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„Wie geht es Ihnen, Monsieur Tuvois?" er lächelte » so erfreut, als könnte ihm nichts Schöneres begegnen, . „entzückt, Sie zu sehen. Darf ich vorstellen: Monsieur Du- I vois, stellvertretender Bezirksleiter." Elisabeth sah ein j kleines geschmeicheltes Lächeln bei Tuvois. — „Das ist » meine Schwester, Monsieur Tuvois." „Reptil", dachte Elisabeth, wie sie Tuvois in die I Augen sah, kleine grünliche und irgendwie starre Augen j unter merkwürdig faltigen Lidern. Sein Handkuß war » ihr plötzlich zuwider. Aber eingedenk der Bitte Herberts ! bemühte sie sich, liebenswürdig zu sein. „Entzückt, daß Sie wieder hierher kommen, Fräulein > Fröhlich." Tuvois' Stimme war ergeben und werbend; er schien ! einer von den Männern zu sein, die sofort auf jede Frau I wirken wollen. Auf mich wirkst du aber durchaus unspmpathisch, » mein Lieber, dachte Elisabeth, indes sie Tuvois' Rede- ! schwall mit gelassenem Lächeln über sich hinbrausen ließ. Ja, er hätte schon von Monsieur Fröhlich sehr viel j von ihr gehört, sie wäre ja wohl schon einmal hier ge- » wesen? Leider aber wäre er erst kurz nach ihr aus den ! Posten hier gerufen worden. Es gereiche ihm zur Genug- I tuung, daß es auch Ausländer immer wieder in diese j schöne französische Kolonie zöge. ' Elisabeth hatte es auf den Lippen, die „Kolonie" mit ! dem Gegenwart „Mandatsgebiet" zu quittieren, aber es I lohnte sich nicht, sich in irgendeine Erörterung einzulassen, I die aufs Politische ging. „Und was wollen Sie hier beginnen, Mademoiselle?" I „Erst einmal bei uns im Haus nach dem Rechten > sehen", fiel Herbert Fröhlich rasch ein. Er blinzelte Elisa- l beth zu — laß mich jetzt reden, hieß dies. „Und außerdem » möchte meine Schwester im Hospital helfen. Natürlich I nur freiwillig, und wenn Sie nichts dagegen haben, Mon- j sieur Tuvois." „Sh, bitte, bitte, es kann für das französische Hospital » nur ein Gewinn sein." Tuvois verbeugte sich liebens- ! würdig, „ich nehme an, daß die Aerzte damit einver- I standen sind." „Mein Bruder hat sich natürlich vorher erkundigt. » Ich bin jetzt im Begriff zum Hospital zu fahren, um mich ! zu melden." „Oh, dann ist ja alles in schönster Ordnung Made- j moiselle. Schade, ich würde Ihnen gern anbieten, Sie , hinzubringen, aber ich muß dringend von hier aus zu ! einer Besprechung." Elisabeth dankte sehr schnell. Tas hätte ihr noch gefehlt, die Begleitung des Fran- > zosen anzunehmen. Ohnehin würde man ihm schwer eni- ! gehen können. Ndogassa war klein, und, um keinen Zweifel i zu lassen, sagte Tuvois, sich wieder über ihre Hände l beugend: „Auf Wiedersehen, Mademoiselle, ich hoffe, ich werde ! öfter Gelegenheit haben, Sie zu sehen. Ich habe ja öfter I mit Dr. de Jong im Hospital zu verhandeln." Er wandte sich zu Fröhlich. „Haben Sie hier auch zu > tun, Herr Fröhlich? Bitte, bitte, nach Ihnen." Ebe er ins Haus trat, wandte er sich noch einmal mit einem werbenden Lächeln zu Elisabeth. Die nickte mechanisch. Ter Name Tr. de Jong hatte ! die kleine Szene mit diesem unangenehmen Tuvois schon ! ganz verdrängt. Wie sie sich auf de Jong freute, aus die > Arbeit mit ihm. Tie hatte in sich das ruhige Bewußtsein ihres Könnens. Sie würde de Jong wirklich nützen ! können. Außerdem, gegen die nervöse Atmosphäre im i Hause ihres Bruders war sachliche Strenge der Arbeit für I sie geradezu Notwendigkeit. Siebentes Kapitel Tas Hospital von Ndogassa umfing Elisabeth sofort l mit jenem altvertrauten Geruch von Kühle, Desinfektions- j mitteln und Sauberkeit. Ueberall merkte man de Jongs » europäische Art. Blitzblank alles, Blumen auf den kleinen ! Tischen in den Korridoren, ein paar offene Labore I toriumsräumc, tadellos mit ihren Gesäßen, Kochvorrich- f tungen, Tabellen. Nur die schwarzen Tiener in den > weißen Kitteln waren Afrika. Elisabeth sand Dr. de Jong in seinem kleinen Privat- I arbeilszimmer. „Oh, Sie, Schwester Elisabeth?", er stand auf, reichte ihr die Hand. Es war so, als hätten sie sich gestern erst < getrennt. Jetzt erst fühlte Elisabeth sich wirklich zu Hause. ! Als sie sagte, daß sie, sofern es recht wäre, bald ansangen wollte, gab de Jong nur zur Antwort: „Ich kann Sie sehr nötig gebrauchen, Schwester ! Elisabeth." ! Ta wurde Elisabeth ganz rot. Diese Aeußerung de Jongs war mehr wert als ein großes Lob. „Wie geht es bei Ihrem Bruder?" fragte de Jong. > „Wie Gerhard?" ! Elisabeth berichtete kurz. De Jong sah nachdenklich ! vor sich hin. „Ich bin kein Freund übereilter Diagnosen, Schwester Elisabeth, das wissen Sie. Aber ich werde der Geschichte bei Gerhard schon aus die Spur kommen. Diese Fieber anfälle sind zwar unangenehm, aber nicht bedenklich. Ich halte Gerhard nicht für krank. Sein Körper ist nur irgend wie in Aufruhr gegen irgend etwas. Ich komme in den nächsten Tagen wieder einmal. Und wie geht es Ihnen, Schwester Elisabeth? Sie sehen gut aus, gut und sicher." * Nachdenklich stieg Elisabeth in den Wagen, den Her bert ihr geschickt hatte. Mit de Jong brauchte man nichts zu reden. Dies eine Wort „sicher" hatte ihr alles gesagt. Er wußte, warum sie damals, vor vier Jahren fortgegan gen war. Und daß Holger die Verwirrung gewesen. Mit einem Blick hatte de Jong festgestellt, daß sie sich wieder eingesangen hatte. Wieviel Worte hatte man mit Holger reden müssen. Endlose Gespräche. Und jedes Gespräch eine immer neue Mauer zwischen ihm und ihr. Aber das war nun vorbei. Wirklich, sie war „sicher", wie de Jong es genannt hatte. Doch ihr Versprechen, bald bei ihm anzutreten, wurde durch die Ereignisse durchkreuzt. War Gerhard das Auf stehen nicht bekommen, wie Herbert Fröhlich trotz aller Angst mit einem leisen Triumph ihr gegenüber meinte, war es ein frischer Fieberanfall, genug, der Junge lag am nächsten Tage schon glühend, mit trockenen Lippen und unnatürlich glänzenden Augen in seinem Bett. Völlig apathisch. Nein, Elisabeth konnte jetzt nicht fort. Gerhard krank, Grete mit ihrer Migräne. Sie mußte mit dem Krankenhaus schon warten, bis hier alles im Lot war. Um so mehr, als Herbert Fröhlich in einer fürchterlichen Stimmung war. Dreimal schon hatte er einen seiner schwarzen Boys zum Hospital geschickt. Dr. de Jong möchte kommen, aber sofort, es eile. Das drittemal war der Boy mit der Frage zurückgekommen, ob es denn durchaus Dr. de Jong sein müsse. Dr. Tourbier sei ebenfalls frei. „Nein", schrie Fröhlich unbeherrscht, „nur Dr. de Jong, wie ich gesagt habe. — Ich verlange Dr. de Jong." Da gestand der verängstigte Junge, daß Dr. de Jong schon seit dem frühen Morgen bei dem mächtigen Herrn Gouverneur Duvois sei. „Unsinn, — Gouverneur, — Kommissar ist Monsieur Duvois. Nächstens macht ihr ihn noch in euerer seligen Einfalt zum Präsidenten von Kamerun, — he?" Der Boy wollte davonflitzen, aber Fröhlich hielt ihn am rechten Ohr fest. — „Und was hast du im Hospital be stellt, du schwarzer Nichtsnutz?" „Doktor sofort hierher — — soforrrt." Fröhlich gab das Ohr frei und stieg die Treppen zum Wohnhaus hinauf. Vorher warf er noch einen flüchtigen Blick ins Kontor. Die schwarzen Köpfe beugten sich bei seinem Eintritt noch tiefer über die Bücher, das kleine blonde Mädchen an der Schreibmaschine klapperte heftig. Fröhlich zog die Tür wieder zu und stieg seufzend die Treppe hinauf. Er Halle in der letzten Zeit zugenommen. Zehn Pfund zuviel wog er, wie Dr. de Jong erklärte. Wahrscheinlich kam es vom Bier. Aber wie, zum Teufel, sollte man sonst mit der Hitze fertigwerden und dem schau derhaften Durst? Immerhin — ein bißchen einschränken mußte man das Trinken wohl. Wie halte de Jong vor geschlagen? Mal mit Kokosmilch versuchen. Gräßlich, das labbrige Zeugs, aber die Schwarzen in den Pflan zungen hielten damit den höllischen Durst aus. " ' (Fortsetzung folgt.)