Suche löschen...
Hohenstein-Ernstthaler Anzeiger : 11.09.1903
- Erscheinungsdatum
- 1903-09-11
- Sprache
- Deutsch
- Vorlage
- SLUB Dresden
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id1841177954-190309112
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id1841177954-19030911
- OAI
- oai:de:slub-dresden:db:id-1841177954-19030911
- Sammlungen
- Zeitungen
- Saxonica
- LDP: Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
-
Zeitung
Hohenstein-Ernstthaler Anzeiger
-
Jahr
1903
-
Monat
1903-09
- Tag 1903-09-11
-
Monat
1903-09
-
Jahr
1903
- Titel
- Hohenstein-Ernstthaler Anzeiger : 11.09.1903
- Autor
- Links
- Downloads
- Einzelseite als Bild herunterladen (JPG)
-
Volltext Seite (XML)
in den Rhein. Die Frau und ein Kind ertranken; da« zweite konnte gerettet werden. Häuslicher Un frieden war die Ursache der unseligen Tat. * Au« Dortmund schreibt man. Der hier woh nende Unternehmer Georg Gundlach schoß auf einem Neubau nach voraufgegangenem Wortwechsel auf seine Arbeiter. Drei derselben wurden verletzt, da runter der Vorarbeiter Kramer schwer durch einen Schuß in den Hal« ; weitere Kugeln gingen fehl. Gundlach wurde verhaftet. * Frankfurt a. M., 9. Sept. Amtlich wird gemeldet: Zu dem Attentat auf den Frankfurt- Berliner D-Zug Nr. 4 bei Mühlheim am Main, wo eine 10 Zentner schwere Eisenbahnschiene quer über die Geleise gelegt war, hat die Untersuchung ergeben, daß der Täter der Hilfsbahnwärter Kaiser selbst gewesen ist. Er hat die Tat begangen, um zu einer Belohnung und zur festen Anstellung zu gelangen. Kaiser hatte sich bei seiner gestrigen Vernehmung durch die Staatsanwaltschaft in Widersprüche verwickelt und schließlich die Täter schaft zugestanden. Er wurde verhaftet. * Nürnberg, s. September. Die zwischen den Arbeitgebern und Arbeitnehmern im Feingoldschläger gewerbe in Nürnberg und Schwabach entstandenen Differenzen sind beigelegt. Die wegen Ueberpro- duktion erfolgte Schließung sämtlicher Werkstätten wird am 18. September aufgehoben. * Eger, 10. Sept. Die Polizei verhaftete einen Mann, welcher sich Hüller aus Kaiserslautern nennt und bei dem Wertpapiere in Höhe von 40000 Mark, die von einem großen Diebstahl henühren, gefunden wurden. * Teplitz, 9. Sept. Nachts wurde im hiesigen Parke ein Bubenstreich vollführt. Bisher unbe- kannte Täter haben das Seume-Denkmal in der schändlichsten Weise besudelt. DaS Attentat war vorbereitet, denn eS wurde durch das Werfen von Eierschalen, die mit Eisenlack gefüllt waren, verübt. In der Bevölkerung herrscht lebhafter Unwillen, umsomehr, als man an Motive denkt, jenen ähnlich, die seinerzeit die Beschädigung des Anastasius.Grün- Denkmals in Laibach veranlaßt haben. * Budapest, 10. September. In der Gemeinde Endred bei Oedenburg kamen bei einem Brande zwei Frauen und vier Kinder ums Leben. * Paris, 9. Sept. In Abbeville hat sich ein auS Paris stammender Buchhalter mit seiner Frau und drei Töchtern in einem dortigen Teiche ertränkt. Wie es heißt, soll Geldnot die Ursache des fünf fachen Selbstmordes sein. * Clermont Ferrand, 10. September. Der Kommandeur des 13. Armeekorps hat die Bestra fung des Soldaten Gey, der sich aus religiösen Gründen weigerte, eine Waffe in die Hand zu nehmen und deshalb zu acht Tagen Gefängnis verurteilt worden war, aufgehoben. Der Soldat wurde nun mehr nach einer Uebung von 28 Tagen entlassen. * Kopenhagen, 9. September. Bei Kopenhagen ereignete sich em bedauerlicher Unglückrsall. Vier Personen unternahmen eine Bootsahrt; eine Dame verlor den Hut und stürzte, als sie ihn ergreifen wollte, in« Wasser. Ihr Verlobter versuchte sie zu retten, ging aber mit ihr unter, sodaß beide ertranken. * Ein gewissenhafter Zechpreller, der über seine Betrügereien Buch führte, wurde in München im Augustiner an der Neuhauscrstraße sestgenommen. Man fand bei ihm nach dem Fränk. Kur. eine Liste, auf der 22 Zechprellereien notiert waren und zwar jede mit der genauen Angabe, in welchem Lokal sie verübt wurde, wie die betrogene Kellnerin aussieht und mit welchem Betrag ec ihr durchge gangen ist unter Aufzählung der genossenen Speisen und Getränke. Man depeschierte an den Vater des 18jährigen Missetäters, worauf sofort der Gesamt betrag dec Zechschuld telegraphisch angewiesen wurde. * Der eigene Sohn Im Hamburger Vor ort Borgfelde war der 21 Jahre alte Sohn einer angesehenen Familie, der bereits vorbestraft war, au« dem elterlichen Hause verwiesen worden. Am Freitag Abend war der Vater zu einer Geburts tagsfeier geladen. Als er aus dem Heimwege gegen Mitternacht eine einsame Stelle passierte, sprangen plötzlich aus dem Gebüsch zwei Wegelagerer hervor und packten den Mann unter der Drohung, ihn lotzuschlagen, wenn er nicht sein Geld hergebe. Der Uebersallene setzte sich zur Wehr und erkannte beim Schein einer Straßenlaterne zu seinem Entsetzen in dem einen Straßenräuber seinen eigenen Sohn. Inzwischen waren aus seine Hilferufe auch schon Leute herbeigeeilt; indes entkamen die Räuber unter dem Schutze der Dunkelheit. * Gattenmordversuch. Der pensionierte Brief träger Müller in Eulendorf bei Pleschen lebte mit seiner Frau in fortwährendem Zwist, da er stark dem Trünke ergeben war. Die Frau wurde au« Gram hierüber tiefsinnig. Wiederholte Aeußer- ungen ließen darauf schließen, daß sie mit dem Ge danken umging, ihren Mann umzubrtngen. Al« dieser am 1. September wieder betrunken spät nach Hause kam, fand er keinen Einlaß. Es mußten erst der Schulze und der Schmied geholt werden, welche die Tür gewaltsam öffneten. Den Sedantag konnte der Mann auch nicht ungeseiert vorübergehen lassen. Daß beide Male eine sehr erregte Aussprache statt fand ist selbstverständlich. Sonnabend früh nun stand die Frau auf, machte Wasser heiß und goß diese« kochend dem schlaftrunkenen Manne über da« Gesicht. Dieser mußte da« Herannahen seiner Frau wohl gemerkt haben, denn er konnte noch die Arme über da« Gesicht halten. Diesem Umstande ist e« zu danken, daß die Augen verschont blieben, wäh rend Stirn, Arme, Hals und Brust schrecklich verbrüht wurden. Der Mann mußte vor der Frau, welche ihn noch mit einem scharfen Messer bedrohte, auf den Boden flüchten, wo er durch die auf seine Hilferufe herbeigeeilten Nachbarn befreit wurde. Die Blüte des Bagno. Roman von Goron und Emile Gautier. 5». Fortsetzung. (Nachdruck verboten.) 23. Kapitel. In seinem Bureau, den Kopf in beide Hände gestützt, saß der Direktor des Sicherheitsdienstes in großer Sorge. Er kaute an einer Zigarette herum, die ihm in seiner Zerstreutheit ausgegangen war. Der Direktor dieses weitverzweigten, wichtigen Dienstes ist heutzutage nicht mehr jene Ausgeburt des „SpitzelhandwerkS", welches die Restauration und die famose Juliregierung zeitigten, sondern eine würdige, angesehene Persönlichkeit, die aus der kleinen Zahl der verdienstvollen und intelligentesten Polizeikommissare auSgewählt wird. Aber trotz der komfortablen Umgebung war Herr Cardec, der derzeitige Direktor der Sicherheits polizei oder sogenannten Geheimpolizei, ganz misc- rabler Laune. Er, der seine Laufbahn mit solch eklatanten Beweisen seiner Geschicklichkeit und seines Spürsinns angefangen, der von allen Leuten deshalb bewundert wurde; er, der eine erstaunlich glückliche Hand hatte in allen Untersuchungen, die er begann, wurde seit einigen Monaten von anhaltendem Mißgeschick ver folgt. Zuerst war e» eine Einbrecherbande, die mit mathematscher Sicherheit Privathäuser, deren Be sitzer abwesend waren, ausraubte. Man hätte schwören mögen, daß die Diebe mit den Besitzern unter einer Decke steckten, so genau waren die Kerle über die kleinsten Details unterrichtet. Alle Versprechungen doppelter und dreifacher Belohnung für die Ergreifung der Diebe waren nutzlos. Die besten Detekrives erwiesen sich als unfähig. Aber daS wäre noch gar nichts gewesen. Am helllichten Tage hatte man einen Wagen der Banque de France ausgeraubt, was den Po- lizei-Präfekten in solchen Zorn versetzte, daß er schwur, die Verbrecher zu entdecken. Ec hatte gut reden, der Polizei-Präfekt! Die Räuber hatten vergessen, ihre Visitenkarten in dem Wagen der Bank zurück zulassen. In Ermangelung von Besserem hatte man ein Dutzend Taugenichtse arretiert, denen man zwar ohne weiteres einen solchen Koup zutrauen konnte, die aber leider alle ihre Unschuld nachzuweisen im stande waren. Man wußte nur, daß die geraubten Wertpa piere und Gelder nach England gebracht worden waren. Aber wer hatte sie dorthin geschafft? Um dem Mißgeschick des armen Direktors die Krone aufzusetzen, hatte man den Rumpf einer Frau, der unzählige Dolchstiche zeigte, aus der Seine ge fischt. Der Sakristan einer der größten Kirchen von Paris entdeckte z". seinem Entsetzen zur selben Zeit in einem Beichtstuhl zwei Beine, die dem Opfer dieses Mordes anzugehören schienen. Den Kopf, bis zur Unkenntlichkeit verstümmelt, fand man unter dem Sopha eines der elegantesten Kaffeehäuser der Boulevards. Kein besonderes Merkmal war zu finden, um die Identität der Ermordeten festzustellen. Die ganze Mannschaft war aus der Suche. Der Chef zermarterte sich das Gehirn Tag und Nacht. Alles umsonst. Der Polizei-Präfekt ließ jeden Morgen fragen, ob endlich etwas entdeckt sei. Und jeden Morgen bekam er eine negative Antwort, was ihn von Tag zu Tag mehr in Aufregung versetzte. Die Zeitungen, welche ehemals nicht genug die Spülsicherheit des „Musterpolizisten" rühmen konnten, fingen an, sich über seine Unfähigkeit lustig zu machen. Die Kritiken, die Spötteleien und Nadelstiche waren ebenso unangenehm verletzend wie gefährlich für den bedauernswerten Herrn Cardec, welcher sich doch nichts vorwerfen konnte und schuldlos da ran war, daß sein Ruf an Klang verlor und seine Stellung untergraben wurde. Ueber alles das dachte er in seinem Bureau nach und suchte vergeblich einen Ausweg aus dieser gefährlichen Situation, ein Mittel, um sein ver lorenes Prestige wieder aufzurichten. Man klopfte vorsichtig an. „Herein!" rief er. Die Türe wurde halb aufgemacht, und der Bureaudiener erschien in der Spalte. „WaS gibt's denn schon wieder?" herrschte ihn der Direktor an. „Ich habe Ihnen doch gesagt, daß ich nicht gestört sein will." „ES ist eine Dame draußen, die den Herrn Direktor zu sprechen wünscht." „Eine Dame ? Hat sie ihren Namen genannt?" „Hier, Herr Direktor," antwortete die Ordonnanz, indem sie dem Direktor eine schwarzumränderte Visitenkarte reichte. Herr Cardec las: „Madame Lavardens Wwe." „Kenne ich nicht!" sag e er. „Wie sieht sie denn aus ?" „Schöne Frau, schwarzes Haar, in großer Trauer." „Wahrscheinlich irgend eine Witwe, die meinen Schutz beansprucht. Die hätte den Augenblick günstiger wählen können!" murmelte Cardec. „Führen Sie sie zum Subdirektor oder vielmehr ganz einfach zum Sekretär. Ich habe jetzt keine Zeit, um sie zu empfangen." Der Bureaudiencr machte eine Verbeugung und verschwand. „Witwe Lavardens," sagte der Chef zu sich selbst, „wer ist daS? Alle Welt glaubt das Recht zu haben, einen zu stören." Die Türe öffnete sich, und der Diener kam zu rück. „Schon wieder?" fragte ungeduldig Cardec. „Die Dame besteht darauf, Sic persönlich sprechen zu müssen. Sie sagte, daß sie Ihnen eine Mit teilung von höchster Wichtigkeit zu machen habe." „Gut. Lassen Sie sie eintreten. Vielleicht hat sie wirklich etwas, das mich interessieren könnte." Der Diener kam gleich darauf mit einer schwarz, gekleideten Dame zurück und schloß die Tür hinter ihr. Der Chef der Geheimpolizei warf einen schnellen lauernden Blick auf die aufdringliche Be sucherin. Oliva Lavardens schien in ihren langen Trauer kleidern noch schöner geworden. Cardec war betroffen von dem Ausdruck des Schmerzes und der Vornehmheit, den die Züge der Dame zeigten, und instinktiv fühlte er Respekt und Sympathie für sie. „Wollen Sie, bitte, Platz nehmen, gnädige Frau," sagte er und bot ihr einen Fauteuil an, „WaS führt Sie zu mir?" Madame Lavardens setzte sich, und indem sie ihn mit ihren großen, schwarzen Augen ansah» be gann sie: „Entschuldigen Sie, bitte, daß ich darauf be stand, Sie selbst zu sprechen und nicht einen Ihrer Untergebenen. Wie ich schon Ihrer Ordonnanz sagte, Herr Direktor, meine Mitteilungen sind von größter Wichtigkeit." „Fassen Sie sich, bitte, etwas kürzer, gnädige Frau." „Ich komme, um Ihnen einen großen Verbrecher zu denunzieren." DaS gab dem Chef der Sicherheitspolizei einen Ruck. Ein großer Verbrecher! Handelte eL sich vielleicht gar um den Mörder der zerstückelten Frauenleiche? „Ein großer Verbrecher?" wiederholte er. „Jawohl," fuhr Oliva fort, „ich kann sogar sagen, eine der abgefeimtesten Kreaturen, die je auf der Erde herumwandelten." „Und wie heißt er?" fragte Cardec gespannt. „Gaston Rozen." „Verzeihung, gnädige Frau," sagte der Chef der Gcheimpolizei, während er die Sprecherin scharf ansah, „ich glaube nicht recht verstanden zu haben. Sie nannten?" „Gaston Rozen . . . O, ich weiß, Sie werden mir bemerken, daß Gaston Rozen tot ist, daß er auf der Flucht von den Galeeren in Guyana um gekommen ist, daß man seinen Leichnam am User des Marroni gefunden hat Ich weiß das alles. Aber ich weiß auch, daß Easton Roz?n verschlagen genug war, um die Wachsamkeit der geschicktesten, hellsehendsten Polizei zu täuschen, und gerade, weil man ihn tot glaubt, fährt er fort, in aller Ruhe den früheren Verbrechen neue anzu reihen." „Ich nehme an, gnädige Frau, daß das, was Sie mir sagen, wahr ist; doch möchte ich Sie bitten, wir zu erklären, worauf Sie Ihre Beschuldigung begründen." „Auf einen sehr traurigen Vorfall, tief schmerz, lich für mich," nahm Frau Lavardens den Bericht wieder auf und trocknete einige Tränen mit ihrem Taschentuch. „Mein Mano ist ermordet worden, und sein Mörder ist dieser Rozen." „Schon wieder ein Verbrechen," rief der Poli zeichef aus. „Ein Mord .... in Paris?" „Nein in der Provinz, zwischen Rouen und Havre, auf der Eisenbahn." „Auf der Ostbahn? Allerdings, ich erinnere mich, darüber etwas gelesen zu haben. Aber es scheint mir, daß von einem Unglücksfall die Rede war?" „Ja, daS behauptet die Untersuchung der dortigen Polizei. Aber ich, mein Herr, ich weiß, woran ich mich zu halten habe. Ich bleibe dabei, daß es sich um einen Mord handelt." „Wenn aber doch eine Untersuchung geführt worden ist, gnädige Frau . . . ." „Sie ist mit einem Vorurteil begonnen worden. Ein einziger dec Beamten schien Lust zu haben, genauer zu untersuchen; der andere und der Arzt, besonders der Arzt, haben ihn daran verhindert." Der Chef der Sicherheitspolizei hatte anfangs einen Hoffnungsschimmer leuchten sehen. Wenn diese Frau vor ihm die Wahrheit sprach, wenn sie irgend einen Beleg, einen Bewers herbei- gebracht hätte, um zu bekräftigen, was sie ver mutete und glaubte, wenn dieser berühmte Bandit Rozen wirklich durch ein geschicktes Manöver die Wachsamkeit der Polizei getäuscht hatte, dann konnte man ihm getrost alle die Verbrechen in die Schuhe schieben, deren Urheber unauffindbar geblieben waren. Aber sie sprach ihm von einem Unglücksfall, der sich in der Nähe von Havre zugetragen hatte und von welchem die Zeitungen kaum Notiz ge nommen .... Welche Beziehungen konnte dieser Unfall mit dem sagenhaften Gauner haben, dessen Erinnerung sie wieder weckte I „Ich muß Ihnen bemerken, gnädige Frau," sagte er in stark abgekühltem Tone, „daß Sie mir da von einer Affäre sprechen, deren Untersuchung ich nicht kenne und die außerhalb meines Wirkungs kreises liegt. Abgesehen von außerordentlichen Be fehlen, beschränkt sich meine Tätigkeit auf Paris und das, was dort vorgeht." „Aber Rozen wohnt ja in Paris. Hier in Paris hat er den Mordanschlag .vorbereitet, dem mein armer Charles zum Opfer fiel. Bitte, bitte, hören Sie mich noch einige Augenblicke an, mein Herr, in wenigen Minuten werden Sie hoffentlich ebenso überzeugt sein wie ich, daß ich Ihnen die reine Wa-rheit gesagt habe. Eine etwas resignierte Handbewegung forderte sie auf, fortzufahren. „Sprechen Sie, gnädige Frau, ich bin ganz Ohr." Die Witwe begann sofort den Bericht, welchen sie schon dem Untersuchungsrichter in Havre an der Station Beuzeville-Bröaulö gemacht hatte. Mit allen möglichen beweglichen Worten suchte die arme Frau auf den Chef der Geheimpolizei ihre innere Ueberzeugung zu übertragen, daß Gaston Rozen lebte und schuldig sei. Cardec hörte sie, wie versprochen, ruhig an und schien sich sogar für ihren Bericht zu interessieren. Von Zeit zu Zeit machte er einige Notizen auf einem kleinen Block, Hieroglyphen, die nur er ent ziffern konnte. Als Madame Lavardens geendigt hatte, über legte er einige Minuten; schrieb dann schnell einige Zeilen auf ein Papier und klingelte. Die Ordonnanz erschien. „Bringen Sie das dem Sub-Direktor," befahl er. Er wandte sich dann zu Madame Lavardens und sagte: „Ich bitte zu verzeihen, gnädige Frau, ein eiliger Befehl . . . Wir werden dieses Gespräch nachher wieder aufnchmen." „Mein Gott, mein Herr, ich glaube, daß e< unnötig ist, Sie länger zu stören. Ich habe Ihnen alles gesagt; eS liegt jetzt an Ihnen, zu handeln, wie Sie eS für gut befinden. Ich werde mich zu rückziehen." „Nein, bleiben Sie, bitte, noch einen Augen blick, gnädige Frau. Ich werde Ihnen in kurzer Zeit noch eine Antwort zu geben haben und viel leicht von Ihnen noch weitere Details zu erfahren suchen." „O mein Herr, wie ich Ihnen danke, ich bin ganz zu Ihrer Verfügung . . . denn endlich habe ich jemanden von der Wahrheit überzeugen können, die andere nicht einmal haben hören wollen. Seien Sie gesegnet dafür, mir helfen zu wollen, den Mörder meines armen ManneS zu bestrafen!" (Fortsetzung folgt.) Neueste Nachrichten und Depeschen vom 1v. September. Paris. In Vichy verhaftete die Polizei den Grafen Georg Rode wegen Betrugs. Er gab sich als russischer Offizier aus. Gewisse Schriften, die bei ihm vorgefunden wurden, lassen darauf schließen, daß er einer nihilistischen Verbindung angehört. Wien. Die Budweiser tschechische „Dihoicske Listy" meldet aus Wroniau, daß bei den diesjährigen Manövern fünf scharfe Schüsse auf einen Oberst abgegeben worden sind, ohne ihn jedoch zu ver letzen. Die Uebungen wurden sofort abgebrochen. Wien. König Peter von Serbien entsandte einen Kurier an den Zaren, der diesem die Bitte unterbreiten soll, die von Rußland verfügten Maß nahmen gegen das serbische Offizierskorps auf zuheben. Wien. Wie der „Neuen Freien Presse" aus Belgrad gemeldet wird, wurde gestern der frühere Leibarzt König Alexanders, Dr. Welitschkowilsch, verhaftet. Die in Nisch verhafteten Offiziere sind in die Festung übergeführt worden. Wien. Nach Telegrammen aus Konstantinopel drängt der Kriegsminister mit aller Macht auf die Kriegserklärung gegen Bulgarien, da die Lage in Mazedonien völlig unhaltbar geworden sei und eine andere Lösung unmöglich ist. Budapest. Die bereits gemeldete Kandidatur des Grafen Andrassy scheint mehr als ein augen blickliches Produkt. Wenigstens heißt es, Andrassy werde sich morgen nach Schönbrunn begeben, um über die Aussicht seiner Kandidatur dem Kaiser Bericht zu erstatten. Andrassy soll dieselben Kon zessionen wie Lucacs mitbringen, nämlich Versetzung der ungarischen Offiziere in die ungarischen Re gimenter, neue Fahnenabzeichen für die Armee und Reform des Militärstrafverfahrens auf Grundlage der Mündlichkeit. Oedenburg. Die Ortschaft Endred wurde durch eine Feuersbrunst fast ganz zerstört. Vier Kinder und zwei Frauen sind in den Flammen umgekommen. Belgrad. Gestern Abend fand eine von etwa 1000 Personen veranstaltete Kundgebung gegen die Geschäftslokale der Zeitungen „Nowosti Listi" und „Veurne Nowosti" statt. Die Menge schlug die Fenster ein. Die attackierten Redakteure schossen in die Menge und verwundeten mehrere Personen. Gendarmerie schritt ein und zerstreute die Demon stranten. Athen. Eine bewaffnete Bande Kreter über schritt die griechisch-türkische Grenze. Sie wurde jedoch gezwungen, sich nach Thessalonien zurückzu ziehen. Die Ueberwachung der Grenze ist verschärft worden. Kapstadt. Gestern wurden 12'/, Millionen in Gold nach England transportiert. Es ist dies die größte Menge Gold, die seit dem Kriege ausgeführt wird. Kirchen-Nachrichten. Aon Ilrsprung. Nächsten Sonntage findet im Vormittagsgvttcsdicnst die Feier des Erntedankfestes statt. Wie alljährlich soll dabei eine Kollekte zum Besten des hiesigen Kirchbanfonds cingc- sammelt werden. Erntedank. (Nachdruck verboten.) Lasset die Glocken erklingen, Jauchzet im fröhlichen Chor, Dank dem Allmächt'gen zu bringen, Steige ein Loblied empor! Gott hat uns reichlich gespendet Gaben mit gütiger Hand, Lieblichen Frühling gesendet, Weckend das träumende Land. — Drunten im Schoße der Erde Ruhte die schlummernde Saat — Lenz rief sein wonniges Werde, Winter ihm räumte den Pfad. Goldig erstrahlte die Sonne, Regen erquickt Feld und Wald, Lichtwärts nun strebte voll Wonne Saatkorn mit süßer Gewalt, Sommerschön lachte das weite Ueppig erblühende Land, Schnitter das reife Getreide Mähten mit fleißiger Hand. Voll sind die Scheunen mit Gaben. Winter, nun nahe getrost! — Gottes Lieb groß und erhaben Spendet uns reichliche Kost. Markranstädt. Adolf Dressler jun.
- Aktuelle Seite (TXT)
- METS Datei (XML)
- IIIF Manifest (JSON)