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Hohenstein-Ernstthaler Anzeiger : 29.07.1903
- Erscheinungsdatum
- 1903-07-29
- Sprache
- Deutsch
- Vorlage
- SLUB Dresden
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id1841177954-190307296
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id1841177954-19030729
- OAI
- oai:de:slub-dresden:db:id-1841177954-19030729
- Sammlungen
- Zeitungen
- Saxonica
- LDP: Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
-
Zeitung
Hohenstein-Ernstthaler Anzeiger
-
Jahr
1903
-
Monat
1903-07
- Tag 1903-07-29
-
Monat
1903-07
-
Jahr
1903
- Titel
- Hohenstein-Ernstthaler Anzeiger : 29.07.1903
- Autor
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Ueber den Ausbruch des Vesuvs wird dem „Berl. Tagebl." aus Neapel geschrieben: Der Anblick des feuerspeienden Berges ist besonders zur Nachtzeit sehr eigenartig. Von allen Seiten strömen die Fremden herbei, um sich die Gelegen heit eines so prächtigen und durchaus gefahrlosen Schauspiels nicht entgehen zu lassen. Herr Prof. Matteucci, Direktor des Vesuv-Observatoriums, der sofort beim ersten Ausbruch sich zum Hauptkrater begeben hat, schreibt über diesen Ausflug: Auf der Kraterhöhe etwas nach Mitternacht angekommen, bemerkte ich, daß den Explosionen stets ein donner ähnliches Getöse vorausging, gleich einem sehr schnellen, fernen Trommelwirbel. Die Explosionen kamen aus einer zahllosen Menge von Feuerschlünden auf dem Grunde des Kraters, die fortwährend ihre Stelle wechselten. Der Kratergrund erschien fast eben und bedeutend erhöht. Eine der drei vor einigen Tagen von mir beobachteten Oeffnungen auf dem Grunde des Kraters, und zwar diejenige nach Pompeji zu, hat sich seitwärts durch den Krater kegel durchgefressen und hat außen eine solche Menge von feurigem Material angehäust, um daraus einen neuen Kegel zu bilden, der auch von Neapel aus sichtbar ist. Um die fließende Lava zu sehen, mußte ich um den Krater herum, über äußerst schwieriges Terrain und über den Krater rand bis zu jenem kleinen neuen Kegel gehen. Dieser zeigte zwei glühende Oeffnungen, eine auf der Spitze, aus der er glühende Massen schleuderte, und eine zur Seite, aus der feurige Lava in mehreren Bächen floß, die sich aber in der Ver tiefung um den Krater ansammelte, ohne den Rand derselben zu überschreiten. Die Lage ist ähnlich derjenigen kurz vor dem großen Ausbruch 1872, mit dem Unterschiede, daß diesmal die ersten An zeichen auf der entgegengesetzten Seite sich einstellen. Falls die Tätigkeit des Berges in der bisherigen Weise fortdauert, ist die Möglichkeit vorhanden, daß die Lava ihren gegenwärtigen Wall über schreitet und vom Krater herabströmt, ähnlich wie in den Jahren 1885 und 1886. Oertliches und Sächsisches. Hohenstein-Ernstthal, 28. Juli. * — Der gestrige Echützenfest-Montag wurde früh 5 Uhr mit einer Reveille eingeleitet. Um 11 Uhr sammelten sich die Schützen im Stadt haus, worauf die Einholung des Königs stattfand. Von '/«12 bis >^1 Uhr fand Platzmusik vor dem Königsdenkmal statt und hierauf Festzug durch die Straßen der Stadt, an welchem sich auch die Alt städter Schwester-Kompagnie stark beteiligte. Das prachtvolle Wetter hatte schon in den Nachmitlags stunden eine zahlreiche Besucherschar von hier und aus der Umgebung nach dem Festplatze gelockt, woselbst bis in die Nacht hinein eitel Lust und Freude herrschte. Der Andrang zu den Schützen- Haus-Lokalitäten, den Schankzelten und besonders der Konzerthalle war teilweise ein so lebhafter, daß kaum ein Unterkommen zu finden war. Die Zieroldtsche Spezialitäten-Truppe fand, wie am Sonntag, auch gestern wieder ungeteilten Beifall. Heute abend veranstaltet dieselbe, worauf wir noch einmal Hinweisen wollen, im großen Schützenhaus saale eine Elite-Familien-Vorstellung. * — Den Sonderzug nach dem Vogtlande, welcher am Sonntag früh von Chemnitz aus ab gelaffen wurde, benutzten von unserer Station aus 109 Personen. Infolge der starken Besetzung mußte noch ein Nachzug abgelassen werden. Die beiden Züge führten etwa 1000 Personen mit sich. * — Feuerwehrübungen an Sonn- und Festtagen. In einer kürzlich erlassenen Verord nung bestimmt das sächsische Ministerium des Innern nach Einvernehmen mit dem Ministerium des Kultus und öffentlichen Unterrichts, daß Feuerwehrübnngen auch ohne besondere Erlaubnis an Sonn- und Festtagen — außer an den Bußtagen, dem Kar freitag und dem Totensonntage — nach beendigtem Vormittagsgottesdienste auf Grund von t; 7, Ab satz 3 des Gesetzes, die Sonn-, Fest- und Bußtags feier betreffend, vom 10. September 1870, nicht zu beanstanden seien. Durch tz 11 der Ausführungs verordnung zu dem erwähnten Gesetze habe ledig lich den in der Ständeversammlung geäußerten Wünschen Rechnung getragen und den Behörden die Ermächtigung erteilt werden sollen, Feuerwehr übungen im Gegensätze zn andern Auf- und Aus zügen im Bedarfsfälle auch vor dem Vormittags gottesdienste zuzulassen. * — Zahlungseinstellungen in Sachsen find im Juni 105 eröffnet worden, 41 mehr als im Vormonat und 20 mehr als im Juni des Vor jahres. Beendet wurden bei den sächsischen Amts gerichten 106 Zahlungseinstellungsverfahren, da von 82 durch Abhaltung des Schlußtermins, 20 durch Zwangsvergleich und 4 durch Aufhebung des Verfahrens wegen Mangels an Masse. Das erste Halbjahr 1903 ist hinsichtlich der Höhe der Zahlungseinstellungen etwas günstiger verlaufen als der gleiche Zeitraum des Vorjahres. Es sind in Sachsen 558 Zahlungseinstellungen eröffnet worden, 55 weniger als 1902. * — Die Ehescheidung ist durch die Be stimmungen des Bürgerlichen Gesetzbuchs erschwert, seit 1900 hat denn auch die Zahl der Ehescheidungen einen bedeutenden Rückgang erfahren. Nach einer amtlichen Aufstellung kamen im Deutschen Reiche aus je 10 000 Ehen 1899: 9,8 Ehescheidungen, 1900: 8,1 und 1901 nur 7,9. * — Neber den Beschäftigungsgrad im Tex tilgewerbeberichtet die „Arbeitsmarkt-Korrespondenz" u. a. aus Glauchau, daß von den 4000 Textilar beitern die meisten befriedigend beschäftigt sind. In den Appreturanstaltcn machen 200 bis 300 Ueberstunden. Dagegen arbeiten in Chemnitz von den 18 000 Textilarbeitern, darunter 70°/„ weib lichen Geschlechts, augenblicklich nicht alle. Inden Webereien fehlt es dort an Aufträgen. In Leipzig arbeiten von rund 10 000 Arbeitern 2500 täglich statt zehn nur neun Stunden. Arbeitslose gibt es aber überall in dem Textilgewerbe nur wenige. * — Bei dem Kommando deS 2. Seeba taillons in Wilhelmshaven sollen Anfang No vember d. I. eine Anzahl Dreijährig-Freiwillige eingestellt werden. Tropendienstfähige Bewerber, nicht unter 1,65 Meter groß, unbestraft, wollen ihr Gesuch, welchem ein auf drei Jahre lautender Meldeschein beizufügen ist, alsbald einsenden. Kauf leute, Schreiber, Schuhmacher, Schneider, Diener, Buchbinder, Barbiere erhalten den Vorzug. * Dresden, 27. Juli. Der Kronprinz hat sich, einer Einladung des Fürsten zu Waldeck und Pyrmont folgend, heute vormittag zu einem mehr tägigen Jagdaufenthalte nach Arolsen begeben. * Dresden, 27. Juli. In Blasewitz starb gestern der ehemalige königl. preußische Major Schröder in dem hohen Alter von 80 Jahren. Major Schröder stand zuerst in hannoverschen und dann in preußischen Diensten und hat an den drei Feldzügen 1848, 1866 und 1870/71 teilgenommen. Im deutsch-französischen Kriege zeichnete er sich be sonders als Etappenkommandant vor Metz und Paris aus und wurde hierfür mit dem Eisernen Kreuze ausgezeichnet. — Im Vorort Brießnitz wurde der Gemeindeexpedient Bruno Wolf wegen Umerschlagung und Diebstahl bei verschiedenen Kassen der Gemeinde festgenommen. Die Verun treuungen sind in Beträgen von 20 bis 100 Mk. erfolgt; sie reichen zurück bis 1902. Bis jetzt sind 1400 Mk. fehlende Gelder festgestellt worden. * Leipzig, 27. Juli. Am Sonnabend und Sonntag tagte hierselbst der 35. Verbandstag des Verbandes Sächsischer Konsumvereine, zu welchem sich 196 Vertreter von 76 Vereinen eingefunden hatten. Zunächst berichtete Herr Pobbig-Schedewitz über die Verhandlungen des Genoffenschaftstages in Dresden vom 17. und 18. Mai d. I. Der selbe umfasse gegenwärtig 612 Vereine, habe ein eigenes Sekretariat und werde eine eigne Zeitschrift, „Genossenschaftliche Rundschau", erhalten. Nach einem Vortrage des Herrn Radestock-Dresden über die Versicherung der Konsumvereins-Angestellten wurde folgende Resolution angenommen: „Der Verband Sächsischer Konsumvereine erkennt die Versicherung der in den konsumgenossenschaftlichen Betrieben angestellten Personen gegen Invalidität und Alter als eine drückende Pflicht der Konsum vereine an. Die hier versammelten Vertreter der sächsischen Konsumvereine sind verpflichtet, in ihren Vereinen darüber zu berichten und einen Beschluß herbeizusühren, ob der Verein gewillt ist, sich an der Errichtung einer Ruhegehalt-, Witwen- und Waisenkasse zu beteiligen." Aus dem gedruckt vor liegenden und durch den Verbandsvorsitzenden näher begründeten Jahresbericht ging folgendes hervor: Dem Verbände gehören gegenwärtig 112 Vereine, und zwar 108 Konsumvereine, drei Produktivge nossenschaften und ein Verein für Hotelbetrieb an. An den letzten statistischen Aufnahmen haben sich nur 101 Vereine beteiligt, und es ist festgestellt worden, daß die Zahl der Mitglieder dieser Ver eine 181 540 Personen beträgt. Diese Vereine ver fügen über 441 Verkaufsläden, in welchen ein Ver kaufserlös von 49 353 580 Mk. und ein Reinge winn von 5 606 684 Mk. erzielt wurde. Grund besitzer sind 84 Vereine mit einem Grundbesitzmerte von 8 256 344 Mk. Als Ort des nächsten Ver bandstages wurde Reichenbach i. V. bestimmt. * Chemnitz, 28. Juli. Der Fleischer Döhler, der, wie wir gestern schon meldeten, im Unter suchungsgefängnis in Mühlberg plötzlich gestorben ist, hat sich erhängt. Demnach scheint ihm sein Gewissen keine Ruhe gelassen zu haben. Zwickau. Der hiesige Arzt Herr Dr. Thier felder hat eine wichtige Erfindung für Radfahrer gemacht und dieselbe sich patentieren lassen, nämlich eine federnde Lenkstange, welche die durch das Vorderrad hervorgerufene gesundheitsnachteilige Erschütterung künftig beseitigt. * Crimmitschau, 25. Juli. In einer für gestern abend vom hiesigen Jnnungsausschuß ein- berusenen öffentlichen Versammlung referierte der Vorsitzende derselben, Herr Schneiderobermeister Paul Berger, zunächst über das „Genossenschafts wesen im Handwerk" und sodann über die „Er richtung einer Kreditgenossenschaft", worauf er Mitteilung machte über die seinerseits mit dem Ministerium des Innern gepflogenen Verhandlungen über Gewährung von Staatskredit. An der Hand einer Broschüre des Herrn Regierungsrat Dr. Dittrich legte Herr Berger dar, daß das, was die Landwirtschaft mit ihrem so segensreich wirkenden Genossenschaftswesen erreicht habe, auch für den Handwerker und Kleingewerbetreibenden nicht un möglich sein könne, besonders da in dieser Hinsicht auch in Preußen so schöne Erfolge erzielt worden seien. Weiterhin erläuterte er die verschiedenen Arten der Bildung von Genossenschaften, der Roh stoff-, Kredit-, Magazin- und Werk-Genossenschaften, und führte aus, daß seit dem 1. Oktober 1902 in Crimmitschau eine Rohstoff-Einkauss-Genossenschaft für Schneidermeister bestehe, die sich ausgezeichnet bewährt habe. Um nun aber die Organisation so auszubauen, daß der Handwerker und kleine Gewerbetreibende wirtschaftlich möglichst unabhängig werde, sei es ganz besonders notwendig, daß diese Kreise sich zu einer Kreditgenossenschaft zusammen schließen. Lor wenig Jahren sei zu Kreditzwecken für Handwerker u. s. w. vom sächsischen Landtage die Summe von 2 Millionen Mark bewilligt worden, und zwar gewährte der Staat den Kredit vereinigungen Darlehen in Höhe von der Ge nossenschafter-Guthaben unter Garantie der betr. Gemeinde bei 2'///» Zinsen und entsprechender Amortisation. Im Hinblick auf die großartig aus gebauten landwirtschaftlichen Einrichtungen sei es nunmehr auch Pflicht der Handwerker, sich dieses Entgegenkommen der Regierung zu nutze zn machen. Die Aussichten für eine Kredit-Genossenschaft am hiesigen Platze seien äußerst günstige. — Nach längerer Aussprache erklärten sich etwa 30 Herren zum Eintritt bereit und es wurde zur Vornahme weiterer Schritte eine fünfzehngliedrige Kommission gewählt. * Crimmitschau, 27. Juli. Begünstigt vom schönsten Wetter beging der „Turnverein Crimmit schau" (freie Turner) im Gesellschaftshause unter außergewöhnlich starker Beteiligung auswärtiger Gäste das Fest der Fahnenweihe. * Reichenbach. Einen Akt unglaublicher Roh heit führten, wie erst jetzt bekannt wird, zwei von hier gebürtige junge Menschen, ein Bruder paar Müller, der eine 20, der andere 16 Jahre alt, in der Nacht zum Montag voriger Woche aus. Die Burschen kehrten nachts von Mühlwand, wo sie zum Tanzvergnügen waren, heim und zu ihnen gesellte sich ein ebenfalls von hier gebürtiger junger Mensch namens Lang. Kaum hatte man Mühlwand hinter sich, als die beiden Müller mit dem Lang Händel anfingen, nur um einen Vor- wand zu finden, den dazu noch gebrechlichen Be gleiter unmenschlich behandeln zu können. Man schlug nicht allein auf den Bedauernswerten in der grausamsten Weise ein, so daß dieser heftig blutete, sondern man drangsalierte auch im übrigen den Ueberfallenen auf die empörendste Art. Der junge Mensch geriet dabei so in Furcht, daß er förmlich willenlos seinen Peinigern folgte. So mußte er u. a. niederknien, das Vaterunser beten (!), dann auf Kommando sich erheben und sich wieder niederwerfen. Damit aber noch nicht genug, man verging sich auch sittlich in der denkbar allerge meinsten Weise an dem armen Geschöpf. Der Haupträdelsführer scheint der ältere von den in der Burgstraße hier wohnenden Brüdern zu sein. Dieser hat sich der Festnahme durch die Flucht entzogen, doch hofft man, sich seiner bald versichern zu können. Eine empfindliche Strafe wird nicht ausbleiben. * Neumark. Der 68jährige viel bedauerte Schlagzieher Herr Chr. Reiter aus Erlmühle, welcher nach dem Eisenbahnunglück am vergangenen Dienstag in einem nahegelegenen Teich den Tod freiwillig gesucht hatte, ist am Freitag nachmittag unter zahlreicher Begleitung auf hiesigem Friedhof zur ewigen Ruhe bestattet worden. Dos andere Opfer jenes unseligen Zwischenfalles, der 20jährige Franz Paul Schwabe aus Unterneumark, ist im Kgl. Krankenstift zu Zwickau am Freitag seinen Verletzungen erlegen. Er wird gleichfalls hier be erdigt werden. * Aue, 27. Juli. Hier hat sich ein Verband erzgebirgischer Geflügelzüchtervereine gebildet, der insbesondere die reine Durchzüchtung der für uusere klimatischen Verhältnisse am besten sich eignenden Rassen und Schläge bezweckt, ferner An- und Ver kauf des im Verbände gezüchteten Raffegeflügels vermittelt, sowie jährlich abzuhaltende Verbands wanderausstellungen veranstaltet. Der Verband, dem bis jetzt 9 Vereine angchören, hielt jetzt in Johanngeorgenstadt seinen ersten Verbandstag ab. Der Verband hat seinen Sitz in unserer Stadt. * Lommatzsch, 27. Juli. Auf Gertitzsch-Thee- schützer Flur befanden sich zwei Jäger auf dem Anstand, ohne daß beide von einander wußten. Hierbei richtete der eine Jäger sein Gewehr in der Dunkelheit auf den andern, weil er einen Reh bock zu sehen glaubte. Der Schuß krachte und über 20 Schrote drangen dem Manne in den Körper. Der Verletzte fand Aufnahme in einer Privatanstalt in Döbeln. * Wurzen, 27. Juli. Ein recht bedauerliches Vorkommnis trug sich im benachbarten Sachsendorf zu. Vor ungefähr sechs Wochen starb die 16jährige Tochter des Gutsbesitzers K. Den Verlust ihres Kindes glaubte die Mutter nicht überleben zu können und sie hat sich nach kummervollen Wochen gestern in ihrer Wohnung erhängt. * Tharandt, 27. Juli. Ein schweres Unglück trug sich am Sonntag aus der schmalen Straße vor dem hiesigen Erblehngericht zu. Zwei Tandem fahrer gerieten mit ihrem Vehikel unter einen voll besetzten Omnibus, wobei der Kaufmann Ernst Klinkhardl aus Dresden-Neustadt getötet wurde. Der andere Radfahrer erlitt nur leichte Verletzungen. * Sebnitz, 27. Juli. Der freisinnige Reichs tagskandidat für Dresden-Neustadt, Fabrikbesitzer Arthur Strohbach, wurde am Sonntag durch Gas erstickt in seiner Fabrik tot aufgefunden. Herr- Strohbach hatte am Sonnabend abend '/,10 Uhr nach Dresden fahren wollen und sich vorher noch mals zu dem Zweck ins Kontor begeben, um noch einige dringende Briefe zu schreiben. Es scheint nun an der Gasleitung irgend ein Defekt gewesen zu sein, ohne daß Herr Strohbach zunächst einen stärkeren Geruch wahrgenommen hat. Er hat auch einige der geschriebenen Briefe in der neunten Stunde noch in den Briefkasten eingelegt und fit darauf ins Kontor zurückgekehrt. Beim weiteren Arbeiten scheint ihm übel geworden zu sein, worauf er eingeschlafen und den Erstickungstod gestorben ist. Äm Montag haben Leute die Fabrik offen gefunden und dies der Fran Strohbach mitgeleilt. Die bedauernswerte Frau ist sofort nach dem Kontor geeilt und hat hier ihren Gatten entseelt aufge funden. * Ostritz, 27. Juli. Die Näherin Marie Krause, welche vor einigen Monaten das falsche Gerücht von einem räuberischen Ueberfall auf ihre Person in die Welt setzte, ist, wie der „Dr. Anz." meldet, am Donnerstag dem Grunauer Kranken haus überwiesen worden, um auf ihren Geisteszu stand untersucht zu werden. * Zittau, 27. Juli. Ein schrecklicher-Unglücks fall ereignete sich in der Nacht zum Sonnabend auf der Eisenbahnstrecke Zittau-Görlitz in der Nähe von Drausendorf. Der dort stationierte 47 Jahre alte Uebergangswärter Hermann Neumann wurde von dem 12 Uhr 2 Min. nachts von Görlitz in Zittau eintreffenden Personenzuge überfahren, so daß ihm beide Beine vom Rumpfe getrennt und der Leib aufgerissen wurde. Der Verunglückte, dessen linker Fuß verkrüppelt war, da ihm bei einem früheren Unfall die Zehen abgefahren worden waren, ist vermutlich beim Schließen der Barriören hingefallen und hat sich nicht schnell genug auf raffen können. — Ein anderer Unglücksfall trug sich am Freitag nachmittag auf dem Felde des Gutsbesitzers Reinhold Kother in Reibersdorf zu, als man mit dem Einfahren von Roggen beschäf tigt war. In dem Augenblick, als eine Magd eine Garbe wegnahm, ertönte plötzlich ein Schuß, und das Mädchen stürzte getroffen zu Boden. An der betreffenden Garbe hatte ein Gewehr gelehnt, dessen man sich bedienen wollte, um von dem be nachbarten Gerstenfelde die Sperlinge zu ver scheuchen. Der Magd, welche das Gewehr nicht bemerkt und es mit umgerissen hatte, war der Schuß durch beide Unterschenkel gegangen. Sie wurde ins Reichenauer Krankenhaus gebracht. Zum Eisenbahnunglück in Buchholz. Aus Anlaß des Eisenbahnunfalles auf dem Haltepunkte Buchholz hat sich Herr Finanzminister Dr. Rüger mit einigen Räten des Finanzministeriums am Sonnabend nach Buchholz begeben, um sich an Ort und Stelle über den Unfall Bericht erstatten zu lassen. Hierbei hat sich bestätigt, daß die Ur- fache des Unfalls lediglich in der vorzeitigen Um stellung der Einfahrtsweiche unter dem von Weipert einfahrenden Zuge zu suchen ist. Das Maß der hierbei vorliegenden Verschuldung des für die Weichenumstellung verantwortlichen Beamten wird durch die eingeleitete gerichtliche Untersuchung fest gestellt werden. Was die betriebstechnischen Ein richtungen des Haltepunktes anlangt, so entsprechen diese nach Mitteilung des amtlichen „Dresdner Journals" vollständig den für derartig einfache Verkehrsstellen allenthalben zur Anwendung kommen den Anordnungen. Auch ist die Konstruktion der Weiche in außerordentlich gutem Zustand befunden worden. — Der Verleger des „Erzgeb. Grenzb.", welcher mit seiner Tochter, sowie mit dem getöteten Kaufmann Grund und dessen Gattin im drittletzten Wagen des verunglückten Zuges saß, schreibt über die Katastrophe: „Kurz vor der Einfahrt in die Haltestelle Buchholz verspürten wir einen starken Stoß, wie wenn die Wagen in wilden Sprüngen über die Schwellen sausten. Plötzlich stürzte infolge eines besonders heftigen Stoßes unser Wagen um und wurde nun von" dem immer noch nicht zum Stillstand gebrachten Zuge auf dem Bahnkörper entlang geschleift. Mein Kind fest umklammernd, erwartete ich nun die Katastrophe, die nach meiner Meinung durch die vollständige Zertrümmerung unseres hin- und hergeschleuderten Wagens folgen mußte. Ringsum ein kaum mehr menschliches Ge schrei der Verwundeten und der durch Angst Ge folterten, ein jeder auf Rettung bedacht und doch die Unmöglichkeit einer solchen einsehend. Es waren die fürchterlichsten Augenblicke, welche ich je erlebt. Plötzlich lag unser Wagen still. Mit einem Gefühl unbeschreiblicher Erleichterung stellte ich fest, daß wir durch ein Wunder, ich und mein Kind, völlig unverletzt geblieben waren. Durch das Wagenfenster aussteigend, konnte ich aber sofort die Größe des Unglücks "übersehen. Nur wenige Insassen der betroffenen Wagen waren unversehrt davongekommen. Gleich Herrn Grund saß auch der getötete Husar Langer in demselben Wagen. Die Unglücklichen Frauen hatten im folgenden Wagen gesessen. Die Annahme, daß die Getöteten sich durch Herausspringen aus dem Wagen hätten reiten wollen, ist durchausunrichtig. Grund sowohl wie Langer saßen auf der rechten Seite des Wagens und suchten sich beim Entgleisenfestzuhalten, durch die kolossalen Stöße aber, welche der über die Schwellen springende entgleiste Wagen erlitt, wurden beide zum gegenüberliegenden Fenster hinausge schleudert und zermalmt. Beim Entgleisen rief Grund seiner Frau noch zu: „Ich glaube, es passiert etwas, der Zug ist entgleist." Frau Grund wollte ihm noch zuruien, er solle sich sesthalten, aber im selben Augenblick wurde er schon hinaus geschleudert und Frau G. stürzte zu Boden, glück licher Weise ohne sich ernstlich Schaden zuzufügen. — Der Berichterstatter stellt in seinem Blatte fest, daß die öffentliche Meinung die Verhältnisse aus dem Haltepunkte Buchholz verurteilt. Annabcrg, 28. Juli. Gestern nachmittag wurden in Sehma die beiden dortigen Opfer des Elsenbahnunfalls zur letzten Ruhe getragen: Frau Postverwalter Otto und der Husarenunteroffizier Langer. Die beiden Leichenbegängnisse fanden ge meinschaftlich statt, so wie ja auch die Todesur sache der beiden Unglücklichen die gleiche war. Zu Ehren des Husarenunteroffiziers Langer waren aus Großenhain von der 3. Eskadron des 1. Königs- Husaren-Regiments Nr. 18 eingetroffen Herr Ritt meister von Hoven, Herr Wachtmeister Schmaltz und 6 Unteroffiziere, darunter 2 Trompeter, außer dem die zwei Buchholzer Militärvereine und der Sehmaer Militärverein mit ihren Fahnen, ebenso von Sehma der Turnverein mit seiner Fahne. Von der Bahnverwaltung hatten sich die Herren Inspektor Böhme (Buchholz), Assistent Grundig und Bahnmeister Illig eingefunden. Als Abge ordnete der Stadt Buchholz nahmen an der Be gräbnisfeier drei Stadtverordnete teil; sie waren begleitet von zwei Schutzleuten, die kostbare Pal menzweige mit Schleifen in den Stadtfarbeu an den Särgen der Verunglückten niederlegten. * Buchholz, 28. Juli. Am Sonntag weilte im Auftrage der Generaldireltion der Stvats- bahnen Finanzasseffor Dr. von Brescius hier, um persönlich bei den Verwundeten vorzusprechen und sich nach ihrem Befinden zu erkundigen. Dieses ist bei sämtlichen Personen ein den Verhältnissen nach günstiges. Schöffengerichtssitzung vom 28. Juli 1903. Die erste Strafsache richtete sich gegen den bisher unbestraften Bergarbeiter Hermann Hilde brand aus Gersdorf. Der Vorgang, dem die An klage zugrunde liegt, spielte sich am 18. Mai d. I. anläßlich der Beerdigung des Bergarbeiters Boch in Gersdorf ab. Hildebrand wird beschuldigt, bei dem Leichenzuge des Letzteren einen Kranz mit einer roten Schleife, welcher die Inschrift trug: „Gewidmet von Mitgliedern deutscher Berg- und Hüttenarbeiter", vor dem Sarge hergetragen zu haben. Der Angeklagte hat sich dadurch des Ver bots betr. das Tragen republikanischer Abzeichen
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