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Hohenstein-Ernstthaler Anzeiger : 09.07.1903
- Erscheinungsdatum
- 1903-07-09
- Sprache
- Deutsch
- Vorlage
- SLUB Dresden
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id1841177954-190307096
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id1841177954-19030709
- OAI
- oai:de:slub-dresden:db:id-1841177954-19030709
- Sammlungen
- Zeitungen
- Saxonica
- LDP: Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
-
Zeitung
Hohenstein-Ernstthaler Anzeiger
-
Jahr
1903
-
Monat
1903-07
- Tag 1903-07-09
-
Monat
1903-07
-
Jahr
1903
- Titel
- Hohenstein-Ernstthaler Anzeiger : 09.07.1903
- Autor
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einer Verhandlung, vorläufig keine weiteren Maß regeln zu treffen, sondern erst die Versammlung am Freitag abzuwarten. Nicht wenig Mißstimmung hat die geringe Streikunterstützung, die gestern erst ausgezahlt wurde, unter den Arbeitern hervor- gerusen. Die Streikenden erhielten nur für eine halbe Woche — 6 Mark — ausgezahlt. * Plauen i. V. Der Sohn eines in der Nähe von Plauen wohnenden Rittergutsbesitzer- ist kürz, lich wegen Verdachts der Wechselfälschung verhaftet worden. * Reichenbach, 7. Juli. Außerordentlich er folgreich vorwärts gekommen ist der frühere Lehr ling der Buchdruckerei I. G. Koch hier, Hugo Keßler aus Reichenbach. Er wanderte nach voll brachter Lehrzeit 1866 nach Amerika aus und hat sich dort vom einfachen Steinklopfer, welche Arbeit er zuerst annehmen mußte, zum wohlhabenden Buchdruckereibesitzer aufgeschwungen. In seinem Verlage erscheint die „Staten Island Post" und „Süd-New-Uorker Anz.", deutsches Wochenblatt für Richmond Borough und deutsche Interessen in Süd-New-Aork. Wir wünschen ihm auch ferner alles Glück. * Oederan. Im nahen Breitenau wurde der Leichnam eines seit mehreren Tagen in Marienberg vermißten Soldaten (Oekonomiehandwerkers) aus einem Teiche gezogen. Die Mütze und das Seiten gewehr des Soldaten wurden an einem Strauche am Teiche aufgefunden. * Oberwiesenthal, 7. Juli. Nach dem ge richtlichen Befund des auf dem Fichtelberge ermor deten Geschäftsreisenden Hörder aus Großheringen i. Th. ist auf denselben zunächst geschossen worden. Die Kugel, vermutlich aus einer kleineren Hand waffe abgefeuert, saß noch in den Lungenwirbeln fest. Hierauf hat der Mörder auf sein Opfer mit einem scharfen Instrument eingehauen und endlich den Tod des Beklagenswerten durch Zertrümmern der Hirnschale herbeigeführt. Der Ueberfall hat auf dem von hier nach dem Fichtelberge führenden Fußsteige stattgefunden. Mit welcher Roheit der Mörder zu Werke gegangen ist, geht daraus her vor, daß er den Leichnam seines Opfers derart über Stock und Stein in eine Dichtung etwa 30 Schritte seitwärts der Mordstelle geschleift hat, daß ihm die Kleider vom Leibe gerissen wurden. Der Leichnam muß schon längere Zeit gelegen haben, da die Augen bereits durch Gewürm zerstört waren. Uhr, Geld und Reisekoffer des Ermordeten fehlen und konnten bisher noch nicht wieder erlangt werden. Nur eine Konservenbüchse — der Ermordete reiste in Konserven — ist aufgefunden worden. Ob in der Person des verhafteten Maurers der Täter ergriffen worden ist, erscheint zweifelhaft; irgend welche Gegenstände, welche bei dem Ermordeten vermißt wurden, sind bei ihm nicht gefunden wor den. Ergänzend kann dahingegen mitgeteilt werden, daß heute auch der Vater des Verhafteten einem längeren Verhör durch den Herrn Staatsanwalt unterzogen, hierauf aber wieder entlassen worden ist, dagegen hat später, während die Beerdigung des beklagenswerten Opfers des Raubmordes statt fand, eine neue Festnahme stattgefunden. Es wurde der Sohn Max des früheren Bergwirtes Fleisch mann von einigen Gendarmen vor den Herrn Staatsanwalt geführt. Wie weit dieser Festnahme ein begründeter Verdacht zugrunde liegt, wird die nächste Zeit lehren. — Heute mittag 12 Uhr fand die Beisetzung der irdischen Ueberreste des Ermor deten auf unserem Friedhöfe statt. Zum Prozeß Hüssener. Das auffallend milde Urteil, das dem VolkS- empfinden kaum entsprechen dürste, teilten wir schon gestern mit. Es lautet auf 2 Jahre 7 Tage Festungs haft, wovon 2 Monate und 7 Tage als durch die Untersuchungshaft verbüßt erachtet wurden. Der Vertreter der Anklage, Kciegsgerichlsrat Rosenberger, hatte in seinem Plaidoyer dargelegt, er halte eS für festgestellt, daß der Angeklagte beim Anhalten deS Hartmann instruktionswidrig gehandelt habe, die Trunkenheit deS Hartmann könne nach den Bekundungen der Zeugen und Sachverständigen nicht so besonders groß gewesensein. Als Angehöriger der Marine habe sich der Angeklagte doch nicht in Essen um die Aufrechterhaltung der Ordnung in der Armee zu bekümmern. Die Beweisaufnahme sei diesmal noch viel ungünstiger für Hüssener aus gefallen, als das vorige Mal. ES sei positiv er wiesen, daß Hartmann keinen tätlichen Angriff gegen Hüssener gerichtet habe. Von einem minder schweren Falle, der den Gebrauch der Waffe rechtfertigen würde, könne keine Rede sein. Die Tat HüssenerS grenze hart an Totschlag. Der Vertreter der Anklage wiederholt den Antrag der Anklagebehörde auS der ersten Instanz und beantragte 6 Jahre ZuchlhauS und Ausstoßung aus der Marine. Der Verstoß gegen die Disziplin, den Hüssener begangen, indem er gegen die Instruktion gehandelt habe, möge durch die Untersuchungshaft als verbüßt gelten. DaS hierauf gefällte gerichtliche Erkenntnis von zwei Jahren sieben Tagen Festungshaft wurde wie folgt begründet: DaS Gericht hat dem Angeklagten geglaubt, daß Hartmann einen Stoß nach ihm geführt hat. Das Gericht ist der Ansicht, daß der Angeklagte, als Hartmann den Stoß gab und sich zur Flucht wandle, berechtigt war, die Waffe zu ziehen und zu gebrauchen. Dagegen bestand ein Notstand der Disziplin nicht, als der Angeklagte den Fliehenden verfolgte. Er hätte sich den Gehorsam dadurch verschaffen können, daß er den Hartmann ergriff und zu Boden schlug. Der Angeklagte hätte sich dies auch selbst sagen müssen. DaS Gericht nahm einen minder schweren Fall an, weil die Situation eine schwierige war und die Jugend des Angeklagten hinzukam. Es hat deshalb von Gefängnis abgesehen, weil damit eine Degradation verbunden ist, daS Gericht aber der Ansicht ist, daß die Umstände für den Ange klagten sehr milde lagen. UeberdieS habe die heutige VerhandlungbezüglichdeS SticheS wesentlich günstigere Momente ergeben. Wegen der vorschriftswidrigen Behandlung deS Untergebenen hat das OberkriegS- gericht auf 14 Tage gelinden Arrest erkannt, die in 7 Tage Festung umgewandelt werden. Zwei Monate und sieben Tage sind durch die Untersuchung verbüßt. Schöffengerichtsfitzung vom 7. Juli 1903. (Schluß des Berichts aus voriger dir.) Der Sachbeschädigung angeklagt hatte sich der Bergarbeiter Hermann Klaus zu verantworten. Er hat sich derselben am 27. April d. Js., zu welcher Zeit er noch die Schule in Gersdorf besuchte, schuldig gemacht, indem er die Wand des Schul karzers, in welchen er wegen frechen Betragens verwiesen worden war, mit Tinte beschmierte. Außerdem soll er auch n'cht gerade schmeichelhafte Ausdrücke gegen die Lehrer an der Wand des Karzers verewigt haben, was er jedoch bestreitet. Im übrigen gesteht er seine Schuld ein. Das Schöffengericht verurteilte ihn zu 3 Tagen Ge fängnis. Die Privatklagesache G. wider H. endete mit der Verurteilung des Angeklagten zu einer Geld strafe von 50 Mk. H. hatte sich am 3. Mai d. Js. der Beleidigung gegen die Restaurateursfrau G. schuldig gemacht. Die nun folgende Verhandlung richtete sich gegen den Schlosferlehrling Robert Laux von hier. Derselbe war am 1. Juni d. Js. mit einem Freunde nach Oberlungwitz in die Badeanstalt gegangen. Als dieselben nach beendetem Baden sich wieder in ihrer Zelle ankleideten, machten die Beiden die Entdeckung, daß sie von ihrer Zelle in die benach barte bequem hinüberlangen konnten. Laux stieg deshalb auf die Bank und hatte das Glück oder auch das Unglück, an der Wand, welche die beiden Zellen trennte, eine Hose zu entdecken. Bei einer Revidierung der Taschen fand er ein Portemonnaie mit 133,75 Mk. Inhalt, einen goldenen Ring, einen Taschenkalender und eine Patrone, welche Gegenstände er sich alle aneignete. Der Eigen tümer war der Kaufmann Müller von hier, der sich während der Ausführung der Tat vor seiner Zelle im Gespräch mit einem andern Herrn befand. Sämtliche Gegenstände hat Laux weggeworfen, bis auf das Geld, wovon er 33,75 Mk. noch an dem betr. Tage in Gemeinschaft mit seinem Ka meraden verbrauchte. In die bleibenden 100 Mk. teilten sich die Beiden zur Hälfte. Seinem Freunde wurden die 50 Mk. wieder abgenommen, während der Angeklagte dieselben bereits verbraucht hatte. Laux war geständig; das Urteil lautete auf sechs Wochen Gefängnis. Den Schluß der Sitzung bildete die Strafsache gegen den domizillosen, schon mehrfach vorbestraften Steinmetz Michael Neff. Derselbe hat am 1. Juli d. Js. hierselbst gebettelt, was er selbst eingestand. Er wurde zu 5 Wochen Haft verurteilt und an die Landespolizeibehörde überwiesen. Gerichtssaal. 8 Leipziger Bank. Eine Anzahl Aktionäre der Leipziger Bank hat neuerdings in außergericht lichem Vergleich von den früheren AufsichtsralSmit- gliedern eine Entschädigung von 400000 M. erlangt. 8 Im Kasseler Prozeß gegen Schmidt wurde die Beweisaufnahme geschlossen. Der Präsident will 26 Schuldfragen stellen, von denen eine aus betrügerischen Bankerott, die anderen auf verschiedene Betrugsfälle entfallen; zu der ersten wird die Nebenfrage nach mildernden Umständen gestellt. 8 Kassel, 8. Juli. Im Prozeß gegen den früheren Direktor der Trebergesellschaft, Schmidt wurde der Angeklagte wegen wiederholten Betrug« in über 20 Fällen zu 2 Jahren 8 Monaten Zucht haus und 3000 Mark Geldstrafe verurteilt. Der Staatsanwalt hatte 4^ Jahre Zuchthaus be antragt. 8 Neber deu Prozeß gegen Terlinden in Duisburg ist weiter zu melden, daß der Chemiker Dr. Lehnkering gutachtlich bekundete, daß die Unter schriften auf den ihm vorgelegten Wechseln gefälscht seien. Der Konkursverwalter betonte, daß nur 10 Proz. Masse vorhanden seien. 8 Gleiwitz, 7. Juli. Die Straffammer ver urteilte den verantwortlichen Redakteur der groß- polnischen Zeitung „Die schlesische Stimme", Schrift setzer Fraczewski, zu 30 Mk. Geldstrafe und den Verleger der Zeitung, Siemianowski, zu 6 Monaten Gefängnis wegen Veröffentlichung eines Artikels, in dem die polnischen Kinder im Anschluß an die Vorgänge in Wreschen aufgefordert wurden, sich gegen den deutschen Schulunterricht auszulehnen. Kleine Chronik. * Halle, 7. Juli. Der Oebster Pfeiffer, der, wie gestern gemeldet, im Jähzorn seinen Sohn erschoß, ist jetzt ebenfalls den schweren Verletzungen, die er sich mit einem Messer beigebracht, in der hiesigen Klinik erlegen. Pfeiffer hatte sich den Leib mehrfach aufgeschlitzt, so daß die Eingeweide heraus- Iraten. Er hinterläßt 13 Kinder. * Eisenberg, 7. Juli. Der Kirschpächter Opitz hier schoß aus Fahrlässigkeit dem auf einem Spazier gang befindlichen Maschinenwärter Schumann von hier eine volle Schrotladung ins Gesicht. Schwer verletzt mußte der Unglückliche nach Jena überge- führt werden. * Darmstadt, 7. Juli. In Seligenstadt brach heute Nacht gegen 1 Uhr ein Feuer au«, da« bei dem herrschenden Sturm große Ausdehnung ge wann. Neun Wohnhäuser und dreizehn Scheunen nebst mehreren anderen Gebäuden wurden ein Raub der Flammen. Erst gegen 10 Uhr vormittag« ge lang es der rastlo« arbeitenden Feuerwehr, dem weiteren Umsichgreifen des verheerenden Element« Einhalt zu tun. Der Schaden ist bedeutend, die Entstehungsursache de« Brande» ist noch unbekannt. * Frankfurt a. M, 7. Juli. Hier erschoß sich der Rechtsanwalt Byk nach Veruntreuung von 150000 Mark ihm übergebener Gelder, die er zu Börsenspekulationen verwendet hatte. * Hannover. Beidem deutschen BundeSschießen in Hannover wird nicht nur da» Wort „Ueb' Äug' und Hand fürs Vaterland" in die Tat umgcsetzt, die Schützenbrüder entwickeln auch einen prächtigen Appetit und großen Durst. In der Ochsenbraterei wurden in etwa zwei Stunden zwei Ochsen von zusammen 1660 Pfund Gewicht verzehrt. Stendal, 7. Juli. In dem altmärkischen Dorfe Röwitz wurden der Landwirt König und sein er wachsener Sohn, die vor einem heraufziehenden Gewitter unter einem Baume Schutz suchten, vom Blitz eischlagen. * Seebad Heringsdorf, 7. Juli. Im hiesigen Warmbade brach heute früh kurz nach 5 Uhr, wahrscheinlich infolge von Kurzschluß, an der durch starkes Gewitter zerstörten elektrischen Lichtleitung Feuer auS, welches den Dachstuhl zerstörte und einen Behälter mit Kohlensäure, die zur Herstellung medizinischer Bäder bestimmt war, zur Explosion brachte. Menschen waren nicht in Gefahr. DaS unmittelbar an daS Warmbad grenzende Kurhaus blieb völlig unversehrt. * Marienburg i. Pr. Ein Lieberdrama hat sich in Klein-Hering-Höft ereignet. Die Tochter eine« Hofbesitzer« erhielt vor einiger. Tagen von einem adligen Russen, einem Rübenunternehmsr, den sie vor e'niger Zeit kennen gelernt hatte, einen Brief, in welchem er ihr mitteilte, daß er in der Nacht kommm würde, um mit ihr zu entfliehen. Der Brief fiel aber dem Vater in die Hände, und dieser traf nun Vorbereitungen, um den Plan zu vereiteln. Es wurden wehre.e Nachbarn, auch der Gendarm au« Postlge geholt. G-gen 12 Uhr nacht« wurde leise an die Tür geklopft. Einer der Nachbarn öffnete die Hau«lür und siehe, der erwartete Ent führer trat ein und wollte direkt nach dem Zimmer seiner Geliebten g hen. Al« der Gendarm ihn nun packen wollte, zog er einen Revolver und jagte sich eine Kugel in den Kopf, sodaß der Tod sofort etn- trat. Eine Gerichtskommission stellte den Tatbestand fest. Die beiden Brüder de« Verstorbenen sollen in guten Verhältnisse:? in Rußland leben. Einer ist Pfarrer, der andere Arzt. * New Nork, 7. Juli. Ueber die Rasienkämpfe in Evansville wird noch gemeldet: Die Neger sammelten sich und zogen bewaffnet in verschiedenen Abteilungen durch die Straßen, schossen auf die Weißen und plünderten Läden und Magazine. 8 Kompagnien Miliz mußten zwei Salven auf die Volksmenge abfeuern, wobei 7 Personen getötet und 20 verwundet wurden. Ein Neger wurde von Weißen aufgeknüpft. * New-?)ork. Dem „Newyork Herold" ist aus der Stadt Mexiko die Nachricht über ein merkwürdig?« Duell zugegangen. Da« Ehepaar Ercobedo vertrug sich so schlecht, daß Mann und Frau sich entschlossen, dem ewigen Unfrieden durch ein Duell ein Ende zu machen. Jeder von ihnen bewaffnete sich mit einem Revolver und beide schossen gleichzeitig. Die Frau wurde durch« Herz geschossen und der Mann erhielt einen Schuß in den Kops. Er lebte noch lange genug, um die näheren Umstände de« Duell« zu be schreiben, machte aber keine Angabe über die un- mittelbaren Ursachen desselben. Die Blüte des Bagno. Roman von Goron und Emile Gautier. 6. Fortsetzung. (Nachdruck verboten). „Zunächst, meine Herren," begann der Richter, „müssen Sie wissen, daß Gaston Rozen der Sohn einer Pariser Demimondaine ist, die umS ganze Mittelmeer vor etwa 25 Jahren sehr bekannt war. Welchen Ursprung sie Halle, ob Französin, Deutsche oder Ungarin, wußte man nicht. ES war auch einerlei: sie war hübsch — daS genügte. In der eleganten Welt bezeichnete man sie mit dem aristokra tischen Namen Rosa de la Croix. Der Vater GastonS war ebenso bekannt in Paris wie die Rosa de la Croix. Er war eine jener exotischen Persönlichkeiten, von denen niemand Ursprung noch Geschichte kannte, und die trotzdem, dank Ihrer Kühnheit, ihrer Groß mäuligkeit und Lügenhaftigkeit auf dem Boulevard- Pflaster sich aufrecht zu hallen wissen, die bei allen Prämieren ihren Fauteuil haben, zu allen Festlich keiten zugezogen werde», ohne gefragt zu sein, über alles urteilen . . ." „Bis wir unsererseits über sie zu urteilen be rufen sind," versetzte der Staatsanwalt, „waS häufiger vorkommt, als ihre Bewunderer und Neider glauben." „Dieser Jndustrieritter," fuhr der Erzähler fort, „ließ sich Prinz Hadil Ahmed nennen. Er war ein Orientale, eine prächtige Figur und wirklich schön, daS muß man sagen, ihm dankte Gaston jenen zugleich zärtlichen und gebietenden Blick, von dem Ihnen die arme Frau hätte erzählen können, deren Gatte auf so tragische Weise eben ums Leben kam. Sein Vater erkannte ihn nicht an. Er wurde ins Zivilstandsregister unter dem Namen Rosen- kruz, Sohn eines unbekannten Vaters und der Rose Kruz, eingetragen. Sie können sich denken, welches Geschöpf aus dem Bunde einer solchen Frau und eines Jndustrieritters entstehen mußte. Noch ganz jung, zeigte sich Gaston merkm"rdig lasterhaft und raffiniert. Mit zehn Jahren öffnete er im Gymna sium-Internat, worin ihn seine Mutter untergebracht hatte, mit selbstfabrizierten falschen Schlüsseln die Pultdeckel seiner Kameraden und stibitzte Schokolade und andere Süßigkeiten . . . Mit zwölf Jahren wurde er duvongej gt, weil er eine Uhr gestohlen hatte." „Ein hübscher Anfang," meinte du Staats.rnwalt. „Und dies alles, nicht etwa weil das Geld ihm fehlte! Seine Mutter gab ihm so viel, wie er nur wollte. Aber diesem Kinde lug die Gier zum Stehlen qewissermaß.n im Blute. Mit sünf„ehn- einhalb Jahren ve übte er schon besseres. Er miß brauchte die Handschrift seiner Mutter, um sich bei einem Juwelier allerhand Schmuck verschaffen zu können, den er mittels gefälschter Legitimationen auf dem Leihhaus versetzte. Mit siebz hn Jahren floh er mit de" Zimmerfrau seiner Mutter und möblierte ihr auf Kredit und unter dem Namen de Rozen eine Wohnung. Er hielt cs für eleganter, srinen Namen derart abzukürzen, und so nannten ihn übrigens seine Kameraden immer." „Dec reine Wunderknabe!" rief der Arzt. „Mit achtzehn Jahren," erzählte der Richter weiter, „hatte er 150 000 Franes Schulden und trotzte seinen Gläubigern, indem er ihnen sagte, daß sie von seiner Jugend Gebrauch gemacht, um ihn, den Minderjährigen, auszubeuten. Damals sandte ihn seine Mutter nach England." „Wo LavardenS ihn kannte," versetzte der Staats anwalt. „Nach dem, waS seine Frau nuS erzählte, ja; aber waS sie unS n.cht gesagt hat, ist, daß der junge Rozen in einem Hau» untergebracht war, in dem er zur Hälfte Anschluß an daS Geschäft, zur Hälfte an die Familie fand. Er entführte ein junges Mäd chen und brachte eS nach Paris, nachdem er es da zu veranlaßt hatte, aus d?r väterlichen Kasse an die 20009 Francs zu nehmen." „Wurde er nicht verfolgt?" sagte der Staats anwalt erstaunt. „Nein. Seine Mutter hatte eine tolle Zuneigung zu ihm; sie un' rwa^f sich seinem Despotismus und bezahlte die Ingeniosität ihres „Banditensöhnchens". Sie verzieh ihm, WaS sie „jugendlichen Schabernack" nannte und war überzeugt, daß er sich schon später zu-echtfinden und Dank seiner Schönheit irgend eine reiche Erbin heiraten würde. Man muß es anerkennen, mit zweiundzwanzig Jahren war Gaston sehr verführerisch. Von seinem Vater hatte er den assyrischen Typus, die famosen Sammetaugen und einen vollen, wohlgepflegten Bart, wunderschön ge wachsen und von einem Ebenholzschwarz, daS seinen mattweißen Teint besonders auffallen ließ. Seine klare, schmeichelnde, anziehende und überzeugende Stimme klang seinen Zuhörern wie Musik. (Fortsetzung folgt.) Neneste Nachrichten und Depeschen vom 8. Juli. Chemnitz, 8. Juli. Das hiesige Schwurgericht verurteilte heute mittag den Schweizer Kamprath, welcher am 11. Juni in Masianei bei Waldheim den Gutsbesitzer Müller und dessen Wirtschafterin Bertha Langhoff mit einem Beil ermordete, zwei mal zum Tode und zum dauernden Verlust der bürgerlichen Ehrenrechte. Rom, 8. Juli, mittags. Die seit der gestrigen Operation im Befinden des Papstes eingetretene Besserung mar nur von kurzer Dauer. Sein Zustand hat sich seit heute srüh wieder verschlimmert. Die Kräfte nehmen ab. Der Puls wird schwächer und die Herztätigkeit ist sehr gering. Die Aerzte er wägen trotz ihrer Aussichtslosigkeit die Vornahme einer 2. Operation. Der Papst dürfte den heutigen Tag kaum überleben. Rom. Eine hochgestellte Persönlichkeit aus dem Vatikan äußerte sich, daß man sich bei der Wahl des künftigen Papstes die Notwendigkeit vor Augen halten müsse, alle Kräfte gegen die Anarchie und Sozialdemokratie ins Feld zu führen. Der Jesuiten-Orden sucht das Konklave zu seinen Gunsten umzustimmen. Wien. Die „Wiener Ztg." enthält folgendes kaiserliches Handschreiben: „Lieber Dr. v. Körber! Nach reiflicher Ueberlegung und eingehender Prüfung der Gründe, welche Sie veranlaßt haben, mir Ihre und des Gesamtministeriums Demission anzubieteu, vermag ich nicht, trotz der Schmierigkeiten, die nach Jhrein Dafürhalten die Lage beherrschen und hemmend auf Ihre Tätigkeit wirken, Ihrer Bitte um Enthebung zu willfahren. Angesichts der in der allernächsten Zeit ihrer Regelung erheischenden hochwichtigen Angelegenheiten, welche bemäbrten Kräften anvertraut bleiben müssen, bedarf ich Ihrer mir überaus wertvolle!? Dienste auch fernerhin. Indem ich Ihrer und der übrigen Mit glieder des Ministeriums für die vielfachen bis herigen Verdienste mit Dank und Anerkennung gedenke, zähle ich aus Ihren so oft erprobten Patriotismus und versichere Sie meines fortdauern den vollen Vertrauens. Wien, 7. Juli 1903. Franz Josef. Wien. Neue Unruhen werden aus Kroatien gemeldet. In der Nähe des Bahnhofes Zlatar Bistrica wurden von einer Rotte ausgehetzter Bauern Bäume durchsägt und Telegraphenstangen umgerissen. Nach Zlatar ist eine halbe Kompagnie des 27. Infanterie-Regiments abgegangen. * Wien. Die Abberufung des serbischen Ge- sandtschafts-Attachös erfolgte, weil die österreichischen Offiziere es ablehnten, mit einem Vertreter des serbischen Osfizierkorps zu verkehren. Aus gleichen Gründen mußten auch die in österreichischen Re gimentern befindlichen Offiziere ihren Abschied nehmen. London. Gestern Abend nahmen der König, der Prinz von Wales, Balfour, Chamberlain und Delcassö am Diner beim Präsidenten Loubet teil. Clairmont Fcrraut. Der Ausstand der Straßenbahner dauert fort. Gestern fanden neue ernste Zwischenfälle statt. Die Fenster der Straßen bahnwagen wurden zertrümmert. Die Gendarmerie mußte eingreifen, wobei mehrere Personen verletzt wurden. Ein Gendarm wurde durch einen Stein- wurf verletzt. Ein Polizist mußte ins Krankenhaus gebracht werden. Reitende Artillerie säuberte die Straßen. Die Kundgeber zogen hieraus nach einem anderen Stadtviertel, wo sie eine Wartehalle der Straßenbahn zertrümmerten. Infanterie mußte die Ruhe wieder Herstellen. Sofia. Das Kriegsministerium läßt die An ordnungen bezüglich der Truppen-Verschiebungen bis auf weiteres einstellen. In hiesigen militärischen Kreisen verlautet, daß die bulgarische Frage nur durch einen Krieg mit Bulgarien und der Türkei gelöst werden kann. Nach neueren Meldungen soll zwischen der Bande Sarakoffs und türkischen Truppen ein blutiger Kampf stattgefunden haben.
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