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Hohenstein-Ernstthaler Anzeiger : 23.12.1903
- Erscheinungsdatum
- 1903-12-23
- Sprache
- Deutsch
- Vorlage
- SLUB Dresden
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id1841177954-190312238
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id1841177954-19031223
- OAI
- oai:de:slub-dresden:db:id-1841177954-19031223
- Sammlungen
- Zeitungen
- Saxonica
- LDP: Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
-
Zeitung
Hohenstein-Ernstthaler Anzeiger
-
Jahr
1903
-
Monat
1903-12
- Tag 1903-12-23
-
Monat
1903-12
-
Jahr
1903
- Titel
- Hohenstein-Ernstthaler Anzeiger : 23.12.1903
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Arbeiter entfallende Durchschnitt«lohn gar auf 600 Mk. pro Jahr. Eine solche Durchsckmitt«stattsttk weist eben in jede« Falle Fehler auf. Trotz alledem kann auch nicht hehauptet werden, daß der Crim mitschauer Textilarbeiter zu Hungerlöhnen arbeiten müsse. Der Wochendurchschnttt«lohn beträgt für ihn 14—16 Mk., sodaß e« demnach einem befähigten Arbeiter ganz gut möglich ist, sich und den Seinen ein einigermaßen au«kömmliche« Leben zu bieten, zumal wenn Kinder vorhanden find, auch diese meist der Beschäftigung in der Fabrik nachgehen. Um die Lohnsrage handelt e» sich in diesem Kampfe aber nicht in der Hauptsache, sondern um eine Verkürzung der Arbeit«zett. Nicht den Tat sachen entsprechend ist die Behauptung, daß hierorts «eist 10'/, und 10'/. Stunden gearbeitet wird. Es arbeiten nämlich 3 Betriebe mit 10*/,-, 26 mit 10'/,. und K1 mit Hstündtger Arbeitszeit. Gelegent lich der ansang» August d. I». zwischen Fabrikanten und Arbeitern gepflogenen Verhandlungen wünschten die Arbeiter, daß die einstündige Mittagspause um eine Viertelstunde verlängert werde. Die Unter nehmer wollten hierauf zwar eingehen, dann jedoch die übliche Waschzeit — mittag« und abend« je b bezw. 10 Minuten — in Wegfall bringen; da« aber hätte eine teilweise Verlängerung der Arbeits zeit bedeutet. In einer weiteren gemeinschaftlichen Sitzung der beiderseitigen Kommissionen erklärten die Arbeiter, daß sie nicht auf allen ihren Forder ungen beständen, sondern zu weiteren Verhandlungen geneigt seien. Mittlerweile kündigten die Arbeiter der Firmen Heinrich Neubert, Friedrich Trommer und E. O. Zöffel in Crimmitschau, sowie Christoph Händel in Leilelshain und Gebrüder Fürst in Neu kirchen ihren Arbeitgebern unter Vorbehalt, d. h., wenn die beiderseitigen Verhandlungen binnen 14 Tagen e ledigt feien, solle die Kündigung al« nicht geschehen zu betrachten sein. Daraufhin erfolgte dann Vie Mossenauesperrung, die sich auf 80 Be triebe erstreckt und zwar auf etwa 30 Spinnereien und SO Webereien. Auf betven Seiten hat dieser Riesenkompf sehr empfindliche Wunden geschlafen: Die Fabrikanten hallen mit den Kop talzinsen, einer etwa zehnpro- zcnltgen Abichreidung, den Zinsen aus Rohmaterial, mit der Unterhaltung der Beamten und Meister sowie nach der teilweisen Wiederaufnahme der Arbeit mit enorm hoben Betriebskosten, ferner mit den P-ämien (pro Woche 2 Mk.) an die Arbeitswilligen und nicht minder mit dem ihnen während de« Stillstand« ihrer Fabriken entgangenen Gewinne zu rechnen. Der gesamte Lohnau«sall benag' bi» j tz> rund 2 Millionen Mark, «äh>end die Umfotzverlune der Fabrikanten aus 18—20 Millionen Mark zu veranschlagen sein dürften. Außerdem hatte diese Massenaussperrung einen höchst fühlbaren Beschäfltg- ungimangel in den Hülfsgewerben, den K fitn- bauereien, Papierhülsensabriken und dergl. im Gefolge. * * Crimmitschau, 21. Dez. Auf da« Verbot der Weihnachtsfeiern für die Ausständigen gibt die Streikleitung bekannt, daß den Nu«ständigen als Weihnachtsgabe die doppelte Unterstützung gewährt wird und die weitere Unterstützung jetzt schon bi« Mitte Februar gesichert sei. Die Weihnachtrbe- scherungen selbst sollen in auswärtigen Sälen statt finden. Für diese seien vorhanden außer 65 000 Mk. barem Geld 8000 Stollen, die zum Teil von Leipzig gekommen sind, und die verschiedensten Sptel- und sonstigen Waren für die Kinder der Streiken den. Uebrigcn« mag festgestellt werden, daß der Crimmitschauer Stadtrat der Abhaltung einer ein- fachen Weihnachtsfeier an sich nicht entgegen war. Bei der Anmeldung der Festlichkeiten nahm der Bürgermeister mit Berechtigung Anstoß an der An sprache, die im Programm vorgesehen war. Al bie Anmelder jedoch erklärten, daß unter keinen Umständen aus diese Ansprache verzichtet wird, gab Bürgermeister Beckmann anheim, wenigsten« An gaben über den Inhalt der Ansprachen zu machen Auch diese« Anfinnen wiesen die Anmelder rund weg ab. Crimmitschau, 22. Dez. In der heutigen Ausgabe de« hiesigen „Anzeigers" veröffentlichen eine Anzahl Gewerbetreibende folgenden Pro'est: „Der sozialdemokratische Abgeordnete Bebel erklärte kürzlich im Reichstage bet Gelegenheit der Be sprechung de« hiesigen Streiks: „Das soziale wirt- fchaftliche Leben Crimmitschau« wird vollständig vernichtet, hundert und aber Hunderte von kleinen Geschäft«leuten gehen bankerott." Aus wa« Bebel diese Behauptung stützt, wissen wir nicht, uns scheint e«, al« wenn die hbfigen Stieiksührer bestrebt sind — und da« wird Bebel besser wie wir wissen — den ganzen Wohlstand de» Kleingewerbe» Crim- miischau« vernichten zu wollen. Denn ohne jede Rücksicht auf die Crimmitschauer Geschäftsleute, — obwohl diese gar nicht in Beziehung zum Streike stehen, vielmehr die Streikenden durch ermäßigte, sogenannte Streilpreise und sonstige Zuwendun en unter dem Druck de« Boykott-Gespenstes unter stützen — kauft jetzt ein großer Teil der Arbeiter seine Weihnochtsbedürfnisse in benachbarten Orten. — Frühere Flugblätter der Arbeiterführer suchten die hiesigen Kleingewerbetreibenden gegen die In dustriellen scharf zu machen, indem in den Flug blättern darauf htngewiesen wurde, daß d e Fabri kanten ihre Einkäufe nicht am hiesigen Orte machten; jetzt aber vollzieht sich da« Schauspiel, daß seilen« de« Streikkomitee« die ganzen WeihnachlSbedürfnisse, darunter sogar 7000 Stollen, von auswärtt be zogen worden sind. Wir wissen nur zu gut, wie nicht allein die Industrie und die Arbeit-r, sondern wir selbst durch den Streik materiell geschädigt werden, daß aber der Abgeordnete Bebel zu dieser Schädigung durch seine frivole Behauptung, „Hunderte von kleinen Geschäft«leuten ständen vor dem Banke rott", noch die Kredttfchädigung hinzusügt, dagegen müssen wir ganz energifch protestieren." Gößnitz, 21. Dez. In unserer Stadt hielten die au«ftändlgen Crimmitschauer Textilarbeiter heute nachmittag 4 Uhr vier öffentliche Versamm lungen ab. E» sprachen die Herren Reich«tag«ab- geordneter Schöpflin-Leipzig im „Zentralbotel", Lüttich-Leipzig im „Deutschen Hau«", Seeger-Leipzig aus „Wilhelm«höhe" und Jäckel-Zwickau aus „Watd- mann«heil". Alle Versammlung«säle waren über- süllt, und e« mochten wohl gegen 4000 Personen au« Crimmitschau anwesend sein. In den Ver sammlungen, die teilweise recht erregt verliefen und polizeilich scharf überwacht wurden, beschäftigte man sich mit der Tage«ordnung: „Der Kampf der Crimmitschauer Textilarbeiter vor dem deutschen Reichstage". Die Versammlung im „Deutschen Hause" wurde, al« sich der Diskussionsredner Re dakteur Reichel-Chemnitz abfällig über die Geistlich keit äußerte, polizeilich ausgelöst. Im übrigen wurden die über da« Streikgebiet verhängten be hördlichen Maßnahmen und da« Verbot der weih- nächtlichen Bescherungen äußerst scharf kritisiert und betont, daß dadurch die Lage einen Ernst ange nommen hätte, der die Arbeiterschaft zwinge, fester denn je zusammen zu halten und den Kampf bi« zum äußersten fortzusühren, selbst wenn dieser noch einmal solange dauere al« bisher. An der Forder ung der zehnstündigen Arbeitszeit soll streng sestge- halten werden. Ueber die behördlichen Versügungen sei in der ganzen deutschen Arbeiterschaft nur eine Stimme der Entrüstung laut geworden. Nur mit Hilse der geradezu erstaunlichen Opferfreudigkeit der gefamten deutschen Arbeiterschaft sei e« möglich, den Kampf siegreich zu Ende zu führen. Nach der „Leipziger Volkszeitung" beträgt die Zahl der au« der Landeskirche «»«getretenen Cnmmb schauer Weber gegen tausend. Neustadt a. O., 22. Dez. In der hiesigen Tuchfabrik von G. F. Fritsche wurde sämtlichen Crimmitschauer Webern gekündigt, darunter auch aeborenen Neustädtern, die vor der Aussperrung in Crimmitschau gearbeitet haben. Deutliches und Sächsisches. Hohenstein-Ernstthal, 22. Dezember. * — Winters Anfang fällt auf den morgenden Tag, den 23. Dez. Dieser Tag hat nur 7 Stunden und 48 Min. Tageshelle, aber die Nacht dauert fast 16*/, Stunden, also reichlich zwei Drittel des Tages. Die Sonne geht erst morgens 8 Uhr 11 Minuten auf und 3 Uhr 46 Minuten schon wieder unter. Dann aber nehmen die Tage wieder zu, wenn auch nur abends. Am letzten Dezember be trägt die Zunahme schon wieder 3 Minuten. Mitte Januar macht sich die Zunahme schon besser be merkbar, in der Regel kommt dann auch die Kälte gegangen, fangen die Tage an zu langen! Hoffent lich bekommen wir zu Weihnachten nun auch noch den ersehnten Schnee, mit dem ja das Fest erst die rechte Weihe bekommt. Dem Nebel nach, der seit einigen Tagen herrscht, und der heute be sonders dicht ist, müßte dies der Fall sein; wir wollen es auch von ganzem Herzen wünschen. * — Die Wcihnachtsferien nehmen an unseren Schulen morgen Mittwoch, nach Schluß des plan mäßigen Unterrichts, ihren Anfang. Der Unterricht beginnt, wie schon früher erwähnt, im neuen Jahre erst Montag, den 4. Januar. Möchten diese Ferien zum Feste der Liebe einen allgemein befriedigenden Verlauf nehmen. * — Uebcrfahrcn Gestern nachmittag in der 2. Stunde wurde von einem auswärtigen Kohlen geschirr das Kind eines in der Dresdnerstraße wohnenden Klempnermeisters über den Leib gefahren. Das Kind trug glücklicherweise keine schweren Ver- letzungen davon. Die Schuld an dem Unfall dürste dem Geschirrführer zuzuschreiben sein. * — Beztrksausschutzfitzung. Die 8. dies jährige Bezirksausschußsitzung sinder Mittwoch, den 30. Dezember d. I, nachmittags 3 Uhr, im Sitzungssaale der Kgl. Amtshauptmannschasl in Glauchau statt. * — Landes-Lotterie. Die Ziehung der 1. Kl. 145. König!. Sächs. Landeslotterie findet am 11. und 12. Januar 1904 statt. * — Unfern Veteranen von 1870 bleibt die vorweihnachtliche Zeit, die sie vor 33 Jahren draußen in Frankreich bei strenger Kälte verbrachten, in nie erlöschender Erinnerung; fiel doch gerade den Sachsen damals eine wichtige Aufgabe zu: der Beginn des Angriffs auf die Seinestadt, welchem das Bombardement und die Einnahme des Mont Avron, als des Schlüssels zu dem Festungsgürtel, der Paris umgab, vorauszugehen hatten. Wohl leben wir heute in einer anderen Zeit, wohl lichtet sich mit jedem Jahre mehr die Schar derjenigen, die damals mit im Feuer ge standen, aber die Gedanken schweifen gern in jene große Zeit zurück. * — Tie Preistreiberei auf dem Baum wollmarkt dauert fort. In Newyork sind die Preise weiter gestiegen und haben eine Höhe er reicht, wie seit 20 Jahren nicht. * — 1904. Nach einer Reihe von Jahren sind wir im neuen Jahrhundert zum ersten Male in der Lage, das kommende Jahr nicht als ein ge meines, sondern als ein Schaltjahr bezeichnen zu müssen. Unsere Astronomen werden in demselben übrigens n cht aus ihre Rechnung kommen. Es wird allerdings zwei Sonnenfinsternisse geben, aber um sie zu sehen, muß man nach Afrika oder Südamerika reisen. Eine Mondfinsternis tritt überhaupt nicht ein. * Wüstcnbrand, 21. Dez. Die hiesige frei willige Feuerwehr hält am ersten Weihnachtsfeier tag eine öffentliche Abendunterhaltung ab. * Oelsnitz i. E, 21. Dez. Der Predigtamts kandidat Herr Walter Klappenbach von hier ist zum Pfarrer in Clausnitz bei Sayda gewählt worden. * Penig. Um den Sozialdemokraten ein weiteres Eindringen in das Stadtverordneten kollegium zu erschweren, soll für die Stadtverordneten wahlen das Dreiklassenwahlrecht zur Einführung gelangen. * Dresden, 21. Dez. Aufsehen erregt in den Kreisen der hiesigen musikliebenden Gesellschaft der Selbstmordversuch einer 26 Jahre alten Sängerin aus Kummer und Sorge um ihren Lebensunterhalt. An ihrem Auskommen wird gezweifelt. — Ein aus Seifersdorf bei Zittau stammender 22 Jahre alter Mann war am Sonnabend mit seinem Rade nach Kötzschenbroda gefahren, um sich Arbeit zu suchen. Da er keine fand, fuhr er mit dem Rade in die Elbe, um sich das Leben zu nehmen. Erwürbe bis zur Niederwerlhauer Brücke getrieben und dort von einem beherzten Herrn gerettet. — In den Vor städten Mickten, Uebigau und Kaditz wurden gestern bei einer Anzahl bekannter Sozialdemokraten Haus suchungen abgehalten. Die Sozialdemokraten Leut hold und Kühn wurden nach der Hauptpolizei ge bracht und dort einem Verhör unterzogen. Es handelt sich um die Verbreitung eines Flugblattes, in dem über eine Anzahl Geschäftsleute der Boykott verhängt wird, weil sie einen nationalen Wahlauf ruf unterzeichnet hatten. * Niederhaßlau, 21. Dez. Am vergangenen Sonnabend früh in der 1. Stunde ist der hier wohnhafte, 34 Jahre alte Bergarbeiter Hermann Paul auf dem 1. Wilhelmsschachte in Reinsdorf dadurch schwer verunglückt, daß denselben ein in der Grube fahrender Hunt das Rückgrat und den Beckenknochen erheblich verletzte. Er mußte sofort in ärztliche Behandlung gegeben und dem Kranken hause in Zwickau zugeführt werden. * Steinpleis, 21. Dezbr. Gestern nachmittag in der 3. Stunde brach das zweijährige Kind des auf dem Rittergute Obersteinpleis in Stellung be- findlichen Oberschweizers Aeschlimann auf dem Rittergutsteiche, woselbst es auf dem Eise spielte, ein und ertrank. * Werdau, 21. Dez. In der Kühnschen Tuch- fabrik an der Turnhallenstraße war vorgestern nach mittag in der 5. Stunde im oberen Stockwerke, wo Lohnspinnerei betrieben wird, ein Schadenfeuer ausgebrochen, das die ganze Fabrik in Asche zu legen drohte. Trotzdem die Flammen bereits zu den Fenstern herausschlugen, war es der Arbeiterschaft und der erschienenen Feuerwehr doch noch geglückt, das Feuer auf seinen Herd zu beschränken. Der Schaden ist immerhin ein sehr beträchtlicher. — Ein 17jähriger Fabrikarbeiter in Steinpleis, namens Görler, hatte beim Verzehren seines Vesperbrotes eine Stecknadel mit verschluckt, sodaß sich seine Aus nahme im Kreiskrankenstift Zwickau nötig machte. * Plauen, 21. Dez. Ein bedeutendes Schaden feuer brach gestern nachmittag hier in der am Markt und Bänkegäßchen gelegenen Kürschnerei des Herrn Schneider aus. Das Feuer war in der großen, mit zahlreichen wertvollen Pelzwaren angefüllten Pelzkammer entstanden und griff mit solcher Schnellig keit um sich, daß eine Bekämpfung unmöglich war. Die Pelzkammer mit ihrem Inhalt wurde voll ständig eingeäschert. Das Feuer drohte auch die anderen Räume und besonders das Treppenhaus zu vernichten. Der Feuerwehr gelang es jedoch, das Feuer auf seinen Herd zu beschränken. Die Entstehungsursache desselben ist unbekannt. Der Schaden ist beträchtlich. * Plauen, 21. Dez. Sämtliche hiesigen Aerzte erhöhen ab 1. Januar die seither üblichen Gebühren für privatärztliche Hilfeleistung um 50°/„. Für außergewöhnliche oder dringende Besuche sollen noch besondere Erhöhungen eintreten. Diese Erhöhungen werden mit der auf allen wirtschaftlichen Gebieten eingetretenen Preissteigerung begründet. * Oberwiesenthal, 21. Dez. Die bekannte Mordaffäre auf dem Fichtelberge und die Frage nach dem Aufenthalt des unglücklichen Kaufmanns Hörder vor dem Tage seiner Ermordung scheint jetzt einige Aufklärung finden zu sollen. Ein etwa 18jähriges Mädchen hat, angeblich von Gewissens bissen geplagt, dieser Tage ein Geständnis abgelegt, durch das aller Wahrscheinlichkeit nach über ver schiedene Umstände Licht verbreitet werden wird, die den Mord betreffen. In Untersuchungshaft wegen der traurigen Angelegenheit sind noch der Maurer Fleischmann und Jäckel sen. Der Sohn des Letzteren befindet sich bekanntlich wieder auf freiem Fuß. * Buchholz, 21. Dez. Die Einbezirkung eines gewissen Flurteils von Frohnau nach Buchholz, welche am I. Januar 1904 erfolgen sollte, hat wiederum hinausgesckoben werden müssen. Gegen die viel angefochtene Gebietsveränderung und gegen die Entscheidung des Ministeriums ist von gegne rischer Seite beim Oberlandesgericht Anfechtungs klage erhoben worden. Schöffengerichtssitzung vom 22. Dezember 1903. Daß Gelegenheit Diebe macht, ist eine alt bekannte Tatsache; wird nun der Diebstahl von seilen eines Erwachsenen ausgeführt, so hält man eine angemessene Bestrafung für angebracht, weil demselben die Strafbarkeit einer solchen Handlung bewußt ist. Tritt jedoch dieser Fall bei einem der Schule noch nicht entwachsenen Kinde ein, so muß man eben wohl oder übel bei Beurteilung der Sache die mildesten Saiten aufziehen. Zu dieser Ansicht kam auch das Gericht bei der heutigen Verhandlung gegen das Schulmädchen Martha Ida Seidling von hier, welche des Diebstahls an geklagt war. Di selbe wollte sich am 23. November d. I. aus dem Laden des Porzellanhändlers Carl Beyer, gelegentlich einer Nachfrage betreffs des Preises eines Gegenstandes, einen Glaslöffel im Werte von ca. 40 Pfg. aneignen, wurde jedoch daran von der Frau des Ladenbesitzers gehindert. Es war trotzdem Strafantrag gestellt worden; das Gericht ließ es jedoch aus obengenannten Gründen bei einem Verweis bewenden. Die zweite Verhandlung richtete sich gegen einen vielfach vorbestraften „schweren Jungen", den aus Lüttnitz bei Oschatz gebürtigen Arbriter Moritz Heinrich Hofmann. Derselbe hat sich des Betrugs in zwei Fällen und der Unterschlagung in einem Falle schuldig gemacht. So hat er un gefähr um die Mitte deS September d. I. den Wirt Emil Lange in Schedewitz um 69 Mk. und den Wirt Edmund Seim in Hüttengrund um ca. 37 Mk. geprellt. Er ließ sich bei genannten Wirten Essen und Trinken, u. a. Sekt, Gänsebraten und Caviarsemmeln, vortrefflich schmecken, ohne auch nur im geringsten an Bezahlung zu denken. Die Krone setzte er gewissermaßen dem Ganzen erst auf, als er am 21. Oktober cr. im Gasthof „zur Krone" in Oberlungwitz die nebensächliche Aeußerung tat, er sei der Sohn deS Gutsbesitzer« Friedrich dort- selbst und beabsichtige sich demnächst zu verheiraten. Zu diesem Zwecke wolle er sich einen Anzug an- messen lassen. Der zufällig im Lokale anwesende Schneider K. von hier glaubte jetzt die Gelegen heit gekommen, ein solides Geschäft abwickeln zu können. Da er jedoch keine Muster bei sich hatte, erbot sich der Angeklagte, dieselben aus der B.'schen Tuchhandlung hierselbst zu holen. Zur schnellen Herbeischaffung derselben stellte der Schneidermstr. K. dem Angeklagten sein Fahrrad zur Verfügung. Hofmann verduftete nun damit nach Chemnitz, ver kaufte es dort für 40 Mk., um, wie er sagte, sein Leben fristen zu können. Das Gericht erkannte gegen den Angeklagten auf 3 Monate Gefängnis, wobei es die Raffiniertheit und Frechheit, mit welcher er die Schwindeleien auSgeführt hat, straf- schärfernd in Betracht zog. Gerichtssaal. 8 Zwickau, 19. Dezbr. Der seit dem 15. Dezember 1900 bei der Gräflich Schönburg'schen Kanzlei in Glauchau als Expedient angestellt ge wesene 21 Jahre alte, auS Rothenbach stammende, unbestrafte Oswald Erbtet, der seinem Geständnis zu folge gegen 600 Mark bare« Geld unterschlagen und weiter einen ihm am 24. Juli d. I. zur Abliefe rung auf der Post übergebenen Brief, in welchem sich 2000 Mark dem Grafen Joachim von Schönburg gehöriges Geld befand, unterdrückt und daS Geld in seinem Ruhen verwendet hatte, wurde von der hiesigen zweiten Straskammer unter Anrechnung der seit dem 21. November d. I. erlittenen Untersuchungs haft zu 1 Jahre und 4 Monaten Gefängnis ver urteilt. 8 Leipzig, 18. Dezember. Der in Dahlen mit seiner Familie wohnende Maurer Friedrich Hermann Leonhardt arbeitet in L.-Reudnitz und hat hier auch eine Schlafstelle. Sonnabend abends fährt er nach Dahlen, um dort den Sonntag mit seiner Familie zu verleben, Montag» früh kehrt er wieder hierher zurück. Infolge eines Beschlusses der ReichStagSwahl-PrüfungSkommission sind solche Arbeiter in beiden Orten in die Wahllisten einzu- tragen. L. Hot nun sein ReichStogSwahlrecht am 16. Juni in L.-Reudnitz, dem 13. Wahlkreise, aus- geübt und alsbald erfahren, daß der Abgeordnete hier fest gewählt wurde. Trotzdem hat Leonhardt am 25. Juni sein Wahlrecht in Dahlen (11. Wahl kreis), wo eine Stichwahl nötig war, noch einmal ausgeübt. Darin hat daS Gericht eine Wahlfälschung erblickt, und die Strafkammer HI deS hiesigen Land gerichts verurteilte Leonhardt in einem jüngst abge- haltenen Termine zu drei Tagen Gefängnis, obwohl der Verteidiger die Freisprechung beantragt hatte. 8 Cin Nachklang zur Jnui-ReichStagswahl. DaS Königl. Schöffengericht zu Brand verhandelte am Freitag vormittag gegen den jetzt in Zossendorf bei Berlin wohnhaften ehemaligen sozialdemokratischen Reichstagsabgeordneten Pfarrer a. D. Göhre wegen Beamtenbeleidigung. Der Angeschuldigte war per- sönlich erschienen und verteidigte sich selbst. Der Anklage lag ein Vorfall zu gründe, der sich am 14. Juni bei einer in KleinhartmannSdorf abge haltenen sozialdemokratischen ReichStagSwahlver- sammlung ereignete. Redner war in dieser Ver sammlung der Angeklagte als damaliger Kandidat sür den 15. sächsischen ReichStagSwahlkreiS; die Aussicht füh te der in Eppendorf stationierte Gendarm Schütze. AlS letzterer während der Versammlung von den ihm zustehenden Befugnissen Gebrauch machte, gab Göhre seinem Unwillen vor der Ver sammlung in einer für den Gendarm beleidigenden Form Ausdruck. Der Verletzte und seine Dienst behörde stellten deshalb Strafantrag gegen Göhre. Die Hauptverhandlung dauerte 2*/, Stunden. ES wurden fünf Zeugen vernommen. Da» Schöffen gericht erkannte auf Grund deS Ergebnisses der Beweisaufnahme gegen Göhre wegen Beleidigung nach 8 186 deS ReichSstrasgesetzbuchS auf 30 Mk. Geldstrafe ev. 5 Tage Hast, und auf Tragung der Kosten des Verfahrens. Außerdem wurde dem Verletzten die Befugnis zugesprochen, daS Urteil auf Kosten deS Beklagten einmal im „Freiberger Anzeiger" bekannt zu geben; die Königl. AmlS- hauptmannschast Flöha erhält eine Abschrift deS Urteils zugestellt. 8 19 Personen wegen Wahlkrawallr ver urteilt. Die Strafkammer in EiSleben verurteilte 19 Personen wegen Tätlichkeiten, die sie bei Auf läufen auS Anlaß der ReichStagSwahl begangen hatten, zu drei Wochen bis acht Monaten Gefäng nis. Sieben Angeklagte wurden freigesprochen. 8 Ein Jünger Breidenbachs. Die Kriegs gerichte scheinen mit den Jüngern Breidenbach» jetzt gründlich ausräumen zu wollen. Von dem Kriegs gericht in küstrin ist der Unterosfizier Linke vom 48. Infanterieregiment wegen grober Mißhandlung in 9 Fällen und Mißbrauchs der Dienstgewalt zu einem Jahr sechs Monaten Gefängni» und Degra dation verurteilt worden. Unter anderen hatte der Angeklagte den Musketier UtrowSki täglich in und außer dem Dienst, wo er ihm nur begegnete, ge schlagen, einmal so, daß UtrowSki mehrere Tage hindurch keine feste Nahrung zu sich nehmen konnte. Die geschlagenen Musketiere erstatteten keine Anzeige, da sie zu große Furcht vor ihrem Unterosfizier hatten, der ihnen sogar drohte, sie noch wehr zu mißhan- dein, wenn sie sich etwa über ihn beschweren würden. Der Vertreter der Anklage hatte zehn Monate Gefängnis und Degradation beantrag». Kleine Chronik. * Berlin, 20. Dez. Die hiesigen Droschken kutscher halten die Weihnachtszeit für geeignet, um einen Au«stand zu beginnen. Aus jedem Fuhrhofe sind gestern gefordert worden: 1,50 Mark Grund lohn und 30 vom Hundert der Einnahme täglich. Werden diese Forderungen nicht bewilligt, soll am Montag in den Streik getreten werden. E« kann aber leicht sein, daß die Droschkenkutscher bet ihrem Ausstand ebenso den Kürzeren ziehen wie die Omnibu«- angestellten. Der Straßenbahn aber winkt neuer Vorteil, wenn sie die Gelegenheit wahrnimmt und
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