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Hohenstein-Ernstthaler Anzeiger : 09.06.1904
- Erscheinungsdatum
- 1904-06-09
- Sprache
- Deutsch
- Vorlage
- SLUB Dresden
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id1841177954-190406094
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id1841177954-19040609
- OAI
- oai:de:slub-dresden:db:id-1841177954-19040609
- Sammlungen
- Zeitungen
- Saxonica
- LDP: Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
-
Zeitung
Hohenstein-Ernstthaler Anzeiger
-
Jahr
1904
-
Monat
1904-06
- Tag 1904-06-09
-
Monat
1904-06
-
Jahr
1904
- Titel
- Hohenstein-Ernstthaler Anzeiger : 09.06.1904
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einen Betrag von 60 000 M. zur Verfügung stellten, kommt gutem Vernehmen nach vorläufig nicht zur Ausführung. * Tirpersdorf i. Vogtl., 7. Juni. Von seinem eigenen Geschirr überfahren wurde am Montag abend der in den hiesigen Schieferbrüchen bedienstete Geschirrführer Schuller auS Falkenstein. Der Mann war 30 Jahre alt, verheiratet und Familienvater. Gerichtssaal. 8 Leipzig, 7. Juni. Da» Eisenbahnunglück bet Buchholz spielte eine Rolle in einem Prozesse, der gestern da» Reichlgericht beschäftigte. Wegen öffent licher Beleidigung de« Feuerwehrkommandanten B. ist am 26. Dezember v. I. vom Landgericht Chemnitz der Lithograph Wilhelm Ernst Roch au» Annaberg zu einer Geldstrafe von 150 Mk. verurteilt worden. Al» nach dem Eisenbahnunglück bei Buchholz die Feuerwehr die Leichen der Verunglückten fortschaffte, war der Angeklagte zugegen, al« die Leiche seine« Jugendfreunde« G. auf einem nicht ganz sauberen Gestelle tran«porttert wurde. Bei dieser Gelegenheit soll er im Unmute hierüber eine Aeußerung getan haben, durch die sich der Feu-rwehrkommandant beleidigt fühlte. — Der Angeklagte hatte Revision eingelegt und behauptete in der gestrigen Verhand- lungvordem Reich«gerichte, e« liege eine Verwechselung vor. Nicht er, der sich gar nicht so cu«zudrücken pflege, sondern ein gewisser G. au« Annaberg habe die tnkrtmtnierte Aeußerung getan. Seine Angaben konnten indeß in der Revifion«tnstanz keine Beachtung finden, da in rechtlich einwandfreier Weise die Täter schaft de« Angeklagten festgestellt ist. Da« Reich«- gericht erkannte de«halb aus Verwerfung der Revision. — Wenn e« dem Angeklagten gelingen sollte, nach- zuwetsen, daß ein anderer der Täter ist, so würde aus seinen Antrag selbstverständlich da« Verfahren gegen ihn wieder ausgenommen und er nachträglich sreigesprochen werden müssen. 8 Wege« Diebstahls, begangen zum Nachteile eine« Kameraden, wurde der Füsilier Kuropka vom Berliner Krieg«gericht zu 3 Monaten Gefängnt« und Versetzung in die zweite Klasse de« Soldatenstande« verurteilt. Wegen der Tat war zuerst der Füsilier Nahm verurteilt worden. Später bekannte sich K. in Briefen an den Kaiser und den Kronprinzen selbst al« Täter. In der Verhandlung widerrief er sein Geständni«. Da« Gericht kam aber auf Grund der Bewei«aufnahme und eine« nächtlichen Lokaltermin» zu der Ueberzeugung, daß K. den Diebstahl verübt hat. Der Verurteilte legte Berufung ein. 8 Straßburg, 7. Juni. Ein Musketier de« 97. Regiment«, der aus einen Knecht anlegle im Glauben, da« Gewehr sei entladen, und den Mann tötete, wurde zu 3 Monaten Gefängni« und sein Schießunteroffizier zu 3 Monaten Festung verurteilt. § Graf HoeuSbreoch und DaSbach. In dem Prozeß de« Grafen Hoen«broech gegen den Reichs tagtabgeordneten Kaplan Dasbach, welch letzterer eine Belohnung von 2000 Gulden ausgesetzt Halle sür den Nachweis, daß die Jesuiten den Grundsatz lehren: „Der Zweck heiligt die Mittel" wurde die Klage vom Gerichtshöfe in Trier abgewtesen. Der Gericht«hof begründete die Ablehnung damit, daß keine öffentliche Auslobung, sondern nur eine Wette vorliege, die nicht einklagbar sei. Da« Gericht ließ e« dahingestellt, ob der Kläger den Nachweis erbracht habe, daß der mitgeteilte Spruch tatsächlich Grund satz der Jesuiten sei. — Da« Urteil wird, wie da« „Berl. Tgbl." schreibt, in juristischen Kreisen für stark anfechtbar erklärt. Da« Gericht scheint bei seinem Urteil davon ausgegangen zu sein, daß in diesem Falle, wie bei irgend einer Wette, lediglich Behauprung gegen Behauptung gestanden habe. Nun besagt aber Paragraph 657 de» „B. G.-B.", der von der Au«lobung handelt, ausdrücklich: „Wer durch öffentliche Bekanntmachung eine Belohnung sür die Vornahme einer Handlung, insbesondere sür die Herbeiführung eine« Erfolge«, au«setzt, ist ver pflichtet, die Belohnung demjenigen zu entrichten, welcher die Handlung vorgenommen hat, auch wenn dieser nicht mit Rücksicht auf die Au«lobung gehandelt hat." E« steht nun aber fest, daß der Angeklagte öffentlich eine Belohnung zugesagt hatte sür die Bewetssührung, daß der Grundsatz „Der Zweck heiligt die Mittel" jesuitischer Lehrgrundsatz sei. Graf Hoen«broech unterzog sich der Aufgabe, diesen Beweis zu erbringen, und hat damit jedensall« eine Handlung zur Herbeiführung eine« Erfolge«, nämlich der Auf klärung de« strittigen Punkte«, begangen. 8 Wege« fahrlässiger Tötung einer Tele phonistin, begangen durch übermäßige« Drehen der Kurbel, wurde ein Hamburger Arzt zu 30 Mark Geldstrafe verurteilt. Kleine Chronik. * Breslau, 7. Juni. Die Abendblätter be richten, daß in Zawozie bei Kattowitz heute vor- mittag di» Vorderfront eines dreistöckigen HauseS einstürzte. Bis abends waren eine Frau tot, drei Frauen und ein Monn schwerverletzt geborgen. * Königsberg i. P., 7. Juni. Als gestern abend italienische Maurer, die als Ersatz für auS- ständische hiesige Maurer von auswärts gekommen waren, mit einem Wagen von der Baustelle auf dem Sackheim zum Tore hinauStranSportiert wur den, entstand ein Krawall, wobei die Italiener und die Schutzmannschaft mit Faustschlägen angegriffen und mit Ziegelsteinen beworfen wurden. Die Schutzmannschafl machte von der blanken Waffe Gebrauch und nahm eine Anzahl von Verhaftungen vor. Auf dem Sackheim und in den Nebenstraßen rotteten sich Tausende von Menschen zusammen. Erft gegen 10 Uhr abend» wurde die Ruhe wie- der hergestellt. * Hamburg, 7. Juni. Eine furchtbare Familien- tragödte, der fünf Personen zum Opfer gefallen sind, hat sich gestern nachmittag in Winterhude abgespielt. Der Kunstmaler und Photograph Busccke in Winter hude war unter dem Verdacht der Falschmünzerei von einem Kriminalbeamten au« der Wohnung ge holt worden. Noch bevor er vor dem Untersuchung«- richter geführt wurde, gelang e« ihm, auf dem Klosett sich durch Cyankali zu vergiften. Busecke lebte, wie der „Hamb. Korr." mitteilt, seit sech« Jahren in glücklicher Ehe mit seiner Frau; er hatte einen sünsjährtgen Sohn und eine Tochter von 14 Monaten; außerdem lebte bei ihm seine 53jährige Mutter. Im Laufe de« nachmittag« erhielt der Bruder der Frau B. ein Telegramm von dieser, in dem er ersucht wurde, sofort zu ihr zu kommen. Um 6'/, Uhr fand er aber die Wohnung ver schlossen vor. In der Meinung, da« Telegramm sei von seiner au«wärt« lebenden Schwester, tele graphierte er dorthin, erhielt aber d e Nachricht, daß man nicht wisse, wa« die Anfrage bedeute. Angsterfüllt eilte er nun wieder nach dem Grasweg. Dort war inzwischen die Wohnung von Bewohnern geöffnet und die ganze Familie tot aufge sunden worden. Der Tod ist wahrscheinlich auch durch Vergiftung herbeigeführt worden. Aus dem Tische lagen zwei Briese, der eine, vom Untersuchungs richter mit der Nachricht vom Tode de« Manne«, war noch nicht geöffnet, den anderen hatte Frau Busecke an ihre Ellern geschrieben und ihnen ven Selbstmord mit der Bitte um Verzeihung angezeigt, sowie daß ihr Mann unschuldig sei. * Köln, 7. Juni. Heute vormittag durchschnitt die Frau eines GaSarbeiterS in Porz ihren beiden Kindern von 5 und 2 Jahren den Hals und brachte sich dann selbst tödliche Verletzungen bei. * Düsseldorf, 7. Juni. Der zu Berg fahrende Schleppdampfer „KuepperS 7" überrannte einen Nachen, in dem sich ein Lotse und drei Steuerbe- amte befanden. Der Lotse und ein Steu rbeamter ertranken. Die anderen wurden gerettet. Wie von anderer Seite gemeldet wird, sind außer dem Lot- sen zwei Steuerbeamte ertrunken. * Asche«, 7. Juni. In der Grube „Ver- einigung" stürzten durch Zusammenbruch einer Bühne 6 Bergleute in den Schacht. Einer davon ist tot, die übrigen sind tödlich verletzt, * Aachen, 7. Juni. Gestern abend entgleiste in Herzogenrath unweit deS Tittore-BergeS ein Bahnwagen mit Anhängewagen, wobei ein hinter diesem hellaufender Motorwagen, der am Bergab hange nicht mehr zum Halten gebracht werden konnte, auf beide Wagen auffuhr. Eine ganze Anzahl Passagiere trugen Verletzungen davon, sämtliche 3 Wagen sind stark beschädigt. Gegenwärtig ist eine Untersuchung daraufhin angestellt, ob die Vermu tung zutrifft, daß der Wagenzug an jener Abfall- stelle absichtlich zum Entgleisen gebracht worden sei. * Essen a. d. Ruhr, 8. Juni. Die Unter- schlagungen bei der Borbecker Spar- und Kredit bank betragen nach genauer Revision nahezu 900000 Mk. Der frühere AufsichtSrat soll zur Schadloshaltung dec Aktionäre herangezogen wer den. Der flüchtige Direktor Hollmann ist nicht aufzufinden. * Brüssel, 8. Juni. Unweit der Ortschaft Laeken erschossen Gendarmen in der Meinung, Wilderer vor sich zu haben, einen Feldhüter, dessen Sohn und einen dritten Mann. * Madrid, 8. Juni. Zu unserer gestrigen telegraphischen Meldung über ein am Montag abend über die Stadt Madrid und Umgebung niederge gangenes furchtbares Hagelwetter wird noch berich tet: Viele Menschen wurden von den ungewöhn lich großen Schloßen verletzt. Der Sachschaden ist unübersehbar. In ganz Madrid ist keine Fensterscheibe ganz geblieben. Im Prado und im Buen Retiro, den StadtparkS von Madrid, sind olle Bäume abgehackt und total entblättert. Der Boden ist von dem heruntergeschlagenen Laub wie von einem grünen Teppich bedeckt. Viele alt; Bäume sind von dem Sturm wie Halme geknickt worden. Auf den Straßen der Stadt liegen meterhohe Haufen von Hagelkörnern. Die unteren Stadtteile sind überschwemmt, wobei zahlreiche Gebäude ein stürzten. Die Feuerwehr mußte stundenlang ar beiten, um den Keller der Bank von Spanien aus zupumpen. In den großen Straßen war der Wasserstrom so mächtig, daß er Menschen und Tiere mit fortriß, Tausende von Vögel wurden durch den Hagel gelötet. Die Gemüsegärten von Mad rid sind dem Erdboden gleichgemacht. Der Schaden beträgt Millionen. * Von einem Automobil zermalmt. Schnelles Fahren eines Automobils richtete gestern in Berlin schweres Unheil an. Der 27 Jahre alte Tierarzt Franz Hertel wollte mit seiner Braut von der Promenade auS den Fahrdamm überschreiten. In diesem Augenblick kam aus derselben Richtung ein Automobil dahergefahren, angeblich ohne ein Warnungszeichen zu geben. Die Dame sah eS noch im letzten Augenblick und wollte ihren Bräu tigam fortreißen, indem sie selbst auf die Prome nade zurücksprang. Ihr Rettungsversuch scheiterte aber an der Schnelligkeit des Fahrzeuges. Es riß ihr förmlich den Bräutigam auS der Hand, rannte ihn um und ging über ihn hinweg. Wäh rend der Uebecfahrene bewußtlos liegen blieb, fuhr daS Automobil nach dem Lehrter Bahnhof zu weiter. ES entkam zwar, aber einem Droschkenkutscher, der ihm nachjagte gelang eS doch, seine Nummer fest- zustellen. Hertel hat sich eine schwere Kopsver- etzung mit einer Gehirnerschütterung und einen außerordentlich schweren Bruch deS linken BeineS zugezogen. Der Verunglückte wird Zeit seines Lebens ein Krüppel bleiben, da eS kaum möglich sein wird, das zermalmte Bein zu erhalten. * Von einem Felsblock zermalmt. Bei den Regulierungsarbetten am Maukenbach im Unterinn tale brach ein Felsblock los. Er stützte auf eine Gruppe von italienischen Arbeitern. Einer wurde von der FelSmasse zerschmettert, einem zweiten wur den die Füße abgeschlagen und ein dritter wurde ebenfalls erheblich verletzt. * Ein verunglücktes sAuSstellungSunter- nehmen. Aus St. LouiS wird dem B. T. ge- meldet: Eine große Menschenmasse, enttäuscht durch )aS Verbot eines angekündigten StiergefechteS» ver- »rannte die Arena, weil der Impresario die Rück zahlung der Eintrittsgelder verweigerte. Die Spritzen blieben im Schlamme stecken, sodaß die Feuerwehr ohnmächtig war. * Folgen eines DynamitattentatS. In Er gänzung unserer gestrigen Mitteilung über da» Dy namitattentat in Colorado wird au» Victor (Colo rado) unterm 7. Juni weiter telegraphiert: AlS gestern nachmittag der Sekretär der Vereinigung der BergwerkSbesttzer in einer Versammlung redet», die den Dynamitanschlag auf dem Bahnhofe Inde pendente zum Geaenstand hatte, kam e» zu Strei tigkeiten, in deren Verlauf rine Person erschossen wurde; sechs andere erlitten Verletzungen. Die Miliz ging dann gegen die BersammlungShalle vor, von der auS der Union angehörende Arbeiter auf die Truppen feuerten; sieben Bergarbeiter wurden erschossen. Die Gesamtzahl der bisher umge- kommenen Personen wird auf 21 geschätzt. 100 unionistische Bergarbeiter sind gestern abend ver haftet worden. * Tod während der Ehloroformnarkose Im St. Antoine-Spital in Paris starb dieser Tage ein Mann nomenS Cousnoud, dem ein Bein ab genommen werden sollte, in der chirurgischen Ab- teilung auf dem Operationstische während de, Chloroformnarkose. Der Fall erregt ziemlick, S Aufsehen, da der leitende Chirurg der Anstalt be- hauptet, der Todesfall sei auf die schlechte Beschaffen heit deS Chloroforms zurückzuführen, und sich sogar geweigert hat, fernerhin zu operieren, wenn nicht ein besseres Chloroform zur Verfügung gestellt wird. Eine Untersuchung hat bis jetzt noch nichts ergeben. * Frohuleichuam ««d Bockbier. Der„Tgl. Rdsch." wird aus München geschrieben: „Alter Sitte gemäß werden für den FrohnleichnamStag im kgl. Hofbräuhause jedes Jahr etliche Fässer Mai bock aufgehoben. So auch Heuer wieder 80 Hekto- liter. Als sich nun am Donnerstag nach der Pro zession zahlreiche Fromme am Platze cinfanden, um der geistigen die leibliche Erbauung folgen zu lassen, mußten sie zu ihrem Leidwesen erfahren, daß die Quelle bereits versiegt war. Die 8000 Maß waren während der FrohnleichnamSprozeffion vertilgt worden." * Moderne Jugend. Die 14jährige Tochter Alma eines Berliner Buchhalter« überredete eine 16jährige Freundin, mit ihr eine Badereise zu machen. Ein« der jungen Dämchen entnahm der mütterlichen Kasse ein 20 Mark-Siück und fröhlich dampften die beiden Seebadsüchtigen nach Misdroy ab. Am zweiten Tage war da« Geld verausgabt, da« Wiedersehen zu Hause soll weniger lustig ge wesen sein al« die Abreise. Man hat wohl schon oft gehört, daß Jungen, durch Kriegs, oder Indianer- geschtchten wildgemacht, mit einem Dolchmcger und etlichem Kleingelde bewaffnet, in die weite Welt zogen; aber daß Mädchen ohne Wissen und Willen der Eltern heimlich in« Seebad reisen, ist neu und eine Erscheinung der modernen Zeit. Schloß Altenstei». Roman von M. Lautner. 5. Forts. (Nachdruck verboten.) Kurt war mit seinen zwanzig Jahren jetzt schon eine Erscheinung, welche vor den Augen einer jungen Dame Gnade finden mußte und vereinigte in seiner Person eine Fülle liebenswürdiger, ja hervorragender Eigenschaften zu einem überaus glänzenden Ganzen, dar seinen Eindruck auf ein Mädchenherz sicher nicht verfehlen konnte. Er kannte aber andererseits auch sein kleiner Trotzköpschen, hatte er doch zu seiner Entwickelung selbst sattsam beigetragen. Erna war manchmal unberechenbar, und wer stand ihm dafür, daß eS ihr nicht gerade einfirl, in dieser Sache, wie in so mancher anderen, ihren eigenen Willen zu haben, der von dem seinen ver schieden war, wie Feuer vom Wasser? Eine solche Möglichkeit, angesichts eines schönen und liebenswürdigen Bewerbers, lag zwar fern, aber sie war dennoch vorhanden. Da mußte also ein Riegel vorgeschoben werden, und deshalb traf ec die Bestimmung, daß seine Tochter nur dann seine Universalerbin werden sollte, wenn sie die Hand ihres Vetters annahm. Sie hätte geradezu von Sinnen sein müssen, wollte sie dieselbe ausschlagen, und das war sein kleines Mädchen durchaus nicht, im Gegenteil, sie besaß ein sehr klares Köpfchen und Hellen Verstand. Wer mußte denn übrigens gleich ans Sterben denken, wenn er auch sein Testament machte? Das war doch durchaus nicht die notwendige Folge davon. Und in der Tat hoffte er noch Jahre zu leben; stand ec doch im besten ManneSalter, war kräftig und gesund, er würde also die Verwirklichung seines LieblingSplaneS selbst noch erleben, um denselben mit geschickter Hand allmählich auf anscheinend natür lichem Wege zu dem ersehnten Ziele führen zu können. Vorläufig hatte eS damit freilich noch gute Wege. Erna steckte noch in den Kinderschuhen und Kurt hatte eben sein Abiturienlenexamen bestanden und trat ins Heer, um seiner Pflicht gegen das Vater land zu genügen, und wie daS in seiner Familie so Sitte war, sich die EpauletteS zu erwerben. Baron Bernhard verwaltete inzwischen seinen Besitz. Und als ein Jahr veigangen war, erwachte dei junge Mann eines TageS mit dem angenehmes Bewußtsein, sein eigner Herr und Besitzer eineu jährlichen Einkommens von fünfzehn Tausend Talern zu sein. Ein beneidenswerter Zustand, dessen sich wohl nur selten ein Menschenkind zu erfreuen hat, noch seltener in so jugendlichem Alter, wie Kurt von Altenstein, und mit dem fürs Leben so wertvollen Empfehlungsbrief einer glänzenden Erscheinung und gediegenen Wissens. Unter solchen Umständen war eS wohl kein Wunder, daß ihm im ersten Augenblick der Kopf wirbelte und er sich rückhaltlos in den Strudel stürzte, um den schäumenden Becher, den daS Leben ihm dar bot, in vollen Zügen zu leeren. Der Onkel schüttelte lächelnd den Kopf, wenn der Neffe eine Summe nach der andern verlangte. „Die Jugend muß auStoben," war sein Spruch. „Die werden allemal die Besten, die ihre Jugend flott genießen." Hatte er eS doch selber nicht ander» gemacht. Nur kein Philister! Mochte er sich amüsieren, der Ernst de» Leben» kommt noch früh genug; keinem wird er erspart. Und in dem Jungen steckte ein so guter Kern; e» war keine Besorgnis nölig. Der würde seinen Halt nicht verlieren. Kurt war im Grunde eine lief angelegte Natur, heiter zwar uud voll frischer Leben»fceude, fand er doch auch an ernsteren Dingen Gefallen, al» wie da» Leben großer Städte sie jungen Männern seine» Stande- zu bieten pflegt. Er war zwar eifriger SportSmann, ein uner müdlicher Tänzer, und hatte wohl auch schon diese» oder jene» kleine Abenteuer erlebt, aber ein gute» Buch, ein geistreicher Vortrag hatte sür ihn seinen Reiz nicht verloren und er teilte seine Zeit gewissen haft zwischen Arbeit und Vergnügen. Nach ein paar Jahren nahm er seinen Abschied und bezog, dem Rat seine» Onkel» solgend, eine landwirtschaftliche Hochschule, um die sür einen Grund besitzer unentbehrlichen ökonomischen Kenntnisse zu erwerben. Und nachdem er daselbst den vorschriftsmäßigen Kursus absolviert, rüstete er sich zu einem Fluge durch die weite Welt; und zwar führte ihn sein für Natur- und Kunstschätze lebhaft empfänglicher Geist zuerst nach Italien, dem Eldorado aller Kunst- enthusiasten. Von da ging er nach dem Orient und kehrte schließlich nach einem mehrmonatlichen Aufenthalt in Indien auf dem Seewege noch Europa zurück, mit dec Absicht, seine Reise durch ein längere» Ver weilen in England zu beschließen. Im praktischen England gedachte er einen großen Teil seiner Zeit dazu zu benutzten, seine landwirt schaftlichen Kenntnisse zu vervollkommnen. Ein junger reicher Lord und Besitzer ausge dehnter Ländereien, welchen er in Rom kennen ge lernt, und der längere Zeit sein Reisegefährte gewesen, hatte ihm auf seinen Gütern sowohl, wie auf denen seiner Bekannten ein weite« Feld dazu eröffnet. (Fortsetzung folgt.) Depeschen. Berlin. Den diesjährigen Kaisermanövern, die sich zum Teil an der Küste abspielen werden, mißt man insofern große Bedeutung bei, als das Zusammenwirken zwischen Heer und Marine eine eingehende praktische Erprobung erfahren kann. Zu diesem Zwecke wird, der Nat.-Ztg. zufolge, eine sehr stattliche Anzahl Offiziere, unter ihnen auch bayerische, sächsische und württembergische, an Bord der Limenschiffe, Kreuzer und Torpedoboote kommandiert werden. Es sollen nach mannigfachen Richtungen hin Erfahrungen gesammelt werden. Der russisch-japanische Krieg dürfte jedenfalls Anregungen von nicht zu unterschätzender Bedeutung geben. Berlin. Der wegen Urkundenfälschung und Fahnenflucht seit 1'/. Jahren von München auS steckbrieflich verfolgte bayrische Rittmeister Freiherr von Horn ist hier verhaftet und nach München gebracht worden, wo seine Verurteilung erfolgen wird. Wien. In einer Versammlung, die der be kannte tschechische Radikale Fresk in Pilsen abhielt, wurde er von Sozialdemokraten tätlich angegriffen und in einen Stall gesperrt, wo er zwei Stunden gefangen blieb. Aus seine Anzeige wurde ein Teil- nehmer an der Versammlung verhaftet, der sich wegen Einschränkung der persönlichen Freiheit zu verantworten haben wird. Wien. In unterrichteten Kreisen befürchtet man, der 1. Juli, der Gedenktag des Königsmordes, werde in Belgrad unruhig verlaufen. Unter den Offizieren macht sich eine Währung bemerkbar. Unter den Offizieren der Rischer Garnison wurde abermals eine Verschwörung gegen die Königs mörder entdeckt. Der Kriegsminister reiste nach Risch, um die Offiziere zu beruhigen. Paris. Aus Petersburg berichtet der „Herald" über die Entgleisung eines Zivil- und Militärzuges zwischen den Stationen Schuangmiantze und Szöpingaie. Der Zug sührte einen Schlafwagen mit sich, dessen Insassen, 30 Frauen und Kinder, sämtlich getötet wurden. Die Lokomotive fiel in einen Straßengraben. Leider war keine Hilfe am Orte für die zahlreichen Verwundeten möglich. Sie wurden auf die unversehrt gebliebenen Waggons gehoben und mittels Hilfsmaschine nach der nächsten Stadt gebrecht. Paris. Die Kammer nahm den Artikel 1 des Gesetzes betreffend die zweijährige Dienstzeit, wonach jeder Franzose zum persönlichen Miltär- dienst verpflichtet ist, und den Artikel 2, welcher alle Befreiungen vom Militärdienst abschafft, an. Paris. Ein furchtbares Unwetter ist in Mamers niedergegangen. Die ganze Umgegend wurde in kurzer Zeit überschwemmt. Die Ein wohner waren von der Außenwelt abgeschnitten. Nach den letzten Meldungen sind über 20 Per- sonen umgekommen. Zahlreiche Personen mutzten aus den Häusern gerettet werden. Ferner explo dierte ein Gasometer; es ist noch nicht bekannt, ob dabei Menschen zu Schaden gekommen sind. Lemberg. In den letzten Tagen haben über 300 russische Deserteure, meist Juden, die galizische Grenze überschritten. In Brody sollen sogar zwei höhere Offiziere eingetroffen sein. Saloniki. Die Untersuchung ergab, daß die die Höllenmaschine enthaltenden Gepäckstücke in Strumnitza oder Geogeli nach Saloniki aufgegeben worden sind. Wahrscheinlich sollte die Explosion am Bahnhof von Saloniki erfolgen. Die Polizei verhaftete die Aufgeber aller Stückgüter, weshalb die Bahngesellschaft bei Hilmi Pascha intervenierte. Sewastopol. Auf dem hier ankernden, 10 000 Tonnen umfassenden Kriegsschiff „SmolenSt" fand eine Explosion statt, die vermutlich von Anarchisten angestiftet war. Mostac. In Visica kam es wegen Besitz streitigkeiten zwischen Bogs und den Bauern zu blutigen Kämpfen. 2 Bauern blieben tot, 4 BogS und 6 Bauern wurden schwer, 6 Bauern leicht verletzt.
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