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Hohenstein-Ernstthaler Anzeiger : 24.02.1904
- Erscheinungsdatum
- 1904-02-24
- Sprache
- Deutsch
- Vorlage
- SLUB Dresden
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id1841177954-190402241
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id1841177954-19040224
- OAI-Identifier
- oai:de:slub-dresden:db:id-1841177954-19040224
- Sammlungen
- Zeitungen
- Saxonica
- LDP: Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
-
Zeitung
Hohenstein-Ernstthaler Anzeiger
-
Jahr
1904
-
Monat
1904-02
- Tag 1904-02-24
-
Monat
1904-02
-
Jahr
1904
- Titel
- Hohenstein-Ernstthaler Anzeiger : 24.02.1904
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Staatssekretär Krätke: Ich muß in Abrede stellen, daß die Beamten in den Kolonien so schweren Dienst haben, daß sie gebrochen von dort zurück kehren. Ich freue mich aber, daß gerade ein Mit glied der freisinnigen Volkspartei sich zu höheren Ausgaben für die Kolonien bereit erklärt. (Heiterkeit). Abg. Müller-Sagan (freis. Bolksp.): Der Herr Staatssekretär legt da etwas in die Worte meines Kollegen hinein, waS nicht darin lag. Wir sind aber allerdings der Meinung, daß, wenn wir nun einmal Beamte dort haben, für diese auch gesorgt werden muß. Bei Titel Post- und Telegraphen-Gehilfinnen weist Abg. Singer (Soz.) auf die gestiegene In anspruchnahme dieser Damen hin und auf die viel fachen Nervenerkrankungen derselben. Direktor Sydow: Die Dienstzeit beträgt für Telegraphen-Gehilfinnen zwischen 42 und 49 Stunden in der Woche. Den Tagesdienst für sie in zwei Teile zu teilen, habe ihren Vorteil, doch auch den Nachteil des doppelten Weges. Eine Wieder entlassung solcher Damen, wie Vorredner sie be mängelt, ist nur vorgekommen, insoweit es sich nach träglich herausstellte, daß die betreffenden Nervösen so veranlagt sind, daß sie selbst leichte elektrische Schläge, wie sie ein normal Veranlagter leicht aus halte, nicht ertragen könnten. Wir werden jeden falls bei der Aufnahme in solchen Dienst in Zukunft noch vorsichtiger verfahren müssen als schon bisher. Beim Titel Unterbeamten wünscht Abg. von Hodenberg Mäntellieferung an Unterbeamte im Be stelldienst als Schutz bei ungünstiger Witterung, Abg. v. Gerlach größere hygienische Fürsorge, be sonders für die Angestellten im Maschinendienst, also Rohrpostämter, Abg. Singer Verkürzung der Dienstzeit der Unterbeamten. Staatssekretär Krätke: Die Dienstzeit für die Unterbeamten innerhalb 60 und 70 Stunden als Grenze sei bei dem einen Amt etwas länger, bei dem anderen etwas kürzer. Schematisiert könnte nicht werden. Es komme auf die Art der Be schwerlichkeit des Dienstes an. Jedenfalls gebe es aller vier Wochen einen ganzen freien Sonntag und außerdem aller drei Wochen zwei freie halbe Sonntage. Die Kommission beantragt Streichung des Titels betreffend die Ostmarkenzulagen. Abg. o. Normann (kons.) ist für Wiederherstellung der Position. Ein Antrag v. Liebermann (Antis.) will Wieder herstellung, aber mit der Maßgabe, daß die Zu lagen als unwiderruflich zu bewilligen seien. Abg. v. Tiedemann (Reichsp.) tritt für Ge nehmigung der Zulagen ein und zwar in der Form widerruflicher. Es handle sich um die wirtschaft liche Notwendigkeit, auch den Postbeamten die Zu wendung zu teil werden zu lassen, in deren Genuß die preußischen Beamten im Osten bereits seien. Abg. Fritzen-Düffeldorf (Zentr.) kann eS nicht gelten lassen, daß es sich hier um eine politische, sondern um eine wirtschaftliche Angelegenheit handle. Seine Freunde würden auf jeden Fall auf der Streichung der Zulagen beharren. Redner ver urteilt weiterhin die preußische Ostmarkenpolitik. Abg. v. Staudy (kons.) tritt für den Antrag v. Normann ein und zwar im Gegensatz zu Tiede mann auS politischen Gründen. Staatssekretär Krätke bittet, die Forderung zu bewilligen. Die Postbeamten im Osten seien in schwieriger Lage. Die Dienstfreudigkeit müsse ihnen erhalten werden. Ihre Lage sei noch schwieriger als die der preußischen Beamten, weil sie sich mehr auf die kleineren Orte verteilten. An Orten mit polnisch sprechender Bevölkerung sei für sie der Einkauf schwieriger und das Wohnen teurer. Abg. v. Jazdzewski (Pole) bekämpft die Ost- markenzulagen, setzt sich dann mit dem Zentrum auseinander und hofft schließlich, daß bei wechsel- seitiger Rücksichtnahme die Spannung zwischen Zentrum und Polen wieder nachlassen werde. Abg. Singer (Soz.) nennt die ganze Ostmarken politik der preußischen Regierung eine Dummheit. (Vizepräsident Graf Stolberg rügt dies.) Die Unterbeamtengehälter sollte man überhaupt und nicht für die Ostmarkenzulage allein erhöhen. Abg. Sattler (natl.) erklärt die Zustimmung seiner Freunde zu der Forderung als Konsequenz der von ihnen gebilligten Polenpolitik, die keine Angriffs-, sondern eine Verteidigungspolitik sei. Abg. Gamp (Reichsp.): Die politische Frage sei in Preußen erledigt. Hier handle es sich nur darum, ein Unrecht gegen die Reichsbeamten gut zu machen. Abg. Dove (freis. Vereinig.) spricht gegen die Zulage. Die ganze Ostmarkenpolitik habe Fiasko gemacht. Die Ostmarkenzulagen werden gegen die Stimmen der Konservativen, der ReichSparteiler, der Anti semiten und Nationalliberalen abgelehnt. Im Extraordinarium hat die Kommission die Forderung von 300000 Mark gestrichen für Weiter führung der Telegraphenlinie in Ostafrika über Tabora hinaus nach Udschidschi. Staatssekretär Krätke bittet, wenigstens den gleichen Betrag zu genehmigen für die Strecke von Tabora über St. Michael nach Muanza. Abg. Spahn (Zentr.) stellt einen entsprechenden Antrag. Der Antrag wird an die Kommission verwiesen. Eine Resolution, betreffend Portofreiheit für Soldatenbriefe und -Pakete in die Heimat, wird angenommen, nachdem der Herr Staatssekretär zu gesagt hat, die Sache nochmals zu erwägen. Staatssekretär Krätke erklärt dann noch, daß die von dem Abg. Haase am 19. Januar behauptete Verletzung des Briefgeheimnisses tatsächlich nicht erfolgt ser. Angestellte Ermittelungen hätten die Unrichtigkeit der Behauptung ergeben. Damit ist der Postetat erledigt. Der Etat der Reichsdruckerei wird debattelos genehmigt. Sächsischer Landtag. Zweite Kammer. Dresden, 22. Febr. Auf der Tagesordnung steht die allgemeine Vorberatung über das König liche Dekret Nr. 31, betreffend mehrere Eisenbahn- angelegenheiten. Die mehr als 3'/.stündigen Verhandlungen er- öffnet Finanzmmister Dr. Rüger : Die Wichtigkeit deS vorliegenden VeratungSgegenstandeS ist dadurch begründet, daß daS Eisenbahnwesen für daS ganze Staatswesen von größter Bedeutung ist, indem eS auf die Staatskassen zurückwirkt. Es ist eine be kannte Tatsache, daß sich unser Vaterland eines Eisenbahnbesitzes erfreut, der seinesgleichen in wenig anderen Ländern findet. Anfang 1903 besaß Sachsen 3148 Kilometer eigene Eisenbahnen, wozu 52 Kilo- meter vom Staate verwaltete Privatbahnen kommen. Daneben dürfen auch nicht die 303 Kilometer Eisen bahnen vergessen werden, die ausschließlich dem An- schlußverkehr dienen und in Privathänden sind. Die absolute Höhe dieser Ziffern an sich ist schon bemerkenswert, sie wird aber noch interessanter bei einem Vergleich mit dem Bahnbesitz anderer Länder. Auf 1000 Quadratkilometer Bodenfläche kommen noch den letzten Feststellungen im Reiche 94,4, in Preußen 88, in Boyern 89, in Württemberg 96 und in Sachsen 163,8 kw vollspurige Bahnen. Damit ist Sachsen genötigt, infolge der Bodenbe schaffenheit des Landes mit Schwierigkeiten zu rechnen, die anderwärts nicht, oder doch in geringerem Umfang vorhanden sind. Unsere Eisenbahnen müssen bis hoch in das Gebirge hinauf und bewegen sich an Stellen auf Höhen, die fast aus demselben Niveau liegen, wie der Gipfel der Berge. 26°/o unserer Bahnen gehen wagerecht, 74°/o dagegen in Steigungen, die sich stellenweise im Verhältnis von 1 : 20 bewegen. In gerader Linie bewegen sich 50, in Krümmungen 43 Prozent unserer Bahnen. Außerdem lasten verschiedene Dinge auf kleineren Staaten schwerer als auf großen: ich erinnere in dieser Beziehung nur an die großen Bahnhöfe. Wenn der Satz richtig ist, daß es die Vorsehung mit denen gut meint, denen es das Glück nicht in den Schoß fallen läßt, so können wir unser Sacklen als ein reich gesegnetes Land betrachten. Wir müssen immer von neuem unsere Kräfte anstrengen, um uns aus der Höhe zu erhalten, auf der wir uns befinden. Die Opfer des StaateS für die Bahnen sind außerordentlich groß geworden. Dos Anlagekapital betrug Ende 1902: 963 000 000 Mk und an den Schulden deS Staoies waren die Bahnen im gleichen Zeitpunkte mit 786 000 000 Mk beteiligt. Für diese Periode ist aus einen nennens werten Reinertrag unserer StaatSbahnen nicht zu rechnen, und daS ist von weittragender Bedeutung. Finanz, und VerkehrSpolitik eine- Staates gehören unzertrennbar zusammen. Die Rentabilität der StaatSbahnen wirkt ausschlaggebend auf die Finan- zierung deS Staatshaushalts. Die Eisenbahnen sind nicht Selbstzweck, sondern ein Teil des Ganzen und haben sich den staatlichen Interessen unterzuordnen. Diese Erwägungen muffen dazu führen, daß wir den Stand de« Anlagekapital« unserer Bahnen ängstlich überwachen und jede unverhältnismäßige Steigerung vermeiden. Mil einem so hohen Stand de« Anlagekapital«, wie der gegenwärtige, sind große Gefahren verknüpft, weil angesicht« der fort schreitenden Technik, insbesondere der Elektrotechnik, die Eisenbahnwerle einem gewissen Risiko aurgesctzi sind. Dazu kommt die Kostspieligkeit der Bahndöse, der teueren Sicherheitreinrichtungen und die sollende Tendenz der Gütertarife. Solche Tatsachen und Verhältnisse geben da« bestimmende Moment für unsere Eisenbahnpolitik in den nächsten Jahren Wir müssen verhüten, daß da« Anlagekapital der Eisenbahnen ins Ungemessene wächst, weil schon jetzt die Verzinsung und eine ungenügende Tilgung der Staatsschulden beinahe die gesamte Einkommen steuer verschlingen. Er würde unverantwortlich sein, sitzt neue Aufwendungen für Bahnen zu macken. Diese Zurückhaltung wird hoffentlich die Billigung der Stände finden und zwar umsomehr, alt in den außerordentlichen Etat zur Vollendung und Durch führung einmal begonnener Bahnprojekle rc 33 000 000 Mk. eingestellt worden sind. Dar außerordentlich rasche Tempo, in welchem der säch sische Staat bis vor kurzem Bahnen baute, hat vielleicht zu große Hoffnungen in einzelnen Landes teilen erweckt. Der Staat dars aber nicht mehr geben, al« er bei Berücksichtigung seiner wirtschaft lichen Lage geben kann. Besser wäre es gewesen, der Staat hätte einen Teil der Lasten aus die jenigen Kreise abgewälzt, welche Vorteile von der Eisenbahnanlage genießen. Man denke an das Vorgehen Preußen« beim Bau von Kleinbahnen. Im April 1903 waren in Preußen 236 Neben bahnen genehmigt in einer Gesamilänge von 7328 Kilometern und mit einem Anlagekapital von 383 Mill. Mk. Der preußische Staat hatte dazu nur 52 Millionen, also nicht ganz 14 Praz. beigelragen. Sein reiner Jahreszuschub läßt sich auf 1,3 Mill, veranschlagen. Untere Schmalspurbahnen lassen sich sehr gut mit den preußischen Kleinbahnen ver gleichen, denn auch sie dienen vorwiegend dem Lokalverkehr. Ihr Anlagekapital beträgt rund 40 Millionen, und wenn man die Zinsen hiervon mii berücksichtigt, so ergibt sich ein Zuschuß von 1,4 Millionen, also im Verhältnis zu Preußen be deutend höher. Die unveränderte Uebertragung der gewiß gesunden und gerechten Grundsatzes Preußens, die Interessenten zu Beiträgen heranzuztehen und die unentgeltliche Abtretung de« benötigten Grund und Boden« auch dann zu verlangen, wenn der Staat den Bau auf eigene Rechnung aursührt, aus unsere sächsischen Verhältnisse wäre allerdings schwerlich ausführbar, denn unsere Bahnen im ge birgigen Gelände kosten bedeutend mehr, al« die Bahnen im preußischen Flachlande. Gerade die ärmeren Gegenden de« Lande«, dis einer Hebung ihrer wirtschaftlichen Verhältnisse dringend bedürfen, würden sich dann der Wohltat einer Eisenbahn kaum erfreuen dürfen. (Sehr richtig!) E« wäre aber schon viel gewonnen, wenn wenigsten« aus un entgeltliche Ueberlassung de» Grund und Boden« hingewirkt würde. Eine plötzliche Systemänderung würde da« Gefühl einer ungleichen Behandlung Hervorrufen, namentlich wenn e« sich um ein Pro jekl handelt, da« wiederholt schon erwogen und be fürwortet worden ist. E« wird aber zu erwägen fein, ob man nicht die gesunden Gedanken der preußischen Etsenbahnpolttik für künftige Fälle sich zu eigen macht. (Beifall.) Abg. Andrä-Bräun«dors (kons.): Ich freue mich, daß der Finanzmmister nicht die Rentabtlitälssrage in den Vordergrund gestellt, sondern da« Haupt gewicht auf die Bedürfni«srage gelegt hat. Ange sicht« der gegenwärtigen Finanzlage muß ich für meine Person erklären, daß diejenigen Gegenden, welche eine Bahnverbindung wünschen, hierfür auch gewisse Opfer bringen müssen. Der Redner bringt dann Wünsche bezüglich der Linie Gittersee-Hänichen- Possendorf vor. Abg. Rudelt-Deuben (kons.): Ich kann dem nicht beistimmen, daß man die Gemeinden mehr wie bisher durch Bettragsleistungen in Anspruch nehmen will. Da« würde in wirtschaftlich schwachen Ge meinden eigentümlich empfunden werden. Wir haben im Plauenschen Grunde hohe Beiträge für die elektrische Bahn ausgebracht, aber diese Beiträge dürfen nicht zur Härle werden. Abg. Harter-Neudörfchen (kons.) tritt für den Bau einer Bahn im Zschopauthal ein, ebenso Abg. Schieck-Frankenberg (natl.) Vizepräsident Opitz-Treuen (kons.): Die Finanz- deputalion ö wird sich eingehend mit den vom Finanzminister Vorgelragenen allgemeinen Gesichts punkten beschäftigen müssen, von denen ich nur ge wünscht hätte, daß sie schon im Dekret enthalten gewesen wären. Die Darlegungen de« Finanz minister« waren geradezu erhebend zu einer Zett, wo ein förmliche« Bündni« besteht, um da« Ansehen unsere« Vaterlande« Sachsen im Auslande herab zusetzen. Die Deputation wird un« mit Direktiven an die Hand gehen können. Fast noch mehr Gewicht wie auf Verbesserungen bei Bahnbauten ist aus die Erhaltung der Bauten zu legen. Man muß in beiden Beziehungen die nötige Vorsicht walten lassen. (Beifall.) Ganz eigenartig liegen die Verhältnisse bei dem Bahnprojekt Mylau-Greiz. Die Strecke Lengenfeld—Mylau ist bereits hergestellt und zum Teil schon dem Betriebe übergeben; sie ist jetzt ein Torso, der eine beschämende Rente abwersen wird. Erst durch Fortführung bi« Greiz und den dadurch bewirkten Anschluß an die Hauptbahn wird die Strecke Lengenfeld—Mylau rentabel werden. Abg. Günther-Plauen (freis. Vg.): Ich möchte vor einer übertriebenen Sparsamkeit warnen und werde bei Beratung de« Ersenbahnetat« darauf zurückkommen. Die Behauptung, daß die Güter tarife sich in fallender Tendenz bewegen, kann ich nicht al« richtig anerkennen. Man dars bei Be rechnung der Rente einer Bahn nicht nur auf den direkten Nutzen derselben sehen, sondern muß die Ausschließung der betreffenden Gegend und die damit verbundene Hebung der Steuerkrafl auch berück sichtigen. W nn man die Vorzüge unsere« Bahn wesens beleuchtet, soll man auch die Mängel nicht vergessen. Schließlich bittet Redner noch, den Bahn bau Theuma—Plauen bezüglich der Vorarbeiten in Angriff zu nehmen. Nachdem noch die Abgg. Zeidler-Oberlohsa, Gräfe- Annaberg, Kluge-Deutschneudorf und Schubart-Euda aesprochen, stellt Abg. Horst-Mulda den Antrag, das Dekret der Finanzdepulalion 8 zu überweisen. Nach längerer Debatte beschließt da« Hau« dem Anträge Horst gemäß, worauf die Satzung geschlossen wird. Oertliches und Sächsisches, Hohenstein-Ernstthal, 23. Februar. * — Auszeichnung. Den Herren Buchhalter Richard Otto Striegler und Expedient Bernhard Emil Walther, die über 25 Jahre der Firma C. F. Jäckel ihre Dienste gewidmet haben, wurden, wie uns leider erst jetzt mitgeteilt wird, am Sonn tag, den 14. dieses Monats, durch Herrn Bürger meister Dr. Polster Ehrendiplome der Stadlgememde seierlichst überreicht. * — Das Ministerium des Innern hat ver ordnet, daß bei Ausstellung von Arbeitskarten ein Impfschein als Altersnachweis (Geburtsbescheinig ung) im Sinne von tz 5, Absatz 2 der Verordnung vom 30. November 1903, die Kinderarbeit in ge werblichen Betrieben betr., nicht genügend ist, auch wenn er mit den Melderegistern übereinstimmt. * — Untersuchung von Biitzableitungeu. Aus Veranlassung des Königlichen Ministeriums des Innern ist an die Baupolizeibehörde Anweisung ergangen, auf tunlichst genaue Untersuchung der Blitzableitungen bei Gelegenheit der vorzunehmenden Baurevisionen bedacht zu sein. * — Warnung vor umhcrzichendcn Arznei- Händlern! Auf leichtsinnige Weise büßen viele Leute ihre Gesundheit ein, indem sie von Hausierern Arzneimittel taufen, die häufig verfälscht, verdorben, demnach absolut wertlos sind oder auch ihrer Zu sammensetzung nach nur aus staatlich approbierten Apotheken bezogen werden dürfen. — Auch die Umgebung von Burgstädt wurde in den letzten Tagen von Hausierern heimgesucht, welche die jetzt besonders begehrten „Wurmmittel" verkauften und schon heute wird dem „Bürgst. Anz." gemeldet, daß eine Person, die jenes Mittel versuchte, unter Ver giftungserscheinungen erkrankt ist. — Darum hüte man sich, Medikamente einzunehmen, die von um herziehenden Händlern herrübren. Nur die in den Apotheken verabfolgten Mittel bieten eine Gewähr, daß dieselben sowohl ihrer Güte als ihrer Zu sammensetzung nach tadellos sind. * — Anläßlich der Empörung über die drei jugendlichen Verbrecher, die, nachdem sie aus der Erziehungsanstalt zu Bräunsdorf bei Freiberg ent laufen waren, zu Räubern und Totschlägern ge worden sind, hat man im Publikum vielfach ab fällige Aeußerungen über die Bräunsdorfer An stalt vernehmen können. Demgegenüber sei nach träglich darauf hingewiesen, daß es ganz falsch ist, dem Institut als solchen deshalb Vorwürfe zu machen, weil es drei Burschen, die überdies nicht mehr zu den Zöglingen, sondern zu den sogenannten Beurlaubten gehörten, nicht zu ordentlichen Men schen hat erziehen können. Herr Pastor Müller, der Direktor der genannten Anstalt, veröffentlicht hierüber einige beachtenswerte Aus führungen, denen das Folgende entnommen sei: „Die staatliche Erziehungsanstalt kann nicht wie die kleinen Rettungshäuser die Zahl der Zöglinge selbst bestimmen, kann nicht eine Auswahl treffen, sondern muß aufnehmen, was ihr an sittlich ge fährdeten Kindern zugeführt wird von 8 bis 17 oder 18 Jahren. Es ist selbstverständlich, daß die kleineren Kinder, welche zu rechter Zeit den heimischen Verhältnissen entnommen und der Anstalt zugeführt werden, leichter zu gewinnen sind, als die heraus gewachsenen Burschen, die erst nach der Schulent lassung gebracht werden und oft schon ganz tief im Sumpf sittlicher Verwahrlosung und der Gott losigkeit gesteckt haben. Trotzdem erweist die Statistik, daß 70 Prozent mindestens als gerettet betrachtet werden dürfen, an denen der Segen der Anstaltserziehung offenbar wird. Von den übrig bleibenden 30 Prozent aber sind ungefähr 10 vom Hundert, denen durch Vererbung oder durch zu lange Gewöhnung an Schlechtigkeit das Böse so tief im Fleisch und Blut sitzt, daß sie alsbald nach Ver lassen der Anstalt wieder sinken und sozusagen Zuchthaus-Abonnenten werden. Wer will jedoch diese 10 oder auch 30 v. H. der Anstalt zur Last legen? Höchstens könnte man klagen, daß Eltern und Gemeinden oft aus Scheu vor den Unter bringungskosten oder aus Vorurteil gegen derartige Anstalten solche sittlich gefährdeten Kinder zu lange gewähren lassen und sie dann erst in die Anstalt schicken, wenn nichts mehr zu erreichen ist. Aber wenn von 100 Zöglingen 30 nicht wiederzugewinnen sind und 10 darunter böse Menschen werden, so ist das zwar tief zu bedauern, aber nicht zu ändern. Der Segen der Anstalt liegt doch in den 70 Ge retteten. Von den drei bösen Burschen, welche jetzt die schreckliche Tat vollbracht haben, sind zwei erst mit 16 Jahren in die Anstalt gebracht worden. * — Antritt der Reise auf Rückfahrkarten. Am 1. April d. I. wird die für das Bereich der sächsischen Staatseisenbahnen geltende Tarifbestim mung, daß Inhaber von Rückfahrkarten gewöhn licher (Karten-) Form die Reise an einem beliebigen Tage innerhalb der Geltungsdauer antreten können, aufgehoben und dafür die Bestimmung eingeführt, daß mit einfachen Fahrkarten und Rückfahrkarten die Reise außer am Tage der Abstempelung auch an dem folgenden Tage angetreten werden kann. * — Das Vermögen der deutschen Turner schaft balancierte 1903 in Höhe von 181270,88 Mk. in Einnahme und Ausgabe. An Steuern gingen von den Vereinen für 614159 Mitglieder ein 30 778,89 Mk. Für die Stiftung der Errich tung deutscher Turnstätten gingen 4923 Mk. ein. Die „Deutsche Turnzeitung" nahm 43135 Mk. ein. Für die deutschen Turner, die bei den Kämpfen in Südafrika geschädigt wurden, gingen 6587 Mk. ein. * Lugau, 22. Febr. In dreister Weise ver suchte am Sonntag abend in der 8. Stunde ein Dieb die Ladenkasse eines hiesigen Bäckermeisters zu plündern. Der Dieb halte sich, mit Gesichts maske versehen, in den Laden eingeschlichen, wurde aber durch Hinzukommen der Frau des Ladenin habers in seinem Vorhaben gestört und ergriff schleunigst die Flucht. — Seit einiger Zeit sind auf der Linie Höhlteich-Lugau-Wüstenbrand die alten Wagen 4. Klasse, welche nur Oelbeleuchtung und Ofenheizung hatten, ausgewechselt worden gegen solche mit Gasbeleuchtung und Dampfheizung. Da die alten Wagen nie warm wurden und mehr als mangelhaft erleuchtet waren, ist mit der Aende- rung einem schon längst gefühlten Uebelstande ab geholfen worden. Wie die „Lug. Ztg." schreibt, ist diese Verbesserung dem direkten Eingreifen des Herrn Landtagsabgeordneten Facius zu danken. * Stollberg, 22. Febr. Auf einem Grund stücke in der Nähe der Niederdorfer Straße hinter der Obersörsterei wurde in einem Kistchen, in braunes Packpapier verpackt, die Leiche eines er drosselten neugeborenen Knaben aufgefunden. Der Mord mar durch die Bänder eines dabeiliegenden, rotbraunen Frauenunterrocks, die noch um den Hals geschlungen waren, ausgeführt worden. Auf dem Packpapier klebte noch ein Postzettel mit der Aufschrift: „W. 362, Freiberg i. S." Der Leich nam wurde au die Behörde abgeliefert, die nun nähere Untersuchungen anstellt. * Chemnitz, 23. Febr. Zu der Schubertschen Mordasfäre ist noch mitzuteilen, daß der 17jährige Handarbeiter Meier, sowie zwei weitere jugendliche Burschen unter dem Verdachte verhaftet worden sind, an dem Verkaufe der gestohlenen Gegenstände be teiligt zu sein. Ob sie in irgend einem Zusammen hänge mit der Mordtat selbst stehen, wird die Untersuchung ergeben. Wie nachträglich noch be kannt wird, ist an dem Montage, an dem der junge Schubert mit seinem Vater den Streit halte, noch eine dritte Stimme gehört worden. Möglich, daß einer von diesen Burschen bei dem Morde zu gegen war. * Niederwiesa b. Chemnitz. Hier brannte am Sonntag abend 10 Uhr die weitbekannte, inmitten des Ortes gelegene Bretmühle völlig nieder. * Zwickau, 21. Febr. Ans der Strecke Schön heide-Rothenkirchen, auf welcher am 16. August vorigen Jahres das verhängnisvolle Eisenbahnun glück sich ereignete, fand am Sonnabend mittag auf Veranlassung der Betriebsdirektion Zwickau eine Probefahrt statt zwecks Prüfung der Heber leinbremse, die damals nicht funktioniert haben soll, und der Fahrgeschwindigkeit. Der Zug war genau so zusammengestellt wie der Unglückszug. DaS Ergebnis der Probefahrt dürfte in dem am kommenden Mittwoch hier stattfindenden Prozeß gegen den damaligen Führer des Zuges, Lohse, voraussichtlich verwertet werden. * Meerane, 22. Februar. Auf der Glauchau- Geraer Bahnlinie ließ sich bei der Haltestelle Denn heritz gestern abend der Appreturmeister Lange aus Leitelshein vom Bahnzug überfahren. Lange war auf der Stelle tot, sein Leichnam, von dem der Kopf getrennt lag, wurde von einem Bahnwärter, der die Strecke abging, gefunden. Das Motiv zu dem Selbstmord ist in langer Arbeitslosigkeit zu suchen. Lange hinterläßt Frau und Kinder. * Crimmitschau, 22. Febr. Eine stark be- suchte Versammlung von Textilarbeitern hat ein-
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