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Hchkiisttin Ernstthckr Tageblatt für Knhenstein-ßrnfMal, Göerkungwih, Heisdorf, Kermsdorf, Iernsdorf, Wüstenbrand, Ursprung, Mittelbach, Langenberg, Falken, Meinsdorf, Grumbach, Tirschheim rc. l„ M» — Wettverbreitetes Insertions-Organ für amtliche «n- Privat-Anzeigen. m. Dieses Blatt erscheint mit Ausnahme der Sonn- und Festtage täglich nachmittags. — Zu beziehen durch die Expedition und deren Aus träger, sowie alle Postanstalten. Für Abonnenten wird der Sonntags-Nummer eine illustrierte Sonn tagsbeilage gratis beigegeben. Abonnement: Bei Abholung monatlich 35 Pfg. die einzelne Nummer 5 „ Durch die Post bezogen Frei ins Haus monatlich 42 Pfg. vierteljährlich 1. M. 25 Pfg. 25 Mk. excl. Bestellgeld. Jnsertionsgebuhren: die sechsgespaltene Corpuszeile oder deren Raum für den Verbreitungsbezirk 10 Pfg., für auswärts 12 Pfg. Reklamen 25 Pfg. Bei mehrmaliger Aufgabe Rabatt. Annahme der Inserate für die folgende Nummer bis Vorm. 10 Uhr. Größere Anzeigen abends vorher erbeten. Nr. 185. Mittwoch, den 12. August 1903. 30. Jahrgang. Die Aufstandsbewegung in Mazedonien, welche nach dem Beginn der dortigen Erntearbeiten in der Vorwoche von neuem begann, wird von Tag zu Tag ernster. Der Zulauf der Bevölkerung zu den Jnsurgenlen-Banden ist em starker, und für die von diesen rücksichtslosen Scharen ausgeübte Schreckensherrschaft ist es egal, ob der Zulauf frei willig oder gezwungen erfolgt. Die Rebellen gegen das Regiment des Sultans bedrohen jeden mit dem Tode, der auf Seiten der Türken steht, sie plündern und brennen die Ortschaften aus, deren Bewohner sich weigern, mit den Aufrührern ge meinsame Sache zu machen. Die Eisenbahnschienen sind vielfach ausgerissen, die Telegraphendrähte zer stört, und zwischen den Insurgenten und der muhamedanischen Bevölkerung ist es zu mehrfachen blutigen Zusammenstößen gekommen. Der Haupt herd der Bewegung sind die Gegenden von Mo- nastir und Ochrida, wo die Macht der Empörer so stark erscheint, daß mit Ausnahme der größeren Städte die türkische Bewegung lahmgelegt sein dürfte. Die Türken haben wieder eine Anzahl von Bataillonen mobil gemacht, um sie nach den be sonders bedrohten Punkten zu werfen, aber es sieht gerade so aus, als ob der türkischen Heeres-Ver waltung die Hauptsache zur schleunigsten Erledigung ihrer Befehle fehlte, das Geld. In dem gebirgsreichen Lande mit seinen schwie rigen Verkehrs-Verhältnissen haben die kämpfenden Bewohner einen guten Verbündeten in der Eigen tümlichkeit ihres Landes, während die Türken ihre Truppen weit verzetteln und daher schwächen müssen. Die Regierung in Konstantinopel hat sich beschwerde führend an die Mächte gewendet, denn ohne ge heime Unterstützung von Bulgarien aus könnte der Ausstand gar nicht so emporflackern, aber was werden diese Vorstellungen helfen? Nur dem Zwang fügen sich die aufgeregten Gemüter, Er mahnungen von Seiten der Großmächte machen keinen besonderen Eindruck mehr. Noch kann die Sicherung der Ordnung, die Vermeidung eines größeren Zusammenstoßes gelingen, aber gar zu lange darf das Abwarten nicht mehr dauern. Kann die Türkei nicht dem alten Wort: „Wer nicht hören will, muß fühlen!" zu seinem Rechte verhelfen, kommt die Katastrophe unabweisbar. Zudem zieht nun, nach der Ermordung eines zweiten russischen Konsuls in Mazedonien, auch die Petersburger Regierung andere Sailen auf. Der russische Botschafter in Petersburg hat zwar die türkischen Entschuldigungen angenommen, es ist aber auch zugleich vom Minister des Auswärtigen Grafen Lambsdorff erklärt, die Türkei müsse da für sorgen, daß endlich die Ordnung in Maze donien wiederkehrt. Könne sie das nicht, werde sich Rußland an die europäischen Mächte wenden, um mit diesen zu beraten, was geschehen soll. Das heißt mit anderen Worten: Die Türkei wird Mazedonien verlieren. Der Mörder des Konsuls ist ein türkischer Polizist, der den Beamten nicht gegrüßt hatte und darum zur Rede gestellt war. * *' * Das mazedonische Revolutions-Komitee hat jetzt seine Forderungen den Konsuln der Großmächte in Sofia überreichen lassen. Es verlangt: Ernennung eines christlichen Gouverneurs für Mazedonien durch die Mächte. Derselbe soll niemals in türkischen Diensten gestanden haben und nnabhängig in der Ausübung seines Amtes sein. Die Kontrolle über seine Amtsführung soll von den Mächten geübt werden. (Das ist nur eine Spiegelfechterei! Wenn die Herren unter sich sind, werden sie sich viel um Europa kümmern.) Das Komitee erklärt ferner, die Aufständigen würden unter keinen Umständen die Waffen niederlegen, sondern weiter kämpfen, bis sie die Unabhängigkeit Mazedoniens erreicht hätten, die dann selbstredend den Anfang vom Ende der türkischen Herrschaft in Europa bedeuten würde. Der „Köln. Ztg." aus Saloniki zugehende briefliche Meldungen bestätigen, daß eine Anzahl Brücken südlich von Monastir in die Luft gesprengt wurden, sowie daß ein Telegraphenbeamter in Kruschewo nebst seiner ganzen Familie durch die. Ausständigen ermordet wurde. In der serbisch türkischen Grenzstation Zibewitsche haben Aus ständige das Zollhaus mit Dynamit in die Luft gesprefigt. Die militärische Besetzung in den auf rührerischen Gegenden hat begonnen. Die Auf ständigen haben auch oberhalb Wladawa eine Brücke gesprengt, den Bahnwärter ermordet und die Telegraphenleitung zerstört. Als Hauptherd des Ausstands wird das Gebiet von Murichewo, zwischen der Ebene von Monastir und der Tscherna bezeichnet. Alle Reservisten im weiten Umkreise von Saloniki werden zu den Waffen einberufen. Wie aus Konstantinopel gemeldet wird, werden dort umfassende Maßnahmen kriegerischer Natur getroffen. Große Munitionstransporte gehen regel mäßig ab und die Regierung schloß einen Kontrakt mit Lieferanten für die sofortige Gestellung von 1200 Pferden ab. Die Arbeiterunruhen in Rußland. Ueber den großen Arbeiterstreik in Baku liegen jetzt nähere Einzelheiten vor. Es ist eigentlich recht bezeichnend für die ungeordneten Verhältnisse in den Provinzen Rußlands, daß in Baku ein der artig großer Streik von langer Hand vorbereitet werden konnte, ohne daß die örtliche Verwaltung die Mittel besaß, seiner Herr zu werden. In Baku spielte sich ungefähr dasselbe ab, wie es vor Jahres frist bei den Bauernunruhen in den Gouvernements Poltawa und Cherffon beobachtet werden konnte: es wurde eine recht offene Propaganda getrieben, und keinem fiel es ein, auch nur eia Wort darüber zu verlieren. So kam es, daß die 45 000 streiken den Arbeiter im Verlauf von zehn Tagen die wirk lichen Herren von Baku waren, denn die vorhandene Garnison von 600 Mann erwies sich als voll ständig ungenügend, um auch nur im geringsten die Ordnung wiederherzustellen. Durch die Propaganda war der Streik auch ein so allgemeiner, wie er in Rußland bisher noch nicht beobachtet worden ist. Petroleumarbeiter, Bahnarbeiter, Setzer, Kondukteure der Trams, Fabrikarbeiter, kurz alles, was irgend eine Be schäftigung auf Fabriken oder bei der Stadt verwaltung hatte, stellte die Arbeit ein, und durch ganz Baku tobte im Verlauf von 10 Tagen eine wilde Orgie. Kein Tram verkehrte am Tage in der Stadt, keine Zeitnng erschien und nachts brannte keine einzige Laterne auf den stockfinsteren Straßen. Dieser Zustaad, der für den friedlichen Bewohner einem völligen Belagerungszustand glich, zog sich so lange hin, bis 6000 Mann Truppen nach Baku zusammengezogen waren und Maffenverhaftungen der Arbeiter vor genommen werden konnten. Schon vorherwarendieBefürchtungenderNaphthaindustriel- len in Erfüllung gegangen, indem die Arbeiter mehrere Etablissements in Brand gesteckt hatten. Der aus diesem Brande sich ergebende Verlust wird von den Industriellen auf 12 Millionen Rubel veranschlagt. Schon hieraus läßt sich auf den Umfang schließen, den die Unruhen angenommen hatten, und wie machtlos das Militär gegen das Vor gehen der auf ihren Forderungen bestehenden Arbeiter war. Der Gouverneur von Baku konnte sich tagelang nicht ans seiner Behausung rühren und wurde von den Arbeitern gewissermaßen ge fangen gehalten, die während dieser Zeit die Wohnungen der Verwalter der Fabriken stürmten und demolierten, um sich für manches zu rächen. Nach dem Eintreffen des Militärs stellten die Arbeiter alle Feindseligkeiten ein, änderten ihr Betragen und bestanden ans ihren Forderungen, die ihnen von den Fabrikanten auch bewilligt wurden; doch schenkten die Arbeiter den Ver sprechungen der Fabrikanten keinen Glauben, sondern verlangten realere Beweise Unter ihren Forderungen seien hervorgehoben: Erhöhung des Arbeitslohnes, Einführung des achtstündigen Arbeitstages, Auf hebung der oft willkürlichen Strafen der Fabrik verwaltung und genaue Einhaltung des Fabrik reglements. Erst das Eintreffen des Chefs der Gendarmerie, Generals v. Wahl, bewirkte eine Auf nahme der Arbeit, nachdem die nötigen und all gemeinbekannten Zwangsmittel mit Erfolg angewandt worden waren. Jetzt haben sich die Wellen der Erregung gelegt, und das Leben in Baku ist wieder in sein Alltagsgeleise zurückgekehrt. Doch dafür gährt es in anderen Städten des Südens, und die ganze Sache scheint nicht so ohne weiteres im Sande verlaufen zu wollen, da die Arbeiter sich nicht mehr durch bloße Versprechungen Hinhalten lassen. Wie Krakauer Blättern aus Kiew gemeldet wird, sind bei den dortigen Streikunruhen große Masfakres vorgekommen. In den letzten 3 Tagen sollen 60 Menschen getötet worden sein. Nach einem Berichte des tschechischen Sozialistenblattes „Naprzond" über die Kiewer Ausstands-Bewegung besetzten ausständige Eisenbahnarbeiter am Donners tag die Gleise vor dem Bahnhofe, um den Zug verkehr zu verhindern. Der Gouverneur beauftragte Infanterie mit der Räumung. Die Arbeiter empfingen das Militär mit einem Steinhagel; die Truppen gaben zwei Salven ab, wobei 40 Menschen getötet wurden. Mittwoch und Donnerstag sollen von den Ausständigen acht Polizeiagenten getötet worden sein. Die Arbeiter haben die Lebensmittel magazine geplündert. Als der Gouverneur durch die Straßen fuhr, wurde er mit Steinen beworfen. Kosaken suchten mit Knuten die Ausständigen zu vertreiben. Als dir Plünderungen fortdauerten, schritt abermals Infanterie ein und schoß von neuem. Zahlreiche Tote und Verwundete blieben auf dem Platze. Am Freitag kam es zu einem dritten Zusammenstöße. Die Ausständigen waren am Flußufer versammelt. Die zu ihrer Vertrei bung entsandten Kosaken wurden in die Flucht ge schlagen. Hierauf griff wieder Infanterie ein. Viele Tote und Verwundete fielen ins Wasser. Der natioualsoziale Vertretertag, der über den Anschluß an die Freisinnige Ver einigung Beschluß fassen soll, findet am 29. und 30. August in Göttingen statt. Es dürfte aber zu ziemlich heftigen Auseinandersetzungen kommen ; denn die Göttinger Nationalsozialen haben folgende Erklärung beantragt: „Der Göttinger nationalsoziale Verein sieht in dem Ausfall der diesjährigen Reichstagswahl durchaus keinen Grund, die politische Werbearbeit des nationalen Vereins aufzugeben, und ist seiner seits zur weiteren energischen Weiterarbeit bereit. Sollte aber der Vorstand auf seinen bis jetzt ge stellten Vorschlägen (Auflösung des Vereins, Fusion mit der freisinnigen Vereinigung) beharren, so stellt der Göttinger nationalsoziale Verein für den dies jährigen Vertretertag folgende Anträge: 1) Der Vertretertag lehnt alle Anträge des Vorstandes auf eine Fusion mit der freisinnigen Vereinigung, resp. ein Aufgehen des Vereins in dieselbe ab. Begründung: Die Ablehnung geschieht in der Erwägung, a) daß der Vorstand der freisinnigen Vereinigung bei den Verhandlungen über die Fusion so ungenügende Zugeständnisse gemacht hat, daß eine gedeihliche, unsern politischen Grundsätzen entsprechende Weiterarbeit innerhalb der frei sinnigen Vereinigung uns nicht garantiert erscheint; b) daß der Plan der Fusion bei einer großen Zahl unserer Mitglieder auf entschiedenen und definitiven Widerspruch stößt; «Z daß endlich die freisinnige Vereinigung — namentlich nach dem Tode des Abgeordneten Rösicke — uns keine genügende Garantie einer Weiterentwickelung in unserem Sinne bietet. 2) Nachdem der Führer des nationalsozialen Vereins, Herr Pfarrer Naumann, bestimmt erklärt hat, daß er die Führung des Vereins nicht länger übernehmen könne, erklärt der Vertretertag — und zwar einzig und allein durch die Stellungnahme Naumanns dazu bewogen — den nationalsozialen Verein für aufgelöst und empfiehlt seinen Mit arbeitern die politische Weiterarbeit im national- sozialen Geist in den jeweilig ihnen nächststehenden politischen Kreisen. Tagesgeschichte. Deutsche» Reich. Berlin, 11. August. Die Kaiserjacht Hohen- zollern hat gestern mit ihren Begleitschiffen von Odde in Norwegen aus die Heimfahrt nach Swine münde angelreten. Von da begibt sich der Mo narch, wie bekannt, direkt nach Berlin. — Die Kaiserin Auguste Viktoria besuchte am Montag die vom Hochwasser schwer heimgesuchten oberschlesischen Kreise Neustadt-Neiße und ließ den Landwirten namhafte Beträge zur geeigneten Ver teilung zurück. Nachmittags traf die Kaiserin in Breslau ein und begab sich sofort nach dem Schlöffe, wo unter dem Vorsitz de« Herzog« von Ratibor eine Sitzung zur Berichterstattung über die Tätig keit der Vaterländischen Frauen-Vereine zur Waffer«not stattfand. Die Kaiserin übernachtete im Breslauer Schloß und trifft am heutigen Dien«tag mittag in Posen ein, um die dortigen Hochwasser schäden in Augenschein zu nehmen. Der Landwirt- schasttminister v. Podbielrki hat von Marienwerder aus mit dem Regierunz«-Präsidenten v. Jagow eine Besichligung«-Reise durch die Weichsel-Nieder ung angetreten. Auch der Kaiser besucht später da« Gebiet. — Wie die „Nat.-Ztg." hört, liegt der Anlaß zur Einberufung des Kronrate« einzig und allein in der Frage der Hochwasserschäden. — Der Prinzregenl von Bayern überwie« dem großen Hilfskomitee für Oberschlesien in Berlin für die durch da« jüngste Hochwasser Geschädigten eine Spende von 2500 Mk. — König Eduard von England trifft am 14. August inkognito in Marienbad in Böhmen ein und wird dort im ganzen drei Wochen zur Kur ver weilen. Am 30. August reist er aus vier Tage zum Besuch des Kaiser« Franz Joseph nach Wien. Politische Bedeutung hat die Begegnung weiter nicht. — Die Gelsenkirchner Bergwerkl-Gesellschaft beschloß, ihren im Hospital untergebrachten Wurm kranken den vollen Lohn zu erstatten, die Zechen der „Guten Hoffnungs-Hütte" wollen nur da« volle Krankengeld bezahlen. — In Kassel fanden gestern umfassende polizei liche Haussuchungen nach verbotenen sozialdemokra tischen Schriften in der Buchdruckereider sozialistischen Parteiorgans und in einer Anzahl Privatwohnungen statt. Oesterreich-Ungarn. — Dar ungarische Abgeordnelenhaur verab schiedete gestern dar Kabinett in so kühler und kurzer Weise wie noch birhcr kein scheidende« Kabinett. Graf Khuen-Hedervary meldete die er folgte Demission an und teilte mit, daß zur Lösung der Krise der Monarch nach Budapest kommt. Während die Regierungspartei vollständig lautlo« verblieb und nicht einmal den Versuch einer Ovation machte, die sie noch keinem scheidenden Führer der Partei versagte, brach die Opposition bei der Meldung, daß der Monarch die Demission de« Kabinetlt angenommen habe und nach Budapest komme, in stürmische Eljenruse aus. Frankreich. — Die amtlichen Erhebungen in Marseille haben ergeben, daß der Ministerpräsident Combe« schon vorher von der Polizei benachrichtigt war, junge Leute wollten seinen Wagen mit Tomaten bewerfen. Er lachte nur und meinte, da« sei seinem Amts vorgänger Waldeck-Rousseau auch passiert und ganz saisongemäß. Der Kutscher und der Lakai wurden verschiedentlich getroffen, der Minister selbst blieb unberührt. Die französischen Zeitungen betrachten ausnahmslos die von dem betrunkenen Italiener Picolo abgegebenen Schüsse al« eine Unfugs-Ge schichte. Serbien — Der erste Adjutant de« König«, Oberst Damjan Popowilsch, und der Kommandant de« sechsten Regiment«, Oberstleutnant Luka Lazarewitsch, haben demissioniert, weil der zuerst zurückgezogene Uka« über die Ernennung de» den Verschwörern mißliebigen Oberstleutnants Llubomir Leschjanin jetzt übermal« im Amt«blatte erschienen ist. Beide Offiziere gehörten zu den Häuptern der Verschwör ung gegen den ermordeten König Alexander.