Suche löschen...
Hohenstein-Ernstthaler Anzeiger : 21.10.1903
- Erscheinungsdatum
- 1903-10-21
- Sprache
- Deutsch
- Vorlage
- SLUB Dresden
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id1841177954-190310216
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id1841177954-19031021
- OAI-Identifier
- oai:de:slub-dresden:db:id-1841177954-19031021
- Sammlungen
- Zeitungen
- Saxonica
- LDP: Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
-
Zeitung
Hohenstein-Ernstthaler Anzeiger
-
Jahr
1903
-
Monat
1903-10
- Tag 1903-10-21
-
Monat
1903-10
-
Jahr
1903
- Titel
- Hohenstein-Ernstthaler Anzeiger : 21.10.1903
- Autor
- Links
- Downloads
- Einzelseite als Bild herunterladen (JPG)
-
Volltext Seite (XML)
Herr Reichekanzler unterbreitete sodann mehrere auf seine Anregung hin aulgearbettete Vorschläge zur Neuregelung der Finanzbeziehungen zwischen dem Reich und den Einzelstaaten zur näheren Prüfung. Die einzelnen Vorschläge wurden hierauf durch den Reicheschatzsekretär eingehend begründet. Freiherr v. Stengel wird al« Stellvertreter de« Reich«kanzler« in den Reich«finanzangelegenheiten den Vorfitz bei den Beratungen führen, sofern der Retch«Ianzler persönlich durch andere Amt«geschäfte daran ver hindert ist. — Der Kaiser hat, wie au« Kiel gemeldet wird, zum ersten Male einem ausländischen Seeoffizier die Erlaubnt« erteilt, sich an Bord eine« Versucht schiffe« der Marine einzuschiffen, um die Einrichtung und Leitung der deutschen Funkentelegraphie kennen zu lernen. Der norwegische Leutnant Wallniu« nimmt an Bord de« Hasenschlffe« „Neptun" Aufenthalt. — Ueber die am Sonntag enthüllten Denkmäler de« Kaiser« und der Kaiserin Friedrich am Haupt eingange zum Tiergart"n sprechen sich die Kunst kritiker anerkennender au«, al« über die in der Eiegetallee errichteten Monumente, deren Kunstweii von vielen Kritikern hart angefochten wird. — In Berlin ist am Sonnabend der 9. Partei tag der deutschsozialen Reformpartei im Saale der Bockbrauerei eröffnet worden. Es waren gegen 300 Teilnehmer zugegen. Zunächst erstattete Herr Zimmermann den Jahresbericht über die Tätigkeit der Partei; er klagte über den Verlust mehrerer Reich«tag«wahlkreise und wandte sich dann scharf gegen die Mitlelstandtbewegung, wie sie jetzt in Hannover austauche. E« folgte eine Debatte, in der sich der hessische Landtag«abgeordne!e Hirschel scharf gegen die Nationalsozialen, die den Antise miten den Marburger Wahlkreis abspenstig gemacht hätten — er nannte sie dafür eine „Spoltgeburt au« Dreck und Petroleum" — «»«sprach. Ferner beschloß man auch wieder etnr Namensänderung: einem Anträge der Parteileitung, sich künftig „Deutsche Reformpartei" zu nennen, wurde zuge stimmt. Auch da« Erfurter Parteiprogramm soll von einer Kommission einer Durchsicht unterzogen werden. Endlich wurden in die Parteileitung ge wählt: Zimmermann-Dresden, al« erster Vorsitzen der, und die Abgg. Werner und Bruhn, sowie die Herren Lotze und Bindewald al« Beisitzer. — Für die preußischen Landlagswahlen ver öffentlicht auch der Vorwärts" einen Wahlausrus. Er enthält die bekannten sozialdemokratischen Forder ungen. Die Wahlbeteiligung soll „versuchsweise" sein. — Da« zu Ehren der Vorkämpfer für die deutsche Einheit aus den Jahren 18l5 bi« 1863 von der Stadt Frankfurt a. M. neben der Pauls kirche errichtete Denkmal ist am Sonntag enthüllt worden. Frankreich. Paris, 19. Okt. General Faure-Bignet, der bi«herige Militärgouverneur von Part«, der gestern die Truppenschau von Vincennes leitete, trat heute, da er die Altersgrenze erreicht hat, in den Ruhe stand. Mehrfach wird behauptet, daß General Desstrier zu feinem Nachfolger auiersehrn sei. Eine Anzahl radikaler Blätter legen dagegen Verwahrung ein, weil Dessirier angeblich den Nationalisten nahe stehe und der Posten de« Militärgouverneur« von Pari« nur einem General anverlraut werden könue, dessen republikanische Gesinnung über jeden Zweifel erhaben sei. Serbien. — In der serbischen Skupschtina erklärte die Regierung ihr Programm, in dem allein der Passu« bemerkbar ist, Serbien müsse aushören, ein Polizei staat zu sein. König Peter von Serbien Hal seinen kühnen Plan, eine Rundreise an die europäischen Fürstenhöfe anzutreten, schnell aufgegeben. Nach einer dem „B. T." übermittelten Meldung der „Neuen Wiener Journal" ist der Zar über die Vorgänge in Serbien empört- Dieser König Peter, so sagte er kürzlich, hat sich den serbischen Mordge sellen auf Gnade und Ungnade ergeben, es ist eine Schande für Europa. Den Gedanken, König Peter jetzt oder später zu empfangen, bezeichnete der Zar al» absurd. Er werde nie russischen Offizieren zu- muten, Kameraden von Bluthunden, wie diesen König«mördern, die Hand zu reichen. China. — E« stellte sich herau«, daß e« sich bei dem angeblichen Sprenganschlag gegen die englische Ge sandtschaft um einen Diebstahl von Artilleriematerial gehandelt hat. Die Diebe schleppten Geschütze, Munition rc. au« dem Lagerraum fort. Al« der Weitertran«port zu viel Mühe verursachte, brach'ei. die Diebe einen Teil de« Gestohlenen zur Explosion und machten sich au« dem Staub. Amerika. — In der Streitfrage über die Alaska-Grenze haben die Vereinigten Staaten England vollkommen geschlagen und fast alle ihre Ansprüche durchgesetz,. In Kanada ist die Aufregung über da« ergangene Ur teil groß. Ein konservativer kanadischer Abgeordneter meinte einer Meldung de« „B. T-" zufolge: Amerika braucht jetzt nur noch die Hand auf ganz Kanada zu legen und es ist sein. Kanada muß die natio nalen Bestrebungen der beiden letzten Generationen fallen lassen, die Engländer sind entartet und Memmen. Seit Pitt hat England keinen großen Führer. Die Bemerkung, Chamberlain versuche ihnen neue« Blut zuzusühren, wurde mit Hohnge lächter ausgenommen. Oertliches und Sächsisches. Hohenstein-Ernstthal, 20. Oktober. *— In mancher Familie hat man sich lange nicht entschließen können, den Ofen in Tätigkeit zu setzen, denn es heißt, ist erst einmal mit dem Heizen begonnen, so hört es auch nicht wieder auf, aber die letzten kühlen Tage haben nun doch Ernst machen lassen. Am warmen Ofen ist es mollig, wenn draußen der kalte Regen fällt, wenn die Herbststürme sich ungeniert breit machen; aber ein Stück Wehmut wird doch in uns wach: Nun ist's mit den schönen Tagen wirklich vorüber; was von ihnen noch nachkommt, das sind Ausnahmen, sie verschwinden ebenso plötzlich wieder, wie sie kommen. Auch des Ofens hat sich die moderne Industrie bemächtigt, wir haben elektrische, Gas-, Petroleum-, Luft-Heizung und noch anderes. Aber so lohnend diese neue Ofenheizung mit ihren Anlagen ist, eins fehlt ihnen, woran jeder denkt, der bei dem fort schreitenden Herbst sich seiner vorrückenden Jahre erinnert, woran auch die Jugend ihre Freude hat: In diesen modernen Oefen „oubbert" es nicht! Und das ist doch das reizvolle, dies „bubbern" zu hören, wenn man aus der Oktoberluft in die Stube kommt; es ist, als ob aus dem . bubbern" allen Anwesenden es zurief:: Bleib hier, bleib hier! Und wie traulich ist es erst, wenn die „Schlummer stunde" in den immer kürzer werdenden Tagen zu ihrem vollen Recht kommt, wenn Mutter oder Großmütlerchen der lauschenden Kinderschar in der Abendstunde vor dem Lampenanzünden zu erzählen pflegen: Es war einmal! Das erste Ofcnheizen bringt, woran erinnert sein mag, leicht mancherlei Verdruß; das Feuer will nicht brennen, der Ofen raucht! Ja, das passiert beim ersten Einheizen nach langer Pause in der Regel, aber es bleibt dann von selbst bald fort. Ist das Gegenteil der Fall, so erscheint ein Herumraten, woran die Rauch plage liegen könne, völlig überflüssig; hier muß der Töpfer heran, den Ofen zu reinigen, eine Ruß- Aussicht, die das Herz der an ihre Gardinen denkenden Hausfrau höher schlagen macht, indessen . . . es hilft nichts. Je früher daran, je früher davon. In jedem Zimmer, welches geheizt wird, sollte eigentlich ein billiges Thermometer hängen; denn was an minder kalten Tagen unnötig ver heizt wird, ist für den ganzen Winter keine kleine Portion. Und überheizte Zimmer sind für gesunde Menschen recht lästig dazu. * — Juki!7 um. Wie wir erfahren, kann am 25. Oktober b. I. der Webermeister Herr Karl Hermann Eib.sch, hier, sein 50jähriges Bürgec- und Meisterjubiläum begehen. Dem noch rüstigen Jubilar dürfte es an seinem Ehrentage an zahl reichen Beweisen der Achtung und Wertschätzung, deren er sich in allen Kreisen unserer Einwohner schaft zu erfreuen hat, nicht fehlen. * — Die Möglichkeit der Einschränkung der Tanzvergnügungen in Sachsen wird gegen wärtig im Königlichen Ministerium des Innern erwogen, und zwar ist den Königlichen Amtshaupt mannschaften aufgetragen morden, die erforderlichen Erhebungen über die Art und Weise und über die Zahl der abzuhaltenden Tanzmusiken in Stadt und Land, sowie auch über die Anzahl Vereinsbälle usw. anzustellen. Der Grund zu diesen Maßnahmen liegt in den wiederholten Klagen sächsischer, wie auch auswärtiger Behörden, z. B. der sächsischen Gewerbeinspektionen, über Mißstände und selbst Unglücksfälle, die durch tun allzuhäufigen Besuch der T nzsäle verschuldet worden sein sollen. Man ist in diesen Kreisen vielfach der Ansicht, daß das Publikum, das die öffentlichen Tanzsäle besucht, einen wesentli u Teil seines Geldes hier veraus gabt, wovon s zweckmäßigeren Gebrauch machen könnte. Würde -ine Beschränkung der Tanzkon zessionen bei regulativmäßigen, wie außergewöhn lichen Vergnügungen einmal angezeigt erscheinen — bis jetzt liegt irgendwelcher Beschluß der Ober behörden hierzu noch nicht vor —, so würden hier von auch die Tanzsäle der Großstadt nicht ausge nommen werden, und eine Verminderung der Tage mit Tanzbelustigung würde ebenso sicher zu erwarten stehen, wie die Verkürzung der Zeitdauer der Ball stunden. * — Zur Warnung teilen wir nach der „Leipz. Uhrmacherztg." mit: In Dortmund spielt sich zur Zeit ein Prozeß gegen etwa 300 Angeklagte ab und in der Provinz Posen sind bereits in mehr als 50 Fällen Strafbescheide ergangen. Die An geklagten respektive Bestraften haben sich in beiden Fällen einer strafbaren Handlung insofern schuldig gemacht, als sie sich an dem Vertriebe von Gut scheinen beteiligten, durch die eine schweizerische Firma in Deutschland Uhren zu vertreiben sucht. Gegen diese Firma kann deswegen nicht eingcschritten werden, weil sie sich im Auslande und daher außer halb des Bereichs unserer Gesetze befindet. In dessen wird, wie das Beispiel zeigt, die volle Strenge des Gesetzes gegen solche dem deutschen Recht unter worfene Personen angewendet, welche diese Gut scheine vertreiben, meist aber gar nicht wissen, daß sie damit eine strafbare Handlung begehen. Diese Zeilen werden hoffentlich zur Aufklärung beitragen. * Luga«, 19. Oktober. Bei dem Kirchenbau in Niederwürschnitz war am Freitag der Dachdecker meister Mann von hier insofern in Todesgefahr, als derselbe auf dem Dache ausrutschte und beinahe herabgestürzt wäre, wenn er mckü noch unten am Schneefange von einem Arbeiter gehalten worden wäre. M. ist schon öfters in dergl. Gefahr gewesen, aber jedesmal mit dem Leben davongekommen. * Oclsvitz i. E, 19. Oktober. Von den in voriger Woche ins Zwickauer Kreiskrankenstist ge- schick'en und auf Wurmkrankhei! untersuchten Berg leuten, die vor drei Jahren in Westfalen gewesen sind, wurde einer als wurmkrank befunden und mußte deshalb im dortigen Krankenhause verbleiben. Die Bergleute gehören dem hiesigen Kohlenschacht „Vereinsglück" an. * Röhrsdorf, 18. Oktober. Nachdem die bei dem Brande des hiesigen Lehngerichts am 2. Sep tember beschädigte Turmspitze auf behördliche An ordnung hatte abgetragen werden müssen und die neue Turinspitze vollendet war, wurde am 13. Oktober 4 Uhr nachmittags der neuvergoldete Turm knopf in Gegenwart zahlreicher Gemeindeglieder aufgezogen und aufgesetzt. Voraus ging eine ein fache Feier in der Kirche, bei welcher auch die in den Turmknopf eingelegte Urkunde auszugsweise zur Verlesung gelangte. Nachdem nun auch das schwere Gerüst wieder abgetragen war, durfte ohne Gefahr für den Turm wieder gelauteu werden. Lebhaft begrüßt von der ganzen Gemeinde erklangen Freitag, den 16. Oktober, mittags 12 Uhr zum ersten Male wieder seit 6 Wochen die schmerzlich entbehrten Glockentöne. * Dresden. 19. Okt. Vorgestern vormittag wurde in einem hiesigen Gasthause ein Fremden zimmer, in das von den Inhabern auf Pochen an der Tür kein Einlaß zu erlangen war, durch einen Schlosser geöffnet, wobei ein Mann und eine Frau, beide mit Schußwunden im Kopfe, tot vor gefunden wurden. Nach den angestellten Erörter ungen hat der Mann, ein zuletzt in Sagan wohn hafter 25jähriger Barbier, zuerst die Frau und dann sich selbst getötet. Der Beweggrund hierzu ist noch unbekannt. * Leipzig, 19. Okt. Der Rat der Stadt hat beschlossen, dem Arbeitslosen-Versicherungsverein zu Leipzig auf drei Jahre eine Unterstützung von jährlich 5000 Mk. zu gewähren und ihm auf diese Zeit auch unentgeltliche Geschäftsräume zu über lassen. — Dem Oberleutnant im 18. Ulanen- Regiment Bramsch und dem Gefreiten in dem selben Regiment Snowadski in Leipzig ist für die von ihnen gemeinsam bewirkte Errettung eines Ulanen aus der Gefahr des Ertrinkens in der Mulde die silberne Lebensrettungsmedaille verliehen worden, desgleichen den Leutnants im 107. In fanterie-Regiment Dumas und Otto in Leipzig für die von ihnen gemeinsam bewirkte Errettung eines Mannes vom Tode des Ertrinkens in der Nord see bei Lakolk aus Röm. * Leipzig, 20. Okt. Gegen die sozialdemo kratische „Leipziger Volkszeitung" schwebt wieder ein Zeugniszwangsverfah e . In dieser Sache sind für heu.e vormittag sämtliche Mitglieder der Redaktion und des Bureaus vor den Untersuchungs richter geladen, sodaß vermutlich die Zeitung nicht wird erscheinen können. Chemnitz. Das hiesige Polizeiamt hat das neueste System zur Wiedererkennung von Personen mit Hilse von F.ngerabdrücken — Daktyloskopie —, das auf der Städte-Ausstellung so allgemeines Interesse e weckte und in Dresden schon länger im Gebrauch ist, ebenfalls in seinem Dienstbetrieb ein- gefühct. Die seit einer Reihe von Jahren bereits angewandte Anthropometrie — Messungen nach dem Bertillonschen System — wird bis auf weiteres daneben beibehalten. * Meerane, 19. Oktober. Von einem jähen Tode betroffen wurde gestern nachmittag der Wirt des „Kuchengarten", Herr Hermann Gostomski; bei Ausübung seines Berufs wurde er von einem Herzschlag ereilt. Der Verstorbene, im 40. Lebens jahre stehend, war als rühriger Wirt und Unter nehmer von Varietee-Theater in weiten Kreisen bekannt und allgemein beliebt. * Crimmitschau, 19. Okt. Durch Anschlag an den Plakatsäulen, in den Ta^esblüttern und durch Flugblätter haben die Fabrikanten die aus gesperrten Textilarbeiter aufgefordert, sich bei ihren früheren Arbeitgebern bis heute abend brieflich zur Wiederaufnahme der Arbeit zu melden. Die Meldungen sollen streng geheim gehalten und den Arbeitswilligen der weitgehendste Schutz gewährt werden. Diese Aufforderung beantwortete die Arb.iterschast mit zwei Flugblättern, in denen u. a. folgendes gesagt wird: „Die Ehre des Ar beiters verlangt die Abwehr dieses Aktes. Geht nicht zu den alten Bedingungen in die Fabriken. Werdet nicht zu Streikbrechern!" — Heute vor mittag fanden außerordentlich stai k besuchte öffent liche Versammlungen statt, die sich mit dem Auf rufe des Spinner- und Fabrikantenvereins beschäf tigten. Die Aufforderung an die Arbeiter, sich brieflich als Arbeitswillige zu melden, wurde scharf zurückgewiesen und dabei betont, die Lage sei für die Streikenden günstiger als je zuvor. Schließlich wurden einstimmig gleichlautende Resolutionen an genommen, welche besagen: „Die Versammelten erblicken in dem Vorgehen der Fabrikanten den letzten Versuch, die Arbeiter zur bedingungslosen Wiederaufnahme der Arbeit zu bewegen. Es ist Pflicht der ohne Grund aufs Pflaster geworfenen Textilarbeiterschaft, auch für die Zukunft unent wegt in dem aufgezwungenen Kampfe auszuharren. Die Versammelten weisen es weit von sich, jene den Arbeitern von den Fabrikanten zugedachte, alles moralische Empfinden tief verletzende Rolle der Verräterei zu übernehmen. Jeder Arbeiter, jede Arbeiterin, welchen die persönliche Ehre höher steht als das Wohlwollen der Fabrikanten, wird es deshalb als Ehrensache betrachten, vereint mit den übrigen Arbeitsbrüdern und -Schwestern den Kampf fortzusetzen bis ans Ende. Das Schreiben der Fabrikanten ist als Verrat zu betrachten und eine Antwort zu unterlassen." * Werdau. Zwei schwere Unglücksfälle er eigneten sich hier in den letzten zwei Tagen ver gangener Woche. Am Freitag w::rde in dec Reichen bacher Straße durch ein schnell dahinsahcendes Automobil ein Fabrikarbeiter aus Fraureuth über fahren und dabei so schwer verletzt, daß seine so fortige Ausnahme in's Stadlkrantenhaus erfolgen mußte. — Am Sonnabend nachmittag stürzte auf einem Fabrilneubau Am Blüht eine Wand ein, die den Handarbeiter Heidel aus Böhmen unter sich begrub. Erst nach längerer Zeit war es mög lich, den Mann aus seiner gefährlichen Lage zu befreien. Der Bedauernswerte hatte aber so schwere Körperverletzungen und Verstauchung des Rück grates erlitten, daß an seinem Aufkommen gezweifelt werden muß. Der Unglückliche ist verheiratet; er hat seine Familie in Böhmen. * Planitz, 19. Oktober. Die Wahl eines sozial demokratischen Wahlmannes der III. Abteilung bei der Landtagswahlmännerwahl in Oberplanitz ist als ungültig erklärt und neuerdings ein gegen diese Ungültigkeitserklärung erhobener Protest vom Wahl kommissar Amtshauptmann Dr. Schnorr v. Carvis- feld in Zwickau als unbeg ändet verworfen woroen. Hartha, 18. Oktober. Gestern Abend gegen 8 Uhr, nachdem die hiesige Feuerwehr kurz zuvor ihre Hauptübung beendet hatte, wurde dieselbe durch Alarmsignale zur ernsten Tätigkeit gerufen. Im angrenzenden Flemmingen war in der Scheune des Gutsbesitzers Hörig ein Brand entstanden, welcher das aus vier großen Gebäuden bestehende Gut mit sämtlichen Erntevorräten, bis aus einen Teil des Wohnhauses, in kurzer Zeit in Asche legte. Man vermutet Brandstiftung. * Plauen i B, 19. Oktober. In einer gestern abgehaltenen öffentlichen Versammlung der Schiff chensticker, die sich mit der Lohnbewegung befaßte, wurde bekannt gegeben, daß einige Firmen sich bereit erklärt haben, die im vorigen Jahr aufge stellten Löhne zu bewilligen. Die meisten Arbeit geber nehmen jedoch noch eine abwartende Hal tung ein. Denjenigen Stickern, welche die nied rigsten Löhne erhalten, ist, wie schon gemeldet, an heimgegeben worden, mit heute die Arbeit ein zustellen. In einer demnächst abzuhaltenden weiteren öffentlichen Versammlung soll die Ange legenheit nochmals besprochen werden. * Pausa, 29. Oktober. Or. msä. Lanzke hier, der vor einigen Tagen wegen einer beim Landge richt Torgau gegen ihn erfolgten Anzeige verhaftet worden war, ist nach seiner Vernehmung daselbst sofort wieder auf freien Fuß gesetzt worden. Dr. Lanzke hat gegen den Urheber der Anzeige Klage wegen wissentlich falscher Beschuldigung er hoben. * Frankenberg. In der Nacht zum Sonntag gegen 2 Uhr brannte das im Hammertale gelegene, der Firma F. Ernst Jäger gehörige und von vier Mietparteien bewohnte Haus bis ans die Um fassungsmauern nieder. Als Brandursache wird Selbstentzündung der in einem Teile der Parterre räumlichkeiten befindlichen Lack-, Firniß- und Terpentinvorräte vermutet. * Obcrsachsenberg Das Schadenfeuer, durch welches vor einigen Tagen das Besitztum der Frau Wohlrab ein Raub der Flammen wurde, ist durch den kaum 5jährigen Sohn des Mitbewohners an gezündet worden. Der Junge hat gesehen, wie andere Kinder auf dem Felde Kartoffelkraut ver brannten und versuchte, sich zu Hause auch so ein „Feuerchen" zu machen. * Bischofswerda. Beim Aufbau eines durch den letzten Sturm zerstörten Gerüstes um die Paeßlersche Windturbine in Belmsdorf kam dieses plötzlich ins Wanken und stürzte in sich zusammen. Die darauf befindlichen Personen, der Ziegeldecker meister Horn und der Maurerpolier Ficker- Bischofswerda, stürzten in die Tiefe. Ersterer er litt schwere innere und letzterer schwere äußere Verletzungen. * Zeithain, 19. Okt. Das seltene Schauspiel eines wandelnden Berges konnte mau beim jüngsten Sturme auf dem Zeithainer Truppenübungsplätze beobachten. Dessen westliche Grenze wird von dünenartigen, langgestreckten Sandhügeln gebildet, die, als sie noch im Besitze der Bauern von Gohlis und Zschepa waren, ziemlich geschlossene Kiefern bestände trugen. Der Militärfiskus hat, um für die übenden Truppen mehr Abwechslung ins Ge lände zu bringen, diese Holzpflanzung teilweise ent fernt. Darauf scheint der Alluvialsand, den der Elbstrom in vorgeschichtlicher Zeit hier abgelagert hat, nur gewartet zu haben. Darüber wird be richtet: Kaum von der fesselnden Bodendecke be freit, benutzte er jeden stürmischen Tag, sich nach der langen erzwungenen Ruhe in Bewegung zu setzen. Man hat wiederholt versucht, den Flug sand zu binden, aber umsonst. Schließlich mag es ja auch für die übenden Truppenkörper einen be- sonderen Reiz haben, wenn der Schauplatz ihrer Tätigkeit sich von einem Jahr zum andern ver ändert. Das gilt besonders von einer Stelle, die in den benachbarten Dörfern scherzweise der laufende Berg genannt wird, weil diese Höhe tatsächlich in den letzten Jahren ihren Standpunkt gewechselt hat. Es war höchst interessant, sie beim Sturme zu beobachten. Schon von weitem sah man den Sand wie mächtige Rauchwolken über den Platz treiben. Wo zwischen den Kiefernbeständen eine Oeffnung gehauen ist, wurde die Oberfläche des Bodens in Bewegung gesetzt, um an stiller ge legenen Orten wieder abgelagert zu werden. Äm stärksten war die Bewegung um den etwa hans- hohen Sandhügel, dessen Umgebung in einer Aus dehnung von vielen Hektaren ohne jede Pflanzen decke daliegt. Noch vor 14 Tagen hob er sich wie eine etwas flache Pyramide vom eintönigen Hori zonte ab. Am 7. d. M. mittags hatte er bereits seine Spitze eingebüßt. Man konnte das freilich nur dann und wann einmal sehen, weil seine Ge stalt für gewöhnlich ganz in Sandwolken gehüllt war. Beim Näherkommen bemerkte man, daß der ganze Sandberg sich tatsächlich in Bewegung setzte. Die Luft war von fliegenden Sandkörperchen er füllt, die das Gesicht wie tausend Nadelstiche trafen. Blickte man aber zu Boden, so sah man die Fläche, auf der man stand, in seltsamer Weise unter den Füßen forlfließen. Nur einzelne feste oder schwere Körper, wie Baumwurzeln, Metall hülsen abgeschossener Patronen oder die hier zahl reich vorkommenden Feuersteine zeigten, das nicht alles in Fluß geraten war. Da die Sandwolken doch nur beschränkten Umfang hatten, konnte man es wagen, von der Windseite her den wandernden Berg zu betreten. Es war aber nicht anders möglich, als durch ein vorgehaltenes Tuch zu atmen, und die seinen Sandkörnchen setzten sich in jede Falle der Kleidung und belästigten die Augen aufs empfindlichste. Man nahm das Uebel aber mit in den Kauf, um das eigenartige Schauspiel zu beobachten. War's doch ein kleines Gegenstück zu dem Samum der Sahara, wie ihn afrikanische Forschungen eisende gelegentlich beobachten. * Lommatzsch, 19. Okt. Im nahen Leuben fand man bei Bonilierungsarbeiten auf dem soge nannten Eichberge in einer Tiefe von etwa Meter zwei menschliche Skelette, die noch verhältnismäßig gut erhalten waren und offenbar von einem Manne und einem Knaben herrühren. * Hochkirch, 19. Oktober. Ein Denkmal für einen Helden von Hochkirch wurde am gestrigen 18. Oktober hierselbst auf althistorischem Boden ent hüllt, zugleich auch ein zweites Denkmal zu Ehren der gefalleneil Krieger aus der Parochie Hochkirch. Das erstere Denkmal ist dem tapferen Verteidiger des Kirchhofes bei der Schlacht von Hochkirch im Jahre 1768, dem fast vergessenen Major Wilhelm von Langen, geweiht. Mit dem zweiten Bataillon des damaligen Regiments „Markgraf Karl" hielt er den Kirchhof stundenlang gegen die Angriffe von
- Aktuelle Seite (TXT)
- METS Datei (XML)
- IIIF Manifest (JSON)