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8 L « L 8Z. — L LLi2L-» »L Li" 3 »'rr L « s ^"ir!s >-- 8ZLsNrris.sLLs« L § « r: -^L » U Z LS^ --!«— »- LS ^s-«-^» s >s- S 3 s ! Tull, der Bassist Von Peter Mattheus. (Nachdruck verboten.) „Hm", sagte Herr Bangel, „eine Schönheit ist er ! nicht." „Ich weiß", sagte Frau Nehrwind. „Obwohl ich > manchmal meine, daß er vor lauter Häßlichkeit eigentlich I schon wieder hübsch ist. Aber klug ist er aus alle Fälle. ; Und komisch. Seit ich ihn habe, fühle ich mich nicht mehr , einsam. Er heitert mich auf. Darauf können Sie sich ver- I lassen." Der Gegenstand des Gespräches saß vor ihnen auf ; dem Gartenweg und bewegte seinen Stummelschwanz in > so stürmischem Tempo, daß man meinen konnte, es seien I ein Dutzend Schwänze, die da wackelten. Im übrigen war I das Objekt für seine geringe Höhe reichlich lang geraten, ; hatte vorn und hinten krumme Beine und viel struppiges ' gelbes Haar, das in langen Fransen über Lie Augen hing I und rechts und links der Nase einen buschigen Schnauz- I bcrrt bildete. „Sie ahnen Wohl nicht, was für eine Rasse ; es ist?" erkunoigte sich Herr Bangel vorsichtig. „Nein", sagte Frau Nehrwind. „Ich fürchte auch, er I hat nichts auszuweisen, was man nur im entferntesten mit I Stammbaum bezeichnen könnte. Ich hab ja aber nicht die ! Absicht, ihn auf Ausstellungen zu schicken. Ich hab ' ihn damals aus der Hundeauktion im Tierhort ge- I kanft, weil ihn sonst niemand haben wollte. Was wird I aus ihm, hab ich mir gedacht, wenn keiner auf ihn bietet. I Vielleicht hab ich ihm damals das Leben gerettet." „Schon möglich", meinte Herr Bangel mit einem nach- I denklichen Blick. „Und dann die Stimme", fuhr Frau Nehrwind fort. ; „Die Stimme hat mir gut gefallen. Haben Sie ihn schon i mal bellen hören?" „Bellen? Nein, ich glaube nicht", sagte Herr Bangel. „Passen Sie mal auf." Frau Nehrwind sah liebevoll > den struppigen gelben Hund zu ihren Füßen an und sagte: I „Lull! Gib mal Laut! Wie spricht der gute Hund?" Die l Awgen hinter den Haarzotteln leuchteten vergnügt auf, und - unterhalb der zuckenden Nase und des borstigen Schnauz- ! bartes wurden Weiße, spitze Zähne sichtbar: „Wusf — I wufswuss ..." Es klang tief, voll und rauh. „Mein Himmel ...", sagte Herr Bangel ehrlich ver- ; blufft. „So ein kleiner Hund und so eine Baßstimme! » Unglaublich. Er bellt wahrhaftig wie ein Bernhardiner." „Nicht wahr?" sagte Frau Nehrwind stolz. „O ja, I Tull hat schon seine Qualitäten." Bald daraus verabschiedete sich Herr Bangel, um heim- » zugehen. Er wohnte in dem neuen Haus am Rande der I Siedlung — gleich hinter Frau Nehrwinds Grundstück. - Er war erst kürzlich eingezogen. — Frau Nchrwind wandte » sich ihrem eigenen kleinen Hause zu, das sie schon weit ! länger bewohnte. Sie war Witwe und lebte von einer I bescheidenen Pension. Kinder hatte sie nicht. Tull war I ihre einzige Gesellschaft. Sie nahm ihr Abendbrot ein, an dem auch Tull seinen i Teil hatte, machte wie jeden Abend die Runde um das I Haus, sah nach, ob die Fenster geschlossen waren, und ver- I riegelte die Tür. Dann ging sie zu Bett. Der Hund schlief ; in einem Korb im Hausflur. In der Nacht erwachte Frau Nehrwind. Sie börte I Tull draußen im Gang umherlaufen. Seine stumpfen , Krallen klapperten auf den Dielen. Das war ungewöbn- I lich. Nachts pflegte Tull in seinem Korb zu schlafen. Wach- I samkeit zählte nicht zu seinen Tugenden. Sie hörte ihn an der Haustür sckmuppcrn, börte, wie « er zischend die Luft einsog, und wußte, daß er die Nase ! an den Ritz zwischen Tür und Schwelle gepreßt dielt. Am I Tage machte er das manchmal, wenn jemand draußen I vorüberging. Dann fing er plötzlich an zu dellen — wild » und heftig. Es klang sehr böse. Fran Nedrwind sprang » aus dem Bett und fuhr mit den Füßen in die Pantosscln. I „Tull!" ries sic. „Was bast du denn?" Aber Tull hörte nicht. Er dellte. Seine Stimme klang » noch tiefer und randcr als sonst, wie die Stimme eines ! großen, wütenden Ketiendnndes: Wnss — wufswusswuff- I wnss — rrrhhh ... wusswnss... Als Frau Nehrwind das Licht im Gang angeknipst hatte, sah sie einen gänzlich veränderten Tull vor sich. Die Augen glühten zornig unter den Haarzotteln, der gelbe Pelz stand wie eine Bürste von ihm ab, und unter den hochgezogenen Lefzen blinkten die Zähne. „Aber Tull!" sagte Frau Nehrwind. Er ließ sich nicht beruhigen. Er bellte und bellte. In einem Augenblick, als er einmal röchelnd Luft holte, glaubte Frau Nehrwind, den Kies auf dem Gartenweg knirschen zu hören. Das konnte aber auch ein Irrtum sein. Tull jedenfalls tobte weiter wie ein Rasender. ' Es dauerte fast eine Viertelstunde, bis Frau Nehr wind ihn so weit zur Ruhe bekam, daß er nur noch ab wechselnd knurrte und blaffte. Er ließ sich nicht greifen. Er rannte in dem engen Gang auf und ab und stürzte immer wieder zur Tür. Dann hörte Frau Nehrwind plötz lich Stimmen draußen. Jemand kam den Gartenweg her auf und pochte. Tull fing von neuem an zu bellen. „Wer ist da?" rief sie. „Polizei. Oefsnen Sie, bitte?" „Ich bin auch hier, Frau Nehrwind", tönte Herrn Bangels Stimme. „Bitte, machen Sie auf." Sie öffnete. Herr Bangel stand neben einem Polizisten, der mit seiner Taschenlampe die Tür ableuchtete. „Da — sehen Sie!" sagte der Polizist. Frau Nehr wind schrie vor Schreck auf. Das Holz um das Türschloß herum war zerkratzt und abgesplittert. Es sah aus, als habe jemand versucht, mit Gewalt einzudringen. „Was . . . was bedeutet das?" stammelte sie. Der Polizist lächelte grimmig: „Heute nacht", sagte er, „ist hier herum ein Mann gesehen worden, hinter dem wir schon lange her sind. Ein ganz gefährlicher Bursche. Er bricht mit Vorliebe in Landhäuser ein und schießt sofort, wenn er gestört wird. Diesmal sind wir offenbar rechtzeitig ge kommen. Wir haben großen Alarm. Die ganze Siedlung ist umstellt und —" Irgendwo in einiger Entfernung knallte ein Schuß, dem laute Rufe folgten. Dann knallte es wieder, und eine Signalpfeife schrillte. „Sie haben ihn!" stieß der Polizist hervor. „Ich glaube, sie haben ihn!" Er steckte die Lampe ein und rannte quer durch den Garten. Mit einem Satz sprang er über den Zaun und verschwand in der Dunkelheit. Herr Bangel blieb bei Frau Nehrwind zurück. Nach denklich blickte er auf den Hund, der — noch immer auf geregt, die Nase am Boden — auf dem Kiesweg hin und her lief. „Möglicherweise", sagte er langsam, „hat dies mal Tull Ihnen das Leben gerettet." Goldene Worte Laßt uns Deutsche sein und bleiben, Deutscher Handschlag steht uns wohl! Was wir denken, reden, schreiben, Das sei deutschen Herzens voll! - Gleim. * Wer gute Menschen liebt, kann wenigstens nicht ganz verdorben sein. Lessing. Gib dem Herzen, was es will, Laß die Welt es lehren, Daß kein Heil ihm bleibt, als still In sich einzukehren. Friedrich Rückert. * Heil dem, der Demut lernt nicht durch Demütigungen, Der, obne daß die Welt ihn zwang, sich bat bezwungen; Ten Riedern bläht Besitz, und Armut macht ihn zahm. Ten Edeln macht sie stolz und Reichtum demutsam. FriedrichRückert. Dem schlechtsten Ding an Art und Gehalt Leiht Liebe dennoch Ansehn und Gestalt. Shakespeare.