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Ter blaue Phosphorglan; der Dämmerung lag schon ; in den Gärten von Rdogassa, als der Boy Dr. de Jong » meldete. Fröhlich stürzte ihm an der Treppe entgegen. „Endlich, Doktor, der Junge hat neununddreißigacht, I ich bin ganz verzweifelt. Acht Tage ging's gut — und nun ' dieser Rückfall." Dr. de Jong nahm die Hand Fröhlichs mit einem I kräftigen Truck und zwang den aufgeregten Mann, ruhig I neben ihm her die Treppe hinaufzusteigen. „Es ist kein Rückfall, wie Sie annehmen, Herr Fröh- ! lich, es ist ein Sprung, der mir nicht unerwartet kommt. ! Gerhards Kurve ist immer in Sprüngen gegangen, haben » Sie das ganz vergessen? Morgen früh liegt er auf höch- ! stens achtunddreißig, übermorgen auf Rormaltemperatur. ! Nur nicht künstlich hinunterschrauben. Ich könnte ja Chinin « geben, aber ich tue es absichtlich nicht. Es wäre ein Ein- > griff in einen naturgewollten Ablauf. Fest steht für mich, ! daß es ein Aufruhr des Körpers auf seelischer Grundlage ! ist. Wo der seelische Knax bei Gerhard steckt, das muß ich I erst herausfinden." Fröhlich sah unbefriedigt aus. Tr. de Jong öffnete schweigend die Tür. Er hatte ! lautlose Bewegungen und schritt leicht durch den ver- I dunkelten Raum. Gerhard Fröhlich schlief noch immer. ! Der Arzt beugte sich tief zu ihm herab. Tas dichte Haar, i von dem gleichen Blond wie das Elisabeths, lag wirr in ! den Kissen, als hätte eine unruhige Hand darin gewühlt. I Die hohe reine Knabenstirn zeigte drei scharfe Falten, der I Mund war fest zusammengepreßt. Die eine Hand lag ! unter der Wange, die andere war zur Faust geballt. Dr. de Jong betrachtete lange und schweigend den I schlafenden Knaben. Fröhlich stand an der Wand gelehnt > und schaute abwechselnd seinen Jungen und den Arzt an. - Es war, als wenn der Schlafende die Beobachtung fühlte, ! er regte sich und schlug die Augen auf. Blaue, forschende I Knabenaugen. Ein schwaches Lächeln löste die Spannung I aus seinen Zügen, als er de Jong erkannte. Tie Finger » der geballten Faust streckten sich. Tr. de Jongs Gesicht, nicht mehr undurchdringlich, I beugte sich zu dem Knabenantlitz. „Nun, mein Junge, wie ' geht es uns heute?" ; Gerhards Hand fuhr an die Stirn und strich darüber i hin. Es war die gleiche Bewegung, die Herbert Fröhlich I zu machen Pflegte, aber bei dem Jungen hatte sie etwas I von einer bedingungslosen Energie. Er strich eine Ge- ; dankensolge hinter der Stirn aus, die ihn peinigte. Tr. de Jong wartete geduldig. „Herr Doktor", fragte Gerhard leise, „waren Sie schon ! einmal in Deutschland?" ; Ein ganz leiser Ruck, der Arzt richtete sich auf. „In Deutschland? Ja — natürlich, ich habe doch in I Deutschland studiert." Die blauen Kinderaugen hingen sich forschend in I de Jongs Gesicht. „Herr Doktor, finden Sie Deutschland schön? — Ich I meine —" fügte er hastig hinzu, „finden Sie es schöner als ! hier?" ! Herbert Fröhlich räusperte sich hörbar, und der Junge I schreckte zusammen. Eine Helle Röte überflammte sein Gesicht. „Ach Vater, du bist hier? — Ich hatte dich gar nicht ! gesehen." „Gewiß bin ich hier, selbstverständlich bin ich hier, I aber diese Fragen — ich glaube, — meinen Sie nicht ! auch, Herr Doktor —, er sollte an etwas anderes denken?" Dr. de Jong legte seine Hand auf Gerhards Rechte, I die sich schon wieder zur Faust zusammenballte. „Deutschland ist sehr schön, Deutschland ist sehr schön, ; aber hier gibt es auch soviel, was man schön nennen kann. » Man muß es nur richtig betrachten, weißt du. Und das l richtige Betrachten kann man lernen." Fröhlich räusperte sich hörbar. Dr. de Jong unterhielt I sich mit dem Jungen, schön, gut, aber dazu hatte er ihn ' nicht Herkommen lassen. — Wieder ein scharfes Räuspern. I — Wenn es nicht um gewisse Rücksichten ging, er würde I wahrhaftig den Doktor Tourbier nehmen. Ta würde man i doch endlich mal hören, was so ein Arzt über den Jungen ' dachte. Tr. de Jongs Zugeknöpftheit konnte einen nach- I gerade rasend machen. „Na —, und das Herz", fragte er rücksichtslos und l trat an das Bett, „mein lieber Junge, der Doktor wird ' Wohl jetzt einmal das Herz abhorchen müssen." i Dr. de Jong wechselte einen kurzen Blick mit Gerhard, i der still das Hemd zurückstreifte, dann nahm er schnell sein I Stethoskop aus der Tasche und begann zu horchen. Als er mit Fröhlich zusammen das Zimmer verlassen j hatte, sagte er lakonisch: „Es ist Heimweh — Achtes Kapitel Auf den Feldern Hartmanns quollen die Maiskörner - in ihren grünen Blatthülsen zu dicken, gelblichen Kolben. I Das süße Duften der Bohnen war verblüht, sie reiften ß schon. Hartmann fuhr in seinem Wagen langsam durch ; die Felder. Wie schnell verging die Zeit. Waren es wirklich > erst ein paar Wochen, seitdem er mit de Jong hier die i Versuchsfelder betrachtet hatte, seitdem dieser Auftritt mit f Duvois gewesen und der Dualamann Zuflucht bei ihm ge- » sucht? „Schnell geht die Zeit, nicht wahr, Schimja", sagte er I lächelnd zu dem kleinen braunen Affen. Der hockte neben , ihm, blinzelte aus melancholischen Tieraugen in die ; reizende Landschaft. Die Ernte stand gut, die jungen Tabakkulturen schossen, I daß es eine Freude war; Hartmann konnte zufrieden sein, f Auch der Zwischenfall mit Duvois schien erledigt zu sein, f Der Franzose schwieg, de Jong ließ nichts von sich hören, » die ganze Sache hatte sich Wohl im Sande verlaufen. I Hartmann sollte es nnr recht sein. f Während er den Wagen heimwärts lenkte, überschlug f er in Gedanken das wirtschaftliche Ergebnis dieses Som- » mers. Es war das beste, was er bisher erreicht hatte. Es I war aber auch Zeit, nun konnte er den letzten Rest des > Tarlehns zurückzahlen, mit dem er die Pflanzung einge- f richtet hatte. Und dann erst war er völlig unabhängig. » Noch ein, zwei Monate, und das Ziel war erreicht. Die Aeffin stieß einen kleinen, klagenden Schrei aus, I es klang wie ein menschlicher Seufzer. „Was hast du, Schimja?" Wieder dieser Schrei und ein abgrundtiefer Schmerz 1 in den braunen Tieraugen. Hartmann stoppte, und dabei i fiel sein Blick zufällig aus dem Wagen. Drüben, zwischen ; den Tabakstauden von Pflanzung siebenundzwanzig, ' schwankte eine Gestalt im weißen Kittel hin und her. War I das etwa Njong? Hartmann sah genauer hin. Er war I Njong. Er ging unsicher wie ein Berauschter und faßte ; sich von Zeit zu Zeit an den Kopf. Hartmann runzelte die » Stirn. Hatte der Bursche etwa Palmwein getrunken? Oder I war er über den Medizinschrank gegangen? Heute früh I hatte er ihm den Schlüssel gegeben, einer ver Boys hatte ; über Leibschmerzen geklagt. — Der Medizinschrank war » eine große Versuchung mit seinen verschiedenen alkoho- I lischen Tropfen. „Njong —!" Auf diesen Ruf straffte sich die taumelnde ' Gestalt und kam langsam näher. Jetzt sprang Hartmann » heraus. Das Gesicht Njongs war verzogen, vergeblich ver- i suchte er ein kindlich-frohes Lächeln. „Holla — was ist los?" ' Njong hielt sich mit beiden Händen den Kopf. „Schon heute morgen, Herr, aber jetzt sehr schlimm." I „Und da hast du mir nichts gesagt?" „Njong kann warten, Herr —, Njong wartete gern." I Sein Herr schluckte einen kleinen Fluch herunter. „In diesem Falle hättest du lieber na, I komm mal her." Er umspannte mit kurzem Griff Njongs Handgelenk ; und sah dabei auf seine Uhr. Dann drehte er ihn herum » und betrachtete lange den schwarzen Nacken. , „Dacht' ich mir's doch. Steig ein, Njong, aber > rasch, es geht noch heute nach Ndogassa hinunter zum ; Doktor." Njong versuchte einen flehenden Blick. Nein, es war I ja gar nicht schlimm, er war nicht krank, er wollte nicht I fort von Ubandi. Es war nur der Kopf , nur der ; Kops . ; Ein paarmal versuchte Njong zu sprechen auf der I eiligen Fahrt, aber der Herr gab keine Antwort. Er hörte i gar nicht, was der verängstigte Schwarze zu ihm sagte —, ; er dachte nur diesmal ist's Gewißheit. Njong, » armer, guter Junge. — — — (Forrteyung sotgr.» I