Volltext Seite (XML)
Reinfall mit Eva Von Mare Stahl. (Nachdruck verboten.) Ich frage Sepp, ob er Wohl einer großen Gemeinheit fähig gewesen ist. Das ist eine indiskrete Frage, und man gibt bestimmt nicht gern darüber Auskunft. „Oh", sagt Sepp und rückt hin und her, „gerade Gemeinheit — „Nun", muntere ich ihm auf, „du kannst es ja auch anders nennen." Ja, das möchte er, meinte Sepp, zum Beispiel Not wehr, das wäre doch ein so schönes Wort, und zahllose Gauner beriefen sich täglich vor den Gerichten mit Erfolg darauf. Ich bin damit zufrieden und da fragt Sepp: „Du kennst doch Eva?" Ich sehe ihn zweifelnd an, denn Eva ist seine Frau, und da er von einer Gemeinheit erzählen soll, nehme ich cm, daß dies eine Eva ist, die nicht seine Frau ist. Aber er nickt nur bestätigend und sagt: „Es war nämlich so: Fred und ich arbeiteten damals beim Bau der Bergbahn im Badischen. Jeden Abend nach der Arbeit fuhren wir auf Rädern m die Stadt, und in dieser Stadt wohnte Eva. Sie studierte damals in Freiburg, mußt du wissen, und jeden Abend erschienen wir beide in dem Weinstübchen, wo sie zu Abend aß, und saßen am Neben tisch und taten uns dick mit Redensarten und Geldaus gaben. „Mit Gcldausgaben?" frage ich erstaunt, denn Sepp ist mir als sparsamer Mann bekannt. Er nickt schmerzlich: „O ja, damals", sagte er träume risch, „da war ich ein unternehmungslustiger junger Mann und hatte mein ganzes Geld für mich allein und keine Eva drückte den Daumen auf den Geldbeutel." Ich schnitt ihm das Wort ab: „Run und?" „Und", fuhr er fort, „ich wußte damals nicht, ob sie uns bemerkte. Sie tat wenigstens vollkommen uninter essiert. Später sagte sie mir, daß sie sich ins Fäustchen gelacht hätte über unsere gemeinsamen Anstrengungen und unseren Wunsch, einander zu übertrumpfen. Denn darauf kam es immer heraus, daß es eine Art Wettbewerb wurde, und wenn wir uns ganz groß fühlten, stand Eva vom Nebentisch auf, zahlte und ging. So war das lange Zeit, so daß wir uns schon lächerlich vorkamen. Aber eines Tages hörten wir durch Zufall, als sie mit dem Wirt sprach, daß sie die Absicht hätte, eine Kirmes oder Chilbi, wie man dort sagt, in der Nachbarschaft zu besuchen, und da stand unser Entschluß fest, sie unbedingt dort zu treffen, um einmal einen vernünftigen Anknüpfungspunkt zu haben. Also wir fuhren auf den Rädern los, zu dem Nachbardorf, in dem die Chilbi stattfand. — Plötzlich habe ich das Pech, daß meinem Rad die Luft ausgehl und ich rufe Fred, der voranfährt, zu, er soll an halten, ich müsse mein Rad aufpumpen. Weißt du, was geschieht: Als der Bursche das hört, tritt er in die Pedale und fährt los wie der Teufel. Der Loder wollte die Gelegenheit wahrnehmen und mir zuvorkommen. Oh, die Wut, die ich hatte! Ich schreie: „Halt! Halt!" und renne wie verrückt hinter ihm her, aber je doller ich schreie, desto doller fährt er. Wie ich da so brülle, kommt ein Radfahrer aus einem Nebenweg und fragt auf Schwäbisch: „Hott der Lump ebbes Ihr Radl gestohle?" Und da kommt nun die Gemeinheit: „Jawohl, wak- kerer Mann", sage ich, „er ist ein hundsgemeiner Dieb und ich kann ihm nicht nach!" Und siehst du, da tritt der andere ebenfalls wie ein Besessener in die Pedale und saust mit Geschrei und Hallo hinter Fred her, und alles, was Räder und Wagen hat, und uns unterwegs entgegen kommt, nimmt die Verfolgung auf." „Pfui!" sage ich. „Ua, pfui", sagt er reuig, „aber ich lief zurück, pumpte schnell mein Rad auf und umfuhr auf einem kleinen Sei tenweg das Getümmel, denn die guten Leute hatten ihn bald und verbleute ihn tüchtig und sperrten ihn ins Spritzenhaus. Ich aber ging auf die Chilbi, traf Eva, tanzte mit ihr, machte ihr eine Liebeserklärung und wurde in Gnaden angenommen. Er seufzte und schwieg. „Warum seufzest du?" fragte ich. „Tut dir deine Gemeinheit eigentlich leid?" „O ja", sagt er, „wie oft habe ich sie schon bereut!" Sein Blick war etwas ungewiß. „Und Fred", frage ich, „hat er dir verziehen?" „Und ob", rief Sepp, „er lacht jedesmal über das ganze Gesicht, wenn er mich trifft: .Siescht, da wolltst du mich reinlege und bischt selbst reingefalle!"" Er sah traurig in sein Glas: „Man soll nie eine Ge meinheit begehen", sagte er weise, „sie schlägt immer aus einen selbst zurück!" Goldene Worte Wie's aber in der Welt zugeht, Eigentlich niemand recht versteht, Und auch bis auf den heutigen Tag Niemand gerne verstehen mag. Gehabe du dich mit Verstand, Wie dir eben der Tag zur Hand; Denk' immer: Jst's gegangen bis jetzt, So wird es auch wohl gehen zuletzt. Goethe. Rechne niemals auf ein Glück! Oft bleibt im Garlen Das Erwartete zurück Hinter dem Erwarten. Wenn du darauf rechnest nicht, Wird's von freien Stücken Kommen und wie Sonnenlicht Doppelt dich beglücken. Friedrich Rückert. * Trag muntern Herzens deine Last, Und übe fleißig dich im Lachen! Wenn du an dir nicht Freude hast — Die Welt wird dir nicht Freude macheir. Mußt stets an deiner Mutter Art, Du Kind der Erde, dich erinnern: Je mehr die Schale dir erstarrt, Wahr' dir den flüssigen Kern im Innern? P. H e y s e. * Rastlos vorwärts mußt du streben, Nie ermüdet stille stehn, Willst du die Vollendung sehn; Mußt ins Breite dich entfalten, Soll sich dir die Welt entfalten; In die Tiefe mußt du steigen, Soll sich dir das Wesen zeigen, Nur Beharrung führt zum Ziel, Nur die Fülle führt zur Klarheit, Und im Abgrund wohnt die Wahrheit. Schiller. Hast du zur Arbeit gerade Mut, Geh schnell daran, so wird sie gut; Fällt dir was ein, so schreib es auf, Ist heiß das Eisen, hämm're drauf! R e i n i ck. * Das ist die wahre Liebe, die immer und immer sich gleich bleibt, Wenn man ihr alles gewährt, wenn man ihr alles versagt. Goethe.