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Hohenstein-Ernstthaler Anzeiger : 08.03.1904
- Erscheinungsdatum
- 1904-03-08
- Sprache
- Deutsch
- Vorlage
- SLUB Dresden
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id1841177954-190403081
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id1841177954-19040308
- OAI
- oai:de:slub-dresden:db:id-1841177954-19040308
- Sammlungen
- Zeitungen
- Saxonica
- LDP: Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
-
Zeitung
Hohenstein-Ernstthaler Anzeiger
-
Jahr
1904
-
Monat
1904-03
- Tag 1904-03-08
-
Monat
1904-03
-
Jahr
1904
- Titel
- Hohenstein-Ernstthaler Anzeiger : 08.03.1904
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Deutscher Reichstag. so. Sitzung vom 5. März. Die Beratung deS Militär-Etats wird fortgesetzt. Abg. Werner (Wirtsch. Ver.) wünscht, daß die inaktiven Militärs mit ihrer Kritik an Zuständen im Heere zurückhaltender wären, sonst wirkten sie auf das Volk nur verwirrend. Die Mißhandlungen bedaure jeder, aber die Strafen seien ja auch hoch, namentlich wenn man erwäge, daß dieselben auch auf die Zivilanwartschaft der Betreffenden zurück wirken. Am besten werde den Mißhandlungen entgegengewirkt, wenn man für ein besseres Unter- osfiziermaterial sorge und zu dem Behuf« für Besser stellung der Unteroffiziere. Nötig sei ferner ver mehrte Unterbringung der Armee in kleineren Garnisonen. Auf jeden Fall müsse der gute Geist in der Armee erhalten bleiben. Abg. Graf Mielzynski (Pole) beklagt sich dar über, daß der Hakatismus auch auf die Beziehungen der Polen in der Armee einzuwirken suche. Einem polnischen Grundbesitzer sei der Bezug gewisser übelriechender Stoffe, die er für seine Landwirtschaft brauchte, aus Kasernen abgeschnitten "worden, weil er ein Pole war. Den polnischen Soldaten werde hier und da verboten, sich in ihrer Muttersprache zu unterhalten, in ihrer Muttersprache an die Eltern zu schreiben, ja sogar, in ihrer Muttersprache zu beichten. Kriegsminister v. Einem erklärt, daß berechtigten Beschwerden der Polen abgeholfen werde, aber die Tatsache der polnischen Agitation stehe fest, und dagegen müsse man sich wehren. Verlangt werde von den polnischen Soldaten nichts, als daß sie treue preußische Untertanen seien. DaS Schreiben an Eltern oder gar das Beichten in der Mutter, spräche zu verbieten, sei eine Brutalität. Seien dem Vorredner solche Fälle bekannt, so solle er Ort und Namen nennen, dann werde eingeschritten werden. (Beifall.) Abg. Schrader (freis. Ver.) wendet sich dagegen, daß den Soldaten der Besuch gewisser Wirtschaften aus politischen Gründen verboten werde. Der Meinung, daß die Zustände in der Armee in Grund und Boden verfahren wären, seien seine Freunde nicht, aber es seien Mißstände da, die die Kritik herausforderten, und so müsse insbesondere auch den inaktiven Offizieren das Recht der Kritik ge wahrt bleiben. Redner verbreitet sich dann über die Verhältnisse vom Jahre 1806 und kritisiert im Anschluß hieran die Absperrung der Offiziere vom Bürgertum, ohne welche die Mißhandlungen nicht entfernt so häufig sein würden. Abg. Gröber (Zentr ) erklärt, daß früher tat sächlich einmal ein Gebot ergangen sei, die Soldaten, die deutsch verstünden, müßten auch deutsch beichten; sei das jetzt abgestellt? (Der Minister nickt zu stimmend.) Dann gut. Mit den Uniformänderungen werde jedenfalls der Offizier zu sehr belästigt, ohne daß die Schlagfertigkeit des Heeres dadurch gewönne. Redner bemängelt den auf die Kommunen ausge- üaten gesetzlichen Zwang, gewisse Stellen mit Militäranwärtern zu besetzen, auch wenn diese zunächst nicht brauchbar seien, sondern erst eine längere JnformationSzeit durchmachen müßten. Das führe dazu, daß namentlich kleinere Gemeinden sich so lange als möglich gegen eine etatmäßige Besetz ung der betreffenden Stellen sträubten. Mindestens sollten die Kosten der Jnformationszeit nicht den Gemeinden aufgebürdet, sondern von der Militär behörde getragen werden. Endlich bemängelt Redner noch, daß immer noch zu viel Oekonomiehandwerker beschäftigt würden, namentlich Schuhmacher. Abg. Dr. Gradnauer (Soz.) bringt den Fall deS dieser Tage im Wiederaufnahmeverfahren frei- gesprochenen Prinzen Arenberg zur Sprach . Er übe an dem Spruche des Kriegsgerichts nicht Kritik, denn er glaube, der Spruch konnte nicht anders ausfallen. Aber wie war es denn möglich, daß ein geistig so minderwertiger Mann erst als Offi zier angestelll und dann als qualifiziert zur Schutz truppe in die Kolonien entsendet wurde? Weshalb sei bei dieser Verhandlung vor dem Kriegsgericht die Oeffentlichkeit ausgeschlossen wo, den? Doch wohl nur, um den Schleier des Geheimnisses darüber auszubreiten, wie sich die früheren Vorgesetzten des jungen ManneS über dessen Vorleben äußern würden. Habe man denn in der Armee nicht ge nügend Unterscheidungsgabe, um idiotische Männer als solche zu erkennen? Daraus würde sich freilich erklären, daß unter den Mannschaften, die nicht so vornehmer Abkunft und nicht so reich seien, gerade die Schwachbegabten den größten Mißhandlungen ausgesetzt seien. Redner verlangt, daß auch den Soldaten das Recht der Notwehr gegen Miß- Handlungen zustehen soll, spricht gegen Sklaven disziplin und Drill und fragt u. a.: weshalb den Offizieren der Besuch von Beyerleins „Zapfenstreich" verboten sei. Ein anständiger Soldat könne man auch sein ohne Königstreue; denn wie sollte es sonst anständige Soldaten in Republiken geben? Warum lasse man denn Sozialdemokraten überhaupt dienen, wenn der Minister sie nicht in der Armee haben wolle? (Zurufe: Um sie zu bessern!) Redner streift dann die Duelle in der Armee und ihre Ursachen. Ein sächsischer Oberförster, der ein Duell ablehnte, sei versetzt worden, statt daß die Regierung mit einem Donnerwetter gegen die Duellfexe dreingefahren wäre. Endlich bekämpft Redner das Institut der Einjährigen. Sachs. Oberstleutnant Krug v. Nidda erklärt, daß eine Eingabe von Reserveoffizieren, wie sie Vorredner behauptet habe, in Sachen des Ober försters überhaupt nicht erfolgt sei. Abg. Beumer (natl.): Wir werden uns die Freude am Heere durch maßlose Angriffe, die gegen dasselbe gerichtet werden, nicht verderben lassen. Aus den einzelnen Fällen, wie sie bekannt geworden, dürfe man keine verallgemeinernden Schlüsse ziehen. Unwürdige Elemente kommen in allen Ständen vor. In dem Baudissinschen Phantasiegemälde hat lediglich die Sensationslust den Pinsel geführt. Redner befürwortet die Wiederherstellung der von der Kommission gestrichenen Unteroffiziersstellen, sowie die von ihm beantragte Resolution betr. freie Fahrt für die Mannschaften auf Urlaubsreifen und zwar alljährlich für eine solche Reise. Abg. Rogalla v. Bieberstein (kons.) tritt eben- falls für diese Resolution im Interesse der Hebung des Heimatsgefühls ein. Abg. Eickhoff (freis. Vp.): Mit Herrn Schrader wünschten auch seine Freunde, daß unsere Armee sich auf der Höhe der Leistungsfähigkeit befinde und nicht auf dem Wege nach Jena; aber der innige Zusammenhang zwischen Armee und Volk, der uns in den Freiheitskriegen geholfen, müsse uns erhalten bleiben, er werde durch Beschränkung des Offiziers-Ersatzes auf einzelne Kreise gefährdet. In BreSlau sei von einem Regiment ein Kaufmann als Einjähriger erst akzeptiert und dann abgelehnt worden, weil er jüdischen Glaubens war; ein ähn licher Fall werde ihm aus Düsseldorf berichtet. Präsident Graf Ballestrem teilt noch den Ein gang eines Gesetzentwurfs betr. die Rechtsstellung des schleswig-holsteinschen Fürstenhauses mit. Weiterberatung Montag 1 Uhr. Dev Freispruch im Prozeß Arenberg. Die soeben erfolgte Freisprechung de« Prinzen Pro«per Arenberg von der Anklage de« Morde«, weil er geisteSgeüöct ist, wird in der Presse lebhaft erörtert. Die meisten Zeitungen erkennen an, daß nach den Gutachten der Sachverständigen kein andere« Urteil möglich war und der Prinz tatsächlich geisteskrank ist; einige fragen aber, ob nicht die meisten Morde ungesühnl bleiben würden, wenn überall da«selbe Verfahren eingeschlagen worden wäre, wie bei dem Prinzen Arenberg. Allgemein ist die Verwunderung darüber, wie der Prinz al« Offizier und Kultur träger nach Südwestasrika geschickt werden konnte. Habe man denn gar nicht« von seinem häßlichen Vorleben, seinem Geisteizustande, seinen scheußlichen Gepflogenheiten gewußt ? Der Fall sei eine tiefernste Warnung an die maßgebenden Behörden Da« Berliner Krieg«gericht hat auf Grund de« tatsächlichen Material« al« erw'esen erachtet, daß der Angeklagte in krankhaftem Zustande gehandelt hat, für den er nicht verantwortlich gemacht werden kann. Von den Gutachten stellt auch da« de« Wissenschaftlichen Senat« der KaiserWilhelm-Akademie in Berlin fest, daß bei dem Prinzen zurzeit Ker Begehung der Tat eine krankhafte Störung de« Geiste» vorhanden gewesen ist. Auch jetzt noch >st das Festhalten früherer Wahnideen zu bemerken. Die Frage, ob der Prinz ein unheilbarer Geistes kranker ist, wird aber verneint. Jedoch wird der Prinz in einem zweiten, später abgegebenen Gut achten al« dauernd geiste«schwach bezeichnet. Der nationalliberale „Hannov. Cour." wirft u. a. folgende Frage auf: „Wenn der geistelkranke, aus jeden Fall psychisch durchaus minderwertige Prinz m der Tat einem Irrtum der Justiz zum Opf-r gefallen und beinahe dem Scharfrichter an« Beil geliefert wäre, schließlich aber in« Gesängnir statt in« Jrrenhau« gebracht worden ist — wäre auch, gesetzt, der Täter hätte nicht einem Hause der internationalen Aristokratie, sondern etwa al« gemeiner Soldat der Schutz ruppe angehört, eine Remedur jenes Justiz irrtum« jo leicht herbeizusühren gewesen? Hätte man sich auch bei dem gemeinen Soldaten so viel Mühe gegeben, seine Antccedentien, den Verlaus seiner seelischen Degeneration, seinen geistigen Zustand zur- «ril der Verübung der Tat so genau jestzustellen? Hätte da« Urteil nicht dem gemeinen Soldaten — man nehme einmal an, dieser habe einen Vorgesetzten in so scheußlicher Weise ermordet — einen aur- reichenden Rest von freier Willcnibestlmmung übrig gelassen, um ihn daraufhin vom Leben zum Tode zu biingen? Und ist in dem Falle Arenberg wnk- lich in jedem Stadium de« Verfahrens, bei dem un begreiflich milden Urteil in Windhuk, bei der späteren B-gnadigung, bei der Wiederaufnahme, ohne An sehen der Person versahren worden?" * * * Wie gemeldet wird, nahm Pcinz Arenberg da* Urteil ohne jede sichtbare Erregung entgegen. Gleich gültig, wie während der ganzen Dauer der Ver handlung, starrte der Prinz, als der Verhandlung«- süh-er den Freispruch verkündete, zum Fenster hinan», gerade so, al« ob ihn die Sache garnicht« anging?. Al« sich der V-rhandlungtsaal von den Teilnehmern an dem Proz ß geleert, traten drei Kriminalbeamte, welche den Angeklagten von Tegel abgeholt und während der ganzen Verhandlung in seiner Nähe gesessen, an den Prinzen heran und brachten ihn mittel« Droschke nach dem Polizei-Präsidium, wo er vorläufig verblieb. Nach einer un« gestern zugegangenen Depesche ist Prinz Arenberg bereits nach der Jrrcnanstal. Herzberge bei Berlin übergeführt worden. Oertliches und Sächsisches. Hohenstein-Ernstthal, den 7. März. * — Parochial - Familicnabcnd Gestern, Sonntag, abend feierte die Parochie „St. Christo- phori" unter überaus reger Beteiligung den dies jährigen Familienabend im Hotel zu den „Drei Schwanen". Gegen ^9 Uhr beganndie Feier. Nach gemeinsamem einleitenden Gesänge ergriff Herr Pf. Albrecht das Wort zur Begrüßung der Erschienenen. Er wies dabei darauf hin, daß vor 100 Jahren, am 7. März, die große „Britische und ausländ. Bibelge sellschaft" gegründet worden sei und erzählte aus führlich, wie ein armes Mädchen, das sich nach nichts anderem, als nach dem Besitze einer Bibel sehnte, unbewußt die Ursache bildete zu dem ge waltigen Werke, das über die ganze Erde in ihren „Sprachen und Zungen" den reichsten Segen aus gestreut hat. Und mit diesem Segen, der den Menschen das alleinseligmachende Wort Gottes bringt, habe es ja auch die evangelische Bewegung zu tun, der der heutige Familienabend gewidmet sei. Nach einem musikalischen Vortrage des Herrn Schönherr ergriff Herr Pfarrer Märkel von Alt- Mittweida das Wort zu seinem Vortrage über die evangelische Bewegung. Er ging davon aus, daß schon vor dem Ende deS 18. Jahrhunderts es evangelische Bewegungen gegeben habe; in der größten und einzigartigen evangelischen Bewegung, die der Herr Christus selbst verursacht hat, stünden wir ja alle. Oesterreich sei vor dem 30jährigen Kriege fast ganz protestantisch gewesen, und obwohl durch den furchtbarsten aller Kriege der Protestan tismus fast ausgerottet worden wäre, wenigstens in Böhmen, hätte sich doch durch die Zeiten das Evangelium erhalten. Dann schilderte der Herr Redner in anschaulichster Weise eigene Reiseerleb nisse und führte aus, daß man das römisch-katho lische Christentum nicht als katholisches Heidentum ungerecht beurteilen solle, daß aber doch so viel Widerevangelisches dort zu Hause sei, z. B. was den Aberglauben betreffe. Zum Schluß sprach Redner vom Siege der evangelischen Bewegung und dem Stande der Dinge an verschiedenen Orten, z. B. in Dux, Karbitz, Braunau, Ramsau. — Der Familien abend brachte nunmehr einen fast ausschließlich musikalischen Teil; es sind zu nennen die Cello vorträge des Herrn Kaufmann Hieronymus Schön - Herr, die Gesangsvorträge des Herrn Lehrer Pauli, Klarinetten- und Geigenspiel der Herren Asy sen. und jun.—ersteres begleitet von Herrn Kantor Merker, letzteres von Herrn Pampel — Gesänge der Männer abteilung des Kirchenchors und des Jungfrauen vereins, und Deklamationen junger Mädchen. Nach dem Schlußwort des Herrn Pfarrer Albrecht wurde der Abend mit gemeinsamem Gesang beendet. Der Abend ist als ein gelungener zu bezeichnen. Er freulich ist's, daß die eingelegten Scherflein einen ziemlich hohen Betrag ergaben. Das Geld wird verwendet zum Gehalt des Vikars Scharschmidt an der evangelischen Gemeinde in Dux. * — Saalfest. „Wer zählt die Völker, nennt die Namen, die gastlich hier zusammenkamen?" Diese Worte dürften manchem in den Sinn ge kommen sein, der gestern abend zwecks Teilnahme an dem zweiten Saalfest des Neustädter Turn vereins die prächtig geschmückten Räume des Neu städter Schützenhauses betrat. Ueberall ein Ge dränge, daß es Mühe kostete, Eingang zu erhalten, und war mau drin im Saal oder in der großen Gaststube, in welcher eine Tyroler Sängertruppe, Trebors Humoristen, Limas Gymnastiker, Legans Volkssänger und andere erstklassige Künstler ihren Tempel aufgeschlagen hatten, so hörte in der Regel das „Selbstbestimmungsrecht" auf; hier gab es kein Schwimmen gegen den Strom! Geduldig mußte sich jeder — ob Weiblein, ob Männlein — darein fügen, von der Menge fortgetragen und an irgend einem Platze, der eine Lücke zeigte, abgesetzt zu werden. — Man muß sich eigentlich wundern über die vielen Menschen, die fortgesetzt durch Ab- und Zugang wechselten. Dabei ist so gut wie keine Reklame gemacht worden, nur einige kleine Annoncen im „Anzeiger" haben auf das Fest auf merksam gemacht. Wie manche Unternehmer eines Konzertes und dergleichen inserieren sich die Finger wund und das Defizit in den Beutel, und der Saal bleibt doch leer! Dieser überaus starke Zu spruch, den das Fest gesunden hatte, legt aufs neue Zeugnis davon ab, wie innig verwachsen alle Kreise unserer Einwohnerschaft mit dem Turnverein sind. Dieses schöne Verhältnis ist nicht zum wenigsten ein Verdienst der derzeitigen Vorstandsmitglieder des Vereins, die mit herzerfrischendem Idealismus den Verein leiten und die Achtung und das In teresse auch der Außenstehenden zu erwecken wissen. Mag ihnen dies auch für die Zukunft gelingen! — Wenn wir auf die Einzelheiten des Festes er schöpfend eingehen wollten, so hätten wir viel, vielmehr Zeit und Raum nötig, als uns heule zur Verfügung stehen. Wir müssen uns deshalb auf einen allgemeinen Ueberblick beschränken und haben vorauszuschicken, daß das Arrangement allgemeine Achtung und Anerkennung sand. Die Grundidee: eine Rundreise durch Deutschlands Gaue, war tadellos zur Durchführung gebracht. Einzelne Stationen waren so gemütlich und traut ein gerichtet, daß viele Passagiere gar nichts anderes zu sehen wünschten und einfach von Anfang bis Ende dort „kleben" blieben. Das war z. B. der Fall in der „Niederwaldschänke", im „Münchener Hofbräuhaus", in der Weinstube „Zum Vater- Rhein" rc. Die dort ihres Amtes waltenden flinken „Kinder vom Rhein" verstanden aber auch im Verein mit dem freundlichen Küfer und seinen Gesellen den Aufenthalt angenehm und — den Beutel leer zu machen. Viel Zuspruch hatte das „Postamt", noch mehr die Zuckerbude „Zum schönen Rudolf", sowie das ./Nürnberger Bratwurstglöckli", welch beide schon frühzeitig ausverkauft halten. Der Scharfschützenstand war ständig umlagert und die freundlichen „Schießbudenmädels" dürften ein hübsches Sümmchen als Erlös abgeliefert haben. Die „Glücksbude", das „Kieler Fischhaus" und das „Welt-Panorama" übten gleichfalls eine ganz besondere Anziehungskraft aus. Das meiste In teresse erregten begreiflicherweise die fünf Reigen und von diesen wiederum schoß der Schweinchen- Reigen — nach eigener Idee zusammengestellt — den Vogel ab. Dieser grotesk-komische Akt rief die ausgelassenste Heiterkeit selbst bei denen hervor, die infolge des kolossalen Ankranges — nichts zu sehen bekamen. Daß den, Tanze flott gehnldigt wurde, ist selbstverständlich; fehlt es doch nie an solchen, die das Kribbeln in die Füße kriegen, wenn sie eine Fiedel hören. — Alles in allem: der Verlaus des zweiten Saalscstes steht dem vor jährigen in nichts nach, übertraf dasselbe vielmehr in vielen Beziehungen, was besonders auch nach der finanziellen Seite hin der Fall sein dürfte, und darüber werden sich nicht nur die Turnvereins mitglieder, sondern auch alle Freunde desselben am meisten freuen. * — Der Familicnabcnd, den der vierte Zug der hiesigen Freiwilligen Feuerwehr, 2. Kompagnie, gestern abend im Saale des Gasthofes „zum grauen Wolf" veranstaltet hatte, war so gut besucht, daß nicht nur der Saal, sondern auch der große Vor raum voll besetzt war. Was die Vorführungen anlangt, so kamen sowohl die Einzelvorträge als auch die beiden Theaterstücke in jeder Weise exakt zur Geltung. Daneben leistete die Sängerabteilung der zweiten Kompagnie unter Leitung ihres Dirigenten Herrn William Lässig, wie stets, auch diesmal ganz Vorzügliches. Alle drei Lieder: „Wer ist frei", von Baumgärtner, „Morgenstille", von Billeter, „'s wird wieder Frühling", von Nollopp, wurden von dem ca. 30 Mann starken Chor in tadelloser Weise zu Gehör gebracht und ernteten stürmischen Beifall. Als ein Jongleur, der sich fehen lassen kann mit seinen verschiedenartigen, zum Teil recht schwierigen Kunststückchen, zeigte sich das Mitglied des 4. Zuges, Herr B., und wußte damit die Anwesenden anhaltend zu fesseln und zu be geistertem Beifallklatschen Hinzureißen. Recht an sprechend war auch der „Leierkastenmann" des Herrn S. Wie nicht anders zu erwarten, wandte sich das Hauptinteresse dem allerliebsten Makowsky- schen humoristischen Gesamtspiel „Weibliche Feuer wehr oder die erste Löschprobe" zu. Das Spiel war recht flott und besonders die vier Feuerwehr- Rekrutinnenent ledigten sich ihrer Aufgabe mit vielem Geschick. Der an drolligen Szenen sehr reiche Ein akter hinterließ einen derartigen Heiterkeitsausbruch, daß ein Teil desselben wiederholt werden mußte. Nachdem der unterhaltende Teil beendet war, voll zog sich eine ernste, feierliche Szene, indem Herr Sektionsführer Ferdinand Nadler die Mitglieder des 4. Zuges zusammenrief und darauf hinwies, daß 15 Jahre verflossen seien, seitdem Herr Fritz Baumgärtel Führer des 4. Zugessei. In längerer Rede hob Herr Nadler die vielfachen Verdienste des allgemein geachteten und beliebten Herrn Baumgärtel als Zugführer und Feuerwehr mann überhaupt hervor und überreichte ihm zum Schluffe als Zeichen der Liebe und Anhänglichkeit seitens der Mannschaften des Zuges einen kost baren Ring. Sichtlich überrascht, dankte der Ge feierte und nach dem Gesang des Feuerwehrmarsches trat der Tanz sein Regiment an, um die Gäste und Mitglieder noch lange in gehobener und fideler Stimmung zusammenzuhalten. — Bemerkt sei noch, daß mit diesem Familienabend der 4. Zug zum ersten Male an die Oeffentlichkeit getreten ist. Der schöne Verlauf desselben wird ihn gewiß veranlassen, nunmehr öfter einen ähnlichen Abend zu ver anstalten. * — Geschloffene Zeit. Am Sonntag, den 13. März, findet die letzte Ballmusik vor Ostern statt, da die sogenannte „geschlossene Zeit" mit Montag, den 14. März, beginnt. Von diesem Tage an bis zum ersten Osterfeiertag (3. April) ein schließlich ist die Abhaltung öffentlicher Tanz belustigungen und die Veranstaltung von Privat bällen auch in Privathäusern oder in Lokalen ge schlossener Gesellschaften verboten. Ebenso dürfen Konzerte und andere mit Musik verbundene Ver gnügungen — abgesehen von Aufführungen geist licher Musiken und Oratorien in den Kirchen — in der Zeit vom Gründonnerstag an bis zum darauffolgenden Sonnabend einschließlich nicht statt finden. In den Theatern sind in der stillen Woche nur vom Palmsonntag bis mit Mittwoch vor Ostern Ausführungen ernster Stücke gestattet. Vom ersten Osterfeiertage an sind dann wieder aller Konzerte und Aufführungen und vom zweiten an auch Ball festlichkeiten gestattet. * — Tie Osterferien beginnen bei den höheren Lehranstalten am 26. d. M., bei den Volksschulen am 30. d. M. und enden am 10. bez. 11. kommen den Monats. * — Neue Zehn- und Fünfzigpfcnnigstücke. Der vom Bundesrat angenommene Gesetzentwurf betr. die Aenderung des Münzgesetzes von 1873 bezweckt, die Möglichkeit zu schassen, zur Verhütung von Verwechslung der Zehn- und Fünfzigpfennig stücke die letzteren in größerer Stärke als bisher zu prägen. Während die Fünfzigpfennigstücke nach der geltenden Bestimmung aus einer Legierung von 900 Teilen Silber und 100 Teilen Kupfer bestehen, sollen sie oorlan aus 750 Teilen Silber und 250 Teilen Kupfer hergestellt werden. * Stollberg, 5. März. Im Restaurant „Lindengarten" im benachbarten Niederdorf ereig nete sich Herne nachmittag '/,2 Uhr eine Benzinex plosion, wobei der Besitzer des Restaurants, Herr Petzold, leichte Verletzungen erlitt, während sein Schwager, der mit der offenen Lampe im Keller dem Benzinfaß zu nahe gekommen war, schwere Wunden davontrug. * Glauchau, 5. März. In der Person des Kutschers Göring dahier ist heuteder „Güteragent" fest genommen worden, durch den anfangs vergangenen Monats ein Gutsbesitzer in der Umgebung Glauchaus um 115 Mk. geprellt worden war. Da die „Vermitte lung" von Gutskäusen dem G. nicht mehr sicher genug schien, so legte er sich aufs Wechselfälschen und zwar fertigte er mehrere Akzepte im Betrage von 900 Mk. mit den Namen einer in Rothenbach ansässigen Gutsbesitzerin aus, die er bei hiesigen Bankhäusern zu diskontieren versuchte. In einem Falle (Wechsel über 350 Mk.) gelang ihm auch dieser Versuch; in einem anderen Falle war jedoch der Bankier so vorsichtig, erst Erkundigungen über die Echtheit des Akzepts einzuziehen, die dann den Schwindel an denTag brachten und die Eruierungdes Fälschers ermöglichten. G., der sofort ins Amtsgerichtsgefängnis eingeliefert wurde, ist verheiratet und Vater von fünf Kindern. Er soll sich auch noch anderer, etwas weiter zurück liegender Straftaten schuldig gemacht haben. * Crimmitschau, 5. März. Die Gerichtsbe hörde hat den Antrag mehrerer vom hiesigen Schöffengericht und dem Zwickauer Landgericht wegen Vergehens während der Streikbewegung zu Gefängnisstrafen Verurteilter, Selbstbeköstigung und Selbstbeschästignng zu gewähren, abgelehnt. Es ist aber gestattet worden, das Mittagessen selbst zu beschaffen. * Chemnitz, 6. März. Herr Bürgermeister Gerber hier ist vom Herzog von Sachsen- Alten burg zum Vorstand des Herzoglichen Ministeriums, Abteilung für Justiz, und damit zum ordentlichen stimmführenden Mitglied« des Herzoglichen Gesamt ministeriums unter Verleihung des Titels „Staats rat" ernannt worden. Herr Bürgermeister Gerber hat diese Berufung angenommen und für Ende April um seine Entlassung aus dem städtischen Dienste nachgesucht.
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