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Hohenstein-Ernstthaler Anzeiger : 09.08.1903
- Erscheinungsdatum
- 1903-08-09
- Sprache
- Deutsch
- Vorlage
- SLUB Dresden
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id1841177954-190308090
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id1841177954-19030809
- OAI
- oai:de:slub-dresden:db:id-1841177954-19030809
- Sammlungen
- Saxonica
- Zeitungen
- LDP: Zeitungen
- Bemerkung
- Fehlende Seiten in der Vorlage
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
-
Zeitung
Hohenstein-Ernstthaler Anzeiger
-
Jahr
1903
-
Monat
1903-08
- Tag 1903-08-09
-
Monat
1903-08
-
Jahr
1903
- Titel
- Hohenstein-Ernstthaler Anzeiger : 09.08.1903
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Beilage zum Hohenstein-Ernstthaler Anzeiger Tageblatt. Nr. 183.Sonntag, den 9. August 1903. 30. Jahrgang. Wochenschau. Unser Kaiser kehrt von seiner Nordlandreise keim Der Monarch hat einen neuen Beweis seines warinfühlenden Herzens gegeben dadurch' daß die Kaiserin, seine Gemahlin, auf seinen be sonderen Wunsch die durch Neberschwemmungen schwer heimgesuchten Gebiete in Schlesien und Posen bereisen wird. Dabei wird eine Erinnerung wach an die zu gleichem Zwecke unternommene Fahrt der Kaiserin Friedrich im Frühjahr 1888 während der tödlichen Krankheit ihres vielverehrten Gemahls. Lang, lang ist's her seitdem, aber un vergessen bleibt diese Kaiser Friedrich - Zeit jedem echten Deutschen doch! Politisch ist es bei uns in Deutschland noch still geblieben, die Koffer der aus den Sommer frischen Heimkehrenden werden gepackt, aber die Register der Parteipolitik aufzuziehen, liegt doch noch recht wenig ernstliche Neigung vor. Die Er örterungen darüber, wer einmal erster Vizepräsident im deutschen Reichstage werden soll, ob ein Sozial demokrat auf Grund der sozialistischen Fraktions stärke von 81 Mitgliedern oder nicht, lassen die eigentlichen Volksempfindungen kalt. Wichtiger erscheinen die Aeußerungen über die neuen Handelsvertrags-Verhandlungen; aber um si§ richtig behandeln zu können, müßte man genau wissen, „wie der Hase läuft!" Soweit sind wir noch nicht, wir möchten es auch der Reichsregierung nicht zumuten, die Karlen aufzudecken, bevor nicht das Spiel wirklich als gewonnen betrachtet werden kann. Die Hauptsache ist ja, daß wir wissen, weil es dem gesunden Menschenverstände entspricht, Deutschland wird für niemanden die Kastanien aus dem Feuer holen. Und auch zu deu zur Stunde gerade ziemlich eingebildeten Aankecs werden wir nicht sagen: „Kommt her und leert unseren Geld sack!" Vor allen Dingen werden wir darauf sehen, daß wir nicht blos etwas behalten, sondern mehr dazu kriegen. Die Herren vom grünen Tische werden dabei sich vielleicht etwas zaghaft anstellen, Sache des Reichstages wird es sein, zu sagen: „Zugreifen!" Und so ist die deutsche Volks vertretung durch die letzten Neuwahlen nicht ent stellt, daß sie dies nicht sagen könnte. Nötigenfalls wird anch der liebenswürdige Herr Reichskanzler statt der Glacehandschuhe mal eine derbere Sorte anziehen. Etwas kunterbunt wird es in Oesterreich-Ungarn nachgerade doch! Beinahe ist's nun soweit ge kommen, daß einer, der heute Minister wird, nicht weiß, ob er in acht Tagen noch Lust hat, sein Amt zu behalten. Mit der kleinlichen politischen Verhetzerei ist es reichlich weit gediehen, alle großen Ziele versinken neben den ehrgeizigen Zielen der einzelnen Parteiführer. Besonders der Zwiespalt zwischen Ungarn resp. denjenigen Magnaren, die da glauben, ihr Vaterland sei zur allerersten euro päischen Großmacht berufen, nnd Oesterreich klafft riesenweit. Und so stehen die Dinge heute, wäh rend der allverehrte Kaiser Franz Joseph das Szepter führt. Ter Kaiser steht im 74. Lebens jahre, es muß also unbedingt mit etwas Mensch lichem in absehbarer Zeil gerechnet werden; und was soll, was wird dann werden? Auch Freund schafts-Verhältnisse, die anscheinend unerschütterlich feststehen, mögen ins Wanken geraten. Paris, die Lichtstadt, unterhält sich mit ihrem eigenen Klatsch, zwar nicht sehr großartig, aber doch nach ihrer Art. Der Prozeß der großen Therese Humbert schwebt in der Luft, wenn auch bis zum definitiven Urteil mancherlei Vertagungen eintreten mögen, und an allerlei Einzelheiten dar aus erregt sich die gallische Phantasie. England und Nord-Amerika rechnen wegen neuer Geschäfte; hoffentlich bleibt es wie seither beim Verrechnen. Aus dem Orient ist augenblicklich nichts Groß artiges berichtet; aber so etwas wie ein finanzieller, wenn auch kein moralischer Katzenjammer hebt an. Die Schulden sind überall groß, die Einnahmen allenthalben gering, und die Neigung, zu zahlen, was von rechtswegen gezahlt werden muß, ist schwach, sehr schwach. König Peter von Serbien hat auch so etwas erkannt; aus dem serbischen Königsthron sind mehr Brennesseln vorhanden, als er für möglich gehalten. Verdächtig stehts in Rußland. Die früheren nihilistischen Unruhen sind durch soziale Gährungen ersetzt, überall gibts Krawalle und schwere Aus schreitungen. Die Nihilisten waren schrecklicher, aber was sich jetzt abspielt, ist gefährlicher. Als Antwort auf die Osnabrücker Handwerksrede Minister Möllers hat der Schlossermeister Paul Seifert in Greiffen berg i. Säst. einen offenen Bries an den Minister gerichtet und darin die Anschauungen, die in Hand werkerkreisen herrschen, wiedergegeben. Er schreibt unter anderem: „Wiederholt haben Sie öffentlich, zuletzt in Osnabrück, sich über die Lage des Handwerks aus gesprochen. Dabei haben Sie betont, daß die Hand werker rechnen lernen möchten; die Errungenschaften der modernen Technik sollen sie ^ich zunutze machen und bei Submissionen sich nicht unterbieten. Die Re gierung habe drei Kommissionen im Interesse des Handwerks ins Ausland geschickt und will auch nächstes Jahr eine Kommission nach Amerika senden. Auch halten der Herr Minister die Handwerker kammern für einen großen Segen. Nun, hoch verehrter Herr Minister, erlaube ich mir Ihnen auch einmal öffentlich meine Meinung über die jetzigen Verhältnisse mitzuteilen: Ein Hand werker, der nach achtjähriger Schulzeit und nach dreijährigem Besuch der Fortbildungsschule sich nicht den Wert seiner Arbeit berechnen kann, ist nicht zu bedauern; tatsächlich ist dieser Fall auch selten. 90 Prozent der Handwerker können schon rechnen, sie haben aber nichts zu rechnen, weil keine Arbeit vorhanden ist; wenn in der Werkstatt nichts zu tun ist, nützt dkm tüchtigsten Meister auch die doppelte Buchführung nichts. Die Errungenschaften der modernen Technik, die Anschaffung neuer Maschinen, das kostet Geld, Herr Minister! und ich weiß nicht, ob Sie es wissen, beim Handwerker ist das Geld sehr knapp, es langt kaum zum Lebens unterhalt. Daher wäre es sehr gut, wenn Sie die Kommission auch im Inlands herumschickten, damit sie in den Werkstätten in den kleinen Städten Um schau hielten. Da erfahren Sie die wirkliche Lage der Handwerksmeister ungeschminkt und richtig. Ihre Herren Räte legen Ihnen wahrscheinlich die Berichte der Handwerkerkammern vor, und danach scheinen Sie sich Ihr Urteil zu bilden. Wir Hand werker im Liegnitzer Bezirk müssen jährlich für diese Kammer 18 500 Mark aufbringen und haben einen einschlägigen Nutzen noch nicht verspürt. Für die Beamten sind 100 Mark Alters- und Jnvaliden- beiträge zu leisten; wir Handwerker selber sind durch Versicherung nicht geschützt. Für unser Geld reist der Kammersekretär im Bezirke herum und sucht überall Lehrlingsheime zu gründen. Wir Handwerker sind aber der Meinung, daß der Lehrling in das Haus des Meisters gehört. Als ich vor 14 Tagen in Liegnitz als Delegierter des Jnnungsausschusses teilnahm, wurde öffentlich erzählt, daß den Lehrlingen das Rätsel aufgegeben worden sei: „In welchem Monate werden die meisten Menschen geboren?" Derartige Lehrmethoden tragen nicht zur Bildung und sittlichen Erziehung der Lehrlinge bei; wir verzichten auf solche Methoden und Lehrlingsheime. Es ist durchaus anzuerkenuen und jeder umsichtige Handwerker heißt es gut, daß die hohe Regierung ihre besondere Fürsorge der Erziehung der Lehr linge zuwendet; aber man soll praktische Männer hören und um Rat fragen. Tot ist das Handwerk noch nicht. Aber krank ist es, und die Aerzte, die es be handeln, sind meistens keine praktischen Aerzte, sondern Doktoren der Philosophie usw., die nichts davon verstehen " Jedenfalls hat der biedere Schlossermeister Tausenden von Handwerkern nicht nur der Klein , sondern auch der Großstädte aus der Seele ge sprochen. Die Lage im schlesischen Ueber- schwemnulngsgebiet schildert O. Tippel-Schweidnitz in der Kreuzzeitr.ng. Nach seinen Wahrnehmungen gibt er ein Bild, wie die Heeresverwaltung, die Regierung, Gemein den und Privaten mit allen Kräften bemüht sind, auszubauen, was die verheerende Gewalt der Fluten zerstört oder beschädigt hat. So trübe auch der Anlaß ist, der eine so energische Arbeit erforderlich macht, erfreulich bleibt dennoch die Tatsache des kraftvollen, zielbewußten,'schnellen, umsichtigen und gedeihlichen Zusammenwirkens aller Faktoren. Mit Volldampf im wahren Sinne des Wortes wird gearbeitet und man darf zuver sichtlich hoffen, daß, wenn auch langsam, die Folgen der Heimsuchung werden überwunden werden. Unter der Ueberschrift „Nach der Flut" wird der „Bresl. Morgenztg." aus dem Neberschwem- mungsgebiet berichtet: Wo das Wasser stromlos blieb, steht das Getreide noch ziemlich aufrecht und wird, soweit es Roggen ist, noch irgendwie zu verwerten sein. Wo aber das Wasser strömend zog, liegt das Getreide wie gewalzt am Boden. Hier herrscht die Fäulnis, hier ist nichts mehr zu holen. Weizen und Hafer hatten, als das Un glück hereinbrach, noch keine ausgebildeten Körner; diese beiden Getreidearten liefern ebenso wie die Gerste keinen Ertrag. Gänzlich verfault find Kar toffeln, Gemüse jeder Art, Rüben, Klee, kurz alle die Gewächse, die mekrere Tage völlig unter Wasser standen; hier ist alles schwarz. Wiesen, die kurz vor der Bestellung gemäht worden sind, werden vielleicht einen üppigen zweiten Graswuchs bringen. Verschlämmte Wiesen und Aecker liefern aber nicht nur dieses Jahr keinen Ertrag mehr, sondern auch die Herbstbestellung wird eine sehr verspätete und ungenügende sein. Ueberhaupt wird es fleißiger Arbeit vieler Jahre bedürfen, ehe die vielen Tausende von Hektaren versandeter Aecker und Wiesen Schlesiens wieder so kulturfähig sein werden, wie sie vor dem bösen Juli 1903 waren. Je mehr wir uns dem Dorfe nähern, desto ärger wird die Mückenplage; in ganzen Schwärmen begleiten uns diese Blutsauger. Hier hilft nur Rauch und immer wieder Rauch. Hier läuft alles mit Zigarre und Pfeife herum und da der Tabak, soweit man von solchem reden kann, über die Maßen schlecht ist, so können ihn die Mücken tat sächlich nicht vertragen Nun sind wir im Dorfe, sehen wir, wie das Wasser allenthalben seinen Haß gegen das Gebild von Menschenhand bewiesen hat. In den öden Fenstechöhlen wohnt das Grauen. Hier ist ein Giebel eingefallen, dort klafft eine Wand auseinander, Fenster und Türen hängen schief. Außen und innen sieht man die scharfe Linie, die den höchsten Wasferstand an jedem Gebäude anzeigt. Wir treten in ein Haus; uns empfängt ein geradezu scheußlicher Gestank von Wasser, Schlamm, Fäulnis und Karbol. Jetzt wird alles mit heißem Sodawasser abgescheuert, dann wird die Arbeit des Maurers folgen. Und wie sehen die Möbel aus! Die Furniere sind losgesprungen und ringeln sich spiralförmig zu sammen; die Farbe ist ausgebeizt, Türen und Schubladen sind verquollen und lassen sich nicht öffnen. In den Sophas sind die Sprungfedern verrostet, die Farben des Uebe'zuges sind unan sehnlich geworden. Die Rückwände der Schränke sind gesprungen, angeleimte Holzteile sind losge fallen. Kurz, es sind gar nicht mehr die schönen Möbel, es ist nicht viel mehr als Gerümpel, das übrig geblieben ist. Da hat sich die Frau als Mädchen im Elternhause abgearbeclet, um sich ihre Ausstattung zu vedienen; sie war ihr Stolz, wenn sie Gäste in die Stube führte; jetzt steht sie vor den Ruinen und weint, weil sie nicht fortziehen kann aus diesem traurigen Orte. Tröste Dich mit den anderen Enterbten! Wir gehen die Dorfstraße weiter. Hier und da ist ein Stück Zaun verschwunden, dort eine Bnicke. Drüben am Zaune hängt ein hölzernes Grabkreuz; das Wasser hat es dahin getragen. „Hier ruht im Herrn usw.", steht darauf zu lesen. Mehrere andere hölzerne Grabdenkmäler sind ganz verschwunden. Neugierig bin ich, ob man noch lange gestatten wird, daß die Friedhöfe mitten im Dorfe liegen. So lange die Körper zum Verwesen in die Erde gelegt werden, sollte der dazu bestimmte Ort, in Ueberschwemmungsgegenden wenigstens, ein großes Stück vom Dorfe entfernt liegen — zum Heile der Brunnen! Die Brunnen sind jetzt einer der wundesten Punkte. Man hat sie ausgepumpt, man hat Kalk hineingcschüttet, wieder ausgepumpt, aber das Wasser stinkt nach wie vor. Es wird noch lange dauern, ehe wir wieder gutes Wasser haben werden. Vorläufig wird das Wasser in den Nach bardörfern geholt; da das aber gar zu umständlich ist, so wird man halt doch allmählich zu seinem Brunnen zurückkehren und das Wasser durch langes Kochen und durch Zusetzen von Zitronensaft genieß bar machen müssen. Bedauerlich ist es, daß die Dorsbewohner in puneto Hygiene großenteils gar so lax sind. Da wird mit der Reinigung von Haus und Hof oft nicht viel hergemacht; das Wasser wird zum Kochen und Trinken benützt, lange, bevor es genießbar ist. Die Behörden haben da mit mancher Familie ihre liebe Not. Unser Rundgang durchs Dorf ist beendet; tief erschüttert kehren wir zurück. Da kommt ein Bruder Straubinger gewalzt. „Hier werden Sie wohl nicht viel herausschlagen!", sage ich zu ihm. Er aber entgegnet im schönsten Sächsisch: „Ich würde mich schämen, in der Gegend jemand um eine Gabe zu bitten; ich möchte jedem schenken, wenn ich etwas hätte. Ich bin weit herumgekom men, aber so etwas habe ich noch nicht gesehen!" Dem alten Fechtbruder traten Thränen in die Augen. Eine Erinnerung an die Schlacht bei Wörth. Zum 33. Male jährte sich am 6. August der glorreiche Tag der Schlacht bei Wörth, der unver gessen in den Annalen deutscher Geschichte und deutschen Waffenruhms bleiben wird. Da läßt wohl gar mancher, der damals mitgestritten hat für König und Vaterland, die Gedanken zurück- schweifen in jene große Zeit, oder erzählt der auf horchenden Nachkommenschaft non seinen Erleb nissen in Feindesland, die immer und immer wieder die Hörer in ihren Bannkreis ziehen. Aus Anlaß des Jahrestages gingen den „Leipz. Neuest. Nachr." folgende Auszeichnungen eines Kämpfers von 1870—71 zu, die uns auf das Schlachtfeld von Wörth führen: „Wir waren im Vordringen gen Fröschweiler begriffen," heißt es da, — «plötz lich stürzte ich, von einer Kugel in die Brust ge troffen, auf einer Wiese nieder. In Strömen floß das Blut aus meiner Wunde. Meine Kräfte schwanden. Verschmachtend lag ich da im Sonnen brand ; die Zunge klebte mir am Gaumen. Es war stille um mich her geworden; das Gewehrfeuer ent fernte sich mehr und mehr. Die Schlacht war ge wonnen und man hörte in der Ferne den lauten Jubelruf der siegreichen deutschen Krieger. Stunde um Stunde verrann. Kein Helfer, kein Retter nahte. Wie seufzte ich nach einem Tröpflein Wasser, den brennenden Durst zu stillen. Blutigrot ging die Sonne im Westen unter; die Dämmerung be gann hereinzubrechen. Da kommt langsam eine Gestalt auf mich zugeschritten. Jst's eine der ver rufenen Hyänen des Schlachtfeldes, welche die Toten, die Verwundeten verstümmeln und berauben? Ich bin hilflos, mag kommen, was da will, ich muß es über mich ergehen lassen. Gottes Wille geschehe! Nein, Gott sei Dank, es scheint ein Soldat zu sein. Nun ist dir geholfen, jubelte es in meinem Herzen. Sprechen, rufen kann ich nicht mehr, dazu fehlen mir die Kräfte. Und doch ists eine Hyäne! Der falsche Waffenbruder betrachtet mich mit forschendem Blick. Er scheint mich für tot zu halten. Ich nehme alle Kräfte zusammen und bewege langsam den Arm, um ihm zu zeigen, daß ich lebe und der Hilfe bedürftig bin. Ich lispele: „Wasser, Wasser!" — Da greift der Unmensch nach meinem Halse und würgt mich, daß mir schier die Sinne vergehen. Er glaubt, nun sei das letzte Lebensfünklein erloschen. Sich über mich beugend, knöpfte er nun meinen Waffen rock auf und zog die Brieftasche, welche ich auf dem Herzen trug, hervor, um mir die Barschaft zu rauben. Als er dieselbe hastig aufriß, siel die Photographie meines alten ehrwürdigen Vaters, die er mir beim Scheiden in die Hand gedrückt hatte, auf den Boden nieder. Mein Vater ist ein Geistlicher und hatte sich in seinem Amtskleide ab schatten lassen. Als der Elende dieses Bild er blickte, stieß er einen fürchterlichen Fluch aus, ließ die Brieftasche fallen und versetzte mir mit dem Fuße einen Tritt, daß ich von der Böschung, in deren Nähe ich niedergesunken war, herunterrollte und in einen Wassergraben zu liegen kam. Die Sinne schwanden mir. — — Als ich wieder er wachte, war die Nacht vorüber und freundlich strahlte die Sonne vom wolkenlosen Himmel. Ich fühlte mich etwas gestärkt und hatte soviel Kraft gewonnen, daß ich mit dem Wasser meinen furcht baren Durst löschen und die brennende Wunde kühlen konnte. So lag ich da in Furcht und Hoffnung den ganzen Tag. Lebenshoffnung und Todesfurcht nahmen wechselnd meine Sinne ge fangen. Ich dachte an die lieben Meinen in der fernen Heimat. Dann berete ich und befahl mich in Gottes Vaterhand. Zuletzt wäre ich gern ge storben, aber ich konnte nicht sterben. Ich war ein Lebendig - Toter. — — Was ich in diesen Tagen, auf dem Schlachtfelde einsam liegend, er duldet habe, läßt sich nicht schildern. Wenn ich noch heute daran denke, zittert mir das Herz im Leibe und die Tränen kommen mir in die Augen. Ich habe kürzlich die Stelle wieder ausgesucht, wo ich gelegen habe. — Endlich, endlich hörte ich einen Wagen langsam heranrollen. Es war ein Bauern karren, welcher die Toten zu ihrer letzten Ruhe stätte, ins Massengrab, bringen sollte. Einen Lebenden vermutete man nicht mehr zu finden. Schon wollten sie an mir vorüberfahren. Da ge wahrte mich noch einer. Man packt mich an, um mich auf den Wagen zu werfen. Ich zucke mit den Augenwimpern, zu keiner andern Bewegung war ich mehr fähig. Gott sei dunk! man gewahrt es. „Es ist noch Leben in ihm!" rufen sie ver wundert. Sanft werde ich auf den Wagen ge hoben, bequem gelagert und nach Wörth gefahren. Dort nahmen gute, treue Seelen sich meiner hilf reich an. In einem Bürgerhause wurde ich wochen lang mit größter Sorgfalt gepflegt. Gott segnete die Liebesmühe der braven Leute. Langsam genas ich von meiner schweren Verwundung. Meinen alten Vater, dessen Bildnis mir so wunderbar das Leben gerettet hatte, konnte ich, in die Heimat zu rückgekehrt, wieder in die Arme schließen. Aber nimmec werde ich sie vergessen, die Tage von Wörth." Kirchliches. Zur sächsischen evangelisch-lutherischen Landes kirche gehören nach den neuesten Feststellungen 1046 Gemeinden mit 3 963 237 ev.-luth. Glaubens genossen, 1469 ev.-luth. Geistlichen, 1369 Kirchen, 153 Begräbniskapellen, 80 anderen Kapellen, 154 Betsälen. Der Verein für kirchliche Kunst im Königreich Sachsen ward auch im Jahre 1902 seitens der Landeskirche vielfach in Anspruch genommen. Es wurden von ihm geliefert: 28 Entwürfe (zwei für Neubau von Kirchen, fünf für andere Neubauten, neun für Umbau, Instandsetzung, Erneuerung von Kirchen, zwölf für andere Herstellungen), 28 Mal Vorschläge, Beirat und dergl., 28 Mal Gutachten über Entwürfe und sonstige Vorschläge. — Der Verein bietet für Bibeln und Gesangbücher zwei Stiche dar: Rees domo nach Guido Reni und den Hartmannschen Stich nach Carlo Dolcis bekanntem Heilandsbrustbilde. Beide kosten nur 5 Pfg. und werden viel begehrt. Leipziger Mission. In Englisch-Ostafrika sind gegenwärtig neun Leipziger Missionare tätig. Sie arbeiten am Volke der Wakamba. Bemerkenswert ist, daß sich auf der Station Mulango (gegründet 1899) die ersten Heiden zur Taufe gemeldet haben. Auch wurden auf diesem Missionsgebiete in letzter Zeit zwei neue Stationen gegründet. Die Arbeit unter den Wakamba war auch im letzten Jahre sehr entsagungsreich. Predigtplätze wurden 16 unterhalten, 70 Kinder in Kostschulen unterrichtet, getauft wurden 10, den Gottesdienst besuchten durch schnittlich 703. Die Seelenzahl beträgt gegenwärtig 72. Trunksucht und Unzucht beeinflussen das sittliche Leben der Wakamba auf das schlimmste und werden wohl nur nach langsamem Ringen zu bekämpfen sein.
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