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Hohenstein-Ernstthaler Anzeiger : 28.07.1903
- Erscheinungsdatum
- 1903-07-28
- Sprache
- Deutsch
- Vorlage
- SLUB Dresden
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id1841177954-190307287
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id1841177954-19030728
- OAI
- oai:de:slub-dresden:db:id-1841177954-19030728
- Sammlungen
- Zeitungen
- Saxonica
- LDP: Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
-
Zeitung
Hohenstein-Ernstthaler Anzeiger
-
Jahr
1903
-
Monat
1903-07
- Tag 1903-07-28
-
Monat
1903-07
-
Jahr
1903
- Titel
- Hohenstein-Ernstthaler Anzeiger : 28.07.1903
- Autor
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Die Namen der bei dem beklagenswerten Un glück ums Leben gekommenen 4 Passagiere haben wir bereits in voriger Nr. mitgeteilt. Von den leichter Verletzten sind bekannt geworden ein Ehe paar Hüttel aus Teplitz, von dem der Mann im Gesicht verletzt wurde, Herr Barbier Max Schubert aus Cranzahl, Frau Wünschmann aus Sehma und die Herren Kaufleute Mandowsky und Gerz aus Annaberg. Erwähnt sei hierbei, daß der verunglückte ge mischte Zug ausnahmsweise sehr gut besetzt war. Die vier tödlich Verletzten wurden von ihren An gehörigen sofort reklamiert und mittels Geschirr oder Tragbahre nach Bärenstein, Sehma und Annaberg gebracht. Als die erste Leiche, die des Husarenunteroffiziers Paul Langer, von der Un fallstelle weg nach dem bereitstehenden Wagen ge tragen werden sollte, wurde aus der die Unfallstelle umgebenden äußerst zahlreichen Menge von einem Annaberger Herrn in scharfen Worten gegen die Art und Weise des Transportes protestiert. Zur Weg schaffung der Leiche benützte man eine mit Brettern belegte Möbeltrage, die dem Sprecher als Toten trage zu unwürdig erschien. Mag es auch an gebracht sein, gegen das Forttragen der Leichen auf einer so primitiven Tragbahre zu protestieren, so ist dies doch auch wieder zu entschuldigen, da es sich darum handelte, die Leichen möglichst schnell vom Schauplatze weg nach den bereitstehenden Wagen zu bringen, die Krankenbahre aber noch nicht eingetroffen war. Der jedenfalls pietätvoll gemeinte Protest wurde im Angesicht des Todes zu einer störenden und peinlichen Szene, die durch Zwifchenrufe und Beifallsbezeugungen erweitert wurde. Bei der Feststellung und dem Erkennen der Toten spielten sich herzzerreißende, das Mitleid der Umstehenden aufs tiefste erregende Szenen ab. Erschütternd war der Anblick, als der erwachsene Sohn des verunglückten Grund an der Unfallstelle erschien und, nachdem er von dem Unglück er fahren, seiner untröstlichen, so plötzlich verwitweten Mutter um den Hals fiel, um sich an ihrem Herzen auszuweinen. Wahrlich ein ergreifendes Trauerspiel. Die Beerdigung der tödlich verunglückten, am schrecklichsten verstümmelten Frau Emilie verw. Meyer aus Marienberg, die in Annaberg zwei verheiratete Töchter hat und bei diesen zu Besuch weilte, erfolgte Sonntag nachmittag */.3 Uhr auf dem Friedhöfe zu Annaberg unter ungemein zahl reicher Anteilnahme der Bevölkerung. Von der Bahnverwaltung war als Vertreter für den kränk lichen Herrn Bahnhofsinspektor der dienstälteste Assistent des Annaberger Bahnhofes, Herr Schlick, in Galauniform unter den Leidtragenden anwesend. Die Stadt Buchholz, in deren Mauern das Un glück gescyah, hatte eine aus drei Herren bestehende Deputation entsandt, welche die Teilnahme der Stadt an dem Unglücksfall versicherte und am Grabe der so plötzlich aus der Mitte ihrer Ange hörigen gerissenen Witwe einen prächtigen Palmen zweig niederlegte. Der zahlreiche Blumenschmuck, wie überhaupt die große Teilnahme an dem Un glück mögen lindernd auf den Schmerz der Töchter und Verwandten der Verunglückten gewirkt haben. Die Beisetzung der übrigen Opfer des Unfalles erfolgt heute Montag nachmittag, und zwar die der Frau Postverwalter Otto in Sehma nachmit tags I Uhr, die des Husarenunteroffiziers Paul Langer in Sehma nachmittags '/,3 Uhr und die des Prokuristen Albert Grund in Bärenstein nach mittags 3 Uhr. Zu sämtlichen Beerdigungen wird die Stadt Buchholz eine Deputation entsenden, ebenso wird ein Vertreter der Staatseisenbahn an wesend sein. Zu der Beerdigung des Husaren Langer trifft voraussichtlich eine Deputation seines Regiments ein. Buchholz, 26. Juli. Die gestern stattgefundene gerichtliche Erhebung in Sachen des Eisenbahnun glücks in Gegenwart des Herrn Staatsanwalts Dr. Hubert-Chemnitz hat zur Wiederfestnahme des als Haltepunkt - Verwalters beschäftigten Stations- Assistenten Reinhardt geführt. * * * Die Katastrophe scheint doch noch ein fünftes Opfer fordern zu wollen. Es ist nur wenig Hoff nung vorhanden, den Geschäftsreisenden Karl Faust aus Plauen (27 Jahre alt) am Leben zn erhalten. Für den Bedauernswerten kann der Tod auch nur eine Erlösung bedeuten, denn er ist derart zuge richtet, daß er wohl nie wieder wirklich gesund werden kann. Fräulein Meichßner aus Schneeberg, die andere Schwerverletzte, ist außer Lebensgefahr. Den leichter Verletzten geht es den Umständen nach gut. Oertliches und Sächsisches. Hohenstein-Ernstthal, 27. Juli. * — Von der hundstäglichen Stille spüren besonders wir in Sachsen nichls. Uns beschäftigt die Sorge um die Zukunft, das auf der ganzen Linie der politisch reifen Bürgerschaft wache In teresse an einer Rückreform des sächsischen Land tagswahlrechtes. Wenn wir auch darauf Hinweisen könnten, daß das preußische Landtagswahlrecht noch viel weniger freiheitlich ist, als das unserige, so genügt doch dieser Hinweis nicht, unsere Wünsche nach einem gerechten Modus bei der Wahl zu be- ruhigen — gerechter namentlich insofern, als wir wohl alle eine Vertretung aller Stände, wenigstens in gewissem Maße, als erstrebenswert ansehen. So erscheinen für uns die sächsische Politik, die Hunds tage und die Ferienwochen eine rechte Arbeitszeit zu werden. Vorschläge zur Verbesserung des Wahl rechts gehen von allen Seiten ein; uns scheinen von ihnen die am beachtlichsten, die es auf eine Klasfenwahl nach Berufsständen abgesehen haben, doch haben wir unter den gemachten Vorschlägen bis jetzt noch keinen finden können, der uns ohne weiteres zugesagt hätte. Möchte ein rechter Segen des Reifens und Vollendens, wie er jetzt draußen auf der Flur liegt, auch auf den Entschließungen der nächsten Wochen in dieser Angelegenheit ruhen. Das arbeitsame, vorwärts strebende Sachsenvolk wüßte es durch kräftige Mitarbeit und durch neue Einsicht in die veränderte Lage der Dinge sicher zu danken. * — DaS diesjährige Preis- und Königs- Schießen der Neustädter Schützeu-Kompagnic war am gestrigen Sonntag andauernd vom schönsten Wetter begünstigt. Eingeleitet wurde das Fest bereits am Sonnabend abend durch Zapfenstreich. Auf dem Festplatze entwickelte sich schon in den ersten Nachmittagstunden ein reges Treiben. Schau steller waren zwar diesmal nicht anwesend, um somehr bildete aber die Konzert-Halle einen großen Anziehungspunkt. Das dortselbst auftretende Zieroldt'sche Ensemble bot aber auch wirklich viel Sehens- und Hörenswertes. Großen Beifall ernteten u. a. stets die „Almer Madln", sowie noch besonders die jugendlichen Kraftgladiatoren, welche in ihren staunenerregenden Leistungen wohl nicht so leicht übertroffen werden dürften. Er wähnen wollen wir auch den vortrefflichen Mimiker und Imitator, welcher nicht nur Alltagsgesichter recht originell, sondern auch bekannte historische Persönlichkeiten verblüffend getreu wiedergab. Wir können aus diesem Grunde einen Besuch der Vor stellung nur jedermann aufs beste empfehlen. * — Dementi. Wir sind zu der Erklärun ermächtigt, daß die von anderer Seite gebracht Notiz, betreffend die Frankenberger Teppichfabrik, auf Unkenntnis der Tatsachen resp. Entstellung derselben beruht. Der eingetragene Inhaber der betreffenden Firma ist Herr Max Hofmann in Frankenberg. Ob und in wieweit Herr Alfred Pfeffer korn an dem Unternehmen interessiert ist, entzieht sich völlig positiver Kenntnis. * — Für den neuen Bau des hiesigen Amts gerichts sind die Maurerarbeiten Herrn Baumeister Carl Richter in Zwickau und die Steinmetz- und Bildhauerarbeiten Herrn Richard Thomä in Hohen stein-Ernstthal vom königl. Landbauamt Zwickau übertragen worden. Der Bau ist bereits in An griff genommen. * — Falsches Gerücht. Dem gestern in unserer Stadt kursierenden Gerücht gegenüber, ein An gestellter eines nahegelegenen Vergnügungs-Etablisse ments habe mit einem Wertbriefe von 3000 Mark, den er bei den» Postamt zur Beförderung abliefern sollte, das Weite gesucht, sind wir in der Lage mitzuteilen, daß sich der Betreffende gestern abend gegen 10 Uhr wieder in seiner Behausung ein gefunden und seinem Auftraggeber den Wertgegen stand unversehrt zurückgegeben hat. Von einer Flucht kann also keine Rede sein, ebensowenig von einer Unterschlagung. * — Eine seltsame Wohnstätte hatte sich vor einigen Tagen ein vom Mutterstock entwichener Bienenschwarm auserkoren. Im Dachgeschoß des Hauses Ecke Lungwitzer- und Herrmannstraße hatte sich derselbe häuslich niedergelassen und auch sofort mit dem Bau seiner Zellen begonnen. Um den Schwarm einzufangen, mußte heute ein kleiner Teil des Daches abgedeckt werden. * — Der Altstädter Turnverein hielt am gestrigen Tage sein diesjähriges Schauturnen ab. Hierzu sammelte sich der Verein nachmittags 3 Uhr im „Braunen Roß". An dem kurzen Umzuge durch einige Straßen der Stadt nahmen 102 Turner teil. Sehr angenehm belebt wurde das Ganze durch 20 in den Zug sich einreibende, in gefälliger (blau-weißer) Turnkleidung erschienene Mitglieder der Turnerinnen-Abteilung des Vereins. Am Turnplätze an der Hüttengrundstraße angelangt, traten nach kurzer Pause 84 Turner zu den Nürn berger Feststabübungen an. Dieselben, im Wechsel geturnt, klappten vorzüglich, wie auch die im An schluß hieran vorgeführten Freiübungen der Tur nerinnen. Das dann folgende Riegenturnen wurde von 11 Riegen mit zirka 90 Turnern programm gemäß durchgeführt. Hieran reihten sich Gruppen vorstellungen von Zöglingen an 1 bezw. 4 Pferden. Die Schüler zeigten sich hierbei recht wacker und so blieb der Lohn auch nicht aus, denn mit Bei fall wurde nicht gekargt. Auch brachte man den Turnerinnen bei ihrem Reigen vielen Beifall entgegen. Im dann stattfindenden Vorturnerturnen am Barren konnten die zahlreich erschienenen Freunde und Gönner des Vereins manche schöne Leistung bewundern. Der Beweis wurde auch hier erbracht, daß der Altstädter Verein auf der Höhe der Zeit steht. Zum Schluffe noch turnten ungefähr 20 Turner einige schwierige Keulenübungen und mit einem frischen, fröhlichen Kürturnen endete der für den Verein wie auch fürs Publikum schön ver laufene Tag. Ein solenner Ball hielt am Abend die Jünger Jahns im Schützenhause Altstadt noch lange beisammen. * — Schließfächer. Die seit Mitte 1901 bei der Reichspost eingeführten verschließbaren Ab holungsfächer (Schließfächer, letter-boxes) sind schon bei 252 Postanstalten in Gebrauch. Es sind bei diesen Postanstalten insgesamt 11558 Schließfächer verfügbar und von ihnen 7380 (4965 kleine und 2415 große) vermietet. Die Einrichtung hat beim Publikum sonach Anklang gefunden. * — Farnkräuter im Zimmer. Eine Pflan zenfamilie, deren Verwendbarkeit für die Zimmer kultur bisher wenig beachtet wurde, ist die der Farne. Es gibt unter den tropischen Farnkräutern viele wunderbar schöne Arien, die man bisher aber fast nur in Gewächshäusern zog. Auf Veranlassung des „praktischen Ratgebers im Obst- und Garten bau" haben jetzt mehrere erfahrene ZimmergäUwr mit 25 verschiedenen Farnkräutern Kulturversuche im Wohnzimmer gemacht, und es haben sich mehrere dieser Farnkräuter seit über einem Jahre au-g.- zeichnet bewährt. Prächtig entwickelten sich ver schiedene kterw, ^spiäium unä ^splenium, wäh rend die empfindlichen ^äiantmm (Haarfarn) meistens versagten. Es ist ein Vorzug aller Farnkräuter, daß sie wenig Licht gebrauchen. Der „praktische Ratgeber" zu Frankfurt a. Oder beginnt mit seiner neuesten Nummer, die auf Verlangen allen Garten freunden kostenfrei zugeschickt wird, die Veröffent lichungen über die Ergebnisse des Versuches und bringt auch die Bilder einiger schöner Farnkräuter. * Callnberg, 25. Juli. Der hiesige Stadt gemeinderat hat auch zur diesjährigen Geburtstags feier des Königs 100 Mark bewilligt, welche am 8. August an Arme unserer Stadt verteilt werden sollen. * Mülsen St. Jacob, 24. Juli. Gestern früh wurde von der Gendarmerie ein von der Königl. Staatsanwaltschaft Zwickau wegen Betrugs steckbrieflich verfolgter Färbergehilfe K. von hier in der Wohnung seiner Eltern betroffen, festge nommen und nach Zwickau transportiert. * Mülsen St. Niklas, 25. Juli. Der älteste Einwohner und zweitälteste Soldat Sachsens, der fast 91 Jahre alte Schankwirt Ferdinand Straaß, hat gestern einen bewunderungswürdigen Beweis seiner Rüstigkeit erbracht. Er bestieg nämlich einen weit über ein Haus hinausraqenden Birnbaum und holte aus diesem einen Bienenschwarm herunter, der sich in den Aesten festgesetzt hatte. * Glauchau, 25. Juli. In nicht gelinden Schrecken versetzt wurde vergangene Nacht ein in der Leipzigerstraße wohnender Grünwarenhändler, als er gegen Morgen von Polizeibeamten geweckt und darauf aufmerksam gemacht wurde, daß seine Ladentür offen stehe. Die sofort vorgenommene Revision der Kasse und des Geschäftslokals ergab jedoch zur Beruhigung des Besitzers, daß ihm nichts entwendet worden sei. Da Spuren eines Einbruchs ebenfalls nicht zu bemerken waren, so bleibt nur die Annahme übrig, daß die Ladentüre nicht ver schlossen gewesen und durch irgend einen Zufall aufgesprungen ist. * Dresden, 26. Juli. Zu dem in vor. Nr. gemeldeten Mord und Selbstmord auf der Ehrlich straße wird von Verwandten des Verstorbenen mit geteilt, daß der Dienstmann Clauß an seine Familien angehörigen einen rührenden Abschiedsbrief geschrieben hat, in dem er die Schuld an der unseligen Tat seinem Schwiegervater zuschreibt, da ihn dieser ständig von seiner Frau ferngehalten habe. In dem Briefe spricht Clauß noch die Bitte an seine Verwandten aus, die Kinder nicht in den Händen der Großeltern zu lassen und ihn mit seiner Frau gemeinsam in einem Grabe zu beerdigen. Ein an die Königl. Polizeidirektion gerichtetes Schreiben enthält nebst ausführlichen Darlegungen ungefähr dieselben Anschuldigungen und Bitten. Nicht den Tatsachen entspricht es jedenfalls, wenn behauptet wird, daß Clauß nicht für seine Frau und Kinder gesorgt habe. Es ist vielmehr festgestellt, daß er noch von Amerika aus Bargeld an seine Frau ge schickt hat. Die Ehe einer anderen Tochter des Vaters der erschossenen Frau ist übrigens ebenfalls eine unglückliche und gerichtlich geschieden. * Leipzig. Von der hiesigen Amtshauptmann schaft war die Veranstaltung von Gesangsauffüh rungen und Singspielen bei einem im Brauerei garten zu Stötteritz abgehaltenen Gewerkschaftsfest untersagt worden. Hiergegen war vom Festkomitee Rekurs bei der Kreishauptmannschast Leipzig ein- gelegt worden. Diese hat nunmehr den Rekurs, soweit er sich gegen das eben erwähnte Verbot der Amtshauptmannschast richtet, verworfen und ist in der Hauptsache den Gründen der Vorinstanz beigetreten. Dagegen ist von der oberen Verwal tungsbehörde dem Festkomitee die Erhebung eines Eintrittsgeldes von 15 Pfg. gestattet worden, jedoch mit der Bedingung, daß vom Komitee der Nach weis sür die Verwendung des durch das Eintritts geld einkommenden Betrags zur Deckung der Un kosten des Festes geführt wird. * Leipzig. Ein ijähriger Schüler von hier hat unter Mitnahme von 1600 Mk. am 22. Juli die elterliche Wohnung heimlich verlassen und ist wahrscheinlich Leuten in die Hände gefallen, die ihm die Sorge um das Geld abnehmen werden. * Chemnitz, 26. Juli. Aus den Verhandlungen der hier tagenden Delegiertenversammlung vom Allgemeinen deutschen Musikerverband ist als die Allgemeinheit interessierend folgendeshervorzuheben: einmal können entgegen früherer Gepflogenheit auch Militäranwärter dem Verbände beitreten, nur er lischt ihre Mitgliedschaft, wenn sie einen Staats oder Stadtdienst annehmen. Wie wertvoll für jeden Verband die Einrichtung des Rechtsschutzes ist, das bewies hier die Zusammenstellung des Herrn Vogel. Im letzten Jahre sind durch Rechts schutz den Mitgliedern gegen 7000 Mark erstellten worden. Diesem Gewinn stehen 500 Mark als Ausgabenkonto gegenüber. Das Unterstützungs- wesen (Unterstützung reisender Verbandsmitglieder und Musiker) bedarf dringend der Regelung. Einem Anträge, alle Unterstützungsgelder möchten der Ver bandskasse entnommen werden, konnte noch nicht stattgegeben werden, weil erst noch rechnerische Vorarbeiten zu erledigen sind. Altersschwachen und erwerbsunfähigen Mitgliedern soll in Zukunft der Verbandsbeitrag erlassen werden. Das Zentral- Stellenvermittelungswesen erfährt insofern eine Veränderung, als Hinfort Verbandsmitglieder nur die Hälfte, die Nichtmitglieder dagegen den vollen Betrag der Vermittelungsgebühren zu zahlen haben. Ueber den Antrag Coburg, bei Besetzung von Musikerkapellen in Deutschland möchten nur reichs deutsche Musiker berücksichtigt werden, ging man zur Tagesordnung über. — Der nächste Delegierten tag des Allgemeinen Deutschen Musikerverbandes findet in Bremen statt. * Chemnitz, 25. Juli. Der Fleischermeister Franz Döhler aus Chemnitz, der wegen Verkaufs von Fleisch aus der Abdeckerei in Mühlberg in Untersuchungshaft saß, ist in vergangener Nacht im Gerichtsgefängnis plötzlich gestorben. * Chemnitz, 27. Juli. Das gegen Herrn Wein händler Rosnati eingeleitete Verfahren ist nunmehr vollständig niedergeschla en worden. * Crimmitschau, 27. Juli. Hier beschäftigten sich die Textilarbeiter in zwei Massenversammlungen mit der Erlangung der lOstündigen Arbeitszeit. In beiden Versammlungen wurden Resolutionen angenommen, worin die 10stündige Arbeitszeit, 10 Prozent Lohnerhöhung für die Akkordarbeiter und Fortzahlung des bisherigen Lohnes an die im Wochenlohn stehenden Arbeiter verlangt wurden. An die Fabrikanten sollen in den nächsten Tagen Gesuche um Erfüllung dieser Forderung gerichtet werden. Sollten dieselben abgelehnt werden, so ist ein Streik nicht ausgeschloffen. * Planitz, 25. Juli. Die Expedienten-Ehefrau Otto hier hat sich vor 14 Tagen mit ihrer fünf jährigen Tochter entfernt. Alle Nachforschungen nach beiden sind erfolglos geblieben. Es wird be fürchtet, daß die etwas geistesgestörte Frau mit dem Kinde den Tod gesucht hat. — Es wurden erneut hier Schritte getan, daß eine Linie der Zwickauer Straßenbahn nach Planitz hergestellt und in Betrieb gesetzt werde. * Ntederhaklau, 25. Juli. Der unter dem Verdachte der Körperverletzung mit tödlichem Aus gange — begangen an dem Handarbeiter Stern kopf hier — gefänglich eingezogene Maurerlehrling Beinrucker von hier ist heute wieder in Freiheit gesetzt worden, da dem Vernehmen nach sich im Laufe der Untersuchung ergeben hat, daß Beinrucker bei dem in Frage kommenden Streite von Stern kopf und noch anderen jungen Burschen angegriffen worden ist und nur im Zustande der Notwehr ge handelt hat. * Plauen i. B, 25. Juli. Vor dem Hause Haußnerstraße 5 rauften sich gestern abend in der 8. Stunde zwei elfjährige Mädchen. Wahrschein lich aas Wut darüber, daß sie ihre Gegnerin nicht bezwungen hatte, packte eine der jugendlichen Streiterinnen die im erwähnten Hause zu einem Treppenhausfenster Herausschauende neunjährige Rosina Zeidler bei den Füßen und schob die so Ueberfallene unter dem Ausrufe: „Ich schmeiß' Dich zum Fenster hinunter!" mit aller Gewalt zum Fenster hinaus. Die kleine Zeidler stieß einen gellenden Schrei aus und auch zwei andere Kinder, die den Vorgang bemerkten, schrieen entsetzt auf. Im Augenblick der höchsten Gefahr kam die acht jährige Frieda Schuster hinzu, sie erfaßte die Zeidler beim Rock und riß sie mit aller Kraft zurück, ihr so das Leben rettend. Die durch die gellenden Schreie aufmerksam gewordenen Eltern der Zeidler kamen nun ebenfalls herzugeeilt und konnten sich ihres Kindes, das infolge des Schreckens und der Aufregung last ohnmächtig geworden war und am ganzen Körper heftig zitterte, annehmen. * Mühltroff Am Freitag nachmittag ist hier ein schweres Gewitter aufgetreten. Kurz nach 4 Uhr schlug der Blitz in den 15 Min. entfernt ge legenen zum hiesigen Rittergute gehörigen soge nannten Schafhof, entzündete dort das Stallgebäude und äscherte dieses bis auf die Grundmauern ein. Das im Stallgebäude befindliche Vieh wurde ge rettet. In dem Gebäude waren auch die Erträg nisfe der Heuernte mehrerer kleinerer Oekonomen untergebracht, die jedoch ein Raub der Flammen geworden sind. Leider ist auch ein weiterer Un glücksfall zu verzeichnen. Der Oekonom und We ber Herr Adolf Liedloff hatte mit noch etwa 10 Personen in dem Gebäude Unterschlupf gesucht und ist vom Blitz derart betäubt worden, daß so fort ärztliche Hüfe herbeigerusen werden mußte. * Gottcsgrün, 25. Juli. Während des gestrigen Gewitters schlug der Blitz in das vor kurzem neu erbaute massive Stallgebäude des Gutsbesitzers Seifert und zerstörte es. Das Vieh konnte nur mit Mühe gerettet werden. Seifert selbst liegt schwer krank darnieder. * Marienberg. Der heiße Wunsch, zusammen zu sterben, wurde einem seit langer Zeit kranken Ehepaare, dem Maurer Louis Schönherr und Frau erfüllt, indem Frau Schönherr am Montag abend, Schönherr am Dienstag vormittag ver schied/ Die größte Sorge beider auf dem Kran kenlager war gewesen: „Was soll aus dem an deren werden, wenn eins von uns wegstirbt". * Döbeln, 25. Juli. Auf der Suche nach neuen Steuerguellen hat der hiesige Stadtrat bei dem Stadtverordnetenkollegium wenig Entgegen kommen gefunden. Mehrere Versuche, z. B. eine Katzensteuer einzuführen, sind an dem Widerstande der Stadtverordneten gescheitert. In der letzten Sitzung lag ein neues Regulativ über die öffent lichen Musikaufführungen und Tanzvergnügen vor, in dem die Erlaubnis- und Anmeldegebühren, so wie die Abgaben zur Armenkasse doppelt so hoch als oie bisherigen sind. Das Stadtverordneten kollegium fand eine Eingabe des Gastwirtsvereins für beachtlich und erkannte an, daß das hiesige Gast wirtsgewerbe infolge zu viel erteilter neuer Schank konzessionen um seine Existenz zu ringen hat. Der Stadtrat wurde deshalb ersucht, die neuen Tarife nochmals prüfen zu lassen. * Freiberg, 24. Juli. In einem Garten in Freibergsdorf wurden dieser Tage innerhalb zwei Stunden gegen 400 Schnecken gefangen und ver nichtet. Die Schnecken treten in diesem Jahre massenhaft auf. * Ebersbach. In Georgswalde wurde ein schon seit längerer Zeit gesuchter schwerer Verbrecher, oer 22jährige Fabrikarbeiter Karl Lorenz, in dem Augenblick verhaftet, als er aus dem von vier Gendarmen umstellten Hause seiner Geliebten, die ihm heimlich Aufenthalt gewährt hatte, entspringen wollte. Lorenz hat feit einigen Wochen die Grenz orte in Sachsen und Böhmen durch Diebstähle und allerlei Betrügereien unsicher gemacht. Der gefähr liche Mensch soll auch den kürzlich von Neugersdorf aus gemeldeten Raub, wobei ihm 60 Mark in die Hände fielen, ausgeführt haben. Gerichtssaal. 8 Zwickau, 24. Juli. (Ferienstrafkammer.) Die erst 14 Jahre alte Fabrikarbeiterin Hedwig Hofmann in Hohenstein-Ernstthal hatte im Monat April d. IS. wiederholt die Frauenaborte einer dortigen Fabrik mit unsittlichen Bildern bemalt, wofür sie auf Grund deS § 184 Nbs. 1 deS Reichs- strafgesetzbuche» 30 Mk. Geldstrafe auferlegt erhielt, an deren Stelle im Uneinbringlichkeitsfalle 6 Tage Gefängnis zu treten haben. — Wegen verschiedener Ende vorigen und Anfang dieses Jahres in Meerane auSgeführter Ladenkassen- und anderer Diebstähle, wobei sie mit besonderer Raffiniertheit zu Werke gingen, wurden die 13 bez. 14 Jahre alten Schul knaben Albert Arno Haage, Paul Arthur Lenke
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