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Hohenstein-Ernstthaler Anzeiger : 29.07.1903
- Erscheinungsdatum
- 1903-07-29
- Sprache
- Deutsch
- Vorlage
- SLUB Dresden
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id1841177954-190307296
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id1841177954-19030729
- OAI
- oai:de:slub-dresden:db:id-1841177954-19030729
- Sammlungen
- Zeitungen
- Saxonica
- LDP: Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
-
Zeitung
Hohenstein-Ernstthaler Anzeiger
-
Jahr
1903
-
Monat
1903-07
- Tag 1903-07-29
-
Monat
1903-07
-
Jahr
1903
- Titel
- Hohenstein-Ernstthaler Anzeiger : 29.07.1903
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schuldig gemacht. Hildebrand gibt zwar an, daß eS ihm ferngelegen habe, durch die rote Schleife seine sozialistische Gesinnung zum Ausdruck zu bringen. Das Schöffengericht erachtete jedoch die Schuld des Angeklagten für erwiesen und erkannte mit Rücksicht auf seine bisherige Unbescholtenheit auf 20 Mk. Geldstrafe und Tragung der Kosten. Der wörtlichen und tätlichen Beleidigung an geklagt hatte sich der Geschirrführer Karl Mann zu verantworten. Ihm wird zur Last gelegt, am 3. Pfingstfeiertag, den 2. Juni d. I., das Ehe paar Held aus Hüttengrund dadurch beleidigt zu haben, daß er die Ehefrau Ida Held, welche sich in Begleitung ihres Mannes auf einem Spazier- gange befand, um die Taille faßte und sie anf- forderte, doch mit ihm (dem Angeklagten) allein weiter zu gehen. Gegen den Ehemann Ernst Held, welcher sich dies verbat, gebrauchte er allerhand Schimpfworte, wodurch er sich der wörtlichen Be leidigung schuldig machte. Das Schöffengericht verurteilte ihn auf Grund der Beweisaufnahme zu 1 Woche Gefängnis. Die nun folgende Strafsache gegen den Holz händler Emil Teumer wegen Sittenvergehens mußte unter Ausschluß der Oeffentlichkeit geführt werden. Teumer wurde in der Sache zu 1 Monat Gefängnis verurteilt. Gerichtssaal. 8 Paulines Entschuldigung. Vor der Ferien- straskammer de« Landgerichts II in Berlin sollte gegen da« Dienstmädchen Pauline Kreter wegen eine« Eigentumsvergehen« verhandelt werden. Bei Aufruf der Sache fehlte die Angeklagte. E« war ein Schreiben von ihr eingegangen, dessen kurzen und bündigen Inhalt der Vorsitzende zur Verlesung brachte. E« heißt darin: „Ich habe große Wäsche, kann nich kommen", und dann die Nachschrift: „Die Wäsche muß bi« Sonnabend fertig sind. Hoch- achtung«voll Pauline Kreter." Pauline soll zum nächsten Termine vorgeführt werden, auch wenn sie große Wäsche hat. 8 Ein Polizeikommiffar vor Gericht ver haftet. Die im Gericht«saal erfolgte Verhaftung eine« Polizeibeamten wegen dringenden Verdachts de« wissentlichen Meineides erregt gegenwärtig in Braunsberg (Ostpreußen) große« Aufsehen. Es handelt sich um den dortigen Polizeikommiffar Nietzkow«ki, der auf höhere Anordnung bereit» seit dem 16. d. M. vom Amte suspendiert ist. Die Verhaftung erfolgte unmittelbar nach Schluß der Verhandlungen in einem Beleidigungsprozeß, den der Polizeikommiffar gegen den Kaufmann Malina angestrengt hatte, und zu dem Zeugen au« Königs, berg, Danzig, Elbing, St.-Eylau und Braunsberg geladen waren. Der Beklagte wurde sreigesprochen und Nietzkowski sofort in Untersuchungshaft ab geführt. 8 „Red' doch deutsch!" ries während der letzten Christmette in der Nürnberger Klarakirche am Schluffe de« Hochamt« der Kellner Emil Kayser von Köslin in Pommern dem lateinisch sprechenden Priester zu. Die Strafkammer zu Nürnberg sand, der „Franks. Ztg." zufolge, hierin ein Vergehen wider die Religion und verurteilte Kayser zu 2 Monaten Gefängnis. 8 Ein sensationeller Prozeß hat sich gestern in Wien abgespielt. Wie man von dort meldet, wurde der frühere Unteroffizier in der Leibgarde infanteriekompagnie, der 42 Jahre alte Franz Kopetzky, der seine um 4 Jahre ältere Ehefrau Julie wegen eingestundener Untreue in der Auf regung über die Tat erscbossen hatte, von den Ge- schworenen de« Wiener Landgerichts sreigesprochen. Die Geschworenen verneinten den Mord einstimmig, den Todschlag mit 9 gegen 3 Stimmen. Alle Zeugen bestätigten, daß Kopetzky seine Frau sehr gut behandelte, während sie oft roh und gemein gewesen sei. Kopetzky sei über die Untreue der Frau, die einen neunzehnjährigen Konservatoristen und Musiklehrer zu einem Liebesverhältnis verführte, in Verzweiflung gewesen. Kopetzky selbst erklärte, er habe das Gewehr in sinnloser Aufregung er griffen, um die Frau zu erschrecken, nicht aber zu erschießen; allein der Schuß sei von selbst loSge- gangen, er wisse nicht wie. Da« freisprechende Urteil wurde von dem weiblichen Teil de« ju- schauerpublikum» mit lebhaftem Beifall ausgenommen. Kleine Chronik. * Berlin, 27. Juli. Ein brennende» Motorboot auf dem Gatower See brachte die Insassen in große Lebensgefahr. Dar Motorboot, dem Gastwirt Krause in Gatow gehörig, dient dem öffentlichen Verkehr zwischen den Wirtschaften am Seeufer und war am Sonnabend von Gatow mit mehreren Passagieren an Bord abgefahren. Unterwegs wurde der Benzin motor schadhaft, ein Rohr platzte, und große Stich, flammen schossen au« dem Motor herau«, sodaß die Holzteile de« Fahrzeuge« Feuer singen und die an Bord befindlichen Personen in Gefahr waren, zu verbrennen. Zum Glück befand sich da- Boot nicht mehr weit vom Ufer der Scharfen Lanke entfernt; eine junge Dame, Tochter de« Fabrikbesitzer« Schwarz in Pichelsdorf, sprang, um dem drohenden Flammen tode zu entgehen, über Bord und erreichte schwim mend da« Ufer; der Mannschaft gelang e« schließ lich, die Gefahr zu beseitigen und durch Wasser dar bereit« entstandene Feuer im Boot zu löschen; ein Mann erlitt dabei Brandwunden im Gesicht, auch ist ihm sein Haar zum Teil verbrannt. * Berlin, 27. Juli. Die Leiche der Frau Schindler, der Gattin des in Hamburg durch Selbstmord geendeten Berliner Bankiers Joief Schindler, ist bei dem Luftkurort Gremsmühlen im Diecksee gefunden worden. Ein Gremsmühlenrr Bürger, der Frau Schindler von einem früheren Aufenthalt in dem Kurort kannte, stellte die im See gefundene und nach dem Schauhause gebrachte Leiche als die der Ver. mißten fest. Frau Schindler hatte sich, wie erinner lich, aus dem Hamburger Hotel, in dem ihr Gatte Selbstmord beging, entfernt. Ihre Spur führte nach Kuxhaven; wohin sie sich von da begeben, war bisher unbekannt. * Görlitz, 27. Juli. Während gestern der Arbeiter Berndt und seine Frau ein Tanzvergnügen besuchten, entstand in ihrer Wohnung ein Stuben- brand. Zwei Kinder deS EH°paareS, im Alter von 2 und 5 Jahren, kamen umS Leben. Die Eltern wurden verhaftet. * Kiel, 27. Juli. Die Marinejacht „Lust" von der Ostseestation kollidierte im Kriegshafen mit d^m einlanfenden Schoner „Ida". Der Schoner ward", über der Wasserlinie schwer beschädigt, eingeschlcppt. Die „Lust" hat geringe Havarie erlitten. Von d n Bemannungen ist niemand verunglückt. * Kiel, 27. Juli. Aufrührerische Szenen haben sich in der Nacht zum Sonntag hier abgespielt. Ein Arbeiter sollte wegen Skandalieren« zur Wache geführt werden. Da« Publikum nahm g^gen den diensttuenden Schutzmann Partei, und al« w.Ü e Beamte zur Hilse herbeieilten, entstand ein nahezu halbstündiger Kampf. Die Menge schleppte von einem Neubau Steine herbei und bombardierte die Be amten. Hierbei wurden die Schutzleute Gorgatz und Mauch schwer verletzt. Ein Sergeant der Seeba. taillons, der den Beamte.1 zu Hilfe eilte, wurde durch Messerstiche erheblich verwund.t. Die ange griffenen Beamten mußten teilweise vor der Uebec- machl de« Publikum« in ein Hau« flüchten, dessen Fensterscheiben zertrümmert wurden. Die Polizei hat bisher drei Verhaftungen vornehmen können, weitere stehen bevor. * Hamburg, 27. Juli. In einem Anfall von Geistetstörung hat heute nacht in Altona der Amttrichter Baur im Hause seiner gestern gestor benen Mutter seinen Bruder, den Rechttanwalt Baur, die hochbetagte Dienerin seiner Mutter und dann sich selbst erschossen. Amtsrichter Baur war schon vor einem halben Jahr wegen hochgradiger Nervosität aus dem Dienst geschieden. * Rostock, 27. Juli. Der fünfjährige Sohn eines Bahnbeamten in Bützow spielte gestern morgen mit dem Teschin seines Vaters. Er legte auf seine 1'/,jährige Schwester an und schoß ihr eine Kugel in die Stirn. Das Kind ist gestorben. * Marburg, 27. Juli. Der Jäger von der Mühlen in Remscheidt von der 4. Kompagnie des 11. Kurhessischen Jäger-Bataillons wurde gelegentlich eines geringfügigen Streites mit einem Kameraden von diesem mit einem Fußtritt derart verletzt, daß der 22jährige junge Mann gestern in der Klinik gestorben ist. * Aus Thüringen. Ein schnelles und plötz liches Ende fand eiu Gutsauszügler in Langen wolschendorf. Derselbe aß, jedenfalls hastig, ein Stück Bratwurst. Dasselbe war ihm wohl im Halse stecken geblieben, denn plötzlich schlug er mit beiden Händen uw sich, wurde dunkelrot im Gesicht, und ehe ihm noch Hilfe zuteil werden konnte, war der bedauernswerte Mann erstickt. — In Lobenstein genoß der 36jähcige Bürstenmacher Franz eine größere Menge Kirschen und trank einige Glas Bier darauf. ES stellten sich bald heftige Schmerzen ein und am anderen Tage starb der Mann unter großen Qualen. — Eine bis jetzt noch unbekannte Frau, die ein kleines Kind auf den Armen trug, warf sich bei Eisleben vor den Güterzug, welcher gegen 10 Uhr von Sangerhausen in Eisleben eintrisft. Der Unglücklichen wurde der Kopf abge fahren, das Kind wurde gleichfalls schwer verletzt, starb aber im Krankenhaus zu Eisleben, wohin man es gebracht hatte. * Gera, 27. Juli. Zu Anfang 1902 ist auf der Straße bei Lusan der Ziegelmeister Feil ermordet und seiner Barschaft beraubt worden. Trotz eifriger Nachforschungen der Polizei war es nicht möglich, den Mörder oder die Mörder zu erwischen. Vorige Woche sind von der Strafkammer die Kirchenräuber Mainka, Gottwald, Rüdiger und Merkel, die ersteren zu Zuchthausstrafen, verurteilt worden. Der Mainka wurde als Rädelsführer verurteilt, weil die übrigen Verbrecher alles auf ihn geschoben haben. Als die Verbrecher am Mittwoch in das Zuchthaus transportiert wurden, hatte man Mainka allein ge schlossen. AuS Wut darüber gab er, wie der „Vogtl. Anz." meldet, zu erkennen, daß er um den Mord des Feil wisse, und wies namentlich darauf hin, daß der nach Amerika geflohene Weber Dietrich aus Irchwitz bei Greiz mit dem Morde in Verbindung stehe. Dietrich ist dem Vernehmen nach in Amerika unter dem Namen Tominik verhaftet worden. Unter solchen Umständen scheint es wahrscheinlich, daß der Mord noch seine Sühne finden wird. * Er'urt, 27. Juli. Am Freilag abend begab sich die etwa 40 Jahre alte Tochter des verstorbenen Amtsrichters Starke in dem benachbarten Stadtilm nach dem Bahnhose, um dort einen Brief abzugeben, kehrte aber nicht wieder nach Hause zurück. Am Sonnabend vormittag wurde die Vermißte unterhalb deS Bahnhofes aus einem noch bestandenen Roggen felde als Leiche aufgefunden. Sie lag mit dem Gesicht nach unten; der Platz war zertreten, als ob ein Kampf stattgefunden hätte. Der Hu: der Toten lag nicht weit davon, und der Regenschirm stand aufgespannt am Straßenrand. Von dem Mörder fehlt bis jetzt jede Spur. * Großgerau, 27. Juli. Gestern abend wurde auf der Verbindungsstraße zwischen Großgerau und Dornburg am Bahnübergang ein Wagen durch den um "/.lO Uhr fälligen Mainzer Personenzug zer trümmert. Eine auf dem Wagen sitzende Person wurde gelötet, eine andere schwer verletzt. * Trier, 27. Juli. Zwei Kinder einer Be- amtensamilie stürzten in Cond an oer Mosel beim Blumensuchen eine steile Felswand hinunter. Ein« derselben war aus der Stelle tot, da« andere ist tödlich verletzt. * Bingerbrück, 26. Juli. Der Postunterbeamte, der abends auf dem Trajekiboote die Postsachen nach Rüdesheim zu bringen hat, ist von seiner vorgestrigen Abendfahrt nicht zurückgekehrt. Es wurde inzwischen sestgestellt, daß der Beamte die Postsachen in Rüdesheim zur Ablieferung gebracht hat und auch auf den Dampfer zurückqekommen ist. Von da fehlt jedoch jede Spur. Es wird ange nommen, daß der Mann in den Rhein gefallen und ertrunken ist. * Thalgau, 27. Juli. Bei einem Gewitter schlug der Blitz in ein hiesiges Bauerngut. Bei dem entstandenen Brande sind vier Kinder in den Flammen umgekommen. * Paris, 27. Juli. Beim 100-Kilometer-Wett- fahren der Automobilboote geriet ein Boot in Brand. Die Insassen, Ingenieur Perignon und Maschinist Rose, sprangen ins Wasser. Rose ertrank. — In der Nähe von Rocroi stürzte das Automobil des Prinzen Philipp Chimay in einen Graben. Der Führer war sofort tot. Der Prinz selbst erlitt schwere Verletzungen an der Brust und wurde in ein benachbartes Landhaus geschafft. * Paris, 28. Juli. Ein ernster Eisenbahn unfall ereignete sich gestern kurz vor der Station der Metropolttainbahn infolge falscher Weichen- fl:llung. 12 Personen wurden verletzt. * Mailand, 27. Juli. Die Baumwollenspin- ncrei der Firma Poma in Biclla ist total nieder gebrannt. Der Schaden ist s.hr bedeu.end, 200 Familien sind brotlo« geworden. * Glasgow, 27. Juli. Auf der Station Saintenoch« fand heute morgen ein Eisenbahnun- glück stack, bei dem 13 Personen getötet und 20 verletzt wurden. Zwei Wagen des Zuge« sind in- einandergeschoben. Der Zug führte viele Ausflüg'er mit sich, die von der Insel Man zurückkehrten. — Zu dem schweren Unglück wird noch gemeldet: Der Lokomotivführer de« mit Au«flüglern überfüllt n Zuge« überschätzte die Länge de« Bahnsteig« und fuhr in die am Ende besindltche Puffer-Barriere hinein. Die beiden ersten Wagen wurden durch die Gewalt de« Anprall« vollständig übereina de.- geschoben. Von den dabei Getöteten sind 4 Männer, 7 Frauen und 2 Kinder. * Kopenhagen,27. Juli. Der Dampfer „Vega", mit dem der Polarführer Frhr. von Nordenskjöld seine berühmte Reise unternahm, und der jetzt als Walfischfahrer benutzt wurde, ist an der Küste Grönlands durch Eismassen zerschmettert worden. Die Besatzung, die aus 45 Mann bestand, ist nach gräßlichen Leiden, und nachdem sie acht Tage lang in einem Boot umhergetrieben war, bei der dänischen Kolonie Umanak gerettet worden. * Kiew, 28. Juli. In Tretelniki wurden die Nosenblüthschen Eheleute mit ihr.n 2 Kindern er mordet. Mehrere Personen wurden als der Morde« verdächtig verhaftet. Die Blüte des Bagno. Roman von Goron und Emile Gautier. 23. Fortsetzung. (Nachdruck verboten). Das junge Mädchen schien diese Bewegung nicht bemerkt zu haben, doch sie erhob sich, wie von einem Schauer durchflossen, und spielte mit den Kindern, um ihre Verwirrung zu verbergen. Während Rozen davonging, lächelte er befriedigt. „Sieh, sieh," sagte er sich, „sie wird purzeln!. . Alles geht nach Wunsch. Sie wird mich lieben . . . und durch sie wird es mir möglich werden, dieses verfluchte Land zu verlassen. Die Frauen waren cs, die mich zu Grunde richteten, eine Frau wird eS sein, die mich rettet." Von diesem Tage an keimte im Herzen Elenas die Liebe. Ihre romantisch angelegte Natur trieb sie in die Arme dieses Verführers. Sie liebte ihn um so mehr, da sie ihn unglücklich wußte, und sie dachte, daß sie ihn wieder aufrichten müßte, bis er seinen Platz in der Gesellschaft wieder einnehmen würde, den er nie hätte verlieren dürfen. Rozen wußte mit außerordentlichem Geschick seine Unterhaltungen mit ver Erzieherin einzurichten. Er brachte es schließlich dahin, daß Elena in seinen Händen nur noch ein willenloses Werkzeug war. In einer Aufwallung von Vertraulichkeit erzählte sie ihm nun auch ihre eigene Lebensgeschichte. Ihr Dasein entbehrte nicht dramatischer Umstände. Sie war die Tochter eines Cubaners, der von den Spaniern erschossen wurde, nachdem ec für die Freiheit seines Landes tapfer gekämpft hatte. Der Vater, mit der Waffe in der Hand ge fangen, wurde vor ein Gericht gestellt und sollte erschossen werden. Eine einzige Hoffnung blieb, ihn zu retten: die Gnade erflehen! Elena reiste sofort nach Havanna ab und begab sich von dort ohne Zeitverlust nach dem spanischen Hauptlager. All ihren Stolz aufgebend, mit dem einzigen Wunsch, den Vater dem Tode zu entreißen, erlitt sie jede Schande und Erniedrigung; sie warf sich dem spanischen General zu Füßen und flehte mit ge rungenen Händen und mit tränenfeuchten Augen die Gnade des Siegers an. Der General, der die spanischen Streitmächte kommandierte, war ein rauher Mann ohne Edelmut. Brutal und grausam, war er einer von denen gewesen, deren Tyrannei die Verzweiflung der kubanischen Patrioten hervorge rufen. Das Mädchen, das vor ihm auf den Füßen lag, war hübsch, und der Schmerz in ihre» Zügen er höhte noch ihre Schönheit. Lange sah der General sie an. Der Wunsch stieg in ihm auf, dies herr- 0'°e Geschöpf zu besitzen. Sie war eine Feindin, d> Tochter eines Aufständischen — wozu also Skrupel haben? Man war im Kriege! Gewalt war erlaubt. Doch er zog die List vor und ver setzte galant: „Stehen Sie auf, Senorita, der Platz einer Königin ist nicht zu Füßen ihres Untertanen." Er faßte sie an der Hand und bat sie, sich neben ihn zu setzten. Er sagte ihr, welche Leidenschaft sie ihm einflöße. Ach, wenn sie ihn lieben, sich ihm nur einen Tag hingeben würde. Er könnte zwar nicht die vollständige Gnade über Ruiz aussprechen, das wäre ihm unmöglich, aber er könnte ihm doch das Leben erhalten. Ec würde ihn nachher entschlüpfe» lassen. Auch sie würde wieder abreisen können, mit ihrem Vater — Amerika erreichen. Elenas Stolz bäumte sich unter dieser Beleidigung auf. Sie hätte dem Manne ins Gesicht speien mögen — aber der Vater! Als der General sie schwanken sah, erklärte er, daß das Leben ihres Vaters nur bis 8 Uhr früh des folgenden Tages in ihren Händen läge. Nach furchtbarem Seelen- kampf opferte sie sich für den Vater — cynisch hatte ihr der General versprochen, daß Ruiz nichts von dem entsetzlichen Handel erfahren sollte. Und morgens um 8 Uhr war der Vater trotz allem ge mäß dem Urteil deS Kriegsgericht» erschossen worden! Elena tötete mit einem Revolverschuß den General; sie hatte ihn mitten in die Brust getroffen. Soldaten hatten im Zelt des Generals da» junge Mädchen verhaftet. Elena wurde in eine benachbarte Festung gebracht, wo sie einige Tage verblieb; dann erschien sie vor dem Kriegsgericht, das sie zum Tode verurteilte. Doch ihre Schön heit und die kindliche Aufopferung hatte den spanischen Offizieren großes Mitleid eingeflößt. Sie richteten ein Gnadengesuch an den Gouverneur der Insel. Sie waren weniger grausam als ihr General, der seine schändliche Handlungsweise mit dem Tode bezahlt hatte, und hofften, daß das Todesurteil nicht vollstreckt werden würde. Der Aufschub rettete Elena Ruiz. 10. Kapitel. Wider seinen Willen ward RozenS Herz bei dem Bericht dieses tragischen Abenteuers erschüttert. Er faßte die Hand der Erzieherin und drückte sie bewegt. „Armes Kind!" murmelte er. In diesem Augenblick war der Sträfling vielleicht ernst zu nehmen. Der traurige Ton, in dem Elena ihre Geschichte erzählt hatte, und ihr angsterfülltes Gesicht, in dem all' die erduldeten Leiden zu lesen waren, die Elena bei der bloßen Erinnerung neu zu durchleben schien, hatten doch Eindruck auf ihn gemacht. Elena fühlte sich unwiederstehlich zu dem schönen Mann hingezogen, der sie bedauerte, so weich mit ihr sprach und dessen zärtliche Stimme ihr Balsam auf die Wunden ihrer Seele drückte. Und in dem Verlangen nach Zärtlichkeit, daS sie ganz beherrschte, kam sie Rozen rückhaltslos entgegen, der ihr so gut, so würdig und liebenswert erschien, der, wie sie, viel gelitten. Doch wenn die Gefühle der Cubanerin tief eingewurzelt waren, die RozenS waren nur oberflächlich. „Ei, geh doch," sagte er sich. „Eine Liebschaft, ja . . . wenn sie mir nützlich sein kann, eine Liebe . . . niemals im Leben! Vermögen, Mach, will ich; dazu wäre diese Frau, wenn ich sie lieben würde, nur ein Hindernis." (Fortsetzung folgt.) Neueste Nachrichten und Depeschen vom 28. Juli. Breslau. Der Kaiser hat, wie die „Schles. Ztg." meldet, zu den Sammlungen für die Ueber- schwemmten in Schlesien 10 000 Mark gespendet. Breslau. Zwischen Merzdorf und Ruhbank wurde gestern abend, wie aus Landeshut gemeldet wird, ein über einen Bahnübergang fahrender Wagen von einer Zugsmaschine zertrümmert. Hier bei sanden drei Personen den Tod und zwei wurden schwer verletzt. Breslau. Der Landwirtschaftsminister hat zur Hilseleistung bei den Arbeiten zur Wiederher, stellung der zerstörten Wege und sonstigen Anlagen im Ueberschwemmungsgebiete dem Oberpräsidenten zwei Regierungsbaumeister zur Verfügung gestellt. Wien. Wie in parlamentarischen Kreisen ver lautet, ist die plötzliche Abreise des Ministerpräsi denten Körber nach Ischl nur deshalb erfolgt, weil wegen der Zuckerfrage zwischen der österreichischen und der ungarischen Regierung ernste Differenzen ausgebrochen sind. Budapest. In Kroatien herrscht große Auf regung. Die Bauern rotten sich auf bestimmte Signale zusammen und durchziehen die Stadt. Budapest. In der Gemeinde Zsebely entstand bei einer Lohnauszahlung zwischen rumänischen und deutschen Feldarbeitern ein Streit, weil die Deut schen billiger arbeiteten. Drei deutsche Arbeiter wurden getötet, vier lebensgefährlich verletzt. Die Gendarmerie verhaftete die Rädelsführer. Agram. Die Polizei entdeckte hier eine förm liche Dynamitgesellschast, auf deren Veranlassung die jüngsten Dynamitattentate zurückzuführen sind. 9 Attentäter wurden verhaftet. Agram. Da in Krapiera und Zagrab neuer dings Bauernunruhen ausgebrochen sind, wurden mehrere Kompagnien Infanterie dort stationiert. London. Auf eine Adresse, welche dem Könige in Belfast überreicht wurde, antwortete dieser folgendermaßen: „Mein höchster Ehrgeiz geht da hin, in die Fußstapfen meiner Mutter zu treten, und wie sie die Wohlfahrt meines Volkes, das Gedeihen Irlands und die Aufrechterhaltung des Friedens unter den Nationen zu fördern, ist mein ständiges Ziel. London. Wie „Morning Leader" aus Mo- gador berichtet, sind in der Provinz Sous Un ruhen gegen die Juden ausgebrochen. Mehrfach wurden die Häuser der Juden zerstört, die Juden getötet und die Frauen entführt. Die Lage in der Provinz ist sehr ernst. Belgrad. Der König hat vor seiner Abreise anonyme Drohbriefe erhallen. Darauf wird auch das große Polizeiaufgebot bei Ankunft und Abreise zurückgeführt. Belgrad. Die Schwestern der Königin Draga werden sich im kommenden Semester an der Genfer Universität einschreiben lassen. Pietermaritzburg. Aus dem Zululand sind beunruhigende Nachrichten eingetroffen. Dini-Zulu soll sich unruhig verhalten. Die Familien sollen an die Küsten gebracht worden sein. Newhork, 28. Juli. Der amerikanische Konsul in Panama meldet, daß die Rebellion und die Absetzung des Gouverneurs nur deshalb erfolgte, weil er sich weigerte, die Truppen abzulohnen. Das Staatsdepartement ist von diesen Vorgängen sehr interessiert. Söul. Der hiesige japanische Gesandte hat es offiziell abgelehnt, die Forderung der koreanischen Regierung, betr. Einstellung des Baues der japa nischen Telegraphenlinie zwischen Söul und Susan, zu berücksichtigen. Diese Forderung war bekannt lich im Auftrage Koreas durch den russischen Ge sandten erhoben worden.
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