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8190 VSrsin«I-lI!. d. Dllchii. vuchhand-I. Nichtamtlicher Teil. pv 115, 20. Mai 1912. Aus dem italienischen Buchhandel. IV. Schriften Leonardos da Vinci. — Sammelwerke. — Musilalien- Verleger- und -Händler-Verein. — Auslösung des Vereins katholischer Verlags-und Sortimentsbuchhändler.—Stand der Biblio theken. — Bibliographie über Libyen. — Das Buch als Erzieher. — NekrologeI Giovanni Pascal! — Emilio Teza Im Castello Ssorzesco, der ehemaligen Burg der im Mittelalter über Mailand herrschenden Familie Sforza, wurde unlängst eine Sammlung der Werke Leonardos da Vinci unlergebracht, die nach und nach durch Stiftungen aus Italien und dem Auslande bereichert werden soll. Während die Reproduktion des l-oäsr Ltlavtiovs durch den Verlag U. Hoepli in Mailand fortgesetzt wird, geht das italienische Unterrichts-Ministerium mit dem Gedanken um, nach und nach die ganze in Mailand existierende Sammlung der Leonardo da Vincischen Schriften herauszu geben. Dadurch würde man aber bei weitem nicht die Schaffenskraft Leonardos kennen, da viele seiner Arbeiten sich in ausländischen Bibliotheken befinden. Durch die von Georg V. jüngst erteilte Erlaubnis, die im königlichen Schlosse zu Windsor aufbewahrten wertvollen Handschriften Leonardos da Vinci reproduzieren zu können, wird die Aus gabe des ersten Bandes erfolgen können, der der Gelehrten welt zum erstenmal Einsicht in das monumentale Werk dieses italienischen Geisteshelden gewähren wird. Dem Unter richtsministerium wurde vor kurzem zu dem genannten Zwecke die beträchtliche Summe von hunderttausend Lire von Herrn Gino Modigliani in Mailand zur Verfügung gestellt. Dem ersten Bande dieses als National-Ausgabe der Manu skripte Leonardos da Vinci bezeichneten Werkes werden andere Bände folgen, die die Anatomie, die Philosophie, die wissen schaftlichen Aussätze usw. Leonardos da Vinci zum Gegenstand haben sollen. Man hört im allgemeinen von einer kommerziellen Krisis sprechen und schiebt dabei die Schuld, wie sich ja das von selbst versteht, auf unseren Eroberungskrieg in Tripolitanien. Mir scheint aber, daß im Buchhandel, wenigstens bis jetzt, eine Krisis nicht bemerkbar ist, da tagtäglich neue Sammel werke auf den Markt kommen und anscheinend auch genügenden Absatz finden. So schreitet z. B. die bei G. Laterza L Figli in Bari erscheinende Sammlung der »Sorittori ä'Italia« rüstig vorwärts und ist heute bei ihrem 25. Bande (ä Frcs. 5.50) angelangt. Dieses Sammel werk gereicht dem südländischen Verleger zur besonderen Ehre, da es unser Vorwärtsstreben in Helles Licht stellt. Die Bände werden sicherlich zahlreich sein und ihr Erscheinen wird die Dauer eines Menschenalters überschreiten, wenn man dem Titel der Sammlung »Schriftsteller Italiens« gerecht werden will, zumal der Verleger auch die ältesten Schriftsteller — z. B. Bandello, Kardinal Bibbiena, Merlin Coccaio, Della Porta, Gozzi, Berchet usw. — mit ihren für unsere Literatur schätzenswerten Werken be rücksichtigt. Wahrscheinlich durch den Erfolg dieses Sammel werkes ermutigt, hat derselbe Verleger auch eine Sammlung der »Olassioi äslla kilosokia woäorv»» begonnen, die bis heute ein Dutzend Bände umfaßt. Da begegnen uns Giambattista Vico mit seiner 8oiove» uuova, Hobbes mit dem Leviathan, Descartcs mit dem bekannten visoorso 8ul wstocko u. a. m. Im Verlage G. Barbära-Florenz wurde ebenfalls eine neue Sammlung der lateinischen Klassiker begonnen, die als Oorpns postaruw lativorum (ä 3 FrcS.) sich der bekannten Vademekum-Ausgabe der italienischen Klassiker würdig zur Seite stellt. Es sind wirkliche Kleinodien der Buchdruckerkunst, die sowohl in einem Salon mit ihrem winzigen Format kokettieren, wie auch in der Westentasche untergebracht werden können. Damit ist aber die Liste der mutigen italienischen Verleger noch nicht abgeschlossen. Der Istituto Läitorials Italiavo- Mailand zog die Aufmerksamkeit des Publikums durch ein eigenartiges Sammelwerk auf sich, das von dem ehe maligen Unterrichtsminister Ferd. Martini geleitet wird und die beliebtesten Klassiker der italienischen Literatur aufnehmen soll. Die Eigenart dieses Unternehmens besteht darin, daß jedem Bande ein Vorwort vorangestellt ist, das eine ans der Feder eines hervorragenden Autors stammende kritische Studie über das Werk selbst bildet. So werden z. B. die Gedichte Manzonis durch ein Urteil von Goethe, Cellinis Leben durch eine Studie von Barretti, Dantes Vita vov» durch das von Boccaccio geschriebene Leben Dantes, die Gedichte Foscolos durch eine von C. Cattaneo verfaßte Studie ergänzt. Jeder Band kostet in geschmackvollem Leinenband 2 Lire. In meinem Bericht lB.-Bl. Nr. 82) habe ich auf die eventuelle Rückkehr einer Rabattära im italienischen Buch handel hingedeutet. Ganz anders gestaltet sich dagegen bei uns in Italien der Musikalienhandel. Er ist seit dem Auf blühen des Musikalien-Verleger- und -Händler-Vereins auf eine solide Basis gestellt worden, da nur die Mitglieder des ge nannten Vereins auf die Original-Verlegerrabatte Anspruch haben. Alle übrigen Nichlmitgliedcr erhalten von dem Ver leger nur 10°/, Rabatt, der soviel wie nichts bedeutet, da die Portokosten und die übrigen Geschäftsspesen bedeutend höher als der Nutzen zu stehen kommen. Die Vereinsmit glieder sind jedoch satzungsgemäß verpflichtet, keine Rabatte an das Publikum zu gewähren, eine Verpflichtung, die durch eine vom betreffenden Musikalienhändler noch vor seiner Aufnahme zu leistende Kaution in bar (100 bis 300 Lire, je nach der Ortschaft und der Ausdehnung des Geschäfts) unterstützt wird. Gewährt er Rabatte, oder liefert er zu einem höheren Rabatt als 10°/, an Nicht mitglieder, so wird satzungsgemäß die Kaution mit Be schlag belegt und der betreffende Händler aus dem Verein ausgestoßen. Solche Satzungsbestimmungen können vielleicht als rigoros angesehen werden, ermöglichen aber einen soliden und dabei gewinnbringenden Handel mit Mustkalien. Nur eine Türe ist offen geblieben, die zu dem Handel mit auswärtigen Musikalien führt: der Musikalienhändler, der dem italienischen Verein nicht angehört, jedoch als Buch händler über Leipzig verkehrt, kann sich die Petersschen, Litolfsschen usw. Musikalien, die in Italien nicht selten ver langt werden, durch seinen Kommissionär zum Original- Nettopreis besorgen lassen, und eventuell mit Rabatt ver kaufen. Dazu müßte der italienische Musikalien-Verleger- Verein wohl entsprechend Stellung nehmen! Der Verein zählt beinahe 300 Mitglieder, die aber leider durch gar keine bibliographische Zeitschrift über die Neuerscheinungen des Musikalicnvertags unterrichtet werden. Wollen sie sich auf dem Laufenden erhalten, so müssen sie sich aus Musik- oder sonstigen Zeitungen unterrichten. Wegen des speziellen Charakters ihrer Publikationen hatten die katholischen Verleger und Sortimenter einen Sonder verein gebildet, dessen Vorstand eine Bibliographie katho lischer Werke herauszugeben und die Rabattfrage zu lösen beabsichtigte. In dieser letzten Hinsicht hatte er mit dem italienischen Verleger- und Sortimenter-Verband Fühlung genommen und die von letzterem verfaßte Rabatt-Ordnung den katholischen Buchhändlern — durch entsprechende Ab änderungen — zur Annahme vorgeschlagen. Eine Einigung darüber ließ sich jedoch nicht erzielen, und auch die Heraus gabe der erwähnten Bibliographie katholischen Verlages scheiterte an der Apathie der Mitglieder. Demzufolge zeigte