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Dev Feldzug gegen die Hevevo. Wie zu erwarten war, haben die Herero bei dem Herannahen der deutschen Verstärkungen auch die Umgegend von Omaruru im Norden verlassen. So erfreulich dies sür die Station ist, so muß man eS doch bedauern, weil hierdurch ein regelrechtes Gefecht mit den Aufständischen verhindert wurde; denn in einem solchen wäre der schwarzen Horde gewiß eine schwere Niederlage bereitet worden. Die Aufmerksamkeit wendet sich nun dem Nordosten zu, wo wahrscheinlich Gobabis noch immer belagert wird. Die Operation gegen diesen Ort ist wieder ausgenommen worden. Zugleich gilt es, wie schon auSgeführt wurde, die Grenze gegen Britisch-Süd- westafrika zu sperren, damit die Mörder und Räuber nicht entwischen. Ob die Grenzsperrung gelingen wird, bleibt abzuwarten. Wir fürchten, es wird an Pferden zur schnellen Verfolgung der Herero fehlen. Ein Vortransport von 300 Pferden soll erst am 20. Februar von Argentinien nach Deutsch- Südwestafrika abgehen. Weitere 700 folgen noch später. Da aber die Ankunft des Marineexpeditions korps in Swakopmund unmittelbar bevorsteht, vielleicht schon erfolgt ist, und die Eisenbahn von dort nach Windhuk wieder befahren werden kann, so gelingt es möglicherweise doch noch, der schwarzen Bande den Weg zu verlegen. Man muß das Beste hoffen. Interessant ist, daß erwogen wird, auch deutsche Pferde nach Südwestafrika zu transportieren. Wie Stabsarzt Dr. Sander, der lange in der Kolonie tätig gewesen ist, vor der Abteilung Berlin der Kolonialgesellschaft sagte, wird die Pferdesterbe 80 bis 90 vom Hundert der frisch einzuführenden Tiere fortraffen. Die in Argentinien angekauften Pferde werden also bei weitem nicht ausreichen. Aber im Norden werde das Fieber unter den dafür sehr empfänglichen Herero wüten und uns beistehen. Eine wie große Bedeutung der Kaiser übrigens dem Aufstand bei mißt, geht wohl am besten daraus hervor, daß, wie schon gestern gemeldet, der Chef des großen Generalstabes, Graf Schlieffen, mit der heimischen Oberleitung dieses Feldzuges betraut worden ist. Ueber das angebliche verspätete Eintreffen des Gouverneurs Leutwein in Port Nolloth erfährt man jetzt, daß der Oberst nicht zu spät gekommen ist, sondern daß der Dampfer diesen Hafen über- Haupt nicht angelaufen hat, weil er infolge der Verhältnisse den Auftrag hatte, schnellstens von Kapstadt nach Swakopmund zu dampfen. In zwischen hat das Schiff Anweisung erhalten, um zukehren und Oberst Leutwein an Bord zu nehmen. Bremen, 10. Febr. Der Dampfer des Nord deutschen Lloyd „Darmstadt" mit dem Truppen transport für Deutsch-Südwestafrika ist gestern nachmittag 1 Uhr wohlbehalten in Swakopmund eingetroffen. Deutscher Reichstag. 28. Sitzung vom 9. Februar. Eröffnung der Sitzung 1^ Uhr. Die Beratung des Etats des Reichsamts des Innern, Kapitel Reichsgesundheitsamt, wird fortgesetzt. Abg. Müller-Sagan (freis. Volksp.): Gegenüber der Erklärung des Direktors des Amtes muß ich meinen Vorwurf betreffend fehlerhafte Organisation, Bureaukratismus und Geheimniskrämerei aufrecht erhalten. Wie verhält es sich mit dem Doktor. Titel bei Veterinär-Aerzten? Unterstaatssekretär Hopf: Die Veterinär-Doktor. Frage gehört nicht zur Zuständigkeit des Reichs tags, sondern ist eine Sache der Unterrichtswesens, also der Landesverwaltungen. Diese werden aber gegen die Verleihung eines solchen Titels kaum etwas einzuwenden haben. Württembergischer Ministerialdirektor v. Schicker verteidigt dem Abg. Müller-Meiningen gegenüber die gegenwärtige Behandlung des Geheimmittel wesens. Abg. Graf Reventlow (Wirtschaftl. Vgg.) wendet sich gegen die Aeußerungen Scheidemanns über das Fleischschaugesetz. Eine Fleischnot habe seit zehn Jahren in Deutschland nicht bestanden und besteht auch heute nicht, wie die gewaltigen Viehbestände beweisen. Es bestehe Ueberproduktion, namentlich an Schweinen. Jeder erfahrene Landwirt würde dem Abg. Scheidemann sagen, Schweine seien un verkäuflich, es wäre am besten, sie totzuschlagen und Seife daraus zu machen. Wenn trotzdem der Konsument hohe Preise bezahlen müsse, so liege die Schuld daran teils an den hohen Fleischschau gebühren und sonstigen Gebühren in den Städten, teils an dem Händlerringe. Das Fleischschaugesetz sei allerdings noch unvollkommen, namentlich auch deshalb, weil nach demselben Pökelfleisch in Stücken von über 8 Pfund noch zugelassen werde. Solches Fleisch könne bekanntlich entpökelt werden. Das selbe müsse von ungesundem Vieh herstammen, sonst könnte es nicht so billig geliefert werden, zumal es doch noch die Transportkosten über See tragen müsse. Die ganze Vieh- und Fleischeinfuhr müsse verboten werden. Abg. Graf Bernstorff-Uelzen Welfe) wünscht, man möge die Arbeiten der Biologischen Abteilung mehr als bisher den Landwirten zugängig machen. Abg. Klose (Zentr.) bedauert, daß das Fleisch schaugesetz die Hausschlachtungen nicht ohne weiteres von der Trichinenschaupflicht befreit. Staatssekretär Graf Posadowsky versichert, daß die Arbeiten der Biologischen Abteilung nach Mög lichkeit der Oeffentlichkeit zugängig gemacht werden sollen. Was die Höhe der Schaugebühren anlange, so sei das Landessache. Daß das Reich die Schau gebühr übernehme, könne er nicht in Aussicht stellen. Abg. Wallau (natl.) wirft den Sozialdemokraten vor, am Jnlande nichts Gutes zu lassen und das Ausland stets zu loben. Habe doch Scheidemann gestern sogar das Schwein des Inlandes als den Inbegriff aller Schlechtigkeit und Bosheit hin gestellt, dagegen das Schwein des Auslandes — „kein Engel ist so rein!" (Heiterkeit.) Die Schau gebühren seien unhaltbar hoch. Allgemeiner Schau zwang für die Hausschlachtungen sei nur möglich in Verbindung mit einer obligatorischen Vieh versicherung, dergestalt, daß der Besitzer entschädigt werde, wenn sein Vieh sich bei der Besichtigung als krank herausstelle. Bei Abschluß neuer Handels verträge müsse für Schutz gegen Seuchengefahr vom Auslande her gesorgt werden. (Beifall.) Abg. Dröscher (kons.) versichert, auch für seine Freunde sei das Fleischschaugesetz ein hygienisches Bedürfnis, für Hausschlachtungen sei aber jeden- falls Fleischschau nicht nötig. Die deutsche Land wirtschaft müsse dahin gebracht werden, den heimischen Fleischbedarf allein decken zu können. Zur Erreichung dieses Zieles müßten alle Mittel recht sein. (Rufe links: Alle?) Abg. Dahlem ^(Zentr.) führt aus, daß die obligatorische Fleischschau für Hausschlachtungen in den Einzelstaaten dem ausdrücklichen Willen des Reichstags widerspreche; der Reichstag habe ausschließlich in dringenden Fällen die Fleischschau bei Hausschlachtungen zulassen wollen. Mindestens müßten die Kosten dieser Fleischschau auf andere abgewälzt werden, sei es auf das Reich oder die Einzelstaaten. Abg. Kulerski (Pole) beklagt sich über Er schwerung der Tätigkeit der polnischen Aerzte im Osten. Man boykottiere sie und verhindere ihre Zulassung als Kassenärzte. Auch bei Konzessionie- rung von Apotheken würden Deutsche vor den Polen bevorzugt, und endlich würden den polnischen Hebammen von den preußischen Uebermenschen Schwierigkeiten bereitet. Abg. Horn-Sachsen (Soz.) erklärt eine obli- gatorischeFleischschau auch für die Hausschlachtungen für unbedingt nötig und verbreitet sich dann über die Tuberkulose unter den Glasarbeitern und über die Notwendigkeit einer Aenderung der Arbeits methode. Staatssekretär Graf Posadowsky widerspricht der Behauptung, daß der von den Einzelstaaten eingeführte Schauzwang für Hausschlachtungen dem Reichsgesetze widerspreche. Dieses Gesetz lasse vielmehr einen solchen Zwang ausdrücklich zu. Ob es vielleicht möglich sei, in den Glashütten jedem Arbeiter sein eigenes Mundstück sür die Glasbläserei zu geben, um Ansteckungen zu ver hindern, darüber werde er sich an Ort und Stelle informieren. Abg. Graf Kanitz (kons.) erörtert die Frage der Schweineproduktion und Schweinepreise. Letztere seien zu niedrig, die Fleischpreise allerdings un verhältnismäßig viel höher. Ein Grund dafür seien auch die Mahl- und Schlachtsteuern, da, wo solche bestünden. Diese Steuern müßten möglichst bald abgeschafft werden. Weiter beklagt Redner die Zunahme der Einfuhr von Pökelfleisch und namentlich von lebendem Vieh. Hierdurch werde die Mindereinfuhr von Fleisch mehr als paralysiert. Unsere Zollsätze auf Vieh seien zu niedrig. Auch in England greise jetzt immer mehr die Ueber- zeugung um sich, daß der Landwirtschaft geholfen werden müsse. Abg. Böttger (nat.-lib.)'bespricht die ungünstige Lage der technischen Hilfsarbeiter beim Gesund heitsamt, Patentamt und der Normal-Eichungs kommission. Abg. Paasche (nat.-lib.) bedauert die Ver zögerung einer Reform des Viehseuchengesetzes. Die Handhabung des bestehenden Gesetzes sei zu streng. Prinzipiell müßten die Kosten und Lasten der Maßnahmen gegen Viehseuchenverbreitung nicht dem Einzelnen aufgebürdet werden, sondern dem Reiche bezw. Staate. Weiterberatung morgen 1 Uhr. — Schluß gegen 6 Uhr. Sächsischer Landtag. Erste Kammer. Dresden, 9. Febr. Die Erste Kammer wählte in ihrer heutigen Sitzung, der Staatsminister Dr. Otto beiwohnte, in den Staatsgerichtshof als Mit glieder die Herren Rechtsanwalt Öberjustizrat Oehme- Leipzig, Ministerialdirektor a. D. Geh. Rat Hedrich- DreSden und Rechtsanwalt Geh. Justizrat v. Schütz- Dresden, als Stellvertreter die Herren Landgerichts präsident Dr. Hartmann-Plauen und Rechtsanwalt Oberjustizrat Dr. Ulrich-Chemnitz. Weiter bewilligte die Kammer auf Antrag der zweiten Deputation in Uebereinstimmung mit der Zweiten Kammer die in den Titeln 1 und 2 des außerordentlichen Etats eingestellten Summen sür die Erbauung von Justizgebäuden in Bautzen, Crimmitschau, Hohen st ein-Ernstthal, Dres den, Leipzig und Plauen i. V. Danach wurden noch zwei Petitionen wegen Unzuständigkeit der Ständeversammlung für unzulässig erklärt. Zweite Kammer. Dresden, 9. Febr. Die Zweite Kammer be schäftigte sich heute vormittag 10 Uhr in ihrer 46. öffentlichen Sitzung, welcher Staats minister Dr. Rüger beiwohnte, mit der all gemeinen Vorberatung der königl. Dekrete Nr. 20 und 28, enthaltend den Bericht über die Inventur bei der Altersrentenbank am Schluß des Jahres 1899 und den Entwurf eines Gesetzes, betreffend die Einrichtung der Altersrentenbank. Beide Vor lagen bezwecken bekanntlich eine Reorganisation der Einrichtung der Altersrentenbank durch Aufstellung einer neuen Sterblichkeitstabelle und durch Verein barung mit den Bestimmungen des Bürgerlichen Gesetzbuches. Nach Eröffnungder Debatte nahm Staatsminister Dr. Rüger das Wort. Er bezeichnete die durch die erhöhte Lebensdauer bedingte Vorlage als einen Beweis gegen die Behauptung, daß unsere Gesell schaftsordnung zu einer Verelendung führe. Weiter schilderte er die humanitäre Bedeutung der Alters renten-Versicherungsbank, stellte jedes fiskalische Interesse bei derselben jetzt und in Zukunft in Abrede und empfahl das Gesetz dem Wohlwollen des Hauses. Abg. Sekretär Rüder-Roßwein (kons.) schilderte die großen Vorzüge der Mtersrentenbank, die aller dings mit der Entwicklung der Sparkassen nicht Schritt gehalten habe. Den Grund dafür finde er in dem Umstand, daß die Einrichtung der Alters rentenbank dem Volke noch lange nicht genügend bekannt ist, und er richtet deshalb an die Regierung die Bitte, darauf hin zu wirken, daß die segens reiche Einrichtung in immer größeren Kreisen ver standen werde. Schließlich beantragte er die Ueberweisung der Bilanz an die Rechenschafts-Deputation und des Gesetzentwurfs an die Finanzdeputation An der weiteren Debatte beteiligten sich die Abgg. Rollfuß-Zittau (natlib.), Horst-Mulda (kons.) und Hähnel-Kupvritz (kons.). Darnach beschloß die Kammer die Annahme des Antrags Rüder, worauf die Sitzung geschloffen wurde. Oertliches und Sächsisches. Hohenstein-Ernstthal, 10. Februar. *— Die schöne Zeit, in der man über Kriegs- Möglichkeit mit den Worten: „Es wird ja doch nichts draus!" die Achseln zuckte, ist vorbei, und man muß bald zufrieden sein, wenn nicht gleich ein paar Kriege auf einmal kommen. Unmöglich ist das in diesem Frühling durchaus nicht. Im Vorjahre haben nur die russischen Mahnungen Bulgarien vom Kriege mit der Türkei abgehalten; wird jetzt aber das Zarenreich in Ostasien ernsthaft beschäftigt, so kann niemand wissen, ob nicht der Serben-Peter, der Bulgaren-Ferdinand, und noch der oder jener Ernst machen und sich durch einen frischen, fröhlichen Krieg mit dem Großtürken die Last der inneren Sorgen vom Halse schaffen. Faul steht es freilich bei ihnen mit den Finanzen, aber der Sultan hat auch kein Geld. Nun bleibt ja allerdings in jedem Fall Oesterreich-Ungarn, um dafür zu sorgen, daß diese kleinen Gernegroße nicht gar zu keck werden, aber die Habsburgische Monarchie wird da unten nicht sehr gefürchtet; es müßten wirklich schon Regimenter anfma'schieren, bevor die mahnenden Worte gehört wüden. Kurzum: darauf wetten, daß es zum Frühling in dem Dynamitland Mazedonien, wozu die bulgarischen Verschwörer den einstigen Staat Alexanders des Großen degradiert haben, nicht auch zum Hauen kommt, kann kein Mensch! Und anderswo war es ebenso. Bevor in Ostasien Russen und Japaner bluteten, haben die Börsen schon bluten müssen in Europa. Und sogar gründlich! Unser deutsches Publikum wird kaum noch große Neigung besitzen, fürderhin sich aus exotischen Papieren höhere Zinsen zu verschaffen. Seit anno 1896 sind wir wieder in eme regelrechte Kriegsperiode eingetreten. Da sind zu verzeichnen: Krieg zwischen China und Japan, griechisch-türkischer Krieg, Krieg zwischen den Vereinigten Staaten von Nord-Amerika und Spanien, der Boxer-Krieg in China — gerade keine angenehme Nummer! —, der Burenkrieg und nun der Russen-Japan-Krieg. Kleinere Hauereien und Expeditionen sind gar nicht mitaerechnet. Wir hatten von letzteren die Venezuela- und jetzt die südwestafrikanische Expedition. Man sieht also: Es langt! Von Kriegsfurcht ist gar keine Rede mehr; je leerer das Portemonnaie, um so größer der Wagemut. Fürst Bismarck sagte: „Auch wenn man Recht hat, soll man keinen Krieg beginnen!" Darüber ist man heute hinaus, leider! *— Stadttheater. Vor vollständig aus- verkaustem Hause gelangte gestern abend „Alt- Heidelberg" zur Aufführung. Viele Besucher sahen sich gezwungen, mit einem Stehplatz vorlieb zu nehmen, soweit sie es nicht vorzogen, wieder um zukehren. Die Rollen des herrlichen Schauspiels konnten nicht besser besetzt sein, wie dies gestern abend der Fall war. Das Hauptinteresse der Be sucher wandte sich natürlich den Helden des Stückes, Frl. Mimi Hahn als „Käti" und Herrn Otto Schmidt als „Carl Heinz", zu. Fräulein Hahn erntete infolge ihres wirklich vorzüglichen Spieles nach jedem Auftreten stürmischen Applaus. Herr O. Schmidt hatte leider etwas Unglück bei seinem Spiel, im übrigen konnte aber diese Rolle in keine besseren Hände gelegt werden. Der alte, biedre Dr. Jüttner wurde durch Herrn Betz mit großer Frische und Humor personifiziert und machte der selbe dadurch den kleinen Mißerfolg vor einigen Abenden vollständig wett. Herr Reinhard hatte sich natürlich seiner Rolle wieder vollständig an gepaßt. Der Kammerdiener „Lutz" wurde köstlich von ihm dargestellt: die richtige eingebildete Hof natur. Etwas eigentümlich berührte es nur, als plötzlich im 4. Akte an Stelle des Herrn Becker al; Staatsminister v. Hauck, Herr Betz erschien. Der Unterschied war doch zu gewaltig und wird hoffentlich bei einer Wiederholung „Alt-Heidelbergs", zu der sich die Direktion unbedingt in dieser Saison nochmals entschließen sollte, dieser auffällige Wechsel vermieden werden. — Auf allseitigen Wunsch hat sich die Direktion veranlaßt gesehen, für die nächste Vorstellung die Novität: „Im bunten Rock" zum 2. Male zur Aufführung zu bringen und dürfte an dem Abend abermals ein volles Haus zu er warten sein. * — Von Mitte dieses Monats an kehren die Zugvögel wieder zu uns zurück. Es ist des halb an der Zeit, nach den Nistkästen zu sehen, sie auszubessern und zu reinigen. Bei Anfertigung neuer Kästen beachte man, dieselben so naturgemäß als möglich zu machen. Am besten benutzt man starke Baumrinde zu ihrer Herstellung oder ver kleidet sie wenigstens mit solcher. Zieraten an zubringen, ist nicht gut getan, ja sie verhindern oft geradezu, daß die Nistkästen ihren Zweck erfüllen. Die Tage der billigen Apfelsinen sind wieder gekommen, mit ihr zugleich auch die Zeit, wo es gilt, den Fußwegen ganz besondere Auf merksamkeit zu schenken, denn leider gibt es Rück sichtslose genug, die, aller guten Sitten und Ver nunft zum Trotz, die Schalen auf die Straße werfen, ohne zu bedenken, welche Gefahr eine derart weggeworfene Schale für ihre Mitmenschen bildet. Nicht genug kann gewarnt werden, und vor allem Kindern sollten es die Eltern immer wieder einprägen, daß Obstreste, Apfelsinenschalen rc. nicht auf Fußwege, Straßen usw. geworfen werden dürfen. *— Eine beherzigenswerte Mahnung richtet ein Mitglied des Reichsversicherungsamtes an die Arbeiterinnen, die bei ihrer Verheiratung die Ab sicht haben, sich die von ihnen gezahlten Beiträge zur Invalidenversicherung zurückzahlen zu lassen. Er sagt: „Ein Mädchen, welches 200 Marken erster bezw. zweiter Klasse hat, erhält 14 bis 20 Mk., und zwar mehrere Wochen, auch in der Regel mehrere Monate nach der Hochzeit. Vorher kann es den Erstattungsanspruch weder geltend machen, noch auch nur durch Abtretung oder Ver pfändung verwerten. Dafür gibt sie die Anwart schaft auf eine Rente von 116 bez. 132 Mk. auf; die Anwartschaft auf eine Rente, welche nicht nur im Falle dauernder Erwerbsunfähigkeit, sondern auch dann gezahlt wird, wenn eine Krankheit über ein halbes Jahr dauert; welche in dergleichen Fällen sogar wiederholt gezahlt werden kann! Sind schon 500 Marken vorhanden, so werden 35 bez. 50 Mark gezahlt unter Verzicht auf eine Rente von 115 bez. 150 Mk. Wie unwirtschaftlich ein solches Geschäft ist, wird klar, wenn man sich vergegen wärtigt, welchen Gefahren die Frauen im Wochen bett ausgesetzt sind; wie verhältnismäßig häufig beim Hantieren mit Spülwasser, Speiseresten, Kohlen, Müll und dergleichen durch unscheinbare Hautrisse Zellgewebsentzündungen mit nachfolgender Vereiterung der Hand oder des Armes hervorge rufen werden, welche ungeheure Menge von Opfern die Tuberkulose, Blutarmut, Frauenkrankheiten fordern. Und vollends unwirtschaftlich erscheint die Erstattung, wenn man bedenkt, daß die große Mehrzahl der Frauen des Arbeiterstandes gezwungen ist, durch versicherungspflichtige Arbeit zur Ernäh rung der Familie beizutragen, daß diese Frauen, wenn sie die Erstattung erlangt haben, mit der Zurücklegung der Wartezeit von vorn ansangen müssen und daß sie dann, bei unregelmäßiger Arbeit, einen viel längeren Zeitraum brauchen, um die Wartezeit zu erfüllen." * — Eine für Hauswirte bemerkenswerte Entscheidung hat die Staatsanwaltschaft (Amts anwaltschaft) Leipzig in einer Anzeige wegen Hausfriedensbruchs getroffen. Der Mieter K. in der Kochstraße hatte seine Wohnung vor Ablauf des Mietverhältnisses verlassen, aber den Schlüssel an sich genommen. Nachdem der Hausverwalter Schr. den Mieter gebeten hatte, ihm zwecks Vor nahme einiger notwendiger Reparaturen die Schlüssel zu der leerstehenden Wohnung zu überlassen, dieses Ersuchen aber, ebenso wie ein solches des neuen Mieters abschlägig beschieden wurde, ließ Schr. die Wohnung durch einen Schlosser öffnen und die Reparaturen in der Wohnung vornehmen. Darin erblickte der Mieter K. einen Hausfriedens bruch gemäß tz 123 des Strafgesetzbuches, erstattete Anzeige und stellte Strafantrag. Das Verfahren wurde jedoch durch Beschluß vom 29. Januar 1903 eingestellt, und zwar mit folgender Begründung: Der Mieter K. hat gewußt, daß es sich um die Vornahme notwendiger Reparaturen handelte. Wenn dies verweigert und dann die Wohnung durch den Schlosser geöffnet wurde, so kann darin eine strafbare Handlung nicht gefunden werden. Die Widerrechtlichkeit ist mit Rücksicht auf den Zweck der Oeffnung ausgeschlossen, denn die Vor nahme der Reparaturen verstößt nicht gegen die Interessen des Mieters, wenn dieser die Wohnung schon geräumt hatte. Es ist im Privatrecht be gründet, daß der Vermieter in solchem Falle selbst gegen den Willen des Mieters dessen Wohnung betreten darf. Da der Mieter aber an der Jnne- behaltung gar kein Interesse mehr hatte, mar es nach tz 226 des Bürgerlichen Gesetzbuchs sogar unzulässig, die Schlüssel überhaupt zurückzubehalten. — Der zuletzt angezogene Paragraph lautet: „Die Ausübung eines Rechtes ist unzulässig, wenn sie nur den Zweck haben kann, einem anderen Schaden zuzufügen." Der Beschluß sieht es also als eine Chikane an, wenn der Mieter, der eine Wohnung verläßt, dem Hauswirt zwecks Vornahme von Reparaturen usw. in der Wohnung den Zutritt zu der leerstehenden Wohnung verweigert und ihm die Schlüssel vorenthält. Der Hauswirt hat in solchem Falle nach der Entscheidung ein Recht, Selbsthilfe zu üben und die Wohnung durch den Schlosser öffnen zu lassen. Er würde aber auch auf Herausgabe der Schlüssel klagen können. * — Der Pfarrcrverein für das Königreich Sachsen hat in seiner erweiterten Sitzung des Vorstandes zum „Fall Frege" nach eingehender Beratung im geschäftsführenden Vorstand folgende Erklärung angenommen: „Herr Kammerherr Dr. von Frege hat in der Ersten Sächsischen Kammer am 21. Dezember 1903 gesagt: „Bis ans die uns doch allen heilige Kanzel ist die Sozialdemokratie gedrungen wie ein bösartiger Schwamm, der aus dem Untergründe der Gebäude alles schädigt und zerstört." Diese Aeußerung ist vielfach auch in Laienkreisen dahin aufgefaßt worden, daß sich unter den sächsischen evangelischen Geistlichen Anhänger der Sozialdemokratie befänden. Gegen eine solche Anschuldigung legt der Gesamt vorstand des Pfarrervereins für das Königreich Sachsen entschieden Verwahrung ein." * Lichtenstein. Auf Anregung deS Bürger meisters Herrn Brahtel im angrenzenden Callnberg ergeht an sämtliche Gemeindevorstände ufw. deS amtshauptmannschaftlichen Bezirks gegenwärtig ein Rundschreiben, worin um Hilfeleistung sür die durch die Brandkatastrophe in Aalesund schwer Heimgesuchten gebeten und um Erhebung einer Kopf steuer (1 Pf. pro Kops) ersucht wird. Lurch diese Steuer würde eine Summe von rund 750 Mk. aufgebracht werden. * Chemnitz, 9. Febr. Ein artesischer Brunnen von ganz bedeutender Ergiebigkeit ist jetzt bei dem Färbereibesitzer Max Wünschmann hier erbohrt worden. Das Bohrloch ist 100 in tief und hat auf die ganze Tiefe eine Weite von 70 «m. Durch ununterbrochenen Pumpversuch wurde festgestellt, daß das Bohrloch über 1000 Liter pro Minute liefert.