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Hohenstein-Ernstthaler Anzeiger : 27.09.1903
- Erscheinungsdatum
- 1903-09-27
- Sprache
- Deutsch
- Vorlage
- SLUB Dresden
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id1841177954-190309271
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id1841177954-19030927
- OAI
- oai:de:slub-dresden:db:id-1841177954-19030927
- Sammlungen
- Saxonica
- Zeitungen
- LDP: Zeitungen
- Bemerkung
- Fehlende Seiten in der Vorlage
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
-
Zeitung
Hohenstein-Ernstthaler Anzeiger
-
Jahr
1903
-
Monat
1903-09
- Tag 1903-09-27
-
Monat
1903-09
-
Jahr
1903
- Titel
- Hohenstein-Ernstthaler Anzeiger : 27.09.1903
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Beilage zum Hohenstein-Ernstthaler Anzeiger Tageblatt. Sonntag, den 27. September 1903. 30. Jahrgang. Wochenschau. Erfreulich ist es, daß in dem Maße, wie wir der Weihnachtszeit zusteuern, sich die geschäftliche Tätigkeit auf den verschiedensten Industriegebieten belebt. Wir sind noch immer nicht ganz frei von den Nachwirkungen der bösen Konjunktur, die lang sam, aber unerbittlich über uns hereinbrach und trotz zuversichtlichster Prophezeiungen, sie werde schnell vorübergehen, über Jahr und Tag auf unserem geschäftlichen Leben gelastet hat. Aber etwas besser ist es doch schon geworden. Das Vertrauen ist zum guten Teile wieder zurückgekehrt, die deutsche Geschäftswelt hat wieder neuen Unternehmungsgeist gewonnen, die Fabriken und Werkstätten füllen sich wieder, die Verhältnisse auf dem Arbeitsmarkt sind für alle Industriezweige günstiger geworden und bessern sich fortgesetzt. Freilich der ersehnte kräf tige Aufschwung wird erst eintreten, wenn unsere Geschäftswelt über die Gestattung unserer handels politischen Angelegenheiten volle Aufklärung und Beruhigung empfangen hat. Wir haben allen Grund'zu der Annahme, daß wir mit Rußland, Oesterreich, Italien, der Schweiz usw. zu neuen Handelsverträgen auf annehmbarer Grundlage ge langen werden. Wie werden sich aber unsere handelspolitischen Beziehungen zu England und zu den Vereinigten Staaten von Nordamerika ge stalten? Die deutsche Ausfuhr nach England ist eine sehr erhebliche. Gelangen die Chamberlain- schen Pläne zur Ausführung, so erfährt der deutsche Export nach Großbritannien sehr empfindliche Be schränkungen. Daher ist es auch weniger die Sorge um das Schicksal der alten Verträge, deren Er neuerung mit steigender Gewißheit vorausgesetzt wird, als die englische Komplikation, die auf der deutschen Geschäftswelt lastet. Mag aber kommen, was da kommen will, die Leistungsfähigkeit der deutschen Industrie ist heutzutage eine derartige, daß sie von niemandem mehr überboten wird. Das Ausland ist je länger je mehr auf uns angewiesen, an eine Kaltstellung und Ausschließung des deut schen Wettbewerbs ist nicht mehr zu denken. So etwas gibt's ja garnicht. Der Reichskanzler Graf Bülow ist aus seiner monatelangen Zurückgezogenheit mit dem Beginn des Herbstes hervorgetreten. Er hat unsern Kaiser nach Wien begleitet und dort in seinen Beratungen mit dem Grafen Goluchowski dahin gewirkt, daß auch auf dem Balkan nach dem Grundsatz gehandelt wird: Recht muß Recht bleiben. Auch in Danzig befand sich der Kanzler in der Begleitung des Kaisers. Nach Berlin zurückgekehrt, begab sich Graf Bülow nach Dresden, um der dortigen Städte- Ausstellung einen Besuch abzustatten. Bei dieser Gelegenheit hat der Reichskanzler in seiner offi ziellen Ansprache an das Festkomitee eine Aeußer- ung getan, die Zeugnis von dem praktischen Geiste ablegt, der unsern Kaiser und seine Regierung er füllt. Er feierte die im tätigen Leben stehenden Bürgermeister der deutschen Städte als erstklassige Diener dös Staates nnd sprach die Hoffnung aus, daß wir noch manchen Bürgermeister als Minister oder als Oberpräsidenten erleben würden. Das ist eine Absage an den grünen Tisch und seinen For malismus und ein Bekenntnis, daß uns Männer mit praktischer Lebenserfahrung auch im Staats dienste besonders not tun. Das war ein Ausspruch nach dem Sinne Goethes: „Grau, teurer Freund, ist alle Theorie, — doch ewig grün des Lebens goldner Baum!" Am politischen Horizont der Auslandsstaaten fallen noch immer sehr viel mehr düstere Wolken als Sonnenblicke ins Auge. Der englischen Re gierung macht der Uebergang von der Handels freiheit zum Schutzzoll unablässig schwere Sorge. Chamberlain hat in diesem Kampfe die Führung übernommen und hofft mit dem ihm eigenen starken Selbstbewußtsein auf baldigen Sieg. Das englische Volk will aber von einer Verteuerung seiner wich tigsten Lebensmittel durch hohe Einfuhrzölle so wenig wissen, daß in objektiv urteilenden Kreisen nach wie vor die Meinung überwiegt, das Er gebnis der Neuwahlen würde gleichbedeutend mit der Verurteilung der geplanten Einführung des Schutzzolles sein. Chamberlain selbst hat vor gebeugt, der Blitz kann ihn nicht treffen, wohl aber kann ihn ein günstiger Ausfall der Wahlen auf die Höhe des Kabinetchefs erheben. Chamber lain versteht aber nicht nur seine politischen Ziele mit Energie und Geschick zu verfolgen, sondern auch seine werte Person in erwünschter Weise zu decken. Außer der handelspolitischen Frage bereiten die Vorgänge in China und auf dem Balkan den Engländern bitteren Verdruß. Hier wie dort schreitet Rußland einfach über ihren Kopf hinweg. In China haben alle Bemühungen des seelens guten John Bull, Verwickelungen wegen der Mand schureifrage herbeizuführen, mit einem schmerzlichen Fiasko geendigt und auf dem Balkan ist es ihm erst recht nicht möglich, eine Situation zu schaffen, die ihm sein bevorzugtes Handwerk, im Trüben zu fischen, auszuüben gestattet. Sehr trübe ist die Lage nach wie vor in Oester reich und in Ungarn. In beiden Reichshälften weist das politische Barometer auf Sturm. Die parlamentarischen Verhandlungen lassen nichts gutes erwarten. Besonders haben die Bemühungen des Kaisers, die erregten Ungarn zu besänftigen, keinerlei Erfolg gehabt. Die Ungarn bestehen auf ihren durch nichts gerechtfertigten Forderungen in der Armeefrage, der Einführung der ungarischen Kommandosprache im Heere usw. Kaiser Franz Josef kann und wird diesen Forderungen im In teresse der Einheitlichkeit der österreichisch-ungarischen Wehrmacht nicht entsprechen. Ein Ausweg aus diesem Dilemma ist nicht zu erkennen. Angesichts dieser ernsten Verwickelung will es auch wenig be sagen, daß die ungarische Ministerkrise durch die Wiederernennung des Grafen Khuen - Hedervary zum Ministerpräsidenten formell beigelegt ist. Was ist ein ungarischer Kabinetschef, der im dortigen Reichstage keine Majorität besitzt! Ohne Ver fassungsbruch, d. h. ohne die Auflösung des Reichs tages trotz des Nx-Iex-Zustandes wird es also nicht abgehen. Es fragt sich nur, ob die Neuwahlen einen Weg zu geordneten Zuständen eröffnen werden. Auf den: Balkan halten Rußland und Oester reich-Ungarn gewissenhafte und treue Wacht, und es ist für die friedliche Entwickelung und Lösung der Balkansrage von ausschlaggebender Bedeutung, daß Deutschland sich im vollen Einvernehmen mit den politischen Maßnahmen der beiden anderen Kaisermächte befindet, die in erster Linie zur Ent wirrung der vielverschlungenen Balkanfäden berufen sind. Es ist nicht zu verkennen, daß der Besuch unseres Kaisers in Wien und die bei dieser Ge legenheit zwischen den leitenden Staatsmännern Deutschlands und Oesterreich - Ungarns geführten Verhandlungen ganz wesentlich dazu beigetragen haben, daß die russisch-österreichische Balkanpolitik vorurteilsfrei nur den Geboten unbestechlicher Ge rechtigkeit gehorcht. In den gegenwärtigen Wirren steht das Recht auf der Seite der Türkei; dieser Tatsache entsprechend wird von den zunächst be teiligten Großmächten gehandelt werden. Bulgarien ist auf das eindringlichste verwarnt und auf die notwendigen Folgen etwaiger Unbedachtsamkeiten aufmerksam gemacht worden. Bulgarien weiß, daß es in einem Kriege gegen die Türkei nicht nur keine Unterstützung seitens der Großmächte zu er warten habe, sondern daß an der Landkarte des Balkans, der Krieg möge ausfallen, wie er wolle, keine Aenderung vollzogen werden würde. Auch ist Bulgarien in nicht mißzuverstehender Weise auf sein Vasallenverhältnis zur Türkei hingewiesen worden. Die deutsche Zlukerbesteuerung. Die billigen Zuckerpreise, welche unsere verehrt. Kaufleute jetzt zu stellen in der Lage sind, haben das konsumierende Publikum mit hoher Befrie digung erfüllt. Das Allgemein-Jnteresse, das jede Hausfrau, jeder Haushaltungsvorstand an diesem Gegenstände hat, veranlassen uns zu nachstehender kritischen Würdigung der Zuckersteuer, welche wir dem „Dresdener Anzeiger" entnehmen. Dort heißt es: Seit dem 1. September d. I. ist die Brüsseler Zuckerkonvention in Kraft ge treten. Damit wird eine neue Epoche in der inter nationalen Wirtschaftsgeschichte eingeleitet. Die zur Zeit noch nicht abzusehende Bedeutung dieses gemeinsamen Vorgehens liegt einerseits in dem ungewöhnlich steigenden Zuckerkonsum der Völker — für einzelne beginnt er bereits Nahrungsmittel zu werden —, anderseits in der gleichmäßigen Be handlung eines bisher von der Finanzpolitik sehr verschieden beurteilten Steuerobjektes. Zucker ist an sich kein übles Steuerobjekt, da er ein sehr verbreitetes Genußmittel vor allem der Wohlhabenden bildet und somit der Umfang des Konsums in einem gewissen Verhältnis zur Leist ungsfähigkeit steht. Weiter kann die Steuer nach der Qualität des Zuckers abgestuft werden Auch ist die Erhebung der Zuckersteuer nicht schwierig, weil der Zucker mit Vorteil im großen produziert wird. Doch zeigt die Zuckerstener auch Mängel. Da sie aus steuertechnischen Gründen vom Pro duzenten erhoben werden muß, ist Vie Ueberwälzung von diesem auf den Konsumenten, der ja getroffen werden soll, ost unzulänglich. Bei den indirekten Steuern gilt es nämlich, das zu besteuernde Objekt möglichst unmittelbar vor der Konsumtion zu er fassen. Ferner ergeben sich Schwierigkeiten, den Zuckergehalt sicher zu bestimmen, um die Steuer vom Rübenzucker, den Zoll vom Rohrzucker und die Ausfuhrvergütungen in ein richtiges Verhält nis zu setzen, damit diese nicht Ausfuhrprämien werden, welche die inländische Zuckersteuer leicht aufzehren können. Die älteste Besteuerungs art des Zuckers ist der Zoll. Solange der Zucker nur unter der Sonne des Südens gedieh, bot seine Besteuerung keine besonderen Schwierigkeiten. Der Znckerzoll war jedem anderen Zoll wesensgleich und trug den Charakter eines reinen Finanzzolles. Aus gesundheitlichen Rücksichten wäre eine gänz liche Zollsreiheit dieses nährwertreichen Genuß mittels auch einer müßigen Besteuerung entschieden vorzuziehen gewesen. Doch die Finanzwirtschaft der Staaten war auch früher selten so gut bestellt, daß ein entbehrliches Genußmittel der Steuer schraube entgehen durfte. Nur England und Nord amerika haben im Hinblick auf den außerordentlich hohen Zuckerkonsum ihrer Bevölkerung eine Zeit lang von einer Heranziehung des Zuckers zur Deckung des staatlichen Finanzbedarfes abgesehen. Mit der sich allmählich entwickelnden Rrlbxli- zuckerindustrie nahm der Zuckerzoll je länger je mehr den Charakter eines Schutzzolles an. Nicht sofort mit der Entdeckung des Zuckergehaltes der Runkelrüben durch den Berliner Chemiker Marg graf (1749) begann auch die Rübenzuckergewinnung. Erst den rastlosen Bemühungen eines geistvollen Achard gelang es nach vieljährigen Versuchen (1799 bis 1809), die technische Verwendung der deutschen Erfindung auf seinem Gute Kunern in Niederschlesien durchzusetzen. Indes konnte dieser junge Industriezweig unter dem Drucke der na poleonischen Fremdherrschaft und deren Kriegs wirren nicht recht gedeihen. Und wie es deutschem Fleiße und Erfindungsgeiste oft erging, daß fremde Nationen seine Errungenschaften sich nutzbar machten, so auch hier. Frankreich und Rußland, ersteres besonders unter dem Einflüsse der Kontinental sperre, befanden sich bald in einem stattlichen Be sitze mannigfach verbesserter Fabriken. Doch deutsche Energie errang sich im Laufe der Zeit eine welt beherrschende Stellung auf dem Gebiete der Rüben zuckerindustrie, so daß das Deutsche Reich noch heute hierin an der Spitze aller Völker marschiert. Die Höhe des Zuckerzolles betrug 1869 : 15 M. vom Zentner Raffinade und 12 M. vom Roh zucker im allgemeinen. Seit 1888 wurden unter schiedslos 15 M., 1892 18 M. und zuletzt 1896 20 M. erhoben. Nach der Brüsseler Konvention muß er jedoch ermäßigt werden, da er nur in Form einer „Uebertaxe", d. i. Differenz zwischen Steuer und Zoll, von höchstens 5^^ bis 6 Frank für den Doppelzentner Raffinade, resp. Rohzucker erhoben werden darf. Neben den Zuckerzoll, der als Schutz für die inländische Zuckerindustrie gegen den Auslandszucker gerichtet war, trat 1841 — als erste deutsche Steuer die Rübensteuer — eine nach dem Gewichte der verarbeiteten Rüben erhobene Ma terialsteuer; die das im Inland erzeugte und ver brauchte Produkt mit einer Steuer belegte. Die Rübensteuer ist für die Entwickelung der deutschen Zuckerindustrie von ganz eminenter Be deutung gewesen, da sie bei leichter Kontrolle und geringer Produktionsbeschränkung ungemein fördernd sowohl auf die Technik der Zuckerindustrie selbst, als auch auf die Veredelung des Rohmaterials einwirkte. Man war stetig bemüht, die Maschinen und den Betrieb nach der Richtung hin zu ver bessern, daß der Zucker dem Rohmaterial möglichst vollständig entzogen wurde, und wendete alle Hilfs mittel an, welche die Landwirtschaftslehre darbietet, um den Zuckergehalt der Rüben zu erhöhen. Auf diese Weise verteilte sich die vom Rohmaterial entrichtete Steuer auf eine größere Menge Zucker und mußte dem deutschen Zucker den Wettbewerb auf dem Weltmärkte wesentlich erleichtern. Die erziehliche Kraft — Frankreich hat seine Zucker industrie durch die 1887 eingeführte Materialsteuer zu neuer Blüte gebracht — dieser Besteuerungsart kommt in folgenden Zahlen zum Ausdruck. Zur Herstellung von 100 kß- Rohzucker brauchte man 1840 1850 1860 1870 1880 1890 1900 1700 1380 1160 1160 1106 795 672 kx Das Ergebnis des Kampfes, in dem die Technik mit der Steuer lag, gipfelte hiernach in einem äußerst rationellen Produktionsverfahren. Und doch hatte dieser Steuermodus auch seine Nachteile. Unter der Herrschaft der Materialsteuer wurden nämlich die großen Betriebe mit guten Apparaten den kleinen Betrieben gegenüber stark bevorzugt, desgleichen die Gegenden mit „geborenem Rüben boden" (z. B. Prov. Sachsen, Anhalt) gegenüber minder guten, Rübenlande. Die durch dieses Steuersystem gesteigerten ungleichen Produktions bedingungen erschwerten eine auch nur annähernd richtige Bemessung der Steuerrückvergütung des exportierten Zuckers ganz ungemein, zumal die Materialsteuern für Exportvergütungen überhaupt ungeeignet sind. Selbst bei mäßigen Sätzen kann die zurück erstattete Steuer für denjenigen, der unter güns tigeren Verhältnissen produziert, den Charakt-r einer Ausfuhrprämie annehmen. Am 1. August 1892 wurde die Materialsteuer gänzlich beseitigt, nachdem bereits seit 1888 neben ihr gleichzeitig die Fabrikatsteuer bestanden hatte. Die Verbindung beider Steuerarten war deshalb geboten, damit diejenigen, welche guten Rübenboden zu hohen Preisen gekauft hatten, durch einen plötzlichen Uebergang nicht geschädigt wurden. Durch die Gesetze von 1891 und 1895 ging man schließlich zur reinen Fabrikatsteuer über. Diese Abgaben wurden noch durch eine an sich niedrige, aber mit dem Umfange der Produktion der einzelnen Fab riken steigende kleine Betriebssteuer ergänzt, um die Großbetriebe progressiv zu belasten. Nach dem Vorgehen Frankreichs und Oesterreichs, die ihrem Zucker im Auslande Absatz verschaffen wollten, gewährte auch das Deutsche Reich direkte oder offene Ausfuhrprämien. Damit fielen aber die seit 1861 eingeführten Steuerrückvergütungen. Durch Gesetz von 1896 wurden die Ausfuhrzu schüsse verdoppelt, so daß sie für 1 Zentner Roh zucker 1 Mark 25 Pfg. betrugen. Die anfänglich geplante Verminderung derselben blieb also aus. Der Zweck dieser Steuerpolitik war die Erhaltung der Konkurrenzfähigkeit des deutschen Zuckers auf dem internationalen Markte. Die Wirknngen dieser Besteuerungsart führten zu einer sprunghaften, fast ins Riesenhafte gehen den Zuckerproduktion, da nun auch, und zwar in folge der gleichmäßigen Auflage, in den mittel ¬ guten Rübenländereien (Ostelbien) mit Erfolg Rüben angebaut werden konnten. Zur Abwehr der Ueberproduktion führte die Reichsregierung eine Kontingentierung der Gesamtproduktion ein, die jährlich nach einer festgesetzten Staffel wuchs. Für jeden über die jeweilig vorgeschriebene Menge hinaus produzierten Zentner Zucker mußte ein Zuschlag von 1 Mark 25 Pfg. entrichtet werden. Weiter führte dieses Steuersystem zu einer unheil vollen Begünstigung von Zuckerkartellen, die bei hohen Inlandspreisen das Ausland zu Spott preisen mit Zucker versorgten. Diese Zustände waren indes nur so lange halt bar, als es an einer internationalen Verständigung hierüber fehlte. Angeregt wurde diese von Eng land, das zur Begünstigung seiner Kolonien und deren Rohrzuckerproduktion sich zu diesem Schritte gedrängt sah. In der Brüsseler Konvention von 1902 einigten sich England, Deutschland, Oester reich, Holland, Belgien und Frankreich dahin, daß vom 1. September 1903 an weder direkt, noch indirekt Ausfuhrprämien auf Zucker gewährt wer den sollten, daß der durch solche Prämien be günstigte Zucker mit einem entsprechenden Extrazoll zu belasten sei, und daß die Uebertaxe von 5'/, bis 6 Franks für 100 lex nicht überschritten wer den dürfe. Damit kommt die Prämie von 3 Mk. 55 Pfg. auf 100 kA Raffinade und jedweder Kartellnutzen in Wegfall; das Deutsche Reich er spart sich seine Ausfuhrprämien; der Extrazoll verhütete inländische Kartelle, welche überdies auch selbst Prämien geben könnten. Die Herabsetzung der Zuckersteuec von 10 auf 7 Mk. pro Zentner und der Fortfall der Betriebssteuer erniedrigen die Zuckerpreise und begünstigen den inländischen Kon sum. Der internationale Konkurrenzkampf aber, namentlich mit dem Rohrzucker des Auslandes, wird nun mit aller Kraft entbrennen, und dies wird um so fühlbarer werden, als Rußland bei seinem vorwiegend asiatischen Export und Amerika sich der Konvention nicht angeschlossen haben. Die Kasseler Naturforscher- Versammlung. Von der 75. Versammlung Deutscher Natur forscher und Aerzte zu Kassel erhallen wir unter dem 22. d. Mts. von einem Teilnehmer folgenden Bericht: Kassel, 22. September. Der heutige zweite Verhandlungstag war an äußerem Pomp lange nicht so reich, wie der gestrige Eröffnungstag, brachte aber dafür eine desto reichere Ausbeute an praktischen, eine größere Oeffentlichkeit in teressierenden Ergebnissen. Am meisten Beobachtung sand der Vortrag eines jungen Berliner Hygienikers, Dr. Th. Zlocisti, über „Die Steigerung der Milch sekretion bei stillenden Müttern." Es handelt sich hierbei, wie der Redner, gestützt auf ein umfang reiches statistisches Zahlenmaterial, ausführte, um eine der wichtigsten hygienischen Fragen der Gegen wart, von der Arbeits- und Wehrkraft unseres Volkes in hohem Maße abhängt. Durch die Ver sagung der natürlichen Nahrung, durch die Er nährung mit der Flasche, gehen alljährlich direkt und indirekt Hunderttausende von unschuldigen Säuglingen an Brechdurchfall und anderen Krank heiten zu Grunde. Redner tritt daher mit Leiden schaftlichkeit für die Forderung ein, daß jede Mutter mindestens 9 Monate lang ihr Kind selbst stille. Die Unfähigkeit, zu stillen, sei keineswegs so ver breitet, als Bequemlichkeit und Leichtsinn gerne glauben machen möchten. Wo tatsächlich Milch mangel besteht, empfiehlt Redner auf Grund zahl reicher Beobachtungen das Lactogol, das nicht nur die Milch der Menge nach vermehrt, sondern sie auch i n ihrer Beschaffenheit (Fett- und Eiweiß gehalt) verbessert, dabei gleichzeitig die Nährende vor den schwächenden Folgen des Stillens schützt. Das Mittel wird täglich zu 3—4 Teelöfeln, am besten in Milch, gegeben und ist in Apotheken und Drogerien auch ohne ärztliches Rezept erhältlich. Ferner verlangt Redner den staatlichen Schutz der stillenden Frau gegen die Störungen in der Er füllung ihrer Mutterpflicht, die sich oft aus dem Arbeitsverhältniffe ergeben. Der Staat habe das größte Interesse daran, ein arbeits- und wehr fähiges Geschlecht heranzuziehen und dürfe zu diesem Zwecke auch vor großen Opfern nicht zu rückschrecken. — Ein ebenfalls sehr interessanter Vortrag war der des Herrn Stabsarzt Dr. Sickinger aus Brünn über die hygienische Bedeutung der Zahnpflege. Auch dieser Äedner verfügt über ein sehr umfangreiches statistisches Zahlenmaterial, aus dem sich die betrübende Tatsache ergibt, daß die Zahnkrankheiten, die die unmittelbare Ursache an derer schwerer, oft tätlich verlaufender Krankheiten sein können, in steter Zunahme begriffen sind. Besonders bemerkenswert war die Feststellung des Referenten, daß Alkoholismus der Eltern, nament lich der reichliche Genuß von Branntwein, stets bei der Nachkommenschaft schlechte Zähne zur Folge hat. Die weiteren Vorträge des Tages in der Abteilung für Hygiene waren ausschließlich spezial ärztlicher Natur, die zwar für die Wissenschaft von hoher Bedeutung sind, aber für weitere Kreise wenig Interesse darbieten. Die Verhandlungen wurden in allen Abteilungen früh abgebrochen, da bereits um 6 Uhr schon das offizielle Festmahl in der Festhalle begann.
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