieses Monats für den gesamten Fährverkehr- gesperrt und letzterer über Callenberg verwiesen. * Glauchau, 21. Juni. Bei dem heutigen Königsschießen der hiesigen Schützengesellschaft er rang die Königswürde Herr Dachdeckermeister Thalacker mit 2 Nageln 19 Ringen. — Der für Donnerstag, den 23. Juni, hier in Aussicht ge nommene Viehmarkt kann mit Rücksicht auf die hierorts ausgebrochene Maul- und Klauenseuche nicht stattfinden. * Zwickau, 21. Juni. Die Auslieferung des in Monte C arlo aufgegriffenen Sparkassenverwalters Colditz, der der Gemeinde Niederplanitz bekannt lich 38 000 Mark unterschlagen, bezw. gestohlen hatte, ist genehmigt. Colditz' Transport nach hier ist bereits im Gange. * Thurm, 21. Juni. Lebensgefährlich verletzt wurde der Putzer Arno Hertel von hier in einer Zwickauer Fabrik. Er erlitt Kopfverletzungen und Unterkieferzertrümmerung. * Crimmitschau, 22. Juni. Bei großer Schwüle entlud sich gestern nachmittag 3 Uhr ein Gewitter, das von einem 6 Minuten währenden Hagelschlag begleitet war, wodurch in Garten und Feld und an Bäumen großer Schaden angerichtet wurde. Auf dem Weg, welchen das Unwetter ge nommen, ist das Getreide vollständig geknickt und zum Liegen gebracht, Kraut- und Kartoffelfelder sind zerschlagen, die reiche Obsternte ist zum großen Teile vernichtet. Hart mitgenommen wurden die Gärtnereien, in denen die Mistbeet- und Gewächs hausfenster sowie die Pflanzungen zerschlagen wurden, ebenso wurden viele Bodenfenster in den Häusern zertrümmert. Durch das Donnern und Prasseln der Hagelkörner wurden die Pferde eines Lastwagens scheu und gingen durch, sodaß mehrere Ballons mit Salmiakgeist vom Wagen fielen und zerbrachen. * Dresden, 22. Juni. Ihre Königl. Hoheit die Prinzessin Mathilde begab sich gestern abend, begleitet von der Hofdame Freiin von Gärtner und dem Kammerherrn Grafen Wilding von Königs brück auf eine mehrwöchige Reise über Ems, wo sie mit Sr. Majestät dem König zusammentreffen wird, nach Südfrankreich. Später wird die Prin zessin mit ihrem Vater in Gastein einige Zeit ver leben. — Prinz Johann Georg tritt morgen Donnerstag die geplante Reise nach Sigmaringen und Gmunden an. Der Prinz lebt seit dem Tode seiner Gemahlin in tiefster Zurückgezogenheit. * Pirna, 21. Juni. Die Strafsache, in der Bellmann Vater und Sohn in Sayda, der dortige Gemeindevorstand und ein Vizefeldwebel der Ober- Ersatzkommission zu Freiheitsstrafen verurteilt wur den, hat am Sonntag auch die Verhaftung des hiesigen Bezirksfeldwebels Adam und des Sekretärs Clauß von der hiesigen Amtshauptmannschaft zur Folge gehabt. * Leipzig, 21. Juni. Immer mehr wird jetzt bekannt, in welch hochherziger Weise die verewigte Frau Sidonie verw. Gröppler ihr großes, mehrere Millionen betragendes Vermögen milden Stiftungen zugewendet hat. Außer den bereits früher ge nannten Zuwendungen vermachte sie noch: dem Verband für kirchliche Gemeindepflege in Leipzig 150000 Mk., der Vereinigung zur Fürsorge für kranke Arbeiter 70 000 Mk., dem Palmengarten 50 000 Mk., der Gemeinnützigen Ballgesellschaft 50 000 Mk. und dem Kgl. Konservatorium der Musik 30 000 Mk. * Zeithain. Zu unbesonnenen Handlungen hat sich der Landwehrmann Seiler aus Leipzig, der jüngst eine Uebung beim Reserve-Jnfanterie- Regiment abzuleisten hatte, Hinreißen lassen. Er beleidigte einen Zahlmeister-Aspiranten wörtlich und tätlich und riß ihm im Handgemenge eine Achselklappe ab. Hinzukommende Kameraden bändigten den Wütenden. Da der Zahlmeister- Aspirant dem Manne das Seitengewehr entrissen hatte, so war es nicht schwer, seine Persönlichkeit festzustellen, obwohl er sich ein anderes Seitenge wehr verschafft und sich auch den Bart hatte ab nehmen lassen. Am letzten Freitag wurde er in das Militärgerichtsgefängnis nach Leipzig trans portiert. * Lommatzsch, 21. Juni. Die Frau eines hiesigen Arbeiters versuchte sich an einem Bind faden aus dem Fenster ihrer in 2. Etage gelegenen Wohnung hinab in den Hof zu lassen; hierbei riß der Faden und die Frau stürzte ein Stockwerk hoch hinab in den Hof. Die erlittenen Verletzungen der Frau sollen nicht lebensgefährlich sein. Die Frau hat das verhängnisvolle Experiment nach einem Streit mit ihrem Ehemann begangen. * Laufigk, 22. Juni. Gestern nachmittag in der 5. Stunde überzog die hiesige Gegend ein furchtbares Gewitter, das hier mit starkem Sturm, Regen und Graupeln auftrat. Weiter nach Hopf garten, Ebersbach, Tautenhain und Geithain zu hagelte es aber so furchtbar, daß Eisstücke in der Größe von Hühnereiern in Menge noch lange Zeit die Erde bedeckten und an Beeren, Obst, Gemüse- und Halmfrüchten großer Schaden angerichtet wurde. * Flöha, 22. Juni. Gestern mittag erschoß sich in seiner Wohnung infolge Schwermut der Sattlermeister Herr Wilhelm Käßner. Er lebte in guten Verhältnissen und war ein angesehener und beliebter Einwohner, der an zwei Feldzügen teil genommen hatte. * Annaberg, 21. Juni. Auf dem hiesigen Bahnhofe wurde heute vormittag beim Verschieben einer Transportlowry der 60jährige Streckenarbeiter Jacob infolge Ausgleitens auf einem Schleusendeckel überfahren und getötet. * Geyer, 21. Juni. Auf Walters Höhe fand gestern die Einweihung des vom Herrn Baumeister Götz erbauten Aussichtsturmes statt, den der Wirt des Restaurants auf eigene Kosten hat erbauen lassen. Es ist ein dauerhaft hergestellter, bequem zu besteigender Holzbau von 18 Meter Höhe, der den bisherigen Rundblick um ein ganz Bedeutendes erweitert. Namentlich in die Gefilde Böhmens hinein hat der Fernblick gewonnen. Die Weihe rede des Herrn Oberlehrers Lungwitz wies auf die Schönheiten unseres Erzgebirges hin. Herr Bürger meister Kneschke brachte die besten Wünsche zum wohlgelungenen Werke dar. Musikvorträge ver schönten die Feier. * Aue, 21. Juni. Aus Unlust zu seinem Be rufe erhängte sich der im 15. Lebensjahre stehende Weberlehrling Willy Weiß von hier. Er wollte gern Seemann werden. * Neuftädtel i. E, 21. Juni. Die beiden hiesigen städtischen Kollegien beschlossen, einen Schul arzt anzusteüen. Es findet nunmehr alljährlich eine einmalige Untersuchung sämtlicher Schulkinder des zweiten bis achten Schuljahres und eine zwei malige Untersuchung im ersten Schuljahre statt. Herr Dr. med. Hohmann wurde zum Schulärzte gewählt. * Pfaffengrün, 21. Juni. Einen geheimnis vollen Fund machten am vergangenen Freitag Be dienstete eines hiesigen Gasthofsbesitzers, die am Donnerstag voriger Woche aus einem Restaurations grundstücke in Treuen Jauche abgefahren und bei deren Ausbreitung auf dem Felde in derselben die in Gaze gewickelten Leichen neugeborener Zwillinge fanden. * Obersachsenberg, 21. Juni. Von einer argen Grenzrüpelei, wie sie leider hier und an der Klingenthaler Grenze nie aufhören, ist wieder zu berichten. Grenznachbarliche Rüpel spielten einem hiesigen Einwohner recht übel mit. Als er am Montag gegen 11 Uhr das Waldgut verließ, empfing ihn von der böhmischen Seite aus ein wahrer Steinhagel. Der Mann wurde am Kopfe durch Steinwürfe verletzt und kam bei der Flucht auch noch durch Fall zu Schaden. Den Burschen ist nicht die geringste Ursache zu der Roheit gegeben worden. Den Tätern ist man auf der Spur. * Kamenz. Am Sonnabend abend war in Nebelschütz der Dienstknecht Reitemann mit dem 10jährigen Schulknaben Georg Hanusch aufs Feld gefahren, um Klee für Sonntag einzuholen. Der Knabe hatte sich nach vollendeter Arbeit auf den beladenen Wagen gesetzt, als Reitemann, in der Meinung, der Knabe sei nach Hause gegangen, vor dem Wegfahren gewohnheitsmäßig seine Sense in den Klee auf dem Wagen einhieb. Hierbei traf er jedoch den Knaben mit der Sense in den Leib, sodaß der Junge am anderen Morgen dieser surchtbaren Verwundung erlag. * Bautzen. Am Sonntag vormittag ertrank in der Badeanstalt von Hermann Droschütz der Schmiedelehrling Max Petasch beim Baden in der Spree. Allem Anschein nach hat ein Schlaganfall dem Leben des jungen Mannes ein vorzeitiges Ende bereitet. Die von zwei Aerzten vorgenommenen Wiederbelebungsversuche waren erfolglos. * Altenburg, 21. Juni. Die Maurer des Baumeisters Wagenbreth haben ohne Beachtung der Kündigungsfrist gestern die Arbeit niedergelegt, weil vom genannten Bauherrn zwei Maurer wegen unzuverlässiger Arbeitsleistung entlassen worden waren. Infolge dieses Ausstandes rührt auch der Theaterneubau. * Gera, 21. Juni. Während eines mit Hagel schlag verbundenen Gewitters schlug der Blitz heute nachmittag in die Kirche des Nachbarortes Oberndorf und zündete. Die Kirche wurde vollständig ver nichtet. * Halle a. E., 21. Juni. Als heute morgen gegen 7 Uhr ein von Zscherben kommender Zug der Kohlenbahn der Konsolidierten Halleschen Pfännerschaft die nach der sogenannten HofmannS- wiese führende Saalbrücke passierte, gaben in der Höhe der Elisabethbrücke aus noch nicht sestge- stellter Ursache die Schienen nach und die ersten zwölf Wagen stürzten mit der Lokomotive in die Tiefe. Menschen sind zum Glück nicht zu Schaden gekommen. Zum Crottendorfer Raub mord schreibt das „Annaberger Wochenbl." u. a.: Ist die Tat ein Mord oder ein Totschlag? Beide Fragen müssen vorläufig offen bleiben, jedoch gilt das erstere für das wahrscheinlichere. Es wird allgemein angenommen, daß Wachtmeister Schramm, der vielen Passionen gehuldigt haben soll, den Plan, den Kassierer zu beseitigen und sich die Geldbeträge anzueignen, wohl überlegt hat, nur hat er ihn nicht ganz ausführen können. Der Mord muß zwischen 7 und 7,15 Uhr erfolgt sein. Wäre nun die Aus schußsitzung nicht gewesen — und mit dieser hat Schramm wahrscheinlich nicht gerechnet — so hätte am Sonnabed niemand das Verschwinden Dietzes gemerkt. Der Wachtmeister hätte nach Eintritt der Dunkelheit sein Opfer beiseite geschafft, hätte alle Spuren vertilgt und sich dann unwissend und un schuldig gestellt; am anderen Tage dann wäre er sicher einer der eifrigsten gewesen, der nachdem Verschwundenen und, wie man dann eventuell gar annehmen mußte, ungetreuen Kassierer gesucht hätte. Durch das Dazwischenkommen des Gemeindevor standes und der Ausschußmitglieder wurde diese Absicht, die große Verwirrung hervorgerufen hätte, verhindert. Wäre der Vorstand allein in daS Gemeindeamt gekommen, wer weiß, ob Dietze das einzige Opfer Schramms geblieben wäre. Nicht unmöglich, aber nach Lage der Sache unwahrschein lich ist die Frage nach Totschlag. Der Wachtmeister hat wahrscheinlich Geld haben wollen — dies brauchte er nämlich, wie erzählt wird, immer, ob wohl er freie Wohnung und gutes Einkommen hatte —, Gehaltsvorschuß, den ihm der gewissen hafte und pflichtstrenge Kassierer verweigerte. Es ist zu einem Wortwechsel gekommen, dem das übrige folgte. Hiergegen spricht der Umstand, daß die Tat nicht im Kaffenzimmer, sondern im Aktenzimmer, wohin der Mörder sein Opfer lockte, erfolgt ist, auch weiter der Umstand, daß ein Kampf zwischen Verletzten und Täter nicht stattgefunden zu haben scheint. Die Uebersicht über die Bücher deS Ermordeten ist eine leichte gewesen, da sie mit der größten Gewissenhaftigkeit geführt sind. Ueberall sind die Tagesabschlüsse vorgefunden wor den. Ueber den Ermordeten wird bis jetzt überall das beste Lob gesprochen. Die Erregung der Menge ist eine große. Bei seinen Kollegen (den Gendarmen) galt Schramm als strenger, zuver lässiger Beamter. Zwar hat man sich über große Ausgaben gewundert, die er gemacht haben soll. Man erzählt sich, daß der Kassierer einmal den Kassenschlüssel verloren gehabt hätte und der Wacht meister habe ihn ihm mit lächelndem Munde zu rückgegeben. Auf den bereits gemeldeten Fund eines Zi garrenkistchens mit 5'/, Tausend Mark des vom Raubmörder Schramm aus dem Gemeindekassen schrank gestohlenen Geldes wurde die Spur von zwei Schulkindern gelenkt. Sie weilten auf dem Friedhof und sahen, daß der Polizeiwachtmeister, der ein Kästchen trug, zunächst am Grabe seiner verstorbenen ersten Frau herumhantierte. Als Leute in die Nähe kamen, ging er nach dem Grabe seines verstorbenen Vaters. Auf dem Wege da hin mag der unheimliche Polizeibeamte aber einige Male gestolpert sein, wobei das im Kästchen be findliche Geld geschüttelt wurde und die Kinder haben dieser Wahrnehmung zunächst zwar keine Bedeutung beigelegt, schließlich aber, als der Poli zeiwachtmeister als flüchtiger Raubmörder genannt wurde, auch verschiedenen Leuten davon Mitteilung gemacht. Die Gerichtskommission begab sich so fort nach dem Friedhof und ließ die Grabhügel durchsuchen, wobei der wertvolle Fund, leicht mit Erde bedeckt, unter einem Blumenstock im Grab hügel des Vaters von Schramm entdeckt wurde. Die Bergung des Raubes im Grabe seiner ver storbenen Frau mag ihm durch Dazukommen von Friedhofsbesuchern vereitelt worden sein. Crottendorf, 22. Juni. Am Montag nach mittag war die Leiche des ermordeten Gemeinde kassierers öffentlich aufgebahrt. Jedermann konnte den treuen Diener der Gemeinde, der ein Opfer in seinem Berufe geworden, noch einmal von An gesicht, allerdings sehr entstellt, sehen, jedermann konnte die Verletzungen wahrnehmen, die ihm der Mörder beigebracht. Seine Braut hatte ihm zum Abschied ein Kreuz und einen Strauß Vergißmein nicht in die Hand gegeben. Gestern wurde der Leichnam nach Niedersedlitz zur Beisetzung in einem dortigen Familiengrab gebracht. Auf dem hiesigen Friedhof fand zunächst eine Gedächtnisfeier statt, bei der Herr Pastor Merz eine so ergreifende Rede hielt, daß kein Auge tränenleer blieb. Denn alle, die ihn kannten, liebten den in der Blüte seines Lebens durch ruchlose Mörderhand Gefallenen. Der Gemeinderat, Militärvereine und eine unabsehbare Menschenmenge gaben dem beklagenswerten Be amten das Geleit bis zum oberen Bahnhofe. Der schwergeprüfte Vater des Ermordeten und eine Deputation des Gemeinderates begleiteten den Leich nam auch im Eisenbahnzug, letztere bis Annaberg. Eine Gemeindedeputation wird aber auch an der heute nachmittag 3 Uhr in Niedersedlitz stattfindenden
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