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Hohenstein-Ernstthaler Anzeiger : 29.01.1904
- Erscheinungsdatum
- 1904-01-29
- Sprache
- Deutsch
- Vorlage
- SLUB Dresden
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id1841177954-190401294
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id1841177954-19040129
- OAI
- oai:de:slub-dresden:db:id-1841177954-19040129
- Sammlungen
- Zeitungen
- Saxonica
- LDP: Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
-
Zeitung
Hohenstein-Ernstthaler Anzeiger
-
Jahr
1904
-
Monat
1904-01
- Tag 1904-01-29
-
Monat
1904-01
-
Jahr
1904
- Titel
- Hohenstein-Ernstthaler Anzeiger : 29.01.1904
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Zur Brandkatastrophe in Aalesund. Ueber die Schrecken der Brandnacht in Aale sund werden noch folgende Einzelheiten gemeldet: Die Flucht au» der Stadt glich einer förmlichen Völkerwanderung. Die Fliehenden jagten sich, um dem drohenden Elemente zu entkommen. Da» Feuer züngelte an den Bergen der Umgebung hinaus und ließ den armen Flüchtlingen selbst noch außerhalb der Stadt keine Ruhe. Familienväter und Söhne trugen Frauen und Kinder. Vielfach geschah e«, daß schwangere Frauen, von der Angst überrascht, halb nackt, wie sie waren, auf dem Felde nieder kamen: angesicht» de» Tode» ward neue« Leben geboren. Mner Reihe dieser Bedauern«werten glückte e«, Unterkunst zu finden in einem — Letchen- hause, wo sie neben alten Särgen, durchschüttelt von Frost und Angst, gebaren. Wie gemeldet, entstand da« Feuer in einer Fabrik. Nachgewiesenerweise aber ist in der Fabrik den ganzen Tag hindurch kein Feuer gewesen, und e« scheint jetzt kaum noch zwetselhaft, daß böswillige Brandstiftung vorliegt. Unter der Flucht und un mittelbar nach der ärgsten Katastrophe sind zahl reiche Menschen infolge de« Angsteindrucke« verstorben, darunter namentlich Kinder und Greise. Die Stadt zählte zahlreiche wohlhabende Bürgerfamilien und nicht wenige reiche Leute. Am morgen nach der Brandnacht aber standen sie alle gleich, der Fabrik herr wie der Arbeiter entbehrten der notwendigsten Bekleidung und griffen gleich hungrig nach einem trockenen Stück Brot. Au« Christtania wird unterm gestrigen Datum telegraphiert: Jetzt ist festgestellt, daß in Aalesund 750 Häuser gebrannt haben und nur etwa 100 Häuser einigermaßen erhalten geblieben sind. Von der Arbeit der angekommenen deutschen Zimmerleute erhofft man sehr viel und denkt bald im Besitze vorläufiger Wohnung«baracken zu sein. Amtmann Alexander Kielland organisiert zunächst die ärztliche Hilfe. Im ganzen Lande entfaltet sich eine groß artige Wohltätigkeit auch unter den Kindern, die ihre Sparbüchsen und Kleider abgeben. Die Frauen und Kinder Aalesund« werden bald auf eine Reihe größerer Orte verteilt und dort untergebracht sein. Christianis, 27. Januar. Die Stadtverwalt ung von Aalesund sandte an Kaiser Wilhelm folgen de« Glückwunschtelegramm: Die Stadtverwaltung, zur ersten Sitzung nach dem Brande versammelt, spricht anläßlich de« Geburt«tage« ihre wärmsten Glückwünsche für Eure Majestät au« und dankt für die großartigen, überwältigenden Gaben, welche doppelt willkommen und segenbringend sind durch die wunderbare Schnelligkeit und Tatkraft, mit welcher Eure Majestät die Hilfe in« Werk gesetzt haben. Dadurch haben Eure Majestät mächtig bei getragen, die Not zu lindern und un« Mittel und Mut zu unserer Arbeit für die möglichst schnelle Wtederaufrichtung unserer Stadt, au« der Asche verjüngt und mit erneuter Kraft, zu geben. — Die Stadtverwaltungen von Drontheim und Bergen sandten ebenfall« Glückwunschtelegramme. — Alr heute in Christiania die Brigademusik beim Promenadenkonzert die „Wacht am Rhein" spielte, brach da« Publikum in begeisterte Huldigungsrufe au«. Die „Wacht am Rhein" mußte wiederhol', werden, ein bei Promenadenkonzerten einzig da stehender Fall. Hamburg, 27. Jan. Wie bereits gemeldet, nahm die „Phönicia" 2000 obdachlose Einwohner von Aalesund an Bord, ferner versorgte sie die Hilf«bedürftigen mit Kleidern und Leben«mitteln. Nach den Berichten der Leiter der Hilfsexpedition wird die Not später noch größer werden, wenn die jetzt bei den Bauern in der Umgegend untergebrachlen Obdachlosen wegen Mangel« an Leben«mitleln nach Aalesund zurückkehren. Al« dringend erforderlich wird die Beschaffung weiterer Baracken und außer dem die Beschaffung von Türen und Fenstern be zeichnet, um die Ruinen notdürftig bewohnbar zu machen. Breme», 27. Jan. Dampfer „Weimar" vom Norddeutschen Lloyd meldet au« Aalesund: 1 Uhr früh hier angekommen, haben un« mit Kommando Prinz Heinrich und städtischen Behörden in Ver bindung gesetzt und sofort mit Verpflegung und Auf nahme Hilfsbedürftiger begonnen. Obdachlosen sind größtenteils in Umgebung untergebracht. Weitere Au«dehnung der dortigen Hilf«aktion vorläufig nicht erforderlich. Brest, 27. Jan. Der Torpedojäger „Cassini" geht heute nach Aalesund in See mit 7200 Kilo gramm Rindfleischkonserven, 200 Kilogramm Bohnen und 1000 Decken für die Notleidenden. Oertliches und Sächsisches. Hohenstein-Ernstthal, 28. Januar. *— DieOstcrzeit naht; der Schulentlassungs termin rückt heran; in vielen Familien wird die Frage erörtert: „Was soll der Junge werden?" Ist diese schwerwiegende Frage zu aller Zufrieden- heit beantwortet, so gilt die weitere Sorge der Be stimmung der Lehrstelle, der Wahl eines tüchtigen Lehrmeisters. Es finden sich in den Zeitungen eine große Menge Lehrlingsgesuche. Da wird denn hin- und hergeschrieben; denn der Junge soll fort aus der Heimat. „Er muß unter fremde Leute; er braucht der Mutter nicht immer an der Schürze zu hängen!" Die Großstadt ist es meist, der man den Vorzug gibt. Mancher lernt dort die Licht- und Schattenseiten des Lebens gründlich kennen ; mancher verdirbt an Leib und Seele, da das ernste Vater- äuge, der liebende Mutterblick, die manches schwere Unheil verhütet hätten, den weiteren Lebensweg ihres Lieblings nicht mehr voll und ganz zu über blicken vermögen. Drum, ihr Eltern, versuchts in der Heimat oder in deren näherer Umgebung, eine Lehr stelle für euer Kind, das ihr oft unter Sorgen und Entbehrungen aufgezogen habt, zu finden; es wird gelingen! Unsere Handwerksmeister werden euch und euren Söhnen bereitwilligst dieselben Ver günstigungen unv Vorteile, die von den Meistern in den Großstädten als besonderes Entgegenkommen bezeichnet werden, bieten. Die Lehrlinge selbst 'haben den größten Vorteil davon, in einer kleineren oder mittleren Werkstätte zu lernen; hier gibtS keine streng bis ins kleinste durchgeführte Arbeits- teilung; jeder lernt jeden Handgriff und kann als Gehilfe eme wirkliche Stütze des Meisters sein. In der Großwerkstatt lernt er nur in seiner Ab teilung, selten nur lernt er das große Ganze kennen und übersehen. Mancher Gehife, der seine Aus bildung in der Großwerkstatt unter Anleitung des Werkmeisters genoß, hat in der kleineren Werkstatt das noch lernen müssen, was der hier vom Meister ausgebildete Lehrling schon im ersten Lehrjahre übte. * — Kaiser Geburtstagsfeier. Der zur Feier des Geburtstages Sr. Majestät des Kaisers vom Ausschuß für vaterländische Festlichkeiten gestern abend im großen Saale des Altstädter Schützen hauses veranstaltete vaterländische Kommers hatte erfreulicherweise aus allen Kreisen unserer Ein wohnerschaft einen recht zahlreichen Besuch gefunden. Die Bühne des Festsaales war in sinnreicher, der Feier des Tages entsprechender Weise geschmückt worden. Aus Topfgewächsen und anderem Pflanzen grün ragte die vergoldete Büste unseres Kaisers hervor; Fahnen zu beiden Seiten bildeten den Rahmen des Arrangements und die schöne Illu mination, gekrönt von dem herrlichen Stadtwappen, schloß das Ganze wirkungsvoll ab. Den Kommers eröffnete die konzertierende Kapelle mit Kistler's „Treue-Schwur", Festklänge zum Geburtstage Kaiser Wilhelms, und darauf nahm Herr Rechtsanwalt Dr. Dierks das Wort zu einer kurzen Begrüßungs ansprache, in der er den Teilnehmern fröhliche Stunden und einen festfrohen Verlauf des Abends wünschte. Ein allgemeiner Gesang: „Auf, ihr Brüder, laßt uns wallen" folgte dem Schlußworte des Festvorsitzenden. Nachdem hierauf die Ouver türe z. Op. „Fra Diavolo" die Hörer zum ersten Beifall herausgefordert hatte, folgte tue Festrede des Herrn Hauptmanns der Reserve, Postdirektors Seidel, der in markigen Worten auf die Bedeutung des heutigen Tages, an dem wir mit Stolz Sr. Majestät Kaiser Wilhelms II. gedächten, hinwies. Hoffend, daß das Reich stets ein festes Bollwerk gegen äußere wie gegen innere Feinde bilden möge und wünschend, daß die staatsfeindlichen Parteien sich an Stelle der verhetzenden und alles zersetzenden Negation einer sachlicheren Kritik be fleißigen möchten, gab er in begeisterten Worten seiner Ueberzeugung Ausdruck, daß, wenn das Vaterland wirklich einmal bedroht werden sollte, der Kaiser sein Volk auf dem Posten finden werde. Zum Schluß forderte Redner alle Anwesenden auf, sich zu erheben und mit ihm einzustimmen in den Ruf: „Unserm Kaiser, der seinem Volke noch lange erhalten bleiben möge, ein Hoch!" Nachdem das selbe verklungen, wurde die Nationalhymne von den Anwesenden stehend gesungen. Es folgten so dann abwechselnd Lieder des Sängervereins, Musik vorträge und allgemeine Gesänge. Herr Pastor Schmidt nahm noch einmal das Wort und seierte in beredten Worten unser Königshaus, das in letzter Zeit schwer vom Schicksale heimgesucht wor den ist; deshalb sei es aber umsomehrPflicht des Volkes, treu zu seinem Könige zu stehen. Treue um Treue! — das war das Motto seiner Rede. Er hob des ferneren hervor, daß auch der König im Kreise der übrigen Bundesfürsten dem Kaiser seine und seines Volkes Glückwünsche dargebracht habe. Ein leuch tendes Vorbild sei allen der König und an uns sei es, ihm nachzueifern. Mit dem Wunsche, daß der König uns noch recht lange zum Wohle seines biederen Sachsenvolkes erhalten bleiben möge und mit einem Hoch, in das alle Anwesenden freudig einstimmlen, schloß die herzliche Ansprache. Unter Begleitung des Orchesters wurde im Anschluß hieran die Sachsenhymne stehend gesungen. Ein weiterer Liedervortrag des Sängervereins, nämlich die herrliche Komposition Podbertsky's: „Friedrich Rotbart", die von den Hörern lebhaft applaudiert wurde, allgemeine Gelänge und schließlich der Marsch von Sousa: „Unter dem Sternenbanner" bildeten den Schluß des offiziellen Teils der schönen Feier; doch blieben die Anwesenden noch lange in gehobener und animiertester Stimmung vereint. * — Bei elektrischer Beleuchtung kann man jetzt auf der Eisbahn des Johannesgartens dem Schlittschuhsport bis tief in die Nacht hinein huldigen. Zum ersten Male verbreitete gestern abend zur Freude der zahlreichen Schlittschuhläufer eine Bogenlampe ihren mächtigen rötlichen Schein über die Eisfläche. Hoffentlich ist es mit diesem schönen Vergnügen noch nicht sobald vorbei. * — Gcschworenen-Auslosung In öffent licher Sitzung des König!. Landgerichts Zwickau wurden am Dienstag diejenigen 30 Geschworenen ausgelost, welche an den im ersten Vierteljahr be ginnenden Sitzungen des König!. Schwurgerichts teil zu nehmen haben, wobei das Los u. a. auf folgende Herren fiel: Hofrat Dr. Lamprecht in Altwaldenburg, Fabrikant Alban Siegert in Oberlungwitz, Kaufmann Otto Bochmann in Meerane, Kaufmann Louis Karl Bernhard Kuhn in Glauchau, Kaufmann Karl August Viktor Strübcll in Glauchau, Kaufmann Viktor Heinr. Walther Meyer in Glauchau, Kaufmann und Fabrikbesitzer Schmieder in Meerane, Fabrikant Pampel in Lichtenstein, Gutsbesitzer Schetter in St. Egidien und Kaufmann Johann Friedrich Hermann Paul Teichmann in Glauchau. * — Das Spielen in auswärtigen Lotterien ist nunmehr vom 1. April an in Sachsen verboten, nachdem vorgestern die zweite Kammer das ent sprechende Gesetz angenommen hat. * — Ende Januar sind die kürzesten Tage nunmehr überwunden. Die Zeit, in welcher die Sonne am meisten mit dem Lichte kargte, liegt wieder hinter uns. Von Tag zu Tag steigt die Sonne höher am Himmel empor und verweilt immer länger über dem Horizonte. In unsrer Stube Einsamkeit dringt wieder goldner Sonnen strahl, und mit dem Lichte zieht wieder Lebenslust in unsere Brust. Und dräut der Winter noch so sehr, es muß doch Frühling werden! Wir haben jetzt schon wieder neun Stunden Tag, und die Mittagshöhe der Sonne ist Ende Januar wieder auf mehr als 20 Grad gewachsen, oder auf 6 Grad mehr als zu Anfang des Monats. * — Das Wetter im Februar. Kalt und schneereich soll der Februar nach den Wetterprophe zeiungen des verstorbenen Rudolf Falb werden. Einen kritischen Termin 1. Ordnung bildet der 1., einen solchen 2. Ordnung der 16. Februar. Die Prognose des hundertjährigen Kalenders lautet gleichfalls: Schnee und Kälte. Warten wirs ab! *— Schmiede-Fach-AussteUung zu Leipzig Anläßlich des 29. Deutschen Schmiedetages und 4. Schmiede-Berufsgenossenschaftstages findet in Leipzig in der Zeit vom 28. Mai bis 2. Juni cr. in den sämtlichen Räumen des Etablissements „Stadt Nürnberg" eine große Fachausstellung für das Schmiedegewerbe unter dem Ehrenvorsitz des Herrn Oberbürgermeisters Justizrat Dr. Tröndlin statt. Dieselbe soll Maschinen, Werkzeuge, Gerät schaften, sowie alle Bedarfsartikel für die Huf- und Wagenschmiede, den Wagen-, Automobil- und Motorbau umfassen. Wie bei der letzten Schmiede- Fachausstellung, so wird auch für die kommende ganz besonderer Wert darauf gelegt werden, mög- lichst viele Ausstellungsgegenstände im Betrieb vor zuführen; für genügende Kraftanlage auf dem über 1000 s^m großen Ausstellungsterrain ist gesorgt. Für die Saal-Lokalitäten kann infolge der bisher sehr zahlreich eingegangenen Anmeldungen nur noch eine beschränkte Anzahl von Ausstellern an genommen werden, auch liegen für die überdachten Räume, in denen hauptsächlich die im Betriebe vorzuführenden Gegenstände (Reifenpresse, Glüh ofen, Krasthammer, Schmiedefeuer, Motors rc.) untergebracht werden, zahlreiche Anmeldungen vor. Alle Anfragen in Ausstellungs-Angelegenheiten sind an den geschäftsführenden Arbeitsausschuß der Schmiede-Fachausstellung, zu Händen des Vor sitzenden Herrn Schmiede-Obermeister Wilh. Erler, Leipzig, Ranstädter Steinweg 12, zu richten. Als letzter Anmeldetermin gilt der 1. Mai cr., doch dürfte infolge der starken Beteiligung eine frühere Schließung des Anmeldetermins stattfinden. * — Gräfin Montignoso, die frühere Kron prinzessin von Sachsen, wird nach der „N. Fr. Pr." im Frühjahr ihren jetzigen Aufenthaltsort Ventour auf der Insel Wight verlassen und sich wieder nach Lindau begeben, um dort einen Teil des Frühjahrs und des Sommers zuzubringen. * Lugan, 27. Januar. Auf dem im Abbruch begriffenen alten Karlschachte brach am Montag abend plötzlich der Förderschacht unter großem Ge töse zusammen und riß fast das ganze große vier stöckige Fördergebäude und dessen Dach mit in die Tiefe; nur zwei hohe Seitenwände sind noch vor handen, sodaß sich dem Auge ein sehenswertes Bild größter Verwüstung bietet. Jedenfalls stürzen die noch vorhandenen Reste des Gebäudes auch noch ein. Wodurch der Einsturz erfolgte, ist noch nicht bekannt. Glücklicherweise ist dabei niemand zu Schaden gekommen. Man war dort in letzter Zeit mit dem Ausfüllen des Schachtes beschäftigt. * Chemnitz, 26. Januar. (Schiedsgericht für Arbeiterversicherung.) Im April 1886 verletzte sich durch Unfall der jetztige Färbereiarbeiter Meyer in Hohenstein-Ernstthal den dritten und vierten Finger der linken Hand. Seine zuletzt noch bezogene Rente von 6 Prozent beantragte M. zu erhöhen, da sich als Unfallsolge ein rheu- mathisches Leiden am linken Arm eingestellt habe. Auf Grund eines ärztlichen Gutachtens war M. von der Berussgenossenschaft abgewiesen worden. Der Vertrauensarzt konnte einen Zusammenhang des Leidens mit dem Unfall nicht finden, aber die Erwerbseinbuße an sich selbst schätzte er auf 15 bis 20 Prozent. Das Schiedsgericht erkannte auf eine Erhöhung der Rente bis zu 20 Prozent ab 1. Februar 1904. — Eine Verletzung des linken Auges durch Stahlsplitter erlitt am 22. Nov. 1898 der Schlosser Orgis in Gersdorf. Mil Rück sicht darauf, daß O. auf dem rechten Auge schon erblindet war, wurde ihm anfangs eine 80prozentige Rente gewährt. Gegen die Kürzung dieser Rente um 40 Prozent legte O. Berufung ein, die eine Einweisung in eine Heilanstalt zur Folge halte. Da auch das von dort ausgestellte ärztliche Gut achten eine 50prozentige Rente für genügend er klärte, wurde die Berufung verworfen. * Zwickau. Durch die letzte aus Deutsch- Südwestafrika eingelroffene Verlustliste ist auch die Familie des Kaufmanns Tröltzsch in Zwickau in tiefe Trauer versetzt worden. Der in dem Erkun dungsgefecht am 15. d. Mts. mit anderen Ange hörigen der Schutzlruppe gefallene Reservist Tröltzsch ist ein Sohn des Genannten. Er war von Beruf Landwirt, früher Schüler der Landwirtschastsschule in Döbeln, 21 Jahre alt, und am 1. Mai v. I. nach Südwestasrika gegangen, wo er auf der Farm Hohewarte bei Windhuk, die einem Verwandten gehört, für drei Jahre eine Stellung angenommen hatte. Vor seiner Abreise hatte er in der 11. Kompagnie des 133. Infanterie-Regiments seiner Dienstpflicht als Einjährig-Freiwilliger genügt. Sein letzter, zu Weihnachten eingetroffener Bries war vom 15. November datiert. Ächt Tage vorher hatte er auch an Verwandle in Bad Elster ge schrieben und diesen mitgeteilt, daß wegen der Un ruhen unter den Eingeborenen ein Teil der Reser visten eingezogen sei. Vielleicht komme auch an ihn bald die Reihe, und wenn er im Felde fallen sollte, dann habe alle Not ein Ende. Nur zu rasch ist das Wort des jungen Mannes wahr geworden. Als sein Vater die Todesnachricht erfuhr, war er gerade dabei, an seinen Sohn zu schreiben. * Wechselburg, 26. Jan. Sicherem Vernehmen nach sind dem Grafen Joachim von Schönburg- Glauchau die ihm seinerzeit entzogenen Patronats rechte nach längeren vergeblichen Bemühungen seit kurzem doch wieder vom ev.-luth Landeskonsistorium eingeräumt worden. Dieses ist um so bemerkens werter, als unser rehabilitierter Kirchenpatron in einem zur Erlangung seiner Rechte dein, Oberlandes gericht im vorigen Jahre angestrengten Prozeß mit seinen Ansprüchen abgewiesen wurde. * Dresden, 27. Jan. Am 1. Februar wird hier unter dem Titel „Sachsenstimme" eine neue Wochenschrift zum ersten Male erscheinen. Die Sache geht von hiesigen Nationalsozialen au». Redigiert wird das Blatt von dem Schriftsteller Lebius werden, welcher aus der sozialdemokratischen Partei ausgetreten ist. * Leipzig, 27. Jan. Der frühere Direktor der in Konkurs geratenen Leipziger Bank, Exner, welcher gegenwärtig im Zwickauer Landesgefängnis seine ihm vom hiesigen Schwurgericht auferlegte 2'/,- jährige Gefänisstrafe verbüßt und Mitte Juni aus dem Gefängnis entlassen wird, wird sich dann nach Schottland begeben, wo auch seine Frau weilt. * Annaberg. Von dem seit dem 19. No vember v. I. von hier vermißten Bürgerschullthrer Kindt ist noch nicht die geringste Spur gefunden. Die Nachforschungen werden namentlich auch in Böhmen noch fortgesetzt. * Plauen, 26. Jan. Ein Defizit von 650 Mk. 50 Pf. ist in der Mietzinssparkasse des hiesigen, 1500 Mitglieder zählenden Mietervereins entdeckt worden. Diese Summe hat der bisherige Verwalter der genannten Kasse, der Restaurateur Reichmann, dem man großes Vertrauen schenkte, in seinem Nutzen verwendet. Reichmann, der das in Arbeiter kreisen bekannte Restaurant „Zum deutschen Hof" hier bewirtschaftete, ist in Zahlungsschwierigkeiten geraten. Es ist bereits das dritte Mal, daß die Mietzinssparkasse des genannten Vereins auf ähn. liche Weise geschädigt worden ist. * Mylau i. V, 28. Jan. Seit einer langen Reihe von Jahren hat Herr Färbereibesitzer Stadt rat Franz Schneider hier zu Weihnachten eine namhafte Summe Geld sowie Steinkohlen an eine große Anzahl arme alte Leute hiesigen Ortes durch die städtische Armenversorgungsbehörde verteilen lassen. Am Dienstag hat derselbe nun durch diese Behörde an 63 arme alte Leute zur großen Freude derselben abermals Kohlen verteilen lassen. Gerichtssaal. 8 Zwickau, 27. Jan. (Kellerwechselprozeß gegen Händel und Genossen.) In der heutigen Verhand lung gegen Händel und Genossen wurde zunächst vom Vorsitzenden, Herrn Landgerichtsdirektor Dr. Höcker, durch Ausruf die Anwesenheit der sämtlichen 14 Angeklagten festgestcllt, wobei zu bemerken ist, daß der am Montag ausgebliebene Mitangeklagte, der Agent Gustav Oswald Großmann, gegen den be kanntlich vom Gericht wegen Ungehorsams Haftbe fehl erlassen worden war, inzwischen in Köstritz, wo er angeblich krankheitshalber sich aushielt, ver haftet und in daS hiesige Untersuchungsgefängnis eingeliefert worden ist. Er hat sonach mit den übrigen Angeklagten heute vie Anklagebank inne. — Wie allgemein bekannt sein dürfte, spielt Händel in dem gegenwärtigen Prozesse die Hauptrolle und sein GeschäftSgebahren besteht darin, daß er sich in den Besitz von Wechseln zum Teil dadurch setzte, daß er solche mit dem Akzeptvermerk von völlig mittellosen Personen versehen ließ, die ihm und anderen Personen gar nichts schuldig waren und auch gar nicht die Absicht hatten, die von ihnen akzeptierten Wechsel bei Eintritt der Fälligkeit kinzulösen. Ec hat diese Wechsel gegen eine gewisse Provision verkauft, dabei aber den Käufern die Verpflichtung auferlegt, die Wechsel bei Verfall selbst einzulösen, also nicht etwa auf ihre Einlösung durch die Akzeptanten, die ja in der Regel auch nicht zahlungsfähig und zahlungswillig sind, zu warten. Die übrigen Angeklagten sind an dieser Wechsel reiterei insofern beteiligt, als sie zum Teil dem Angeklagten Händel ihre Akzepte gegen eine geringe Vergütung zur Verfügung stellten, zum Teil einen Wechselhandel auf eigene Faust trieben. Der Ver handlung wohnt wiederum ein zahlreiches Publikum als Zuhörer bei. Die Frage des Vorsitzenden, ob sie sich auf die Anklage auslassen wollten, wurde von sämtlichen Angeklagten bejaht, dann trat an erster Stelle Händel vor, auS dessen Aussagen im wesentlichen folgendes zu entnehmen ist. Händel ist am 8. Februar 1870 in Crimmitschau geboren, un bestraft, gelernter Kaufmann und ist an verschiedenen Orten als Kontorist und Korrespondent tätig ge wesen. Darauf ist er in das Vigognegeschäft seines VaterS, der in Crimmitschau wohnte, als Geschäfts führer eingetreten. Als sein Vater im Jahre 1894 in Konkurs verfiel, hat er vertretungsweise den Vertrieb von Farbstoffen übernommen und ist zwei Jahre später nach Zwickau verzogen. Hier ist er vorübergehend Reisender in verschiedenen Geschäften gewesen und hat dann wiederum die Vertretung von Geschäftshäusern übernommen. Später hat er sich auch einmal an einem artistischen Unternehmen beteiligt, das zunächst gut gegangen ist, durch daS er aber später Verluste erlitten hat. Die Art seine» Geschäftsbetriebs, die ihn jetzt aus die Anklagebank gebracht hat, hatte er durch eine Zeitungsannonce gelernt. Er hatte sich, angeblich nur auS Neugierde, in Verfolg einer solchen Annonce, in welcher leistungs fähigen Firmen Akzeplkredit angeboten wurde, an die betreffende Stelle gewandt und darauf gegen Bezahlung Gefälligkeitswechsel offeriert erhalten, die sich als Kundenwechsel leicht verwerten ließen. Auf diese Mitteilung hin faßte er den Entschluß, sein eigenes Akzept ebenfalls gegen ein Entgelt auSzu- bieten und erließ nunmehr in einer Menge von Zeitungen in Leipzig, Chemnitz, Berlin, Dresden, München, Köln, Augsburg u. s. w. Inserate, in denen er solventen Firmen jeder Branche Akzepte und Rimessen zu diskreten und kulanten Bedingungen anbot. Auf diese Inserate erhielt er natürlich Zu schriften in Menge, in denen Wechsel mit seinem Akzept teils gegen Provision, teils gegen Akzepte anderer Personen verlangt wurden. Mit diesen Personen trat er nun in Geschäftsverbindung und tauschte mit ihnen Wechsel, die sein Akzept oder das Akzept einer anderen Person trugen, au». Unter diesen Personen befanden sich auch die Ange klagten Reuter, Schulze und Kelle. Durch diesen WechselauSlausch gelangteer in den Besitz von Akzepten einer großen Anzahl Personen aus allen Gegenden Deutschlands. Er benutzte weiter die Mitangeklagten Lorenz, Großmann, Egelkraut, Georgi, Müller, Eppler, Emme und Georgi, die ihm ihr Akzept gegen Bezahlung zur Verfügung stellten. In der
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