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Nr. 165. Pulsnitzer Tageblatt. — Montag, den 18. Juli 1927. Seite 2. — (Eine Pressestelle beim Landgericht Bautzen.) Gemäß einer Verfügung des Justizministeriums soll auch beim Landgericht Bautzen eine Pressestelle errichtet werden. Um mit der Presse deswegen Fühlung zu nehmen, hielt Herr Landgerichtspräsident Dr. Stavenhagen am Don nerstag mit den Vertretern der Zeitungen im Landgerichts bezirk Bautzen eine Besprechung ab, in der der Zweck der neuen Einrichtung erläutert, ihr Aufgabengebiet umgrenzt und die einschlägigen gesetzlichen Bestimmungen bekanntge macht wurden. Der voraussichtliche Leiter der Stelle, Herr Landgerichtsrar Steffen, (Stellvertreter: Herr Landgerichtsrat Tröger) nannte als Aufgaben die Unterstützung der Presse bei der Berichterstattung, die Auskunftserteilung über angän gige Strafsachen zum Zwecke der Orientierung und die Uebermitteiung von Artikeln juristischen Inhalts an die Presse. In längerer Aussprache über einzelne Fragen kam einmütig die Ansicht zum Ausdruck, daß die Pressestelle der Herstellung eines Vertrauensverhältnisses zwischen Justiz und Presse dienen wird. Die Ergebnisse der Besprechung werden auch den Amtsgerichten des Bezirks bckanntgegeben werden — (AusdemSächsischenGesetzblatt e.) Das Sächsische Gesetzblatt Nr. 18 vom l5. Juli enthält die Ge setze zur Verlängerung der Geltungsdauer der Notverordnung über die Aufbringung des Geldbedarfs der Handels- und Ge werbekammern, über den zweiten Nachtrag zu dem Gesetze über den Staatshaushalt auf das Rechnungsjahr 1926 und über den Staatshaushalt auf das Rechnungsjahr 1927. Radeburg. (Pferde- und Rindvieh markt.) Am vergangenen Mittwoch, den 13. Juli 1927 fand hier in Radeburg Pferde- und Rindviehmarkt sowie Schweine- und der allwöchentliche Ferkelmarkt statt. Die Schweine und Ferkel, über 300 Stück zusammen, wurden lebhaft gehandelt. Herr Pferdehändler Richard Haupt aus Großdittmannsdorf hatte auf dein Großenhainer Platze 7 Stück beste Pferde zum Verkauf gestellt, cs wurden 4 Stück hiervon umgesetzt. Auch die Nachfrage nach Rindvieh war groß. Es dürfte zu empfehlen sein, wenn die Pferde- und Rindviehändler ihre Handelstiere für den nächsten Roß^ und Viehmarkt, der am Mittwoch, den 2l. September 1927 in Verbindung mit dem Herbstjahrmarkte staltfindet, nach Radeburg bringen würden. Mit Rücksicht auf die am Mittwoch gehaltene große Nach frage nach Pferden und auch nach Rindvieh dürften die Händler bestimmt auf rhre Rechnung kommen. Dresden. (Aufruf.) Dos Landeskartell des Deut schen Beamtenbundes erläßt in einem Aufruf, daß es keine gesonderte Sammlung für die Unwettergeschüdigten veran staltet; es fordert vielmehr die Beamten auf, sich an der Landessammlung nach Kräften zu beteiligen. Dresden. (Straßensperrungen.) Die wegen Klein- pflafterarbeiten vom 7. Juni d. I. aus der Straße Dresden-Görlitz im Orte Göda ersolgte Sperrung wird wieder ausgehoben — Wegen eines Brückenneubaues in Großgrabe wird die Staatsstraße zwischen Königsbrück —Bernsdorf für Lastwagen mit mehr als 9 Tonnen Gesamtgewicht ab 20. Juli 1927 aus die Dauer von etwa 7 Wochen gesperrt. Der leichte Fährverkehr wird über eine Hilssbrücke in Großgrabe geleitet. — Die Staatsstraße Leisnig— Chemnitz in Flur Gersdorf wird in der Zeit vom 20. bis 26. Juli von Km 6,202 bis 7,425 für den gesamten Fahr- und Reit- verkehr gesperrt Der Verkehr wird über Wallbach und Gersdorf verwiesen. — Die Staatsstraße Siegmar - Limbach wird zwischen Rabenstein und Limbach in Flur Kändler und dem Staats- sorstrevier Rabenstein wird zwischen Rabenstein und Limbach vom 18. Juli 1927 ab sür allen Fahr und Rcitverkehr gesperrt. Der Verkehr von Chemnitz nach Limbach und umgekehrt wird über Wüstenbrand auf die Staatsstraßen Chemnitz—Hohenstein-Ernstthal und Oberlungwitz—Mittweida und auf den Kommunikationsweg über Kändler—Röhrsdors auf die Reitzenhainer Staatsstraße ver wiesen. — Die Staatsstraße Lengefeld- Augustusburg im Staatssorstrevier Heinzebank wird von km 2,65 (Rathaus Lenge feld) bis 9,4 (Gasthaus Börnichen) vom 16 Juli bis voraussichtlich 13. August für den Durchgangsverkehr gesperrt. Der Durchgangs verkehr wird über die Staatsstraße Lengeseld—Wolkenstein, die Reitzenhainer Straße und Flöha Lengeseld verwiesen. — Die Sperrung der Staatsstraße Zwickau—Lößnitz zwischen km 0,0 und 8 5 (d i. zwischen Vockwa und Wildenfels) wird vom 13 Juli 1927 ab ausgeboben. — Die Zwcigstrecke ä der Staats straße Zwickau — R oKn eburg von km 0,0 bis 3,464, d. i. vom Gasthaus »Reich«Mssin Langenhessen bis zu ihrer Ein mündung in die HaupMelMi wird vom 12 Juli 1927 ab bis aus wiiteres für allen Durchqbngsverkehr gesperrt. Der Durchgangs verkehr wird über Werdau verwiesen. Der Anliegerverkehr kann aus Gemeindewegen in Langenbernsdorf ausweichen. Der Verkehr auf dem Gemeindeweg Langenhcssen—Kleinbernsdorf—Niederalberts darf-Oberalbertsdorf, der westlich der Bahnlinie von der gesperrten Strecke abzweigt, wird von der Sperrung nicht betroffen. - Die Straße Herlasgrün Treuen wird in der Zeit vom 18. Juli bi« 1. August von Km 4,5 bis 4,9 in Flur Treuen gesperrt. Der Verkehr Reichenbach — Treuen wird über Harlmannsgrün und Treuen Plauen über die staatliche Königstraße verwiesen. — Die Staatliche Königstraße wird in der Zeit vom 18. Juli bis 1. August von Km 9,0 bis 9,4 in Flur Eich und Rebesgrün ge sperrt. Der Verkehr wird über Lengenseld—Rodewisch—Auerbach bezw. über Schreiersgrün—Rebesgrün—Auerbach verwiesen. — Die Straße Schneeberg — Oelsnitz wird in der Zeit vom 18. Juli bis 1. August von der König Albert Straße bis zur König Johann- Straße in Falkenstein gesperrt. Der Verkehr wird aus die Köniz - Albert Straße und Schloßstraße in Falkenstein verwiesen. — Die Hoser Straße wird anderweit in der Zeit vom 18. Juli bis 1. August von km 114,85 bis 115,35 in Flur Thoßsell gesperrt. Der Verkehr wird über Treuen verwiesen. — Die Kärrnerstraße zwischen Wohlhausen und Schöneck wird in der Zeit vom 25. bis 30, Juli gesperrt. Der Verkehr wird über Schöneck und Copplasgrüner Höhe und zurück über Klingenthal verwiesen. Dresden. (Annahme von Schecks bei Steuerzahlungen.) Im Verlaufe längerer Ver handlungen mit dem Landesfinanzamt Leipzig hat es die Handelskammer erreicht, daß unter Vorbehalt des Wider rufs das Finanzamt Burgstädt angewiesen ist, die Orte Limbach, Oberfrohna, Hartmannsdorf und Mühlau als Vororte von Burgstädt im weiteren Sinne zu behandeln. Auf Grund dieser Anweisung ist es in Zukunft möglich, Schecks, die auf Banken in den genannten Orten lauten, beim Finanzamt Burgstädt zur Steuerzahlung zu ver wenden. Annaberg. (Der Streit um die Warte halle.) Der hiesige Stadtrat beabsichtigte, auf dem Marktplatz eine Wartehalle für Autofahrgäste zu errichten. Ein großer Teil der Bürgerschaft befürchtet nun dadurch eine Verschandelung des Platzes bzw. des Marktbildes das Gebäude eindringen zu können. Der Bürgersteig ist von Glasscherben förmlich zugedeckt. Die Hauptfront des Gebäudes hat gleichfalls arge Schäden ge nommen. Wenn eine Restaurierung überhaupt möglich ist, so werden diese Arbeiten mehrere Monate in Anspruch nehmen. Die Feuerwehr arbeitet in den Kellerräumen, wo das Feuer noch glimmt. Der Pöbel nahm die Lokalität im Sturm, übergoß die Einrichtungen mit Petroleum und steckte sie in Brand. Das Haus, in dem sich das Wachtzimmer befindet, zeigt deut lich die Spuren der Straßenkämpfe. Die Mauer zeigt zahllose Löcher von Gewehr- und Maschinengewehrkugeln. Kaum einige hundert Schritte vom Iustizpalais entfernt sind in zwei Richtungen Barrikaden errichtet worden. Die kleinen verschwiegenen Gassen der inneren Stadt sind wieder ebenso ruhig wie sonst. Die zurBerteilung gelangenden Zeitungen sind in weni gen Augenblicken vergriffen. Jeder will so schnell als mög lich in den Besitz eines Blattes gelangen. Die Nachmittags ausgabe brachte das Alkoholverbot für den 16. und 17. Juli vom Bürgermeister als Landeshauptmann. Die Hotels und Kaffeehäuser können offenhalten, müssen aber das Alkoholverbot einhalten. , Interessant war noch folgende kleine Notiz, die einen Beweis der Hetzpolitik gibt: Die Stimmung iu der Sicherheitswache. Viele Sicherheitswachtleute sind bei Parteiorganisationen oder Schutzbundabteilungen vorgesprochen und haben ihnen versichert, daß sie selbst, wenn sie zum Schießen befohlen wurden, nur in die Luft geschossen hätten, und daß sie die Brutalität der höheren Kommandanten, die das ganze Unglück angerichtet haben, und die derjenigen Sicherheitswachtleute, die grundlos Arbeiter gemordet haben, aufs schärfste mißbilligen. Die Opfer der Wiener Revolte. 150 Tote, 700 Verwundete. Prag. Der Schaden, der durch den Brand imIustiz - palast entstanden ist, wird auf viele Millionen österreichische Schilling geschätzt. Die Zahl der Toten dürfte etwa 150 betragen, die Zahl der Verwundeten 70V. In einem einzigen Spital befinden sich mehr als 40 Tote. Im ganzen wurden im Laufe des Sonnabend 689 Verletzte ein geliefert, von denen 44 gestorben sind. In einer Sonderausgabe des sozialdemokratischen Mit teilungsblattes wurde bekanntgegeben, daß bei einer Wie derholung der blutigen Zusammenstöße sofort der Ausnahmezustand verhängt werde. Die Spitäler sind mit Verwundeten überfüllt. Die Straßen nach den Vorstädten sind abgesperrt. Die Autos werden angehalten und nach Waffen durchsucht, da man be fürchtet, die Kommunisten könnten sich von auswärts Waffen kommen lassen. Abends sind auf der Donau Dampfer mit Teilen des Bundesheeres aus Krems, St. Bölten und an deren Orten eingetroffen, die die Bundesregierung zur Ver stärkung des Polizeischutzes aufgefordert hat. Verstärkung der italienischen Truppen am Brenner? In Innsbruck wies die militärische Besetzung am Brenner ihre normale Stärke auf. Man rechnet mit dem wei teren Eintreffen italienischer Truppenabteilungen, zumal der italienische Generalkonsul in Innsbruck mehr fach bei der Landesregierung vorstellig geworden ist, um die Frage der Sicherung der Eisendahnzüge, die über den Brenner verkehren, zu klären. Die Selbstanklage der Sozialisten. Gewissenlose Elemente haben die Katastrophe verschuldet. Pe-ßburg. In eitlem von der Leitung der österreichischen sozialdemokratischen Partei an ihre Angehörigen ausgcgeb-men Ausruf wird na drücklich betont, daß die Katastrophe vom Sonnabend vou undisziplinierten Ele. verschuldet sei. De.- Kampf soll zu Ende gekämp,. werden; aber mit Mitteln, die der Arbeiterklasse würdig seien. Weiter wendet sich di« Parteileitung an alle ihre Mitglieder mit der Auf forderung, jede Demonstration einzustellen. Die sozialdemoakratische Arbeiterschaft, heißt es schließlich, wird 24 Stunden in dem Proteststreik verharren, worauf sie zur Arbeit zurückkehren wird. Der Generalstreik jedoch wird bei der Po st, in den Telegraphen- und Telephonämtern und bei den Eisenbahnenfort- dauern. In einem zweiten Aufrufe fordert die Leitung der Sozial demokratischen Partei ihre Anhänger auf, sich von den Kom munisten nicht verführen zu lassen und sich nicht zu be waffnen, wozu die Kommunisten auffordern. Tätlichkeiten gegen sozialdemokratische Führer in Wien. Prag. Me bekannten Führer der Sozialdemokraten Seitz, vr. Bauer und NationalratDeutsch, sind, als sie zugunsten der Feuerwehr beim Brand des Iustiz- palastes intervenierten, vom Pöbel mehrfach ver prügelt, angespuckt und beschimpft worden. Der republikanische Schutzbund ist darauf auf Anweisung von vr. Deutsch zurückgezogen und durch Wiener Polizei ersetzt worden. Dir Tiroler Regierung hat die Macht in Händen. Trotzdem starke Fremdenflucht. — 3000 Besucher a b g e r e i st. Während infolge des Gewirrs der Nachrichten ein ab- schließendes Urteil über die Lage in Wien nicht zu gewinnen ist, herrscht in Tirol völlige Ruhe. Die Tiroler Landesregierung hat alle Maßnahmen getroffen, um die Ruhe weiter aufrechtzuerhalten. Militär, Gendarmerie und Polizei liegen in höchster Bereitschaft. Den Arbeitswilligen in allen Betrieben und Unternehmun gen sichert die Landesregierung weitest gehenden Schutz mit allen ihren Machtmitteln zu. Me Organisier»«« einer Gegenbewegung ist vollzogen. Die Christlich-Sozialen scheinen Herren der Lage zu sein. Der Bahnverkehr ist vereinzelt noch unterbrochen. Die öffentlichen Gebäude Innsbrucks sind teils von der Heimatwehr, teils von der Gendarmerie besetzt, während der Bahnhof und die Eisenbahnanlagen im Besitz des Republikanischen Schutzbundes sind. Die Landesregie rung hat diesen aufgefordert, sich zurückzuziehen. Am Sonn tagmorgen dauerte in Innsbruck der Eisenbahner streik noch an. Der lokale Telephonverkehr funktioniert. Die Landesregierung hat einen Notpostverkehr eingerichtet, der mit Autos und mit Hilfe von arbeitswilligen Postangestellten bewerkstelligt wird. Die Flucht der Fremden setzt sich fort. Nach Mitteilungen des Innsbrucker Derkehrs- büros haben über 3000 Fremde Innsbruck verlassen. Umgestaltung des österreichischen Kabinetts. Prag. Nach dem schrecklichen und blutigen Freitag er wachte am Sonnabend ein sonniges Wien im Zeichen des Generalstreiks, den die sozialdemokratische Parteileitung und die Gewerkschaftskommission verhängt hatte. Damit suchte die Parteileitung die Führung wieder in die Hände zu bekommen, die sie fast völlig verloren hatte. Der wilde Streik sollte zunächst in einen offiziellen umgewandelt wer den, der dann auch auf Geheiß wieder beendet werden kann. Vom Gewerkschaftsbund war die Parole ausgegeben worden, daß der Samstag im Zeichen des Protestes und der Trauer für die Opfer durch völlige Stille und Ruhe be gangen werden soll. Die gleiche Parole ist vom Republi kanischen Schutzbund ausgegeben worden. Unter den Fol gen dieser Parole haben die Arbeiter von Wien von ge schlossenen Demonstrationen abgesehen. Dagegen sind die Straßen noch von zahlreichen Arbeitern und streikenden An gestellten gefüllt, die jedoch einzeln wortlos einhergehen. Die Polizei ist von der Ringstraße auf Grund einer Verein barung von Bürgermeister Seitz und Bundeskanzler Seipel zurückgezogen worden. Nun versieht der Republikanische Schutzbund den Ord- nungsdienst. Zwischen vr. Seipel und Seitz finden ununter, brachen Verhandlungen statt. Es wird damit gerechnet, daß es zu einer Einigung kommen wird, auf Grund deren der Polizeipräsident Schober zurücktreten wird und die Sozial demokraten in ein Koalitionskabinett eintreten werden. Der Völkerbund soll vermitteln. München. Die österreichische Bundesregierung hat am 17. Juli ein Flugzeug nach Prag mit Vertretern der Re gierung entsandt, die den Auftrag haben, eine Interven tion des Völkerbundes herbcizuführen. Man hofft damit die Lage auf außenpolitische Basis zu stellen. Die Regierung führt unausgesetzt Verhandlungen mit den Sozialdemokraten. Der sozialdemokratische Bürgermei ster Wiens hat neuerdings die Bildung einer eige nen Schutzwache angeordnet. Damit kann nur der Republikanische Schutzbund gemeint (ein,, der somit amt lichen Charakter erreicht haben würde. Bundeskanzler Seipel beruhigt das diplomatische Korps. Prag. Aus Wien wird gemeldet,, daß Bundeskanzler Seipel dem diplomatischen Korps die beruhigende Er klärung gab, daß die allgemeine Lage wesentlich ruhiger sei, wenn auch noch mit weiteren Unruhen ge rechnet werden müßte. Das Privateigentum sei keineswegs gefährdet. Ruhe in der österreichischen Provinz. Nikolsburg. In der nordösterreichischen Provinz herrscht Ruhe. Der Generalstreik ist zum Teil wirkungslos. Die Bauernschaft in nächster Nähe Wiens steht unter rotem Terror. Die Volksstimmung im Lande ist erregt und anti- sozialistisch. In der roten Wiener Neustadt sind Terrorakte und große Demonstrationen an der Tagesordnung. In den übrigen Provinzstädten herrscht Ruhe, auch im Burzen- lande, nach anfänglichen Ausschreitungen und Zusammen» stüb-n. Dir rote Polizei der Sozialisten. Starkes Abschwenken der Radikalen nach links. Nikolsburg. Im Laufe des Sonntags hat die Be waffnung des Republikanischen Schutzbun des stattgefunden. Die Bildung der geplanten Stadt schutzwache durch den Wiener Bürgermeister Seitz ist als D e r f a s s u ng s b r u ch zu werten. Die Durchführung der Verordnung des Bürgermeisters Seitz würde praktisch die sozialdemokratische Diktatur in Wien bedeuten. Die Sozialdemokratie stößt jedoch auf den ent- schiedenen Widerstand der Regierung. Bundeskanzler Seipel erklärte der sozialdemokratischen Führung, man könne und werde es der Gemeinde Wien, wenn sie kein Ver trauen zur Polizei habe, nicht verwehren, ihre Gemeinde häuser mit Zivilisten zu besetzen. Die Regierung lehne es aber entschieden ab, mit Ange hörigen der u „'gesetzmäßig gebildete nStadt- schutzwache als behördlichem Organ zu verhandeln. Im Falle eines öffentlichen Auftretens würden diese Angehö rigen des Schutzbundes wegen Anmaßung öffentlicher Be fugnisse unter' Strafverfolgung gestellt und verhaftet werden. Bundeskanzler Seipel hat namens der Gesamtregie rung den Rat der Demission, der durch Oberbürger meister Seitz im Auftrage der Sozialdemokratischen Partei, ! überbracht worden ist, mit verbindlichstem Dank zurück gewiesen. Der Ministerrat tagt in Permanenz. Die Lage ist sehr ernst, da die Sozialdemokratische Partei die Führung über die Massen immer mehr verliert und unter stärkstem Druck der Kommunistischen Partei steht. - Eine klägliche Rolle spielt der Wiener Bürgermeister , Seitz, der persönlich eine weitere Radikalisierung ! derPartei erstrebt. Die aufgehetzten Elemente sind durch den erfolgreiche« Widerstand der Polizei völlig eingeschüchtert, u«» die radikalen Masse» schwenken weitet nach links ab. Bezeichnenderweise versuchten am Sonntag Demonstran ten den Ottakring, einausgesprochenes Arbeiter- viertel, in dem auch eine Reihe der maßgebenden sozia