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Uhr begann, die allgemeine Richtung nach Halle a. S. nahm, und auf dem durchschnittlich 150 bis 168 Kilometer in einer Tour zurückgelegt wurden. Der Pferdezustand bei allen Herren war sehr gut, mit zwei Ausnahmen; die beiden lahm ange kommenen Pferde waren aber heute wieder dienst brauchbar. Von Großenhain auS nahmen 25 jüngere Offiziere, deren Austritt 3 Uhr 50 Minuten früh begann, teil und verfolgten die Richtung über Torgau nach Pretzsch zu. Hier betrug die durch schnittliche Länge der Tour 140 bis 162 Kilometer. Mit einer einzigen Ausnahme kamen diese Pferde ebenfalls sehr gut an. Das Pferd, das gelitten hatte, war heute auch wieder dienstbrauchbar. Als erste trafen gestern nachmittag ^5 Uhr die Herren Leutnant v. Boxberg vom hiesigen Ulanen-Regiment, Leutnant Zieger von der 1. Schwadron Jäger zu Pferde und ein dritter Offizier gleichzeitig bei den hiesigen Kasernements, die als Ziel galten, an; dann folgten in kleineren und größeren Zeiträumen die übrigen Herren. Ueber den oder die Sieger läßt sich heute nichts mitteilen, da die Entscheidung darüber noch aussteht. Am Ziele war eine Kom mission mit Herrn Generalmajor Schmaltz an der Spitze anwesend. * Löbau. Hier ist dieser Tage der Amtsge richts-Aktuar Herig, der am 1. Juli von Zittau hierher versetzt worden ist, verhaftet worden. Er soll sich als Grundbuchführer Fälschungen und Unterschlagungen zu schulden haben kommen lassen. * Zittau, 12. Juli. Ein Truthahn als Brut henne. Diese Seltenheit im Tierleben konnte man kürzlich bei dem auf der Bahnhofs-Kolonie Reichenau wohnhaften Kontoristen Heinrich Zückner beobachten. Derselbe beschäftigt sich aus Liebhaberei mit der Geflügelzucht und war gewiß nicht wenig erstaunt, als er eines Tages die Wahrnehmung machte, daß an Stelle der eierlegenden Hühner der Beherrscher des Hühnervolks sich der Mutterpflichten unterzog und ernsthaft zu brüten begann. Die Beschäftigung wird ihm ja vielleicht etwas ungewohnt gewesen sein, denn verschiedene der ihm untergelegten Enten eier wurden zerdrückt aufgefunden und mußten aus dem Gelege entfernt werden. Ganz umsonst hatte sich der Hahn indessen nicht bemüht, denn vor einer Woche ungefähr krochen drei junge Entlein aus ihren Schalen, die nunmehr von dem aus der Art geschlagenen Hahn sorgsam behütet werden. Gerichtssaal. 8 Zwickau, 11. Juli. Strafkammer III. Vor sitzender: Herr Landrichter Reichelt. Die Verhand- lung gegen den 44 Jahre alten Weber F. Th. Scheibe und dessen 17 Jahre alten Sohn, den Bergarbeiter Th. P. Scheibe in Hohenstein-Ernstthal mußte wegen Vornahme weiterer Beweiserhebungen ver tagt werden. — Am frühen Morgen des 25. Februar d. I. brach in dem an der Wilhelmstraße hier ge legenen, dem Kaufmann Kikler gehörigen Wohnhaus, von dem Friseur E. O. K. RaSpe hier bewohnten Zimmer unter dem dortstehenden Klavier aus Fahr lässigkeit ein Feur auS, wodurch Mobilien verbrannt und angebrannt sind und auch die Stubendiele in einem ziemlichen Umkreis selbständig gebrannt hat. Dasselbe verursacht zu haben, war der 23 Jahre alte RaSpe angeklagt. Während der Beweisauf nahme entstand der Verdacht, daß RaSpe vorsätzlich zu Werke gegangen ist, worauf das Gericht sich für unzuständig erklärte und die Sache vor das Schwurgericht verwies. 8 Zwickau. Die Bauunternehmer Illing in Niederhaßlau und Solbrig in Zwickau, die einen Bergarbeiter namens Georgi vor längerer Zeit arg mißhandelt und mit Messerstichen traktiert hatten, wurden dieser Tage vom hiesigen Landgericht zu empfindlichen Strafen verurteilt. Illing erhielt eine Gefängnisstrafe von 10 Monaten, Solbrig eine solche von 1 Jahr 3 Monaten. 8 Eine wichtige Entscheidung wurde am Sonnabend vom Oberverwaitungsgericht in Dresden gefällt. Der Stadtrat zu Dresden hatte dem Fabrikarbeiter DeplewSky daS Bürgerrecht deshalb nicht erteilt, weil er keine eigene Wohnung hat und nach der Ansicht deS StadtrateS die Voraussetzungen der Selbständigkeit nach 8 15 der Revidierten Städte» ordnung nicht erfülle. Der Arbeiter erhob Rekurs bei der Kreishauptmannschaft Dresden, die aber zu Gunsten des Stadtrats entschied. Der Arbeiter be ruhigte sich aber bei dieser Entscheidung nicht, sondern erhob die Anfechtungsklage beim Oberverwaltungs gericht, das die Entscheidungen der Kreishauptmann- schäft und des Stadtrats aushob und den Ausführ ungen des Klägers beitrat. Das oberste Gericht in Verwaltungssachen stellte fest, daß alle die vom Stadtrat angeführten Umstände nicht dazu führen können, die Selbständigkeit als im Sinne des Gesetzes nicht vorhanden anzusehen. 8 Leipzig, 13. Juli. Der frühere Besitzer eines gleichnamigen Korrespondenz - Bureaus, Alfred Schaffer, steht heute nach siebenmonatiger Unter suchungshaft wegen schwerer Urkundenfälschung vor den Geschworenen. Schaffer richtete an sich selbst Telegramme unwahren Inhalts, die er dann des Geschäfts halber in die Welt hinausposaunte, und änderte nach Belieben die Aufgabeorte dieser Tele gramme. Es ist hier kein Geheimnis, daß er von dem früheren Bankdirektor Exner (Leipziger Bank) das Geld zu seiner „Etablierung" erhalten hat. „Schöne Seelen!" 8 Treber-Schmidt Der zu 2 Jahren 8 Monaten Zuchthaus verurteilte frühere Direktor Schmidt von der Kasseler Trebergesellschaft hat Revision eingelegt. Der Brave wird hoffentlich nicht billiger wegkommen. 8 Die Kieler Strafkammer verurteilte nach der Köln. Ztg. die Kaufleute Gebrüder Philippsborn in Berlin und Hannover wegen Betrugsversuchs bei Lieferungen für den Artilleriebedacf der Marine zu 1500 Mark Geldstrafe. 8 Zu lebenslänglicher Zuchthausstrafe be gnadigthat der Kaiser die PächterSfrau Wilhelmine Dombrowski aus WithelmSrode, welche im Oktober vorigen JahreL vom Schwurgericht in Königsberg i. Pr. zum Tode verurteilt worden war. Die Dombrowski hatte ihrem Schwiegervater Phosphor, den sie von Streichhölzern abschabte, in die Speisen gemischt und den alten Mann nach und nach vergiftet. 8 Vor dem Kriegsgericht in Rendsburg wurde nach der Weserztg. gegen vier Artilleristen verhandelt, die beschuldigt waren, bei der Vernehm ung in der Voruntersuchung wegen Mißhandlung eines jetzt im Jrrenhause befindlichen Kameraden unter Eid ausgesagt zu haben, daß sie Mißhandlungen nicht gesehen hätten. Zwei Tage nach ihrer Ver eidigung gaben drei der Angeklagten dies aber zu. Durch Zeugenvernehmungen ist festgestellt worden, daß der Artillerist Holm außerordentlich häufig von seinen Kameraden mißhandelt worden ist. Ein Zeuge bekundete, er habe den H. mindestens hundertmal auf Befehl deS Hauptmanns mißhandelt. Auch Sergeant Kühl habe den H. in der barbarischsten Weise mißhandelt. DaS Gericht sprach einen An geklagten, der seine Aussage nicht widerrufen hat, frei und verurteilte die anderen zu je 1 Jahr Gefängnis und Ehrverlust, sowie Versetzung in die zweite Klasse des Soldatenstandes. Gegen den Hauptmann und Kühl wird in den nächsten Tagen verhandelt. 8 Der Gang nach dem Eisenhammer. In der Soester Glasfabrik sollen, wie man der „Frkf. Ztg." meldet, nach vorangegangenem Streite drei Arbeiter versucht haben, den Arbeiter Menkemeyer durch den Kohlentrichter in die Feuerung zu werfen. Der Mann wehrte sich nach Kräften, er würde aber doch unterlegen sein, wenn ihm nicht andere Personen zu Hilfe gekommen wären. Am folgenden Tage sind die drei Glasmacher nach Holland durchgegangen. Auf Antrag der Staatsanwaltschaft, die Anklage wegen versuchten Todschlags erhob, erfolgte die Auslieferung zweier Arbeiter; dem dritten war es gelungen, auf ein nach Mexiko fahrendes Schiff zu kommen. Gegen die beiden ersteren wurde vor dem Schwurgericht in Dortmund verhandelt. Es ergab sich, daß der Haupttäter der Entflohene war; ein Arbeiter wurde freigesprochen, da ihm eine direkte Beteiligung nicht nachgewiesen werden konnte, der andere kam m't einem Jahre Gefängnis davon. Kleine Chronik. * Berlin, 12. Juni. Zudem Entweichen des Hochstaplers Manolesko aus der Irrenanstalt Herzberge wird noch milgeteilt, daß die Flucht mit einer außer ordentlichen Verwegenheit und Berechnung ins Werk gesetzt wurde. Manolesko bewohnte aw Tage eine starke Sonderzelle im zweiten Stock deS Gebäudes, die er zur Nachtzeit mit einem anderen Emzelraum vertauschte. Seine Kleider, sogar das Taschentuch, mußte er aus dem Flur vor der Tür seines Zimmers niederlegen, sodaß an ein Entfliehen unter gewöhnlichen Umständen kaum zu denken ist. Bequemlichkeiten zur Verrichtung etwaiger Bedürfnisse gibt es in den Zellen nicht. Den AufsichtSdienst vor den Zellen versehen zur Nachtzeit zwei Pfleger, die abwechselnd einen Rundgang durch das Stockwerk unternehmen. Während nun am Freitag morgen um 2'^ Uhr der Pfleger Jahnke den Kontrollgang aussührte, blieb der Pfleger Gentsch allein zurück. Diesen Augen blick hatte Manolesko zu seinem Unternehmen gewählt. Er pochte von innen an seine Tür und verlangte, herausgelassen zu werden. Gentsch öffnete die Tür, als Manolesko plötzlich sein Taschentuch vom Fuß boden aufnahm, blitzschnell um den Hals deS Pflegers schlang und mit aller Kraft zuschnürte. Gentsch konnte nicht einmal um Hilfe rufen und war völlig unfähig zum Widerstand; Manolesko schloß ihn ein. Gleichzeitig hatte Manolesko auS der Tasche des Wärters den Schlüssel zu einem besonderen Ausgang geraubt, der von einem Pförtner nicht besetzt ist. Nachdem er den Hof erreicht hatte, entkam er über eine Hecke hinweg inS Freie. Ec besaß nur die Anstaltskleidung, die er auf dem Flur schnell angelegt hatte. Als später Jahnke zurückkehrte, hörte er Gentsch röcheln und befreite ihn aus seiner Lage. Nachdem Gentsch sofort einem Arzt übergeben war, wurden alle Pfleger aufgeboten, um den Flüchtige» einzufangen. Man fand aber keine Spur mehr. Sein Fortkommen dürfte nur mit Hilfe von außen möglich sein, da ec sonst an der auffälligen Anstaltskleidung sofort erkannt werden müßte. Die Berliner Kriminalpolizei erhielt noch in der Nacht Drahtnachricht und hat umfassende Maßregeln getroffen, um dek gefährlichen Verbrechers wieder habhaft zu werden, bevor er ins Ausland entkommt. * Berlin, 12. Juli. Aus Liebe zum Papst machte nach Berliner Blättern die Tochter eines Beamten in S'.eglitz einen Selbstmordversuch. Dar l 7jährige katholische Mädchen war seil der Nach richt von der Erkrankung Leos XIII. fast geister abwesend und betete fortwährend am Rosenkranz. Als die Meldung vom bevorstehenden Tode der Kirchensürsten kam, unternahm es den Versuch, sich zu erhängen; man schnitt er noch rechtzeitg ab. * Halle, 11. Juli. Von der hiesigen Straf kammer wuroe heute vormittag der Kellner Spira -u zwei Jahren Zuchthaus verurteilt. Als er vom Gerichtsdiener zur Detentionrzclle zurückgeführt werden sollte, stürzte er sich über dar Geländer der Treppen aufganges zwei Stockwerk tief in den Korridor hinab und blieb schwer verletzt liegen, * Forst i. Lausitz, 11. Juli. In der Grube „Antonie" bei Zilmsdorf sind heute srüh zwei ver heiratete Bergleute durch Einatmen von Grubenga» umr Leben gekommen. Ein dritter Bergmann, der sich in derselben Gefahr befand, wurde gerettet. * Hannover, 11. Juli. Der Fleischermeister Fischer wurde gestern abend, als er in der Wurst küche arbeitete, von einem Schuß in« Auge getroffen. Fischer verlor erst vor einiger Zeit ebenfalls ein Auge durch einen Schuß und ist nunmehr gänzlich erblindet. Als Täter wurde ein in der Nachbar schaft wohnender Schüler zur Anzeige gebracht. * Hannover, 11. Juli. Gestern wurde ein Schütze aus Leipzig verhaftet, der cs versucht hatte, auf dem Scheibenstande Bestechung zu verüben, um eine höhere Punktzahl zu erlangen. * Münster i. W., 11. Juli. Gestern früh entlud sich bei einer Felddienstübung der 8. Kompagnie de» Infanterieregiment« Nr. 13 da« Gewehr eine« zur Uebung eingezogenen Reservisten, welche» mit einer Platzpatrone geladen war. Die Ladung drang einem anderen Soldaten so unglücklich in den Nacken, daß er nach kurzer Zett im Lazarett starb. * Danzig. Um seine Frau zu ärgern, kaufte, wie die Dzg. Ztg. sich auS Marienburg in West preußen melden läßt, der Restarateur T. in Hoppen- bruch einen Sarg, legte sich hinein und ließ sich durch daS Dorf in die Stadt fahren. Darauf stellte er den Sarg in seiner Kegelbahn auf, um nachts darin zu schlafen. Die Polizei hat Straf antrag wegen groben Unfugs gestellt. * Elberfeld. Daß ein Rechtsanwalt zwangs weise durch die Polizei zum Gericht geführt wird, dürfte einzig dastehen. Am hiesigen Schwurgericht wurde, wie bereits gemeldet, gegen den des Gatten mordes angeklagtcn Kaufmann Kurt Hans Werner von der Schulenburg aus OhligS verhandelt. Auf Antrag deS Verteidigers wurde vom Gencht zum Termin der in Opladen wohnende Rechtsanwalt Pütz als Zeuge vorgeladen. Pütz sandte ein ärztliches Attest ein, wonach er Rheumatismus hat, und ent schuldigte sein Ausbleiben damit, daß ec Dampf bäder nehme und Einreibungen machen müsse. Das Gericht erklärte Attest und Entschuldigung nicht für ausreichend, verurteilte den Zeugen zu einer Ordnungs strafe von 50 Mk. und teilte ihm mit, daß seine Vorführung erfolgen werde, falls er nicht bis zum DienStag mittag erschienen sei, oder ein Attest deS Kreisarztes beigebracht habe. Letzterer wohnt in Ohligs. Pütz protestierte telegraphisch gegen den Beschluß des Gerichts und sandte ein Attest eines anderen Arztes ein, wonach er rheumatische Schmerzen im Rücken und linken Arm habe, infolgedessen nicht erscheinen könne. Nunmehr ersuchte das Gericht den Kreisarzt telegraphisch, sich nach Opladen zu Pütz zu begeben, ihn zu untersuchen und telegraphisch Bericht zu erstatten. Das Telegramm lautet: „Pütz liegt zu Bett, klagt über rheumatische Schmerzen, in Arm und Rücken. Objektiv nichts festzustellen. Halte ihn für fähig, wenn auch unter Schmerzen, am Gericht zu erscheinen, ohne Gefährdung seiner Gesundheit." Das Gericht beauftragte darauf die Opladener Polizei, Pütz dem Gericht zwangsweise vorzuführen. * Passau, 12. Juli. Hier wurden beim Ein sturz eine» Gewölbe« 3 Arbeiter getötet, einer schwer und zwei leich'cr verletzt. * Petersburg, 12. Juli. Ein plötzlich irr sinnig gewordener Offizier erschoß in Wolynsk (Südrußland) einen Kameraden und verletzte zwei andere Leutnant» lebensgefährlich. Dann jagte er sich selbst eine Kugel in den Kopf. * Petersburg, 12. Juli. Der hiesigen Polizei gelang e», eine griechische Beltlerbande zu verhaften, die sich damit beschäftigte, Kinder auf die ver schiedenartigste Weise zu verstümmeln, um dadurch da» Mitleid der Vorübergehenden zu erregen, "ju diesem Zweck brachten sie den Kindern die furcht barsten Wunden an Händen und Füßen mit Schwefelsäure bei und verstümmelten ihre Zungen in einer besonderen Weise, sodaß sie abgeschnitten er schienen. Diese Kinder bettelten in den Straßen Pelerrburg« und auf den Bahnhöfen und verstanden e«, das Mitleid des Publikums durch besondere Briese zu erregen, in denen e« hieß, daß die Türken in Macedonien die Urheber all ihrer Elend« seien und auch ihre Eltern in der furchtbarsten Weise umgebracht hätten. Natürlich erhielten die armen Kinder von den meisten Pasianten Almosen, bis die Polizei den ganzen Schwindel ausdeckte und die „Fabrikanten" dieser Krüppel verhaftete, die unter falschem Namen in Petersburg lebten. * Moskau, 12. Juli. Im Gouvernement Woronesch ist das Dors Podkletnoje, während sich die Bauern bei den Feldarbeiten befanden, bi» aus den Grund niedergebrannt. Als die Bauern von ihren Arbeiten zurückkehrte», sanden sie nichts als die rauchenden Trümmerhaufen ihrer Häuser vor. Die vorhandene Feuerspritze war von den im Dorf befindlichen Greisen zur Rettung oer Monopolbude verwandt worden. Außer dem toten und lebenden Inventar der Bauern haben auch zwei kleine Mädchen den Tod in den Flammen gefunden. * Trelleborg, 12. Juli. Der deutsche Post dampfer „Imperator", welcher mit Post und Passa gieren von Saßnitz kam, stieß heute morgen 5'/, Uhr dicht bei dem hiesigen Hafen mit dem Stettiner Dampfer „Robert Köppen" zusammen, dessen Bug in den Backbordbug der „Imperator" hineinrannle. Der „Imperator", dem einige Platten eingedrückt wurden und welcher oberhalb der Wasserlinie ein große« Loch erhallen hatte, lief in den hiesigen Hafen ein und landete seine Pasiagiere. Unmittel bar darauf füllte sich das Vorderschiff mit Wasser und sank, während da« Hinterschiff durch wasserdichte Schotten über Wasser gehalten wurde. Der „Robert Köppen" lief später ebenfalls mit einem großen Leck im Bug ein. * Ncwyork, 13. Juli. Eine Tollwut-Epidemie ist unter den Hunden ausgebrochen. Bi«her wurden 15 Hunde niedergeschossen. Ob Menschen dabei zu Schaden gekommen jsind, konnte bisher noch nicht sestgestellt werden. Die Blüte des Bagno. Roman von Goron und Emile Gautier. 10. Fortsetzung. (Nachdruck verboten). Der Flüchtling durchschritt ei» Zimmer, noch eins ... und kani in ein Schlafgemach. Aus dem Bette lag ein Advokatentalar und eine runde Mütze. Als er sie näher betrachtete, sah Rozen, daß der Talar etwas phantastisch und die Mütze nicht ganz nach traditioneller Form war. Ein kleines Karten programm, das ihm ins Auge fiel, gab ihm den Schlüssel des Rätsels; es stand darauf: „8al pars 6t. musquä'. Es mar März, die Saison der Fastnachtstage mit ihrer Festreihe! Der Talar war eine Frauen kleidung, wohl sür die Gattin oder Tochter eines im Justizpalast wohnenden höheren Beamten bestimmt. Rasch entschlossen streifte Rozen den Talar über. Während er ihn anzog, dachte er daran, daß man jetzt überall herumlaufen und nach ihm suchen würde, und daß ihm wunderbare Zufälle zu Hilfe kamen. Ohne diese- „Kleid der Vorsehung" wärt er gezwungen gewesen, sich in irgend einer verborgenen Ecke deS Palastes zu verstecken und die Nacht sür einen gefährlichen Fluchtversuch abzuwarten. Er verlieb rasch die Wohnung, stieg die Treppe hinab, durchlief zirka sechSunddreißig Gänge und mischte sich bald unter die Menge der Kläger, Ad vokaten und Rechtsgelehrten, welche die Couloir- de- Zivilgerichtes belebten. In diesem Tohuwabohu blieb er unbemerkt, man hielt ihn für einen an gehenden Advokaten. Er sah ausgeregte Gardisten schnell durch die Säle gehen, allen Leuten ins Ge sicht blickend — ausgenommen denen in Talaren. Aber etwas beunruhigte ihn: wie den Palast verlassen? Die Advokaten tun daS im allgemeinen nicht in ihren Talaren. Aufmerksam spazierte er weiter auf und ab, als er von ungefähr einen Advokaten zu einem anderen sagen hörte: „Sie wissen doch, verehrter Meister, daß eS um drei Uhr ist?" „Wir gehen in crorpor« nach dem SterbehauS ?" „Ja . . . Rendez-vous vor dem Palast." Rozen triumphierte. „Da hab' ich den Ausweg!" sagte er sich. Einen Augenblick später befand er sich auf der Straße inmitten einer Menge von Advokaten und Rechtsgelehrten, die, alle in Talaren, sich gemein sam zur Beerdigung eines berühmten Kollegen be gaben. Rozen zögerte keine Sekunde. Er warf sich in einen geschlossenen Wagen. Unterwegs neigte sich der Flüchtling aus dem Wagensenster und rief: „Kutscher! . . . Schnell! Ich vergaß — zum Donnerwetter! Schnell . . . Boulevard Males- herbes 255 . . . Gutes Trinkgeld!" Der Wagen verließ die Reihe deS Trauerge- fvlges und raste davon. Das Versprechen eine- guten Trinkgeldes verleiht selbst den ältesten Drosch ken Flügel. Nach einer Viertelstunde war Rozen bei seiner Exfreundin, die sich schon über daS Mißgeschick, daS ihn getroffen, getröstet hatte. Madame war nicht zu Hause. Das Dienstmäd chen stieß einen Schrei auS, als es den Pseudo- Advokaten erkannte. „Herr Ro . . ." Er preßte ihr die Hand aus den Mund und rief kurz und gebieterisch: „Schweig, oder Du bist deS Todes!" Indem er das arme, vor Schrecken verstummte Mädchen vor sich her stieß, trat er ein, schloß die Türe zu und steckte den Schlüssel ein. Ohne sich aufzuhalten, ging er dann geraden Wegs ins Schlaf zimmer, nahm einen geschnitzten Stuhl und stieg, u nbekümmert um die Schnheindrücke, auf den Sammet, um nach dem oberen Teile des Spiegelschrankes langen zu können. Hinter dem Schrankaufsatz nahm er unter dichtem Staub ein kleines Packet hervor, öffnete es schnell und zählte. „Fünszigtausend, alles geht gut . . . alles ist da . . . Die einfachsten Verstecke sind noch immer die besten, und wenn die Herren Gerichtsbeamten bei ihrer Haussuchung an alles gedacht haben — hieran haben sie nicht gedacht." (Fortsetzung folgt.) Neueste Nachrichten und Depeschen vom 13. Juli. Rom. Ueber das Befinden des Papstes wird gemeldet: Das gestern ausgegebene Bulletin besagt: Im Lause des Tages hat sich das Allgemein befinden gehoben. Gestern früh betrug der Puls 86, die Atmung 30 und die Temperatur 36,8. Wenn die Flüssigkeit in der Brusthöhle sich nicht neu bildet und der Kranke noch eine Zeit lang gegen die große Schwäche anzukämpfen vermag, hält Rossoni sogar einen guten Verlauf der Krank heit nicht für ausgeschlossen. Rom. Die Besserung im Befinden des Papstes wird nach der „Voce della Verita" auf die Wun dertätigkeit der „Mitra Januario" zurückgesührt. Wie das vatikanische Blatt erzählt, küßte der Papst die wundertätige Mitra mehrmals. Dann wurde die Mitra mit der Stirn des Papstes in Berühr ung gebracht und auf den Tisch neben seinem Bett gestellt. Im Laufe des Nachmittags verlangte der Papst häufig Nahrung. Nachmittags 6 Uhr sprach die deutsche Kolonie im Atrium des Petersdomes unter Führung der Monsignore Dewal und Lot- ninger Gebete. Rom. Die Besserung im Befinden des Papstes hält auch heute an. Gestern abend nahm der Papst wieder etwas Nahrung zu sich. Kardinal Margolini erklärte, er mache sich keinerlei Illusion. Es sei nicht möglich, den Papst zu retten. Rom. Die Personen des Quirinals haben Be fehl erhalten, Ronr bis auf weiteres nicht zu ver lassen. Das Königspaar wird am 20. d. M., dem Gedenktage König HumberiS, nach Rom zurückkehren. Paris. Bei der gestrigen Ersatzwahl in Bordeaux wurde der ministerielle Republikaner Vidu gegen den kongressistischen Kandidaten gewählt. Bei der Wahl zum Generalrat im Departement Cüle d'Ar wurde der Kriegsminister Andrä ohne Gegenstimme gewählt. Budapest. In Großwardein hat gestern Ba rabas seinen Rechenschaftsbericht in Anwesenheit von 15 000 Personen niedergelegt. Er erklärte, falls er keine genügende Unterstützung finde, werde auch er abrüsten. Die Unabhängigkeit wollte ihm darauf ihr Vertrauen ausdrücken, wurde aber von der Obstruktion daran gehindert. Es entstand eine heftige Schlägerei. Die Polizei, welche eingreifen wollte, wurde mit Ziegelsteinen bombardiert. Es wurde schließlich Militär requiriert, welches die Ruhe wieder herstellte. Eine Anzahl Personen wurden verletzt, mehrere verhaftet. Rcwyork. Hier sind 21 Personen am Hitz- schlag gestorben. I» der vorigen Woche sind nicht weniger als 200 Menschen der Hitze erlegen.