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Hohenstein-Ernstthaler Anzeiger : 16.10.1903
- Erscheinungsdatum
- 1903-10-16
- Sprache
- Deutsch
- Vorlage
- SLUB Dresden
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id1841177954-190310169
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id1841177954-19031016
- OAI
- oai:de:slub-dresden:db:id-1841177954-19031016
- Sammlungen
- Zeitungen
- Saxonica
- LDP: Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
-
Zeitung
Hohenstein-Ernstthaler Anzeiger
-
Jahr
1903
-
Monat
1903-10
- Tag 1903-10-16
-
Monat
1903-10
-
Jahr
1903
- Titel
- Hohenstein-Ernstthaler Anzeiger : 16.10.1903
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die Verfasserschaft deS Artikel- abgelehnt hatten, worin da- Vorgehen der Leipziger Justizbehörden gegen die imMojkstätSbeleidigungS-Prozeß verhafteten Redakteure kritisiert wurde, daS ZeugniSzwangS- verfahren in Aussicht gestellt. 8 Die Conue bracht' es an den Tag. Wegen Sachbeschädigung hatte sich der praktische Arzt Dr. Sch. vor der Berliner Strafkammer zu verantworten. Er war beschuldigt, in einem Hause, mit dessen Besitzer er einst einen Prozeß wegen einer kleinen Summe gehabt hat, Gemälde beschädigt und den Treppenläufer zerschnitten zu haben. Eine Zeugin bekundete, daß sie gesehen habe, wie der Angeklagte an dem Läufer sich zu schaffen machte und wie er einen Gegenstand in die linke Hosen tasche steckte. Dr. Sch. ging dann eine Treppe höher, wo er bei einem Offizier Besuch machte. Unterdessen stellte man die Beschädigung deS Läufers fest. AlS Sch. zurückkam, sagte man ihm die Tat auf den Kopf zu, ein Messer wurde aber nicht bei ihm gefunden. Da bemerkte die Gattin des Offiziers eines Tage-, wie die Sonne auf einen Gegenstand fiel, der blitzte und blinkte. ES war ein offenes Messer und diese- gehörte Herrn Dr. Sch. Nun wurde Anzeige erstattet. Der Angeklagte bestritt in der Verhandlung seine Schuld und wollte es auch nicht als Schuldeingeständnis aufgesaßt wissen, daß er dem Geschädigten 700 Mark zahlte. Das Gericht verurteilte ihn aber auf Grund der Beweis aufnahme zu 500 Mark Geldstrafe, während der StaatSanwalt 3 Monate Gefängnis beantragt hatte. 8 Die Patrone im Gewehr. Das Kriegs gericht in Stettin verhandelte dieser Tage gegen den Leutnant Holz, den Vizefeldwebel Zingler und den Sergeanten Kaufmann vom Infanterie-Regiment Nr. 54 zu Kolberg wegen Ungehorsams gegen dienstliche Vorschriften. Bei dem PreiSschießen hatten die Angeklagten die Gewehre und Patronen taschen nachzusehen. Der Vizefeldwebel meldete, daß alles in Ordnung sei. Das Gewehr, das später einem Musketier übergeben wurde, ging in den Armen des nichts ahnenden Mannes los und eS wurde ein anderer Soldat getroffen, der bald darauf der Verwundung erlag. Dem Leutnant wird nun zum Vorwurf gemacht, daß er nicht genügend Unteroffiziere zur Aussicht kommandiert habe, dem Vizefeldwebel, daß er unvorsichtig in der Handhabung von Waffen und Munition gewesen und vorsätzlich eine falsche Meldung erstattet habe. Das Gericht verurteilte nach der Berl. Ztg. den Leutnant zu 15 Tagen Stubenarrest, den Vizefeld webel zu 50 Tagen Gefängnis, während der Sergeant freigesprochen wurde. Als strafmildernd kam rn Betracht, daß die Angeklagten, die sonst eine tadellose Führung aufwiesen, i» dem Glauben sein konnten, daß die an dem Schießen beteiligten Unteroffiziere selbst vorsichtig sein würden, da sie die Instruktion ja genau kennen mußten. 8 Der Gründer der Dortmunder Handels bank, Bankier Wulff, wurde vom Schwurgericht zu Dortmund in Westfalen wegen falsche: Anmeld ung zum Handelsregister und wegen Meineids zu 2'/, Jahren Zuchthaus und 5 Jahren Ehrverlust verurteilt, der Mitangeklagte Woldering sreigesprochen. Die Bank war mit einem Grundkapital von 1 Mill. Mk. gegründet, dieses aber nicht voll eingezahlt worden; Wulff beschwor das Gegenteil. 8 Verurteilung wegen Aufreizung. Man schreibt aus Kiel: Im Juni dieses Jahres entstand in Kiel ein Aufruhr, an dem sich etwa tausend Menschen beteiligten. Sie bewarfen ein Aufgebot von Schutzleuten, das einen Maurer Weber festge nommen hatte, mit Steinen und verwundeten zwei Beamte schwer. Der Matrose Weber der zweiten Kompagnie erster Matrosendivision hatte die Menge aufgestachelt, die Schutzleute anzugreifen und seinen verhafteten Bruder zu befreien. Seine Aufwiegelung war von Erfolg; aber kurz nach der vollsührten Befreiung des Bruders wurde er verhaftet. Das Oberkriegsgericht verurteilte ihn gestern als Rädels- sührer eines Aufruhrs zu einem Jahr sechs Monaten fünfzehn Tagen Gefängnis ;nurseine Jugend bewahrte ihn vor dem Zuchthaus. 8 Weil sie sich des nachts auf dem Fried- Hofe ein Stelldichein gaben, wurden in Nürnberg ein Arbeiter und eine Näherin zu vier resp. zwei Wochen Gefängnis verurteilt. Kleine Chronik. * Berlin, 14. Okt. Vom Löwen geschlagen wurde, wie schon gestern mitgeteilt, die Bändigerin Miß Heliot im Zirkus Busch. Sie trat mit ihren zwölf Löwen auf, als der bösartige Löwe „August" mit der Tatze nach ihr schlug und ihr die Puls ader der rechten Hand aufriß. Das Blut strömte aus der Wunde, Miß Heliot bezwang sich aber und brachte die Tiere ordnungsmäßig in ihre Käfige zurück. Gleich darauf indes fiel sie in Ohnmacht. Ein Arzt nahm sich ihrer sofort an und die Verletzte erholte sich bald wieder. Für die Löwen ist jetzt die Paarungszeit, daher die besondere Bösartigkeit. * Spandau, 14. Okt. Fast verhungert wurde im hiesigen Stadtwaldegestern eine halbnackte ältere Frau angetroffen, die anscheinend auS Berlin ist. Die Aermste kauerte halb bewußtlos in einer Erd vertiefung und war nicht im stände, sich aus eigener Kraft zu bewegen. Vier Tage vorher waren bereits, in den Forst zerstreut, FrauenklerdungSstücke gefunden worden, die ihr gehörten. Die Frau hat etwa eine Woche hilflos im Freier, gelegen; sie wurde ins städtische Krankenhaus geschafft. * Breslau, 15. Okt. Wie au» Löwenberg ge meldet wird, erkrankte aus dem Dominium Cobten eine ganze Familie nach dem Genuß von Kuchen unter Vergiftungs-Erscheinungen. Zwei Kinder im Alter von 5 und 7 Jahren sind bereits gestorben. * Posen, 14. Okt. Heute früh wurde, wie die „Posener Neuesten Nachrichten" melden, zwischen den Stationen Zlotnik und Wargowo von dem um 4 Uhr von Posen abgehenden Güterzug 7647 ein Milchwagen auS Soboto überfahren; der Führer deS Wagens wurde auf der Stelle getötet, der Wagen völlig zertrümmert. * Hamburg 14. Okt. In Sachen der Kinde» Mörderin Wiese ist man dem Verschwinden eine» sechsten Kinde» auf der Spur, das ebenfalls au« der Gegend von Hannover stammen soll. Ein tüch tiger Hamburger Kriminalbeamter ist dethalb nach Hannover abgereist, um Nachforschungen über die Herkunft der beiden in Frage kommenden Kinder und der spurlos verschwundenen Mutter de» bereit« festgestellten Kinde« in der Stadt und Umgegend anzustellen. Trotz eindringlicher Ermahnung de» Untersuchung«richter« bleibt die Frau bei ihrem Leugnen. * Halle a S., 14. Oktober. Welchen Umfang die Mäuseplage angenommen hat, läßt sich daran erkennen, daß auf dem Rittergute Droyßig in fünf Tagen von 8—10 hinter den Pflügen hergehenden Kindern 14,000 Mäuse erschlagen wurden. Außer dem wurde, wie die Saale-Ztg. mitteilt, noch ein bedeutender Teil der Tiere, welchen mit Gift zu Leibe gegangen wird, von der Erde verdeckt. * Mühlhause» i. Th., 14. Okt. Dec Kassie rer einer hiesigen Fabriksparkaffe, an der etwa 100 Arbeirer beteiligt sind, hat die Ersparnisse, die zu Weihnacht«geschenken dienen sollten, im Betrage von 1400 Mark veruntreut und ist nach Holland entflohen. Die Kaffenmitglieder wollen nun den Vor sitzenden und die Aussichl»mitglieder regreßpflichtig machen. * Sonneberg, 14. Okt. In vergangener Nacht ist die Spielwarenfabrik von Fleischmann u. Krämer, die größte am Platze, niedergebrannt. DaS Feuer kam im Packraum aus. 60 Arbeiter und viele Hausindustrielle sind infolge des Brandes beschäftig ungslos geworden. * Schlettstadt, 14. Oktober. Einen wirklich „treuen" Abonnenten nennt das „Schleust. Tagbl." sein. Alljährlich werden den Redaktionen die ersten Schmetterlinge, die ersten Maikäfer, die größte und allergrößte Kartoffel und so weiter von den Abon nenten dargebracht, und diese Tatsachen werden im Blatte gebührend vermerkt. Daß aber der erste Hase der Redaktion überreicht wird, dürfte zu den Seltenheiten gehören; solches geschah aber dem genannten Blatte, dem ein alter treuer Abonnent und Weidmann seinen ersten diesjährigen Hasen zuschickte, ein „Eingesandt", das bereitwillige Auf nahme fand. * Stuttgart, 14. Okt. In Amstelten bei Geis lingen explodierte ein volles Pulverfaß. Ei» in der Nähe befindlicher Knabe kam dabei ums Leben. * Trier, 14. Okt. In der Eifel wütet ein orkan artiger Sturm. Die Bahngeleise wurden durch entwurzelte Bäume mehrfach gesperrt. Der vom Sturm angerichtele Schaden ist bedeutend. * Trient, 14. Oktober. Der Gutsbesitzer Mi chael Weber in Deutsch-Metz wurde wegen Ecbschafts- sireitigkeilen von seinem eigenen Sohne erschossen. Der Mörder ist flüchtig. * Arad, 14. Okt. Zwischen den Stationen Mander und Glogobal wurde aus dem von Erdly kommenden Personenzuge von unbekannten Tälern die eiserne Kaffe der Bahnlinie, welche sich mit einem Inhalt von 200 000 Kronen aus Traniport befand, gestohlen. Man nimmt an, daß die Diebe sich in den Gepäckwagen eingeschlichen und die Kaffe während der Fahrt heraurgeworsen haben. * Neber Dippolds Abenteuer in Bamberg wird noch gemeldet: In der Nähe des Erlanger Hofls gelang es einigen Leuten, dem Verbrecher einige leichte Schlüge zu versetzen. Dem abfahrenden geschlossenen Wagen wurden verschiedene Gegenstände nachgeworfln. Das Landgerichtsgesängnis war ebenfalls von Hunderten umlagert, die die Ankunft Dippolds mit Schmährufen erwarteten. — AuS Burgkundstadt schreibt man über die Vermögens- Verhältnisse der Dippoldschen Familie von gut unterrichteter Seite: Dippolds Vater ist ein Groß grundbesitzer mit mindestens 150 Tagwerk Land, das einen Wert von etwa 70,000 Mark repräsentiert. * Automobilunfälle und kein Ende Ein von Trier nach Koblenz fahrendes Automobil erlitt Radbruch und rannte gegen einen Baum. Die Insasse» wurden ans die Straße geschleudert; vier trugen schwere Verletzungen davon. * Der Leutnant als Schriftsteller. Der „Lothringer Ztg." zusolze ist der Leutnant Bilsen vom Trainbataillon Nr. 16 in Forbach verhaftet worden, weil er einen Roman veröffentlicht hat, in dem er aus einer kleinen deutschen Garnisonstadt eine Menge von Geschehnissen erzählt, die bisher in den Schleier der Diskretion oder deS Dienstgeheimnisses gehüllt waren. * Neber das Schicksal des Matrosen Kohler, der vom Kriegsgericht zum Tode verurteilt wurde, weil er an Bord des Slationsschiffs „Loreley" seinen Vorgesetzten ermordet hatte, ist bis jetzt eine Ent scheidung noch nicht erfolgt. Kohler befindet sichgegen- wärtig noch im Militärlazarett in Wilhelmshaven in Haft. * Sonderbare Familienverhältniffe. Die „H. Neckarztg." berichtet von der bayrischen Grenze: In dem Städtchen W. lebt ein Kaufmann mit ganz eigenartigen Familienverhältniffe». Er hat nämlich drei lebende Schwiegermütter und deren Mütter, außerdem leben noch seine Muller, seine dritte Frau und vier herangewachsene Töchter bei ihm, im ganzen also zwölf weibliche Wesen. Der Mann lebt aber trotzdem ganz munter, und da er reich ist und da» Vermögen von sieben Familien dereinst auf ihn übergeht, macht er sich gar nichts daraus, daß er der dreizehnte ist, und alle Foppereien, die er oft genug aurstehe» muß, prallen machtlos an ihm ab. * Als Nr Ur-Enkel einer noch lebenden Ur- Ur-Ahne die Welt zu erblicken, dieser seltene Schick sal ist dem B. L.-A zufolge dem soeben geborenen Sohne eine« Bureauvorsteher« in Berlin be schicken. Von der mütterlichen Seite de» Kinde» leben die Ur-Ur-Großmutter, 05 Jahre alt, die Ur- Großmutter, 67 Jahre alt und die Großmutter, 44 Jahre alt, während die Mutter 24 Lenze zählt. Die Ur-Ur-Ahne hat bis vor einem Jahre noch eifrig das Spinnrad gedreht. * Der Rausch des Dicnstmanues. Aus München schreibt die Allg. Ztg.: Ein Packträger, der für einen Reisenden einen Koffer zu transportieren hatte, stellte diesen samt einem zweirädrigen Karren in einen Hofcaum ein, um in einer Wirtschaft ein zukehren. Der Mann erinnerte sich erst am Morgen de- folgenden Tag- seines Auftrags, wußte aber nunmehr weder, wo er des Tag- vorher eingekehrt war, noch wo er den Koffer mit dem Karren ein gestellt hatte. P Einer der kühnsten Versuche, die in der Medizin möglich sind, ist jüngst einem Londoner Arzt Dr. Starling geglückt, nämlich die Wieder belebung eines fast schon leblosen Körper« durch Herz massage. In neuester Zeit ist zwar verschiedentlich schon in verzweifelten Fällen der Versuch gemacht worden, die Herztätigkeit dadurch aufrecht zu erhallen, daß das Herz durch einen Schnitt bloßgelegt, mit den Händen ergriffen und zur Wiederaufnahme sei ner Bewegung durch eine Art von Massage veran laßt wurde. Die Ergebnisse solcher kühnen Ein griffe haben wohl gezeigt, daß auf diesem Wege die Herztätigkeit etwa« länger ausrechterhalten werden kann, aber bisher hatte der Tod nur immer um verhältnismäßig kurze Zeit verzögert werden können, so daß da« Verfahren praktisch al« nutzlos erschien. Dr. Starling ist in ähnlichem Falle glücklicher ge- wesen, und die Geschichte dieser Operation ver dient wohl, für alle Zeiten in die Annalen der Me dizin eingetragen zu werden. Der Arzt operierte einen 65 Jahre alten Mann an Blinddarmentzün dung unter Narkose, und merkte plötzlich, daß Puls und Atmung in bedrohlichem Grade nachzulaffen begannen und schließlich stillstanben. AI« die sofort eingel°itete künstliche Atmung zu keinem Ergebnis führte, entschloß er sich zu etwas Außerordentlichem: Er steckte seine Hand durch die im Unterleibe ge machte Wunde und erfaßte da« bewegungtlose Herz durch das Zwerchfell hindurch. Er Me nun mit der Hand einen Druck auf da« Herz au« und fühlte, baß es danach wieder zu pulsieren begann, obgleich ein Pulsschlag in dem Handgelenk noch nicht fühl bar wurde. Gleichzeitig wurde nun die künstliche Atmung fortgesetzt, auch andere Mittel zur Wieder belebung angewandt, und in der Tat stellte sich nach 12 Minuten die natürliche Atmung wieder ein, und auch der Puls wurde wahrnehmbar. Die Operation wurde nun ohne Anwendung von Betäubungsmitteln beendet und der Patient genas. Der Fall steht vor läufig einzig da, und e« muß geradezu als außerordent lich bezeichnet werden, daß ein so ungewöhnliche« Mittel überhaupt zur Anwendung gelangt. Er zeigt, war unter Umständen für den Arzt möglich ist, und wie die moderne Medizin sich an Dinge herantraut, die früher für Ausgeburten tollkühnster Phantasie angesehen worden waren. Die Blüte des Bagno. Roman von Goron und Emile Gautier. 85. Fortsetzung. (Nachdruck verboten.) „Mein guter Schatz, Du bist so lieb zu mir, daß ich wirklich nicht mehr weiß, ob Du mir Mit leid oder Angst einflößest! Ich gehe, denn ich fürchte, mich rühren zu lassen. Auf baldiges Wiedersehen!" Mit diesen geschickt hervorgestoßenen Worten reichte sie Dulac die Hände, welche dieser, trunken von Glückseligkeit, mit heißen Küssen bedeckte. Dan» eilte sie mit einem fröhlichen Rauschen der seidenen Röcke nach der Tür. Dort drehte sie sich um und deklamierte mit dramatischer, etwas schelmischer Stimme: „Sie hat mir widerstanden; ich habe sie er- mordet!" und dann in ihren wahren Vorstadtdialekt verfallend, rief sie keck: „Adieu und auf Wieder sehn ! Antony!" Damit schlug sie die Tür vor der Nase deS Direktors zu und eilte mit krystallhellem, trillernden Lachen fort. Etwas verdutzt, ging Dulac an seinen Arbeits tisch zurück und sog mit Wohlbehagen den süßen Tuberosen- >>nd Veilchenduft ein, welcher die Luft deS Raumes parfümierte. „Alles ist noch nicht zu Ende," sagte er sich, „eS ist noch nicht alles verloren! . . . Sie ist er regter, als sie eS merken lassen will. Sie lacht. .. um ihre Bewegung zu verbergen. — Von meiner unendlichen Liebe besiegt, wird sie auch mich lieben." 33. Kapitel. Mit unglaublichem Luxus inszeniert und von einer Eliletruppe aufgeführi, erlebte „Der Sturm" einen Triumph, der in der ganzen Pariser Presse gefeiert wurde. Mit einem Schlage war Josef Bucquoy Groß meister seiner Kunst und das Lyrische Volkstheater ein Modetheater geworden, an dcssen Kasse allabend lich Hunderte von Besucher» zurückgewiesen werden mußten. Die Einnahmen „überstiege» das Maxi mum". Germaines Auftreten wurde an jedem Abend mit einer dreifachen Beifallssalve begrüßt. Sie war wirklich anbetungswürdig in der Rolle der Titania, welche tatsächlich für sie geschrieben zu sein schien, wie es Dulac vorausgefühlt hatte. Die Liebe hatte seinen Kunstsinn und sein sicheres Ur teil nur stärken können. Dreifache, vierfache Hervorrufe, wahrhafte Ova tionen wurden ihr nach jedem Aktschluß inmitten einer fieberhaften Begeisterung dargebracht. Die berückende, strahlende Schönheit des Weibes hatten daran wohl eben so viel Anteil wie die Bewunde rung für das Talent der Künstlerin. Die Leidenschaft Saint-Magloires war durch Germaines Erfolge bis zur krankhaften Vergötter ung gestiegen, was bei einem Manne seines Schlages wirklich unbegreiflich war. Er konnte ohne Germaine nicht mehr leben. Fast jeden Abend erwartete sie sein Wagen am Ausgange des Theaters und brachte sie und ihn in ein Moderestauraut, wo er mit ihr soupierte. Man konnte die Nächte zählen, die er zu Hause verbrachte. Dieses Verhältnis wurde bald zum Stadtgespräch, und Dulac konnte sich trotz der Zähigkeit und Beharrlichkeit seiner Illusionen nicht mehr lange über die ganze Tragweite seines Un glücks hinwegtäuschen. Trotzdem bemühte er sich immer »och, sein furcht sames Vertrauen zu stärken. „Germaine kann doch diesen Saint-Magloire nicht lieben," dachte er, „ebensowenig wie dieser GelegenheitSbaron eines aufrichtigen Gefühls fähig ist . . . Die ganze Sache ist bei ihnen eine prahle rische Eitelkeit, die, wie man sagt, für die Galerie bestimmt ist. Warum soll ich mich da aufregen? Germaine wird mir ja doch wieder ganz angehören. Sie wird mit diesem Saint-Magloire endgiltig brechen, den sie jetzt vielleicht gerade meinetwegen schont. Sie fürchtet wahrscheinlich, daß ec mir den Kredit entzieht, über den ich verfüge, sobald sie ihn ver läßt, um in meine Arme zurückzukehren." Bei dieser Wankelmütigkeit, die der Grundzug seine- Charakters war, beschloß er endlich, sich mit dem Bankier auSznsprechen. „ES ist Zeit," schloß er, „daß diese Komödie ein Ende nimmt." Aber gerade, als wolle er die Eifersucht de- Theater-DireklorS noch reizen, behandelte ihn der Baron mehr und mehr wie einen Fremden. Er ging ihm sichtlich aus dem Wege und wechselte mit ihm ein paar oberflächliche Worte, wenn er ihn in den Gängen deS Theaters traf. Dulac schien mchts von alledem zu bemerken; immer wieder verschob er die Stunde der gegen seitigen Aussprache. Eines abends aber, als seine Nervosität ihren höchsten Grad erreicht hatte, hielt er die Hand deS Barons fest, welcher ihm im Vorübergehen nach lässig die Fingerspitzen gereicht hatte. „Ich muß Dich unbedingt sprechen," flüsterte er dem Abenteurer ins Ohr. „Um was handelt es sich denn?" fragte dieser gelangweilt. „Um Germaine." Sanit-Magloire hatte verstanden. Das würde eine spitze Unterhaltung werden. Seiner Gewohn heit gemäß ging er deshalb sofort zu kräftigem Angriff über: „Mein Lieber," höhnte er und heftete dabei seinen magnetischen Blick auf Dulac, „mein Lieber, Du wirst wohl verzeihe», wenn ich Dir auf dieses Gebiet nicht folge. Mein Verhältnis mit Germaine geht Dich nichts an. Ich habe Dir ein Theater gegeben, welches Du nach Deinen Launen dirigieren kannst; ich verspreche Dir, die Kunst zu erneuern, aufzufrischen. Stopfe Dich mit Geld und Ruhm bis oben hin voll, aber laß es Dir nicht einfallen, Deine Nase in meine Angelegenheiten zu stecken; es könnte Dich gereuen!" (Fortsetzung folgt.) Depeschen. Berlin. Der „Vorwärts" dementiert die Meldung, wonach die sozialdemokratische Partei leitung die Absicht habe, in Mittweida die Genossen Antrick und Dr. Liebknecht kanditieren zu lassen. München. Einen bezeichnenden Antrag bringt ein Teil der Linken im Landtage ein, wonach, der staatlichen Stellung Bayerns gemäß, das bayrische Ministerium des Aeußeren und das Ministerium deS Kgl. Hauses als überflüssig aufgehoben werden sollen. Wien. Der bulgarische Geschäftsträger über reichte gestern im aurwärtigen Amte die Zirkular note der bulgarischen Negierung wegen der jüngsten Zusammenstöße» zwischen türkischen und bulgarischen Grenziruppen. Die Note wurde zur Kennlni« ge nommen und der Hoffnung Ausdruck gegeben, daß der Zwischenfall keine weiteren Folgen nach sich ziehen werde. Wien. Wie bestimmt verlautet, ist die Beru fung des Finanzministers Lucazs daran gescheitert, daß die liberale Partei als Minimum ihrer Forde rungen verlangte, daß die bestehenden Privatrechte deS Monarchen bezüglich des Militärs durch das Parlament eine Einschränkung erfahren sollen! Paris. Paris hat bei Ankunft de« italienischen Königrpaare« Festkleidung angelegt. Aus den Boule vard« staute sich die Menge, um die prächtige Illu mination zu bewundern. Das Königspaar fuhr nach dem Elisö und staOele dann den Senatt- prästden.en Falliere« und Bourgeoi« einen Besuch ob. Abend« begab man sich zurück nach dem Elis«, wo Loubet ein Diner veranstaltete, an welchem Waldeck-Rousseau, Freycinet und Lockroy teilnahmen. An den Straßenkreuzungen spielten Musikkapellen die neuesten, auf dar italienische Königspaar zu- geschniltenen Lieder, welche da« Publikum mitsang. Pari« war in fröhlichster Stimmung, vermied aber jede politische Kundgebung. Paris. Die Stadt ist gestern nicht blos im Festkleide, sondern auch in Feststimmung gewesen. Dar warme, fast schwüle und trockene Wetter be günstigte da« Zusammenströmen großer Menschen mengen auf den Straßen. Hauptsächlich waren naturgemäß die Straßen geschmückt, durch welche das italienische Königspaar kommen mußte. Der Hoszug traf pünktlich ein. Präsident Loubet be grüßte dar Köntgspaar. Nach kurzem Aufenthalt begaben sich die Herrschaften nach dem Wagen und fuhren zunächst nach dem Palais de» Aurwärtigen Amler, begleitet von einem Detachement Kürassiere. Von einer Absperrung der Straßen tonnte man nichts bemerken. Da« einzige Hindernis war die drängende Volksmenge selbst. Petersburg. Entgegen den bisherigen Meld ungen heißt es hier, daß die Zarenfamilie schon anfangs nächster Woche nach dem Schlosse Spale kommt und daß Minister von Plewe nach Warschau gereist ist, um den Zaren zu empfangen. Hier hält man daS Verhältnis zwischen Rußland und Japan für äußerst zugespitzt. Das letzte Telegramm deS Zaren an den Statthalter Alexejew lautete: „Ich erteile Ihne» die Vollmacht, falls notwendig, daS Ansehen Rußlands mit Waffengewalt zu verteidigen". Belgrad. Die Verhandlungen über die Hinter- lasfenschaftdes Königs Alexander sind auf 9. November festgelegt. Man erkennt als einzige Erbin der Königin Draga deren Schwester an. Sofia. Die Unzufriedenheit gegen den Fürsten wird immer drohender. Mehrere Blätter beschul digen ihn sogar antikonstilultoneller Handlungen. Oppositionelle Blätter erklären, wenn die Mission Nalschewitschs scheitern sollte, die Stellung des Fürsten für unhaltbar. Er müßte entweder den Krieg erklären, oder zu Gunsten seines Sohne» abdanken.
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