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hard usw. längst vergessen haben werde, dann werde noch Mehrings Name in der Geschichte der deutschen Literatur genannt werden. Für das Schreiben Mehrings an Harden betreffs Schönlanks habe er (Bebel) allerdings keine Entschuldigung. Auf seine Empfehlung sei Mehring Mitarbeiter der „Neuen Zeit" geworden. Er sei jetzt auch Chefredakteur der „Leipziger Volks-Zeitung". In dieser schreibe Mehring derartig brillante Artikel, daß er (Bebel) nur bedauere, daß sie nicht im „Vorwärts" stehen. Es sei dies aber keineswegs ein Vorwurf gegen die Redaktion des „Vorwärts". Bebel fuhr fort: Ich habe die Absicht, in Küstnacht, wo ich zumeist schlafen soll, meine Erinnerungen zu schreiben. (Zurufe.) Nun, ans Sterben denke ich noch lange nicht, und senil bin ich noch weniger. (Heiterkeit und Beifall.) Ich wende mich wieder zu Witt- kowsky - Harden. Dieser Mann ist der größte Schleppenträger des Junkertums und der von diesem betriebenen Raubpolitik. Er hat uns in der ge meinsten Weise verhöhnt und beschimpft, als wir im Reichstage im heftigsten Kampfe gegen den Terrorismus der Mehrheit standen. Ich frage Euch, Genosfen, wenn die Lilly Braun, Heinrich Braun, Göhre, Borchardt, Bernhard, Ströbel wirklich nicht wußten, wer Harden sei, 1902 hätten sie so viel Ehrgefühl haben müssen, zu sagen: Für ein Blatt, das in so gemeiner, niederträchtiger Weise die Partei, der ich angehöre, beschimpft, können wir nicht länger schreiben. Anstatt dessen schreiben diese Leute ruhig weiter und ermöglichen es diesem Wittkowsky-Harden, daß er noch weiter die Partei in der gemeinsten, niederträchtigsten Weise beschimpfen kann. Für ein solches Verhalten von Leuten, die sich Parteigenossen nennen, habe ich nur ein Pfui. (Stürmischer Beifall.) Ich frage Euch, Genossen, was verdienen solche Leute, die derartig leichtfertig ihre Parteiehre preisgeben? (Rufe: Prügel!) Ich stehe 40 Jahre im öffent lichen Kampfe, ich bin nicht immer Sozialdemokrat gewesen. Es hat auch eine Zeit gegeben, in der ich die Sozialdemokratie bekämpft habe. Aber ich habe stets meine Ehre zu wahren gewußt. Es wird gesagt: Der alte Bebel hat noch immer den größten Einfluß in der Partei. Wenn das der Fall ist, Genossen, so geschieht es, weil ich flecken los dastehe. Wer Führer der Partei sein will, der darf nicht wie ein General kommandieren, sondern er muß das tun, was die Partei denkt und fühlt. (Beifall.) Nun werdet Ihr einsehen, welche Wichtigkeit die vorliegende Frage für die Partei hat. Es muß endlich einmal Klarheit ge schaffen werden. Seht Euch jeden neuen Genossen an, ehe Ihr ihn aufnehmt; einen Akademiker oder sogen. Intellektuellen seht Euch aber zweimal an. Eine Reihe zu uns gehörender Akademiker ist der Partei entfremdet. Sie wissen nicht, was die Partei denkt und fühlt. Sonst hätten sie es nicht gewagt, der Partei zuzumuten, sie solle Anspruch auf den Vizepräsidentenposten im Reichstage machen. Eine solche Zumutung nach einem so glänzenden Wahl siege müßt Ihr mit Empörung und Entrüstung zurückweisen. (Stürmischer Beifall.) Genossen, sorgt dafür, daß die Partei nicht auf eine schiefe Ebene gerät! Sorgt dafür, daß das Ziel der Sozialdemokratie nicht aus dem Auge verloren wird und den Arbeitern der Kampfesmut und die Begeisterung verloren gehen. (Stürmischer, lang anhaltender Beifall.) — Die Verhandlung wurde gegen 6 Uhr abends auf Mittwoch Vormittag 9 Uhr vertagt. Tagesgeschichte. Deutscher Reich. — Der Kaiser erteilte dem Vizepräsidenten der französischen Deputiertenkammer, Etienne, die Ge nehmigung, die Kaiserwerft und die Hafenbefestigungen von Kiel zu besichtigen. — Der Kaiser jagt bei Mohac« in Ungarn mit großem Erfolge, er hat eine stattliche Anzahl Hirsche zur Strecke gebracht. Am Dienrtag fand eine Jagd auf Fischadler statt. Im Verlauf einer Fahrt aus der Donau zog der Kaiser den Direktor der Donau-Dampsfchiffahrt«-Gesellschaft in eine längere Unterhaltung. In Mohac- wie« der Kaiser mit den Worten: „Das sind ja meine alten Freun dinnen!" auf eine Gruppe Mädchen. Er erinnerte sich dabei an ein Volksfest, da« vor zehn Jahren in Anwesenheit de« König« Albert von Sachsen und der Prinzen Leopold von Bayern und unter Mitwirkung von Schokaczenmädchen ihm zu Ehren gegeben worden war. — Morgen Donnerstag nimmt die fröhliche Jagd bei Mohac« ein Ende, am Frei tag trifft der Kaiser zum Besuche seine« hohen Verbündeten in Wien ein, dar sich zur Feier des Tage« bereits einen prächtigen Festschmuck angelegt hat. Der Reichskanzler Graf Bülow, der nunmehr Norderney verlassen und sich zu seinem Vetter Dr. Rücker aus Jwisch bei Kleinstaltbece begeben hat, unterbricht heute seinen dortigen Aufenthalt, um sich noch Wien zu begeben. — Pünktlichkeit ist eine Zier, im militärischen Leben aber wird sie streng gefordert. Niemand macht da eine Ausnahme, wie auch ein Manöver- erlebnis de» Kronprinzen Wilhelm zeigt, da« Pots damer Blätter mitteilen. Der Prinz war auf einem Gulshos einguartiert und sollte morgen« 5'/, Uhr mit der 2. Kompagnie de« 1. GarderegimenlS z. F. ausrücken. E« stellte sich aber heraus, daß der Torweg noch verschlossen war. Kurz entschlossen Holle der Kronprinz sich eine Leiter und überkletterte die Mauer, so daß er pünktlich zum Dienst er scheinen konnte. — Das russische Kaiserpaar wird nach den letzten Dispositionen bereits am 26. d. M zum Besuche beim großherzoglich-hessischen Hose in Darm stadt eintreffen. Während der Anwesenheit des Zarenpaarcs findet die Einweihung der auf dec Mathitdenhöhe erbauten russischen Kapelle statt, in der am 7. Oktober Prinz Andreas von Griechen land und die Prinzessin Alice von Battenberg den Bund für das Leben schließen werden. — Der Präsident des russischen Miuisterkomitees Witte hält sich, wie aus Finanzkreisen verlautet, gegenwärtig in Berlin auf. Seine Anwesenheit wird mit der Fortsetzung der Beratungen über den deutsch, russischen Handelsvertrag in Verbindung gebracht. — Zur Verhütung von Hochwasserkatastrophen sollen zwei Talsperren in Oberschlefien, eine ober halb von Ziegenhals für kO Millionen und eine zweite für 5 Millionen Kubikmeter gebaut werden, gegebenenfalls unter Zuziehung von Oesterreich. — Der Schaden, den das Juli-Hochwasser in Schlesien angerichtet h-st, wird auf 17 bis 18 Millio- ma Mark veranschlagt. — Der Streit um da« Funkenlelegraphie-System. Die neulichen Verhandlungen der Berliner Konferenz über Funkc.tlelegraphie dienen italienischen Blättern zu teilweise heftigen Angriffen gegen Deutschland, d.m vorgeworfen wird, daß e« da« italienische System Marconi zu gunsten deu.scher Systeme b nachteiligen wolle. Die Köln. Ztg. ^bemerkt dazu treffend: Deutschland will gar keine Bevorzugung deutscher Systeme, wohl aber wendet es sich gegen eine Monopolisierung der Funkentelegraphie durch eine Gesellschaft, die zwar den Namen eine« Italiener« trägt, tatsächlich aber englisch ist. Au« dem ganzen Verlauf der Verhandlungen geht her vor, daß Deutschland der freien Entwicklung dieser Gesellschaft durchaus kein Hindernis in den Weg legen will, sondern seine Bestrebungen lediglich da rauf richtet, daß die Marconigesellschast nicht andere von Licht und Luft abschließen kann. Uebrigen« steht Deutschland mit diesem Bestreben durchaus nicht allein. Frankreich, Rußland, Spanien, Oester reich-Ungarn und Nordamerika haben sich ebenfalls gegen die Monopolbestrebungen der Marconigesell schaft erklärt. — Deutschland und Fernando Po. Die kleine Insel Fernando Po, die an der westafrikanischen Küste gegenüber Kamerun gelegen und, abgesehen von wenigen hundert Europäern, von etwa 25 000 Eingeborenen bewohnt ist, befindet sich seit 1778 in spanischem Besitz. Kulturarbeit hat Spanien in keiner seiner Kolonien zu verrichten vermocht, auch Fernando Po weist keine Ausnahme auf. Neben England und Amerika hat auch Deutschland ein be sondere« Interesse an der Insel insofern, al« sie Deutsch-Kamerun vorgelagert ist und al« wir seit 1882 dort eine Kohlenstalion besitzen. Es ist au» diesen Gründen auch schon wiederholt die Rede von einer Erwerbung der Insel durch das deutsche Reich gewesen. Die Gerüchte haben sich stets al« unbe gründet erwiesen. Jetzt macht die kleine Insel in recht unangenehmer Weise von sich reden. Die Be satzung eine« in dem südspanischen Hafen Cadiz eingetroffenen Dampfers berichtet, die Eingeborenen auf Fernando Po hätten einen deutschen Kaufmann gelötet und aufgesressen. Die spanische Besatzung von Bata habe die Eingeborenen gezüchligt, 7 von ihnen gelötet, 25 verwundet und 5 Dörfer nieder gebrannt. Die Spanier hätten bei dem Zusammen stoß mit den Kanibaien mehrere Verwundete gehabt. — Nach neueren Nachrichten ist der Unglückliche, den die Eingeborenen verschlangen, der deutsche Commodore Kaufmann, der behufs Eintauschung von Cochenille gegen Glasperlen dorthin einge drungen, hart am Wege angegriffen, verwundet und furchtbar gemartert wurde, ehe er aufgesressen ward. Au« Bala sind 40 Mann Marine-Jnfanlerie unter dem Kommando des Untergouverneur« von Colombo ausgerückt gegen den schuldigen Stamm. Die Ein geborenen widersetzten sich zunächst, schossen, von dicken Baumstämmen geschützt, aus die Spanier, flohen aber, als sie sahen, daß die Mauserkugcln die Bäume durchdrangen und glaubten an Hexerei. Die Spanier äscherten 5 Dörfer ein. Schließlich stellten sich die Häuptlinge de« Stamme« ein und baten um Verzeihung. — Ein Held aus dem letzten Kriege, Wacht meister Ketllitz vom 1. Brandenburgischen Draqoner- regimenl Nr. 2, hat bei dem dierjährigen Kaiser- manöoer da« Kreuz der Inhaber de« Hau»ordenS von Hohenzollern erhalten. Keltlitz rill im Januar 1371 wiederholt durch die feindlichen Linien bei Conli« und überbrachte dem General v. Schmidt wichtige Meldungen. Uuterweg« bekam er mehr mals Feuer. Für seine Tat wurde er mit dem Eisernen Kreuz erster Klasse ausgezeichnet. — Große Preistreibereien haben in diesem Jahre auf dem amerikanischen Baumwollenmark! statlgesunden und da Deutschland von diesem Markl abhängig ist, haben die deutschen Spinner 60 Mill. Mk. mehr als in früheren Jahren für das ihnen nölige Rohprodukt beziehungsweise Halbfabrikat an- legen müssen. Das Chemn. Tgbl. und die Dtsch. Tgsztg. treten nun dafür ein, daß wir in den ge eigneten Gegenden unserer Schutzgebiete Baumwvll- knlturen in größerem Maße anlegen. Das Chemn. Tgbl. sagt u. a., wenn unsere Kolonien jährlich 500 000 Ballen Baumwolle lieferten, seien Raub züge wie der diesjährige amerikanische so leicht nicht mehr möglich. — In unseren Schutzgebieten wird ja bereit« Baumwollkultur getrieben, mit besonderem Erfolge in Togo. Ehe wir aber von dort her größere Mengen, die uns nur einigermaßen um v- hängig von Amerika machen können, erwarten dürs n, wird noch viel Zeil vergehen. Die Kulturen sind noch zu jung. Die Preistreibereien sollten jedoch ein weiterer Ansporn sein, die Baumwollkultur in den deutschen Kolonien zu fördern und sie auf eine hohe Stufe zu bringen. — Herzog Ernst von Sachsen-Altenburg, der vor wenigen Wochen sein goldenes Regierungs jubiläum begehen konnte, vollendete am heutigen Mittwoch das 77. Lebensjahr. — Laut amtlicher Feststellung sind bei der Reichstagsstichwahl in Dessau am 11. d. M. für Schrader (Frs. Vereinig.) 14 4Ü6 Stimmen, für Käppler (Soz.) 13 048 Stimmen abgegeben worden. — Die Eisenbahn ist um des Publikums willen do, nicht umgekehrt. Diesen Grundsatz hat der preußische Eisenbahnministec soeben in Kassel aus gesprochen. Er fügte hinzu, daß er seine Aufgabe darin erkenne, dem reisenden Publikum neben schnellster Beförderung auch die möglichste Bequemlichkeit sowie die denkbar größte Sicherheit für Gesundheit und Leben zu gewähren. Herr Budde gebraucht aber nicht nur schöne Worte, er setzt diese auch, was die Hauptsache ist, in die Tat um. Wie berichtet wird, sind die Eisenbahndirektioncn von ihm auf ver schiedene Unzulänglichkeiten und Unbequemlichkeiten bei zahlreichen Stationen aufmerksam gemacht woiden. Zugleich ordnete er die Errichtung von Schutzhallen und Verbesserungen an den Fahrkartenschaltern an. — Herrn Bebels Erbschaft. Nach dem Pariser Blatt La Presse war Abg. Bebel in de» letzten Tagen in Straßburg, wo ihm eine Summe von 10000 Fr. ausgezahlt wurde, die aus der Hinter- lassenschast des ehemaligen Bankiers Stätzling stammte. Dieser hatte daS Geld Bebel letztwilliq vermacht, weil er gegen die Einverleibung Elsaß- Lothringensdurch DeutschlandEinsprucherhobenhaNe. — Die „Kölnische Zeitung" meldet aus Essen (Ruhr): In der heutigen behufs Erneuerung des Rheinisch-westfälischen Kvhlensyndikats einberufenen Zechknbesitzer-Versammlung unterzeichneten sämtliche Zechen den Syndikatsvertrag, ausgenommen die Magdeburger Bergwerksgesellschaft, welche sich morgen erklärt, und die Zeche „Freier Vogel und Ünver- hofft", welche sich vor dem 30. Septembererklären wird. Oesterretch-Nugarn. — Gegenüber der Blättermeldung, daß die Mannschaft des dritten Jahrganges des in der Rossauer Kaserne in Wien einquartierten ungarischen Infanterie-Regiments Nr. 60, mit mehreren Unter offizieren an der Spitze, ge'.ern in heftiger Weise die Entlassung begehrt habe, konstatiert das „Fremden blatt", daß sich der Fall auf folgendes reduzieit: Gestern wurden drei Infanteristen des oben be zeichneten Regiments in betrunkenem Zustande i» der Kantine aufgefunden und weil sie der Aufforde rung, die Kantine zu verlassen, keine Folge leisteten, von der Patrouille in den Arrest abgesührt. — Tie von Budapester Blättern gebrachte Meldung ül^ Auflehnung der Mannschaften des 46. Infanterie. Regiments und über eine Meuterei des Kmnstäd'er Divisions-Artillerie-Regiments ist nach den Infor mationen des „Fremdenblattes" vollständig aus der Luft gegriffen. Serbien. — König Peter von Serbien ist bedauerns würdig daran. Er ist dar willenlose Werkzeug in der Hand der Königsmöcder Maschin, Gentschilsch usw., deren Befehle er unweigerlich autzuführen Hal. Prinz Arsen, der Bruder der König«, ist von den militärischen Diktatoren einfach au« Serbien hinaus gegrault worden. Peter I. beabsichtigte, seinen Bruder, dessen Aller und Stellung entsprechend, zum General zu ernennen. Dar lassen wir nicht zu, riesen 'hm die Verschwörer zu. Auch die Zu Weisung einer Lpanage au den Prinzen war nicht nach dem Geschmack der Köuig-mörder, die dem Prinzen Arsen mißtrauen, da sie in ihm einen Vertrauten und Günstling des Zaren erblicken. Endlich sei noch erwähnt, daß gegen eine Anzahl früherer serbischer Finanzminister ein gerichtliches Verfahren eröffnet worden ist, weil die Argeschul- digten verdächtig sind, nicht unerhebliche Summen aus der Staatskasse ihren eigenen Tasche zugesühc. zu haben. Orient. — In den Balkauwirren hat Bulgarien eim mehr al« zweideutige Rolle gespielt. Er ist deshalb schon von Rußland ernstlich vermahnt worden und hat jetzt eine gemeinsame und sehr nachdrückliche Vorstellung der Großmächte zu erwarten. Dreser will das Reich des Fürsten Ferdinand augenschein lich dadurch zuvorkommen, daß es eine Znkularnotc an die Mächte richtete, in der es auf die plan mäßige Vernichtung der Bulgaren in Mazedonien durch die Türken hinweist und erklärt, das bul garische Volk sehe sich zu Abwehrmaßregeln ge nötigt, wenn die Mächte dem Massakre kein Ende bereiteten. Großen Erfolg wird die Negierung in Sofia mit ihrer Note nicht haben. Die Mächte wissen zu genau, wer in diesem Falle der schuldige Teil ist. England aber, das Ostasien« wegen Ruß land recht gern in Balkanuurren verwickelt sehen würde, Hal im europäischen Staalenkonzert so sehr an Bedeutung verloren, daß er sich von etwaigen Quertreibereien keinen Erfolg versprechen kann und es daher unterlassen wird, in der Balkanfrage offen kundig die Rolle des Friedensstörers unter den Großmächten zu spielen. Oertliches und Sächsisches. Hohenstein-Ernstthal, 16. September. *— Tic Arbcitslampe tritt nunmehr offiziell ihre Herrschaft an. Nur noch Tage und man braucht sie früh und abends. Gern holt man sie nicht hervor, aber inan muß. Die Tage kürzen sich zusehends, vorzüglich bei solch regnerischem Wetter, wie wir es in den letzten Tagen hatten. Die Monate, während welcher man eine Arbeits lampe nicht braucht, vergehen zu schnell, während der Zeitraum, in welcher sie gebraucht werden soll, furchtbar lang erscheint. Eine wichtige Rolle spielt die Arbeitslampe in der Hausindustrie. Von dem Gebrauch der Arbeitslampe hängt gewissermaßen der Haushalt der Familie ab. lind so finden wir, daß in unserer Hausweberei schon seit mehreren Wochen die Arbeitslampe stark in Anspruch ge nommen wird. Mil der Lampe stellt sich wieder die Zeit der Explosionen ein, die für die Betroffenen oft recht verhängnisvoll geworden sind. Mit dem Ge brauch der Lampe stellen sich aber auch uoch andere Faktoren ein: der Oel-Konsum, ders,Verbrauch von Kohlen und sonstigem Heizmaterial, sowie die An schaffung von Bekleidungsiachen. Dies alles er fordert mehr Ausgaben. Uad mancher wird, um die Ausgaben bestreiten zu können, mehr zu ver dienen suchen, und deshalb wird die Arbeitszeit meistens recht lang ausgedehnt. Wenn der Fabrik arbeiter der Ruhe pflegt, arbeitet der Hausweber zum großen Teil noch sehr eifrig. Wenn aber der Hausweber arbeitet, dann braucht derselbe noch Hilfskräfte, die entweder in der Frau oder in den Kindern gestellt werden. Bezüglich der letzteren sei an die Eltern die Bitte gerichtet: Schont die Kinder vor einer zu langen Arbeitszeit! Früh in der Schule, nachmittags dasselbe; damit wird dem Schulkinde eine oft hart empfundene Arbeitszeit zudiktiert. Abends wird lang gearbeitet nnd es muß Vorrat für den andern Tag vorhanden sein; denn wenn der Webstuhl nicht ununterbrochen in Tätigkeit ist, verringert sich der nur zu niedrige Lohn immermehr. Um nun einen vorübergehenden Stillgang des Webstuhles zu verhindern, werden leider die Kinderhände oft allzusehr angestrengt. So kommt es vor, daß Kinder, welche als Spuler tätig sind, in den Wintermonaten des Abends erst um 9 Uhr und noch später nach Hause ge schickt werden. Müde und abgespannt, wie sich das leicht denken läßt, kommen sie nach Hause. Haben dieselben ihr Abendbrot genossen, dann soll die Schularbeit gemacht werden; manchmal wird sie gemacht, manchmal aber auch nicht. Das Kind, das schon durch eine lange Arbeitszeit körperlich gelitten hat, muß häufig dann auch noch in der Schule büßen. So sehr auch in vielen Familien mit den, Groschen gerechnet werden muß, ist doch zu bedenken, daß der kleine Mehrertrag, der durch die lange Arbeitszeit entstanden ist, durch ein tretende Krankheiten der^Kinder nicht nur doppelt, sondern ost zehnfach wieder verloren geht. Möchten daher die Ettern diese Anregung befolgen, die so wohl in ihrem eigenen, wie im Interesse ihrer Kinder liegt. *— Die diesjährigen Michaelisfcrien be ginnen für die hiesigen Schulen am Sonnabend, den 26. September, und dauern bis zum 4. Oktober. * — Sc. Majestät der König hat aus Anlaß der Beendigung der diesjährigen Manöver folgen den, Leipzig, 11. September, datierten Armeebefehl an die beiden sächsischen Armeekorps ergehen lassen: „Es gereicht Mir zur besonderen Freude, der Armee nach Beendigung der diesjährigen Manöver Meine Anerkennung und Meinen Königlichen Dank aus zusprechen. Treueste Pflichterfüllung, vorzügliche Haltung und hervorragende Leistungen haben den altbewährten Ruf Meiner Truppen wiederum be stätigt und gezeigt, daß auch die jungen Verbände den alten Regimentern ebenbürtig zur Seite stehen. Ich bin überzeugt, daß die Anerkennung, die Se. Majestät der Kaiser Mir auszusprechen die Gnade gehabt hat, für Meine Truppen ein Ansporn zu den höchsten Leistungen sein wird. Die sächsischen Soldaten werden, dessen bin Ich gewiß, immer bestrebt sein, im deutschen Heere mit an erster Stelle zu stehen, auch wenn es die Verteidigung gilt von Kaiser und Reich, von König und Vater land ! Das Kriegsministerium hat diesen Best hl Meiner Armee bekannt zu geben. Georg." — Se. König!. Hoheit der Kronprinz, kommandierender General des 12. Armeekorps, hat an die ihm unterstellten Truppenteile folgenden, Weißenfels, 11. September, datierten Korps-Tagesbefehl aus gegeben: „l. Die diesjährigen, am heutigen Tage zu Ende gehenden großen Herbstübungen haben allen Truppenteilen des Armeekorps Gelegenheit gegeben, mehrfach für ihre Leistungen in der Parade- und Exerzierausbildung sowohl als auch bei den mit außer gewöhnlichen Anstrengungen verbundenen großen Hebungen im Verein mit preußischen Truppenteilen lobende Anerkennung aus Allerhöchstem Munde zu finden. Se. Majestät der König haben die Gnade gehabt, mittelst Armeebefehls vom heutigen Tage den Truppen Allerhöchstseine Zufriedenheit zu er kennen zu geben. Mit Freuden ergreife auch Ich die Gelegenheit, dem Armeekorps Meinen herz lichsten Glückwunsch und wärmsten Dank auszu sprechen. — 2. Mit dem heutigen Tage scheidet die l. Eskadron Jäger zu Pferde Nr. 12 aus dem Verlande des Armeekorps aus. Mit Bedauern sehe Ich diese bewährte Truppe scheiden und wünsche ihr auch in den neuen Verhältnissen eine recht glückliche, gedeihliche und, wenn einst Se. Majestät der König ruft, ruhmreiche Zukunft. — Dieser Befehl ist zugleich mit dem Armeebefehl sämtlichen Offizieren, Sanitätsoffizieren, Beamten, Unteroffi zieren und Mannschaften bekannt zu geben." * — Die Mitteilung, daß der General der Infanterie nnd kommandierende General des 19. (2. König!. Sächs.) Armeekorps v. Treitschke aus dem Dienste scheide, entspricht nicht den Tatsachen. Die Sr. Exzellenz von dem König verliehene Stellung L la ;>uit6 des Schützenregiments Nr. 108 stellt eine außerordentliche Auszeichnung des gerade in den Kaffermanöveru hoch verdienten Generals dar und ist deswegen besonders bemerkenswert, weil diese hohe Auszeichnung im Dienst stehenden Offizieren nur ganz selten verliehen wird. General o. Treitschke bleibt nach wie vor bei dem Armee korps, dessen Führung ihm anvertraut ist. * — Tie zur Entlassung gekommenen Mannschaften machen wir auf die Verpflichtung aufmerksam, sich innerhalb 14 Tage bei dem Be- zirksseldwebel anzumelden, dessen Kontrolle sie unterstellt sind. Die Unterlassung dieser Meldung zieht empfindliche Strafe nach sich. Alle mili tärischen schriftlichen Meldungen der Landwehr- männer und Reservisten an das vorgesetzte Be zirkskommando, bezw. Feldwebel, werden von der Post portofrei befördert, wenn die Briese mit dem Venner! „Militaria" versehen und offen (unver schlossen) eingeliesert werden. Erfolgt die Ein- liesenmg zur Post in verschlossenem Umschlag, so genügt die Bezeichnung „Militaria" allein nicht, sondern der Brief muß ein Siegel oder den Stempelabdruck einer öffentlichen Behörde tragen, sonst wird der Brief wie ein unfrankierter behandelt. * — Abänderung der Wahlmänncrwahlcn. In Berücksichtigung von verschiedenen Seiten ge äußerter Wünsche hat das Ministerium des Innern die durch die Verordnung vom 1. September be stimmten Termine für die Ergänzungs- und Ersatz wahlen zur Zweiten Kammer der Stände - Ver sammlung dahin abgeändert, daß die Wahl der Wahlmänner in der 3. Abteilung am 5. Oktober, in der 2. Abteilung nm 6. Oktober und in der 1. Abteilung am 7. Oktober, die Wahl der Ab geordneten aber am 22. Oktober stattzufinden hat. * — Forderung der Quantität und Qua lität der Weizen ertrüge. Ganz wie bei uns klagt man auch im Lager der österreichischen Land wirte darüber, daß die Müller und Bäcker aus wärtiges Getreide dem inländischen vorziehen. Die physiologische Versuchsstation der böhmisch-tech nischen Hochschule in Prag hat, wie deren Assistent