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Hohenstein-Ernstthaler Anzeiger : 18.02.1904
- Erscheinungsdatum
- 1904-02-18
- Sprache
- Deutsch
- Vorlage
- SLUB Dresden
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id1841177954-190402181
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id1841177954-19040218
- OAI
- oai:de:slub-dresden:db:id-1841177954-19040218
- Sammlungen
- Zeitungen
- Saxonica
- LDP: Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
-
Zeitung
Hohenstein-Ernstthaler Anzeiger
-
Jahr
1904
-
Monat
1904-02
- Tag 1904-02-18
-
Monat
1904-02
-
Jahr
1904
- Titel
- Hohenstein-Ernstthaler Anzeiger : 18.02.1904
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Otjimbingwe nach Barmen. DaS Feuer stammt vermutlich von der Kolonne des Kapitänleutnants Gygas, bei dem sich auch die Oberleutnants Kühn und Ritter von der Schutztruppe befinden. Deutscher Reichstag. 34. Sitzung vom 16. Februar. Bei etwas besserer Besetzung des Hauses wird die Beratung des Extraordinariums des Reichs amts des Innern, Titel Beteiligung des Reichs an der Weltausstellung in St. Louis, fortgesetzt. Abg. Singer (Soz.) konstatiert, daß in der Kommission allseitig Uebereinstimmung darüber be standen habe, daß die Sezession zur Ausstellung hätte zugelassen werden müssen. Ihre Ausschließung rühre offenbar daher, daß sie vorwiegend die Not und das Elend darstelle. In hohen und höchsten Kreisen liebe man das nicht. Professor Werner sei nach Hamburg geschickt worden, um der Jury begutachtend zur Seite zu stehen. Der Effekt sei jetzt, daß in St. Louis kein Bild von der deutschen Malkunst in allen ihren modernen Bestrebungen gegeben werde, sondern nur ein ganz einseitiges. Es gebe nun einmal keine offizielle Kunst. Dem deutschen Künstler müsse freie Entfaltung seiner Kräfte ohne Vormundschaft gestattet werden. Auch hier habe man es wieder mit einem Ausfluß persön lichen Regiments zu tun. Daran sei man Za frei lich gewöhnt. Da werde gesprochen von „meine Künstler", „meine Schauspieler". Jedenfalls habe hier der Reichstag, der das Geld hergebe, insge samt gegen 5 Millionen, dafür zu sorgen, daß dieses Geld nicht in einem einseitigen Kunstinteresse verausgabt werde. Die Regierung hätte besser getan, ihre Hände überhaupt hiervon zu lassen und die Auswahl der Bilder nicht zu beeinflussen. Abg. Henning (kons): Die Regierung sei in der Tat hier nicht ganz korrekt verfahren; aber was Singer über die Bedeutung der Sezession gesagt habe, und über die offizielle Kunst, sei doch nicht zutreffend. Die Kunst sei stets mit Hilfe der Höfe groß geworden. Man sehe das in Weimar. Auch hier in Berlin (Zuruf: Sieges-Allee!), jawohl, auch eine solche Geschichte in bildnerischen Einzeldar stellungen war ein grandioser Gedanke. Reglemen tieren lasse sich die Kunst aber nicht. Hinter der Szene habe als wichtiges Moment mitgespielt das Schlagwort „Sezession". Unter dem Einflüsse dieses Schlagworts sei noch nicht richtig verfahren worden. Er wolle für die Freiheit der Kunst ein Wort ein legen. Staatssekretär Graf Posadowsky: Ich stehe dem Streit zwischen der alten und der neuen Schule objektiv gegenüber. Ich habe den Eindruck, als ob auch die sogenannte Sezession bereits zu höheren Idealen durchzudringen suche, als ob sie ihre Extra vaganzen zum Teil bereits abgestoßen hätte, und endlich, als ob auch die alte Malerei bereits manches von der Sezession gelernt habe. Die Regierungen haben nie daran gedacht, als 8umwN8 judox sich in den Streit zwischen der alten und der neuen Richtung mischen zu wollen. Es werde auch in dem Streit schwer eine Einigung möglich sein; denn die neuen sagen, die Maler der alten Richtung können gar nicht einmal sehen, und die alten sagen, die Sezessionisten wollen gar nicht einmal malen, sie wollen sich gar nicht einmal die Zeit dazu nehmen. Der charakteristische Unterschied zwischen den alten und den Sezessionisten ist: die letzteren wollen auf jede Schule verzichten, jeder soll malen dürfen, wie ihn seine künstlerische Richtung treibt. Daß die Sezession als solche ganz ausgeschlossen worden sei, ist urkundlich unrichtig. Werke, die von den Jurys der Lokalvereine angenommen worden sind, dursten von dem Zentralkomitee, das aus sechs Sezessionisten und aus sechs Mitgliedern der älteren Richtung besteht, nur mit vier Fünftel Mehrheit abgelehnt werden ; also von einer Majori sierung der Sezessionisten konnte hier gar keine Rede sein. Die Lokalvereine haben sich trotzdem dem Urteil der Zentral-Jury nicht unterwerfen wollen. Dazu kommt noch, daß Deutschland in St. Louis nicht hinreichend einheitlich aufgetreten wäre, wenn man etwa, wie die Sezessionisten das wollten, eine Anzahl Säle ihnen und eine Anzahl Säle der älteren Richtung zur Verfügung gestellt hätte. Unter den verbündeten Regierungen waren die Meinungen verschieden; aber weil die Zeit drängte, habe man sich geeinigt, für diesmal die Entscheidung zu Gunsten der alten Kunstgenossen schaft zu fällen. Aber die gegenwärtige Ausstellung wird ja nicht die letzte sein, und bei einer neuen Ausstellung werden die Regierungen in eine er neute Erwägung der Frage eintreten. Abg. Graf Oriola (nat.-lib.) tritt ferner für die Freiheit der Kunst ein, nur, wo etwa die Kunst bestrebt sei, die Autorität zu untergraben. (Lachen links), jawohl, Ihnen liegen solche Bilder nicht fern (Wiederholtes Lachen links.), nur da, wo die Kunst bestrebt ist, die Autorität, dem Volke die Ideale zu untergraben, darf die Regierung ein schreiten. Ich will eine freie Kunst, aber keine freche Kunst. (Lachen links.) Die Kunst muß frei sein, ohne bevormundendes Eindrängen von Behörden oder Akademiedirektoren. Sollte die Regierung auch künftig so einseitig eine einseitige Kunstrichtung unterstützen wollen, so werde er für seine Person es sich sehr überlegen, ob er noch jemals einen Titel, wie den vorliegenden, bewilligen könne. (Beifall.) Geheimer Rat Richter, der deutsche Kommissar bei der letzten Pariser Ausstellung wendet sich gegen eine abfällige Aeußerung über die deutsche Kunst abteilung auf dieser Ausstellung. Abg. Müller-Meiningen (sreis. Volksp.) bezeichnet den Grafen Posadowsky als Prügelknaben, und, als Vizepräsident Graf Stolberg unter Heiterkeit des Hauses diesen Ausdruck beanstandet, als armes Opferlamm, das, wie auch sonst, so auch in dieser heiklen Angelegenheit die Verantwortung auf sich nehmen müsse. Tatsache sei, daß der ursprüngliche Beschluß der verbündeten Regierungen hinterher rückgängig gemacht worden sei, weil dem Komitee von Professor Anton v. Werner im Auftrage einer bestimmten Stelle nahegelegt worden sei, jenem Beschlusse entgegen, die Sache lediglich der all- gemeinen Kunstgenossenschaft zu übergeben. In dem Zentralkomitee sei das Verhältnis zwischen Alten und Sezessionisten nicht 6 gegen 6, wie Graf Posadowsky behauptet habe, sondern 14 gegen 4. Trotzdem wäre die Sache noch gut geworden, wenn nicht noch die schlechte Behandlung des neuen Künstlerbundes dazugekommen wäre. Graf Kalck- reuth habe eine Audienz beim Reichskanzler nach gesucht. Dieser sonst so liebenswürdige eunesllul ius kl^antissimus habe den Grafen Kalckreuth nicht empfangen, einen Mann, der Graf, Akademiedirektor und, was noch mehr besage, Künstler von Gottes Gnaden sei. Werner war der Vater aller Hinder nisse. Die Sache ist keineswegs nur eine reine Künstlerfrage, sie hat eine symptomatische Bedeutung. In der Verweigerung ausgesprochener Wünsche der einzelstaatlichen Regierungen liegt eine direkte antisörderalistischeBedeutung. Das Komitee hervor ragender Künstler, dessen Mandat ja noch nicht erloschen ist, ist geradezu wie Schuljungen behandelt worden. Es herrscht überall Verdrossenheit über den autokratischen Grundzug der preußischen Politik, und darüber können auch einige Liebenswürdigkeiten von hoher Stelle nicht hinweghelfen. Mit dieser Politik schaffen sie auch Unmut an den Höfen, denn es gibt ja Höfe, denen ein Nasenstüber auf diesem Gebiete viel empfindlicher ist, als ein Nasen stüber auf politischem Gebiete. Das ist die poli tische Seite dieser Sache. Dazu kommt die knllurelle. Noch nie ist eine Aeußerung so auf Wiederspruch gestoßen, wie die in der Rede von 1901 über die Rinnsteinkunst. Der Staatsanwalt hätte in sehr hohe Kreise greifen müssen, wenn er alle die, die damals ihrem Empfinden über jene Aeußerung ungeschminkt Ausdruck gaben, hätte fassen wollen. Klugerweise habe man das nicht getan. Man habe gewußt, daß man in einen Ameisenhaufen greifen würde. Gottlob macht der Byzantinismus wenigstens noch vor den Stufen der deutschen Kunst Halt. (Beifall.) Bis in die Reihen der äußersten Rechten hinein gab man damals der Ueberzeugung Aus druck, daß ein Mann nicht alles machen könne. Man beklagt in weitesten Kreisen, daß vondenHvf- schranzen nicht gewarnt werde. Gegenüber der preußischen Hofästhetik fragt man sich: Was leistet sie denn ? Lediglich Dekorationen! Es gibt Leute, die den Marmorsteinbruch vor dem Siegestor hier in Berlin (Große Heiterkeit) überhaupt nicht mehr für künstlerisch diskutierbar halten. Redner fordert, daß wir in St. Louis zeigen, was die deutsche Kunst jetzt leistet. Was ein Menzel leisten könne, wisse man in Amerika längst. Glücklicherweise wisse man im Auslande auch, daß sich gegen einen solchen allmächtigen autokratischen Willen noch viele Millionen in Deutschland aufbäumen. Auf keinem Gebiete sei für Unfehlbarkeit so wenig Raum, wie auf dem der Kunst. Staatssekretär Graf Posadowsky erwidert, eine Kunstpolitik habe er an dieser Stelle überbanpl mcht zu vertreten. Die Ausführungen Müllers hätten sich zumeist gegen Dinge gerichtet, die vor das preußische Abgeordnetenhaus gehörten. Seine vom Redner bestrittenen Angaben halte er aufrecht. Ene Ausschließung der Sezession habe nicht stattgefunden, und in dem Hauptkonutee hätten gleichviel von beiden Parteien gesessen. Die Sezession, fährt der Staatssekretär fort, konnte ihr Licht leuchten lassen, sie hat aber nicht gewollt, weil ihr nicht eigene Räume und eine eigene Tür bewilligt wurden. Wirmerden, nachdem dieseFrage einmal angeschnitten ist, sie nochmals eingebender erwägen, namentlich sobald eine neue Ausstellung in Tickt kommen wird. Daß auch auf künstlerischem Gebiete die oberste Spitze des Reiches eine eigene Meinung hat, kann nur erwünscht sein. Bedenken lönnte man nur haben, wenn eine Einmischung erfolgte, die mit dem Slaatsrecht unvereinbar wäre, das ist aber hier nicht geschehen. Abg. von Kardorff (Reichsp.) stellt fest, daß alle Parteien das Vorgehen der Re gierung in dieser Frage auf das tiefste bedauern. Es war eben eine höhere Macht, die eingriff. Sicher ist, daß das Vorgehen der preußischen Regierung bei den anderen Regierungen Ver stimmungen hervorgerusen hat. Vor solchen Ver stimmungen, noch dazu in kleinen Fragen, hat sich Fürst Bismarck stets gehütet; er wußte wohl, was solche Verstimmungen einmal in wichtigeren Fragen schaden könnten. (Sehr richtig!) Ob die Aus schließung von St. Louis schließlich ein so großes Unglück für die Sezession sein werde, sei noch frag lich. Wir wissen ja, daß Druck Gegendruck erzeugt, und der führt zur Kräftigung. (Beifall.) Abg. Dove (steif. Vgg.) ist kein Freund der sezessionistischen Richtung. Aber darum handle es sich hier nicht, jetzt müsse man sich sagen, es sei doch gut, daß es in Deutschland neben dem preußischen auch noch andere kleine Höfe gebe, bei denen ein freieres Kulturleben als in Preußen seine Stätte finde. Fragen müsse man sich jetzt nur noch: Was könnte denn eigentlich durch die heutige Ver handlung noch erzielt werden. Leider ist in bezug auf die Ausstellung in St. Louis nichts mehr zu retten, er hoffe aber, daß bei einer künftigen Aus stellung die Regierung sich die stenographischen Berichte vom heutigen Tage ansehen und sich da sagen werde: Es ist damals ein so schwerer Miß griff vorgekommen, der uns wirtschaftlich und auch politisch schädigte; so etwas darf nicht wieder vor kommen. (Beifall.) Abg. Südekum (Soz.) legt Verwahrung ein gegen die Kunstfreiheit des Grafen Oriola, die an die berühmte Preßfreiheit mit dem Galgen daneben erinnere. Die heutige Verhandlung zeige, welch großer Mangel an Respekt vor geistiger Arbeit in gewissen Kreisen herrscht und er dokumentiere den Dilettantismus, der sich auf allen Gebieten betätigen zu sollen glaube. Es gebe bei uns byzantinische Künstler und es gebe Künstler, die zum mindesten nicht byzantinisch seien, und diese sollten dafür be straft werden. Dabei komme es den selbstherrlichen Gelüsten nicht darauf an, auch bei den Regierungen anderer Emzelstaaten anzustoßen. Wir unsererseits, sagt Redner, danken jedenfalls für eine Kunstrepublik mit Wilhelm II. an der Spitze. (Präsident Graf Ballestrem rügt diese Hineinziehung des Kaisers.) Im Vordergründe eines solchen Kunstabsolutismus sähen seine Freunde eine Gefahr, die es zu bekämpfen gelte. Es solle jedenfalls nicht den Anschein haben, als sei man hier wie die Katze um den heißen Brei herumgegangen. Geheimrat Paulsen (weimarischer Bundesbevoll mächtigter) erklärt, daß die Reise des Kultusministers Studt nach Weimar mit dem Künstlerbunde nichts zu schaffen gehabt habe. Der Titel wird hierauf genehmigt. — Weiter beratung morgen, dann Postetat. Die Generalversammlung des Bundes der Landwirte. Auch die am Montag in Berlin abgehaltene 11. Generalversammlung de» Bunde« der Landwirte muß, gleich ihren Vorgängerinnen, al« eine impo sante und wohlgelungene Kundgebung bezeichnet werden. Unter den mebr al« 6000 Landwirten, die aus allen Teilen de« deutschen Vaterlandes berbetgeströmt waren, herrschte volle Einmütigkeit. N^ben der Sozialdemokratie besitzt der Bund der Landwirte die beste Organisation. So grundver schieden die beiden Richtungen auch sonst sind, in di'ser Beziehung stehen sie einander nahe. Ueber- sieht man die Reden der Bunde«sührer noch einmal im Zusammenhänge, so gewinnt man den Eindruck daß die Au«sührungen der einzelnen Redner weniger ichars waren al« in früheren Jahren. Der Reich«- kanzler Gras Bülow hat e« doch verstanden, sich da« Vertrauen der Landwirte bi« zu einem gewissen Grade zu erwerben. Allerding« wurde er auch recht dringend gemahnt, möglichst bald auszusübren, wa« er versprochen habe. Bezüglich der inneren Politik, so sagte einer der Redner mit Anspielung aus ein jüngst lukannt gewordenes Scherzwort, solle der Kanzler da« Studium, ob man Bullen melken könne, nunmehr ausgeben, und sich dem Studium e« goldenen Kalbes, d. h. den Börsen und dem internationalen Spekulalion«-Kapltal zuwenden. Em anderer Bündler sprach von der Ar- und Halm- lrsigkeit de« Reichskanzler« und wünschte diesem weniger Arg- und Harmlosigkeit gegenüber der Sozialdemokratie und dem Au«Iande. Resolutionen, die eine weitere Beschränkung des Börsenspiel« und die sofortige Kündigung der Handelrverträge forderten, gelangten zur einstimmigen Annahme. Oertliches und Sächsisches. Hohenstein-Ernstthal, 17. Februar. * — Die Karnevals-Zeit ist vorüber, Punsch und Pfannkuchen sind verzehrt, und überdacht wer den all' die heiteren Stunden, die die verflossenen Wochen gebracht haben. Der Abschluß, die Scheide grenze zwischen Karneval und der Fastenzeit ist ja nicht aller Orten so ganz genau, namentlich in den größeren Städten zieht sich der Trubel noch in den März hinein; aber wenn die Schneeglöckchen erst kommen, die Sonne höher steigt, die Tage immer länger werden, dann werden auch die Beine müde; die Wintersaison ist aus, unter die Vereins- und Piivatfestlichkeiten wird ein Strich gezogen und dann das Ergebnis betrachtet. Nicht überall ist's gleich, frohe Stunden bedeuten noch nicht gleich verwirklichte Hoffnungen; wer sich gar zu sehr vom Stiudel der Lebenslust fortreißen ließ, dem erblüht am Ende ein moralischer Jammer. Umso glück licher sind die dran, die hoffen, daß im Lenz sich die Blüte der holden Liebesblume entfallen wird, die in diesen Winterwocheu zu treiben begonnen hat. Daß das weibliche Geschlecht am eifrigsten über die verwichenen Wochen spricht, ist natürlich; Ballmüller zu werden, erfordert schon viel Mühe, Ballmüller zu sein, viel Aufopferung. Den jungen Mädchen glänzen die Augen, wenn sie an die süßen Faschings-Weisen denken, und klingt eine von ihnen so ungefähr ans Ohr, dann weckt sie leicht im Herzen noch eine Erinnerung. Goldene Jugend! In die Poesie dieser Zeit mischl sich auch die Komik und der Humor hinein, und es würde doch elwas wässerig stehen, wenn dein nicht so wäre. Aber milunter kann die Komik es auch grausam mit dein meinen, der cs verdient, und das ist einem Musiker in der Haupt-Karnevalsstadt Nizza paffiert, der eine neue Komposition zum Preise des Karne vals ausarbeitete, die auch preisgekrönt wurde. Der gute Mann hat die Melodie nämlich ab geschrieben, sie ist die unseres allbekannten: „Wer will unter die Soldaten." Die Franzosen wissen nachgerade also doch denlschs Musik zu würdigen, sogar, wenn sie nur die Melodien von Gassenhauern darstelll; denn 1903 sang man in Paris, Nizza rc. die Karnevals-Lieder — tanzte auch darnach — nach der Melodie des Berliner Gassenhauers: „Komm, Karline, komm, wir woll'n nach Pankow gehen!" Dagegen ist das frische „Wer will unter die Soldaten" schon das Gehobener«; freilich, diese alte Weise sich preiskrönen zu lassen, dazu gehört einiges Selbstbewußtsein. * — Martin Luther Bercin. Der 12. und der 18. Februar. Der 12. und der 18. Februar sind Tage, die der Martin Luther-Verein nicht ohne weiteres vorüberziehen lassen darf. Am 12. Februar 1904 war es, als der große Königsberger Philosoph Immanuel Kant die müden Augen sür immer schloß. Der 18. Februar ist der Todestag Dr. Martin Luthers. Im Hause des Stadtschreibers von Eisleben schlug ihm das letzte Stüudlein. Nachts zwischen 2 und 3 Uhr ist er in Christo entschlafen. „In deine Hände befehle ich meinen Geist!" und „Also hat Gott die Welt geliebt —" waren seine letzten Worte. Kant und Luther — beide Männer waren Kampfnaturen, ihrem Wesen nach echte Deutsche. Aber ohne weiteres lassen sich der große Denker und der große Reformator doch nicht nebeneinanderstellen. Ueber- wiegt bei ersterem mehr die Moral, so bei letzterem die Religion. Nichts ist bezeichnender sür die Kluft zwischen beiden Männern, als daß Luther meint, vom Sollen ließe sich nicht auf das Können schließen. Kant behauptet: .Du kannst, denn du sollst!" So viel aber steht fest: Kant hat zwischen Glauben und Wissen Frieden gestiftet. Er hat somit voll endet, was der große Reformator begonnen. Neue Grenzsteine zwischen Glauben und Wissen hat er errichtet. Nicht auf den toten, geistlosen Buch staben, nein, allein auf die lebendige Tatsache des moralischen Bewußtseins stellte er den Glauben. Der Rationalismus des 18. Jahrhunderts drang bekanntlich auf verstandesmäßiges Erfassen der Glaubenssätze, trotzdem, daß Luther mit allen ihm zur Verfügung stehenden Mitteln die Glaubenssätze reinigte von Beweisen der Vernunft. Für Kant ist der Glaube ein aus den Motiven des persön lichen Lebens entspringendes Erkennen. Somit er klärt er den Glauben im Sinne des Evangeliums. Dieser Glaube ist Kant und Luther der einzig mögliche Weg zur Gotteserkenntnis. So hat Kant der protestantischen Theologie die ihr entsprechende philosophische Grundlage gegeben, sodaß man ihn mit Recht den Philosoph des Protestantismus nennt. Erst durch Kant ist die evangelische Theologie von den Fesseln einer Philosophie befreit worden, die im Prinzip der katholischen und nicht der evangelischen Form des Christentums entspricht. Wer sich noch eingehender mit Kant und Luther beschäftigen will — und das sollen diese Zeilen bezwecken — der nehme die Kant-Nummer der Wartburg zur Hand. Kants Werke selbst sind wegen ihrer oft sehr schwülstigen Ausdrucksweise und ihren verwickelten Gedanken gängen sehr schwer zu lesen. . Obige Zeilen sind zum Teil ein Niederschlag von der Lektüre folgen der Wartburg-Artikel: „Kant und der Protestan tismus", von Professor Dr. Rudolf Eucken in Jena; „Das Verdienst Kants um die evangelische Theologie", von Professor D. I. Kaftan-Berlin; „Kant und der Zweckbegriff in der Natur", von Professor Dr. Joh. Reinke-Kiel. Allen den Mit gliedern aber, denen die „Deutsche Lehrerzeitung" und die „Deutsche Schulpraxis" zur Verfügung stehen, machen wir auf die vortrefflichen Artikel aufmerksam: „Kant, der Ueberwinder des Gegen satzes von Wissen und Glauben", von Dr. Benno Mahling-Leipzig (Nr. 6) und „Zu Kants 100. Todes tage", von Dr. Brauer in Annaberg (Nr. 7). Zum Schluffe sei noch erwähnt, daß der Kant nummer der „Wartburg" ein Kunstblatt mit dem Porträt Kants beiliegt. Das Bild ist auch auf Karton gedruckt zu beziehen und kostet einzeln 30 Pfg. Weitere Bilder, die erscheinen werden, sind: Luther, Melanchthon, Ulrich von Hutten, Franz v. Sickingen, Bugenhagen, Branz, Kurfürst Friedrich der Weise, Landgraf Philipp von Hessen u. a. m. Es sind alles Persönlichkeiten, die sich um die deutsche Reformatio» hochverdient gemacht haben. Diese Kunstblätter der Wartburg bilden einen vorzüglichen Zimmerschmuck fürs evangelische Haus. * — Am Mantag abend hielt die Schützen- gesellschast Garde - Kompagnie im Etablissement Bergmannsgruß ihren diesjährigen Königsball ab. Der Saal war wunderschön dekoriert und Küche und Keller des Herrn Franke boten vorzügliches. Nach den flotten Weisen der Naumannschen Musik kapelle wurde der Göttin Terpsichore in reichstem Maße gehuldigt und lange blieben die Schützen nebst ihren Gästen bei Spiel und Tanz in fröhlichster Stimmung vereint. Der Brauch, den Fastnachtstag in heiterster Weise zu begehen, hat sich besonders bei unserer Kinderwelt noch recht lebhaft erhallen. Während man anderwärts von dem früher üblich gewesenen Mummenscherz in den Straßen so gut wie nichts mehr bemerkt, läßt es sich unsere kleine Welt nicht nehmen,' in allerhand Verkleidung öffentlich ihr Spiel zu treiben und so dem Tage ein würdiges Fastnachtsaeprüge zu gebe«. Erfreulicherweise sind Ausschreitungen nirgends beobachtet morden. In den Wirtschaften machte sich der Fastnachlstag durch das Erscheinen mehr oder minder originell maskierter Gruppen oder Einzelpersonen zwar ebenfalls be merkbar, aber nicht in dem Maße wie früher. Heute dürfte der Mummenscherz noch eine kleine Fortsetzung finden. * — Konkursverfahren. Ueber das Vermögen dcs Handelsmanns und Webers Gustav Adolf Vogel hier ist am 15. dss. Mts. das Konkursver fahren eröffnet und der Lokalrichter und Kaufmann Herr Johannes Koch zum Konkursverwalter er nannt worden. Konkursforderungen sind bis zum 5. März d. I. bei dem hiesigen Kgl. Amtsgerichte anzumelden. *— Freiwillige für China. Wie das Be- zirkstommando Glauchau in einer im amtlichen Teil der letzten Dienstags-Nummer des „Anzeigers" veröffentlichten Bekanntmachung zur Kenntnis bringt, werden sür die ostasiatische Besatzungsbrigade (China) Freiwillige gesucht. Wir machen auch an dieser Stelle mit dem Hinweise darauf aufmerksam, daß Unteroffiziere und Mannschaften der Reserve und Landwehr I, welche hierzu bereit sind und sich zu einer Dienstzeit bis 30. September verpflichten, sich umgehend, spätestens aber bis zum 28. d. M., beim Bezirks-Kommando Glauchau zu melden haben, woselbst nähere Auskunft erteilt wird. '— Die Klagen über den Mangel an Silbcrgeid haben nachgelassen, die amtlichen Aus weise über die Prägung von Reichsmünzen ergeben ja auch eine Zunahme der Ausprägung besonders von Zweimarkstücken. Dagegen sind die weniger beliebten Fünfmarkstücke nicht so stark geprägt worden. Die Herstellung von weiteren 60 Mill. M. in Silbergeld ist beschlossen worden, so daß dann dem Bedürfnis genügt sein dürfte. Auch die Ausprägung von Zehnmarkstücken hat erheblich zugenommen. *— Neber den Einfluß deS Schnees auf das Keimen der Samen schreibt Karl Karstädt im praktischen Ratgeber: Viele Sämereien brauchen, wenn sie trocken aufbewahrt und im Frühjahre ausgesäet werden, monatelang zum Keimen. Kann aber der Schnee aus sie einwirken, so keimen sie schnell. Der Schnee löst durch seine chemischen Bestandteile die harte Schale des Samens, und wenn dann Wärme und Feuchtigkeit wirken, brich^
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