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^ IIS. 20. Mat 1912 Nichtamtlicher Teil. Börsenblatt s. b Dtschn. Buchhandel 6189 Denn bisher hat sowohl in der Provinz Pommern als auch in den meisten größeren Städten Preußens. Bayerns. Sachsens. Württembergs. Badens, Elsaß-Lothringens. Hessens, Olden burgs. Mecklenburgs, der thüringischen Staaten, der Hanse städte eine stets zunehmende Anzahl gut geleiteter Sortiments buchhandlungen. die zu den ersten und angesehensten ihres Platzes gehören, auf Veranlassung und im besten Einver nehmen mit der von der Königlichen Landesaufnahme be stellten Kommisstons-Verlagsfirma in Berlin ein größeres Lager der für ihren Bezirk in Betracht kommenden General stabskarten in ihrem Geschäftsinteresse unterhalten, sodaß der Bezug von Karten von diesen leicht und bequem zu er reichenden Verkaufsstellen stets schnell, sicher und aus billigstem Wege für die Interessenten möglich war. Neben diesen Hauptvertriebsstellen widmeten sich auch die übrigen, an allen, selbst kleinen Orten des Deutschen Reiches bestehenden Buch handlungen in einer Anzahl von nahezu 6000 dem Vertriebe der Karten und nahmen Bestellungen darauf an, die sie durch ihre Verbindungen mit dem Verlagsorte Berlin oder dem Kommissionsplatze Leipzig in der zweckentsprechendsten Weise zu erledigen in der Lage waren. Dem Besteller von Karten in Stadt und Land, der in den meisten Fällen wohl auch sonst mit dem den Bezug vermittelnden Buchhändler in geschäftlicher Verbindung stand, bot die Möglichkeit, seinen Kartcnbedarf auf diesem Wege zu decken, außerdem den Vor zug der Einfachheit und Billigkeit. Demgegenüber bedeutet der von der Königlichen Landes ausnahme neu errichtete Verkaufs- und Vertriebsapparat, bei dem nur gegen gleichzeitige Bezahlung oder Vorausbezahlung oder gegen Nachnahme des Preises geliefert werden darf, eine ganz wesentliche Erschwerung und Verteuerung für den Verkehr. Auch die nach der Neuorganisation zu errichtenden Zweigstellen in kleineren Orten — deren Errichtung und Unterhaltung u. E. Schwierigkeiten bringen dürfte, die die Königliche Landesaufnahme offenbar unterschätzt — werden nicht geeignet sein, für den eingeführten, fachmännisch ge leiteten und bewährten Verkehr durch die Buchhandlungen mit ihren zahlreichen, weitverbreiteten Verbindungen einen vollwertigen Ersatz zu leisten. Wir wissen nicht, welche Be rufskreise für die Übernahme und Leitung der Zweigstellen der Karten-Vertricbsstellen in Aussicht genommen sind. Aber wenn damit von amtlicher Stelle außerhalb des Buchhandels stehende Personen mit dem Vertrieb von Gegenständen des buchhändlerischen Verkehrs befaßt werden sollten, so dürfte darin wohl allgemein eine schwere Schädigung des An sehens des deutschen Buchhandels erblickt werden können, dessen Angehörige als staatstreue und nationalgesinnte Elemente mit besonderem Recht angesprochen werden dürfen und bei denen eine berechtigte Mißstimmung, wie sie die Maßnahmen der Königlichen Landesaufnahme zur Folge haben werden, schon im Gesamtstaatsinteresse ver mieden werden sollte. Weiter erscheint uns die Annahme gerechtfertigt, daß auch das Publikum die ihm aufgedrungene Notwendigkeit, bei Bedarf an Karten nicht mit seiner alt gewohnten buchhändlerischen Vermittlungsstelle, vielmehr mit besonderen Zweigstellen der Hauptkartenvertriebsstelle in Ver bindung treten zu müssen, als eine schwere, mit viel mehr Umständlichkeiten verknüpfte Belästigung empfinden wird, die sich um so schärfer fühlbar machen dürste, als gleichzeitig durch die erwachsenden Portokosten eine Bezugsverteuerung eintreten wird. Wir können deshalb die Befürchtung nicht zurückweisen, daß infolge der Maßnahmen der Königlichen Landesaufnahme der Absatz von Karten der Prioatindustrie auf Kosten der Karten der Königlichen Landesaufnahme eine beträchtliche Zunahme erfahren wird. Die Königliche Landesaufnahme bekundet außerdem als Grund ihres Vorgehens, daß den Bestellern mehr als bisher! Börsenblatt für den Deutschen Buchhandel. 79. Jahrgang. die neuesten berichtigten Auflagen zugänglich gemacht werden würden. Wenn diese Ausführungen einen Vorwurf für den Buchhandel enthalten sollen, daß durch seine Vermittlung den Interessenten bisher nicht stets die neuesten Auflagen zugänglich gemacht woiden wären, so glauben wir diesen Vorwurf als unberechtigt und in seiner öffentlich erhobenen Form als eine Schädigung des Buchhandels bezeichnen zu müssen. Sofern der Buchhandel Bestellungen auf Karten übernommen hat. dürste er auch stets die neuesten Auf lagen in den Handel zu bringen bestrebt gewesen sein, da es ja in seinem eigenen Interesse liegen muß, seinen Kunden keine Veranlassung zu Reklamationen zu geben. Wir hegen deshalb das Vertrauen, daß Eure Exzellenz Veranlassung nehmen werden, zu verhindern, daß den amtlichen Bekannt machungen der Königlichen Landesaufnahme Aussührungen beigesügt werden, die geeignet sind, das Ansehen des ge samten Buchhandels in bedenklicher Weise zu schädigen. Wenn wir nun die Frage prüfen, ob bei Einrichtung der von der Königlichen Landesaufnahme vorbereiteten neuen Vertriebsocganisation nicht ein MindercrlöS aus dem Ver kauf amtlicher Karten für die staatlichen Einnahmen zu er warten ist. so müssen wir diese Frage auf Grund unserer praktischen Erfahrungen bejahen. Nach unserer Über zeugung wird, wie wir schon vorhin andeuteten, der Absatz der Karten einen erheblichen Rückgang erfahren infolge der mit der Beschaffung verbundenen Umständlichkeiten und in folge Fortfalls des Vertriebsinteresses und der Vertriebs- bemllhungen des Gesamtbuchhandels. Zu den letzteren ge hörte vor allem, daß in den Auslagen der Verkaufsstätten des Buchhandels, die in der Regel an lebhaften, verkehrs reichen Straßen in den besten Stadtgegenden sich befinden, die Karten der Königlichen Landesaufnahme dem Publikum stets vor Augen geführt wurden. Es bedarf wohl keines Hinweises, daß eine derartige zweckentsprechende und wirkungs volle Verlriebsweise den geplanten Kartenoertriebsstellen und ihren Mittelspersonen nicht möglich ist und von ihnen nicht erwartet werden kann, so daß wohl mit der bedauerlichen Tatsache zu rechnen ist. daß die amtlichen Karten dem großen Publikum entfremdet werden. Dann aber dürste die Königliche Landesaufnahme bei der von ihr geplanten VertricbSweise auch eines größeren Bcamtenapparats bedürfen. Denn erfahrungsgemäß werden sich die Lieferungs-, Abrechnung?- und Kontrollarbeiten mit einer Anzahl von Kartenveririebsstellen bei der Königlichen Landesaufnahme wesentlich umständlicher und komplizierter gestalten, als bei dem bestehenden Zustande. Schließlich gestatten wir uns noch Euer Exzellenz Be achtung die Tatsache zu empfehlen, daß auch im Auslande, z. B. in Österreich und Frankreich, der Vertrieb der von den militärischen Behörden herausgegebenen Karten dem Buchhandel anvertraut ist und daß auch in diesen Ländern sich eine derartige Vertriebsweise auf das beste bewährt und eingelebt hat. Auf Grund der vorstehenden Darlegungen gestattet sich deshalb der Unterzeichnete Vorstand an Euer Exzellenz die gehorsamste Bitte zu richten, geneigtest verfügen zu wollen, daß in der Vertriebsweise der von der Königlichen Landes aufnahme herausgegebenen Karten keine Änderung eintritt und auch in Zukunft der Verkauf der Karten in den Händen des deutschen Buchhandels verbleibt. Wir haben die Ehre zu zeichnen Euer Exzellenz ganz gehorsamer Vorstand des Börsenvereins der Deutschen Buchhändler zu Leipzig Karl Siegismund, Erster Vorsteher. 807