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Hohenstein-Ernstthaler Anzeiger : 26.07.1903
- Erscheinungsdatum
- 1903-07-26
- Sprache
- Deutsch
- Vorlage
- SLUB Dresden
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id1841177954-190307263
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id1841177954-19030726
- OAI
- oai:de:slub-dresden:db:id-1841177954-19030726
- Sammlungen
- Saxonica
- Zeitungen
- LDP: Zeitungen
- Bemerkung
- Fehlende Seiten in der Vorlage
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
-
Zeitung
Hohenstein-Ernstthaler Anzeiger
-
Jahr
1903
-
Monat
1903-07
- Tag 1903-07-26
-
Monat
1903-07
-
Jahr
1903
- Titel
- Hohenstein-Ernstthaler Anzeiger : 26.07.1903
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Schweres Eisenbahn unglück bei Annaberg. Auf der Haltestelle Buchholz-Annaberg hat sich am gestrigen Freitag nachmittag ein schweres Eisen bahnunglück ereignet, bei welchem leider auch der Verlust von Menschenleben zu beklagen ist. Ueber den bedauerlichen Unglücksfall liegen folgende Mel- düngen vor: Annaberg, 24 Juli. Bei dem Halte- Punkt Buchholz entgleiste heute nachmittag */.3 Uhr ein Teil deS Personenzuges, der von Weipert nach Chemnitz fährt. 2 Personen wagen und der Gepäckwagen stürzten um, wobei »ach bis jetzt vorliegenden Meldungen 4 Personen tödlich ver unglückt, sowie zwei Personen schwer und eine Anzahl Personen leicht verletzt find. Ueber das schreckliche Bahnunglück wird dem Chemn. Tgbl. ausführlicher mitgeteilt : Von dem Weiperter Zug, welcher 2 Uhr 45 Minuten den Haltepunkt Buchholz passiert, sind bei der Einfahrt in denselben die drei letzten Wagen, zwei Personen und ein Pockmeisterwagen, entgleist und haben sich nach der linken Seile umgelegt. Hierbei sind lei der vier Menschenleben zugrunde gegangen. Bis jetzt war es nur möglich, zwei der Getöteten zu rekognoszieren. Der eine ist ein Kaufmann namens Grund aus dem benachbarten Bärenstein, der mit seiner Frau nach Annaberg fahren wollte und in einem Abteil 3. Klasse saß. Er lag tot auf der Strecke, neben ihm kniete, bitter den Verlust des Gatten und Vaters beklagend, seine Lebensgefährtin. Unweit von diesem lag der Husar Paul Langer aus Sehma tot mit zertrümmertem Kopfe, der von einem Urlaub sich wieder in seine Garnison zurück begeben wollte. Er wird betrauert von einer alten Mutter, die, dem Erblinden nahe, kaum eine halbe Stunde vorher ihren Sohn gesund und mit den besten Hoffnungen verabschiedet hatte. Zwischen den Wa gen liegen noch Teile menschlicher Körper, von 2 Frauen herrührend. Einer Frau ist der Kopf vom Rumpfe getrennt und der letztere in eine formlose Masse zerquetscht worden. Außerdem sind noch mehrere Passagiere verwundet. Einer Frau aus Schneeberg, die Beinbrüche erlitten hat, wurde auf freier Strecke das Bein geschient und sie sodann mittelst Siechkorbes nach dem Krankenhause getra gen. Ihr Schwager, welcher mit ihr in demselben Wagen reiste, blieb unverletzt. Einem Reisenden aus Plauen wurden die Rippen eingedrückt und die Haut vom Kopfe getrennt. Auch er ist nach dem Krankenhause getragen worden. Das eine Wartezimmer des Stationsgebäudes wurde in ein Verbandzimmer eingerichtet. Männer und Frauen aus den benachbarten Häusern eilten sofort herbei und nahmen sich der Verwundeten an. Auch trafen an der Unglücksstelle alsbald die Herren Dr. Gutbier und Dr. Curschmann-Buchholz, sowie Dr. Mühlich-Annaberg ein, um den Verwundeten ärztlichen Beistand zu leisten. Umer den Ver wundeten befindet sich ein Ehepaar aus Teplitz, das von dort nach Annaberg reisen wollte. Wäh rend die Frau mit dem Schrecken davonkam, er litt ihr Gatte in der Mundgegend derartige Ver letzungen, daß sie genäht werden mußten. Ferner erlitten u. a. einige Annaberger Herren, sowie eine Frau aus Sehma Verletzungen, die indessen zum Glück so leichter Art waren, daß die Betroffenen zu Fuß die Unglücksstelle verlassen konnten. Es muß nach Lage der Sache mit Bestimmtheit ange nommen werden, daß die tödlich Verunglückten bei Wahrnehmung der Gefahr aus den Wagen gesprungen sind, um sich zu retten, dabei aber von den umstürzenden Wagen getötet wurden. Wie das Unglück geschehen konnte, ist noch nicht auf geklärt. Ein Augenzeuge erzählt, daß die Weiche zu zeitig zurückgestellt worden sei. Er will plötz lich beim Einfahren des Zuges ein lebhaftes Pol tern gehört und gesehen haben, wie der letzte Wa gen beim Passieren der Weiche aus dem Geleise gesprungen und die zwei vor ihm laufenden Wagen mit sich zur Seite gerissen hat. Herr Bürger meister Schmiedel nahm an der Unglücksstelle den Tatbestand auf. Es herrscht kollosale Auf regung. Amtlich wird über das Unglück gemeldet: „Aus dem Haltepunkte Buchholz bei Annaberg ist Freitag nachmittag *^3 Uhr der von Weipert kommende Personenzug Rr. 1387 entgleist. Drei Wagen sind umgestürzt. Vier Personen wurden getötet, eine Person schwer und sechs leicht verletzt. — Die Namen der Getöteten sind: Kaufmann Albert aus Grund bei Bärenstein, Husar Langer aus Sehma, Witwe Emilie Meyer aus Marienberg und Frau Postverwalter Otto aus Sehma. Schwer verletzt wurden ein Reisender aus Plauen und ein Fräulein aus Schneeberg. Der Stalionsverwalter von Buchholz wurde verhaftet". Oertliches und Sächsisches. Hohenstein-Ernstthal, 25. Juli. * — 1903 ist respektive wird ein gutes Obst-, Wein- und Bierjahr zugleich. Die Obst bäume haben im allgemeinen einen sehr reichen Fruchtansatz. Von einer eigentlichen Raupenplage kann man in diesem Jahre nicht reden, die schäd lichen Insekten sind zumeist dem kalten April- und Maiwetter zum Opfer gefallen. Man sieht denn auch nicht so viele Schmetterlinge wie sonst. Die Jugend, die ihre Freude an den in schönen Farben schillernden Tierchen hat, mag das bedauern, Gärt ner und Landwirte aber freuen sich — was dem einen seine Eule, ist dem andern seine Nachtigall. Die Nachrichten aus den Weingegenden lauten an dauernd erfreulich, die Herbstaussichten sind sowohl hinsichtlich der Menge wie der Güte überaus gün stig. 1903 dürfte eins der reichsten Weinjahre werden. Von günstigem Wetter unterstützt — heiß mit häufigen Niederschlägen — entwickeln sich die Trauben in ihrem Wachstum ungemein rasch. An der Mosel ist der Traubenbehang so reich wie selten zuvor. Aber auch den Biertrinkern wird gute Kunde. Der Hopfen steht fast überall sehr gut und verspricht eine schöne Ernte. * — A«S Anlaß des Reustädter Schützen festes ist, worauf wir auch an dieser Stelle auf merksam machen wollen, morgen Sonntag der Gewerbebetrieb in unserer Stadt in allen offenen Verkaufsstellen von 11 Uhr vormittags bis 8 Uhr abends und in den auf Straßen und Plätzen auf gestellten Verkaufsständen von 3 Uhr nachmittags bis 10 Uhr abends gestattet. Desgleichen'.ist der Hausierhandel ebenfalls von nachmittags 3 bis abends 10 Uhr zulässig. * — In der Konzerthalle des Neustädter Schützenhauses wird wählend des Schützenfestes morgen Sonntag, Montag und Dienstag die be kannte und beliebte Varietee-Gesellschaft Zierold aus Chemnitz täglich 2 große Spezialitäten-Vor- stellungen mit ständig wechselndem Programm geben. Die Truppe verfügt über nur erstklassige Kräfte und wird an Vielseitigkeit inbezug auf die Dar bietungen nichts zu wünschen übrig lassen, sodaß den Besuchern wirklich angenehme und interessante Stunden in Aussicht stehen. Am Dienstag findet von abends 8 Uhr an im groß n Saal eine Elite- Familien-Vorstellung statt. Des weiteren ver weisen wir auf den Annoncenteil dieser Nummer. * — Neber den Eaatens and in Sachse« sind Mitte Juli folgende Noten ermittelt worden: Winter weizen 2,4, Sommerweizen 2,3, Winterroggen 2,1, Sommerroggen 2,1, Gerste 2,1, Hafer 2,4, Kar toffeln 2,4, Klee, 2,9, Luzerne 2,8, Wiesen 2,7. * — Handluugsgehülfcntag in Chemnitz Die Kreisvereine Sachsens und Thüringens im Verbände Deutscher Handlungsgehülfen zu Leipzig halten Sonntag, den 6. September, in Chemnitz im großen Saale des „Kaufmännischen Vereins hauses" einen Sächsisch-Thüring'schen Verbandstag ab. Es sollen Vorträge über die den Handlungs- gehülsenstand z. Z. am meisten beschäftigenden Fragen, wie Kaufmannsgerichte, Handelsinspektoren, Handlungsgehülfenkammern, staatliche Pensions versicherung der Privatbeamten rc. von berufenen Rednern gehalten werden. Während diesen ernsten Verhandlungen und geschäftlichen Sitzungen wird aber auch der gastgebende Verein Chemnitz für genügende Unterhaltung Sorge tragen, so ist für den Vorabend am 5. September ein Konzert mit Theateraufführung rc. im „Kaufmännischen Vereins haus" (Theatersaal) geplant. Zu den Vorträgen ist an die Spitzen der Behörden, sowie an die ge setzgebenden Körperschaften rc. bereits die Einladung ergangen. In den nächsten Tagen werden noch weitere Einladungen an die Prinzipalität und Kaufmannschaft in Chemnitz, sowie an die hiesigen Bruder vereine und sonstige Korporationen ergehen. Da in Chemnitz schon allein über 1000 Mitglieder des Verbandes Deutscher Handlungsgehülfen vor handen sind und aus den in Frage kommenden weit über 100 auswärtigen Kreisvereinen ebenfalls eine sehr zahlreiche Beteiligung zugesagt worden ist, so kann man auf eine großartige Kundgebung der Handlungsgehülfenschaft rechnen. * Gersdorf, 25. Juli. Dieser Tage trieb sich im hiesigen Ort im Unterdorfe ein Junge, dec seinen Eltern entlaufen war, vagabundierend umher. In Lenkersdorf, woselbst er es sich bei einer Familie bequem machen wollte, wurde er der Polizei über geben. Da der Junge ausgesagt hat, von Gers dorf zu sein, wurde er der hiesigen Behörde zuge führt. Die angestellten Ermittelungen haben aber ergeben, daß der jugendliche Taugenichts lauter lügenhafte Angaben über seine Herkunft machte. Da die Spur nach Hermsdorf führte, wurde der Transporteur mit dem Jungen nach dort gewiesen. Der Knabe soll Teichmann heißen und ist ver mutlich derselbe Junge, der in Siegmar vor acht Tagen der Polizei in die Hände fiel. In einer Besserungsanstalt dürfte er am besten aufgehoben sein. * Pleißa, 24. Juli. Für die erledigte hie sige Pfarrerstelle wurde vom Kirchenvorstand Herr Pfarrvikar Kirsten, zur Zeit in Euba, gewählt. * Glauchau, 25. Juli. Auf dem hiesigen Güterbahnhofe erhielt während des Ausladens von Rindern ein Metzgergeselle von einem der Tiere einen derartigen Stoß über das rechte Ange, daß der Verlust desselben zu befürchten ist. — Beim 10. deutschen Turnfest in Nürnberg gingen im Sechskampf zwei Mitglieder des hiesigen Turnerbundes und zwar die Herren Alfred Unger mit 54*/. Punkten und Karl Reiher mit 52^ Punkten als Sieger hervor. * Ziegelheim, 23. Juli. Heute nachmittag ist der von hier gebürtige Handarbeiter und Haus besitzer M. Etzold in Hauersdorf bei Ehrenhain, welcher bei einem Bau in Priese! beschäftigt ge wesen, bedauerlicherweise so unglücklich abgestürzt, daß er sofort seinen Tod gefunden hat. * Dresden, 24. Juli. Ihre Majestät die Königin-Witwe ist gestern abend 10 Uhr nach be endetem Aufenthalte in Sibyllenort wieder in Dresden bez. Strehlen eingetroffen. Aus der Rück reise stattete die Königin-Witwe dem Krankenhause in Grunau bei Ostritz einen zweistündigen Besuch ab. * Dresden, 25. Juli. Ein erschütterndes Fa miliendrama hat sich gestern vormittag gegen 9 Uhr in der dritten Etage des Grundstückes Ehrlich straße 4 abgespielt. Der 34 Jahre alte Dienst mann Clauß erschoß hier zuerst seine bereits seit Jahren von ihm getrennt lebende 29 jährige Ehe frau und dann sich selbst. Clauß war früher Schutzmann in Löbtau und Leipz!g, später Schaffner bei der ehemaligen gelben Pferdebahn, konnte aber nirgends lange bleiben. Er ging dann nach Ame rika, kam wieder von da zurück, zog dann zum zweiten Male über das große Wasser, ohne jedoch auch diesmal drüben zu bleiben. Ende Mai d. I. landete er wiederum in der alten Heimat, mit einem Worte, er führte ein unstätes Vagabonden- leben. Der Mann hat seiner von allen Seiten als rechtschaffen und brav geschilderten Frau gegenüber vom ersten Tag seiner Verheiratung an den Ty rannen gespielt und nicht für seine Familie gesorgt, sondern das Wenige, was er bei seinem leichten Lebenswandel etwa noch verdiente, für sich ver braucht, sodaß die arme Frau mit ihren 3 Kindern im Alter von 9, 8 und 4 Jahren lediglich von der Güte der Eltern abhängig war, die Eigen tümer des Grundstückes sind und im ersten Stock wohnen. Schon vorgestern abend erschien Clauß in der Wohnung seiner Schwiegereltern, bedrohte seinen Schwiegervater mit einem Revolver und gab die Absicht kund, seine Frau zu erschießen. Der Vater ermahnte hierauf seine Tochter zur Vorsicht. Eine halbe Stunde später jedoch war die Frau bereits tot. Ein Wortwechsel scheint nicht voraus gegangen zu sein; entweder hat der Mörder die ihm auf sein Klingeln öffnende Frau sofort er schossen und ist dann, die Tür hinter sich schließend, in das Logis eingetreten, oder er hat die Tat beim Weggehen begangen, wobei ihn seine Frau vielleicht bis zur Tür begleitet hat, denn die beiden Leichen wurden dicht hinter der Korridortür aufgefunden, die Köpfe lagen der Küche zugewendet. Die Frau war in das Ohr geschossen worden, während der Mörder sich einen Schuß in die Schläfe bei gebracht hatte. * Chemnitz, 23. Juli. Eine ziemlich reiche Beute fiel gestern hier einem sogen. Bodenmarder in die Hände. Außer 90 Mark barem Gelde konnte er noch mit 5 goldenen, teilweise mit Opalen und Brillanten besetzten Damenringen, einem goldenen und silbernen Armband, einer goldenen und silbernen Damen-Remontoiruhr, sowie zwei goldenen Damen uhrketten unbehelligt davonziehen. * Neustadt bei Chemnitz, 24. Juli. Dem hiesigen Turnverein, von welchem 16 Turner zum Besuche des 10. Deutschen Turnfestes nach Nürn berg gereist waren, wurde insofern eine besondere Freude zuteil, als sein Mitglied Herr Linus Fischer einen Preis beim Sechskampf im Kunstwettturnen errang. Der Verein kann auf diesen Preis ganz besonders stolz sein, weil er der einzige Preis im ganzen Gau der Chemnitzer Umgebung ist. * Zwickau, 24. Juli. Die hiesigen Hausbesitzer beabsichtigen, gegen die Stadt wegen der ihnen auferlegten Bezahlung der in die Häuser neu ein gestellten Wasfermesser gemeinschaftlich klagbar zu werden. * Crimmitschau, 24. Juli. Die hiesige Vigognespinnerei von Eduard Wagner ist jetzt in eine Gesellschaft mit beschränkter Haftung um gewandelt worden. Die neue Firma lautet nun mehr „Eduard Wagner, Gesellschaft mit beschränkter Haftung". Das Stammkapital beträgt 420000 Mark. Geschäftsführer der neuen Gesellschaft sind die Herren Kaufleute Ferdinand Eduard Wagner und Max Viktor Hendler in Crimmitschau. * Plauen i. V., 24. Juli. Se. Maj. der König hatte sich bei seinem kürzlichen Besuche hier die ältesten Mitglieder des Pausaer Militärvereins vorstellen lassen. Es sind dies der 90 Jahre alte Adam Kopp, der 87 Jahre alte Friedr. Müller und der 83 Jahre alte Gottl. Kerneck. Jetzt ist jedem der alten Soldaten vom Kriegsministerium ein Geldgeschenk von 50 Mark zugewiesen worden. Die Beschenkten sind natürlich hocherfreut über die unverhoffte Gabe. * Plauen i V., 24. Juli. Herr Kreishaupt- mann Forker-Schubauer aus Zwickau traf gestern nachmittag hier ein, erledigte mehrere Verwaltungs geschäfte und unterrichtete sich insbesondere über den Stand des Maurerstreiks und über die vorge kommenen Ausschreitungen. In Begleitung der Herren Oberbürgermeister vr. Schmid und Polizeistadtrat Schurig unternahm der Herr Kreis- Hauptmann dann eine Wagenfahrt durch mehrere Stadtteile, auch durch den Haselbrunner Stadtteil, wo sich das sozialdemokratische Gewerkschaftshaus be findet und wo die Bewohner bekanntlich um größere polizeiliche Hilse petitioniert hatten. Es wurde im allgemeinen festgestellt, daß auf allen Bauten gearbeitet wird, teilweise mit voller Arbeiterschaft. Die Zahl der Arbeitswilligen beträgt nach einer von der Polizei vorgenommencn Zählung bereits 1200, die Zahl der Streikenden höchstens noch 400. * Oberwiesenthal, 24. Juli. In der Straf sache, die im Juni auf dem Fichtelberge erfolgte Ermordung und Beraubung des Reisenden Leopold Hörder betr., hat der Vater des Ermordeten die von ihm bereits früher auf die Ermittlung des Täters als Belohnung öffentlich ausgesetzten 1000 Mk. nunmehr der Staatsanwaltschaft Chemnitz zur Verfügung gestellt, welche ihrerseits bekannt gibt, daß diese 1000 Mk. ganz oder in einzelnen, von der Strafbehörde zu bestimmenden Anteilen, den jenigen Personen zufallen, durch deren Angaben die „Uebersührung des Täters wesentlich gefördert wird". Da die Belohnung nicht auf die Ergrei fung, sondern auf die Uebersührung des Täters ausgesetzt wird, ist anzunehmen, daß die Staats anwaltschaft von der Schuld des einen oder der beiden inhaftierten Personen überzeugt ist, sie aber der Mordtat noch nicht überführt werden konnten. * Bad Elfter, 24. Juli. Ein Aufsehen er regender Vorfall spielte sich am gestrigen Nachmit tage in der 6. Stunde auf dem hiesigen Bahnhofe ab. Dort wurde der Wiener Vizebürgermeister, K. K. Hosrat Abt verhaftet und in das Kgl. Amts gericht Adorf abgeliefert. Der Verhaftung gingen folgende Szenen voraus. Bürgermeister Abt wollte mittels Geschirr von hier nach Franzensbad fahren und bezahlte an den Kutscher 16 Mark. Etwa 50 Meter von dem hiesigen Bahnhof nahm Abt selbst die Zügel in die Hand und lenkte das Ge schirr nach dem Elfterer Bahnhof. Dort stieg er aus, begab sich in das Bahnhossrestaurant und bestellte Champagner. Plötzlich zeigte es sich, daß cr in Wahnsinn verfallen war. Er ergriff einige Weinflaschen, warf nach den Kronleuchtern und Fenstern und zertrümmerte letztere. Im Bahnhofs restaurant waren zu derselben Zeit auch der Oels- n itzer Bezirksgendarm und der Gendarmerie-Brigadier von Bad Elster anwesend, die den Bürgermeister festnahmen. Abt wehrte sich nicht, sondern um armte und küßte die Gendarmen und sicherte ihnen sogar hohe Orden zu. Im Adorfer Gefängnis angekommen, demolierte der Bürgermeister auch die Fenster daselbst. Abt hatte 1050 Kronen bei sich. — Nach einer späteren Meldung aus Adorf ist Bürgermeister Abt nach Hinterlegung von 500 Kronen aus der Haft entlassen wyrden. Der Be dauernswerte wird von seinen Angehörigen nach Wien zurückgebracht werden. * Kleinzschachwitz, 24. Juli. Mit bezug auf die kürzlich von uns gebrachte Meldung, wonach ein älterer Herr behauptete, eine größere Geld- summe eingezahlt, eine Quittung aber nicht erhalten zu haben, worauf dann ein junger Postbeamter vom Dienste suspendiert wurde, teilt jetzt jener Herr, Major z. D. Friedrich, den „Dresd. Nachr." mit, daß sich zu seiner Freude die fraglichen 850 M. abgezählt in seinem Geldschrank vorgefunden haben. Der bedauerliche Vorfall sei nur dadurch möglich gewesen, daß Major Friedrich am 1., 2., 4. und 6. dieses Monats nachmittags Einzahlungen am Postschalter bewirkt und deren Eindrücke mit einander verwechselt habe. — Daß sich das Geld gefunden hat, ist besonders deshalb erfreulich, als dadurch ein Beamter von einem entehrenden Verdachte völlig gereinigt ist. Es sollte jedermann, bevor er eine Behauptung aufstellt, die andere schädigen kann, peinlich genau alle Möglichkeiten erwägen, die zur Aufklärung führen können. * Meißen, 23. Juli. Eine Bauspekulanten- Pleite bildet gegenwärtig hier und in der Um gegend den Gesprächsstoff. Der „Held" der Pleite ist ein ehemaliger Kassenbeamter der nun mit Meißen vereinigten Gemeinde Cölln. Die nicht gerade unerträgliche mittlere Beamtenlaufbahn be- hagte dem Strebsamen nicht mehr. Er wandte sich dem Grundstückshandel und dem Bauwesen zu, fand auch die dazu nötigen Geldleute, wobei ihm seine frühere Kassiererstellung behilflich gewesen sein mag, und bald erstanden auf dem Kalkberge, einem nördlichen Ausläufer des Spaargebirges, neue Straßenzüge mit sogenannten „Villen". Die „stil vollen" Bauten wurden zu Dutzenden fertig, die Käufer fanden sich jedoch nicht in der erhofften Zahl ein, unangenehme Elemente fanden Einzug in der „Villenkolonie" und wurden geduldet, nur damit die Wohnungen nicht gänzlich leer standen. Das war wiederum weiterem Zuzuge hinderlich. Was man lange voraussah, ist nun gekommen: die Pleite. Die schönen Rappen und die Equipage des ehemaligen Gemeindekassierers, der inzwischen aus einem blühend gesunden Manne ein Bild kränk lichen Wohllebens geworden ist, kommen in diesen Tagen zur Zwangsversteigerung. * Meißen, 24. Juli. Von schwerem Leid wurde die Familie des hier wohnhaften Porzellanmalers Gläser betroffen. Der Sohn des Genannten dient das erste Jahr als Husar in Großenhain. Während der Nacht hatte sich sein Dienstpferd losgemacht und dann durch Hufschläge ein anderes Pferd ver letzt. Da nun hierfür den jungen Mann eine Strafe treffen konnte, so ging er früh nach dem Futterboden und machte dort seinem Leben durch Erschießen mit dem Revolver ein Ende. * Ronneburg, 24. Juli. Eine tragische Begeben heit ist aus dem benachbarten Reichstädt zu berichten. Der Landwirt Kirmse auS Ingramsdorf hat'e sich auf dem Großensteiner Vogelschießen derartig ver gnügt gemacht, daß er im Rausche den Bahnüber gang bei Reichstädt für sein Heim ansah. Er schirrte daselbst sein Pferd ob, ließ den Wagenaus dem Geleise stehen und legte sich ins GraS schlafen. Durch heftiges Getöse munter gemacht, bemerkte er, wie sein Wagen vom Meuselwitzer Nachtzug zer- trümmert worden war. Aus Furcht vor Strafe rannte nun der bedauernswerte Mann inS nahe Gehölz und erhängte sich. Kleine Chronik. * Berlin, 24. Juli. Der Kaiser hat bei dem siebenten und achten Sohn des Schuhmachermeisters Hörnke zu Körlin in Pommern, die am 5. Mai d. I. geboren wurden, Patenstelle angenommen, die Eintragung des kaiserlichen Namens in das Ge- meindekirchenbnch genehmigt und zum Ankauf zweier Patengeschenke eine Summe von 100 Mk. über weisen lassen. Die beiden Kaisertäuflinge werden die Namen „Wilhelm I." und „Wilhelm II." er halten. * Berlin, 24. Juli. Der fast geniale Hoch stapler MauollScu, der auf so raffinierte Weise aus Herzberge entsprungen ist und noch raffinierter in einem Dresdener Hotel seinen äußeren Menschen verändert hat, ist endlich gefaßt worden. Bei der Berliner Kriminalpolizei ist ein Telegramm eines Innsbrucker Hoteliers eingelaufen, daß auf seine Veranlassung der Hochstapler Manolescu durch die dortigen Behörden in seinem Hotel verhaftet worden sei. * Berlin, 24. Juli. Eine „süße Bescheerung" wurde, wie wir in der „Nordd. Allg. Ztg." lesen, einem Schneidermeister in der Friedrichstraße zuteil. Ec erhielt aus verschiedenen Geschäften nicht weniger als sechs Torten, zwei Körbe Konserven, 250 Wein flaschen, die allerdings leer waren, einen Korb mit Obst, zwei Kistchen Zigaretten. Der Meister hatte aber nichts bestellt. Wie seine Nachfragen ergaben, hat ein noch nicht ermitteltes junges Mädchen die Bestellungen gemacht, um die Geschäftsleute um 1 bis 3 Mk. anzupumpen. Diese Beträge sollten mit auf die Rechnungen gesetzt werden. In den meisten Fällen gelang der Kniff. * Berlin, 25. Juli. Gegen den flüchtigen Kassierer der Getrelde-Firma Ksmpul«, Levy, ist nunmehr ein Steckbrief erlaßen worden. Man glaubt, daß sich Levy nach England begeben hat. * Stettin, 24. Juli. Die drei Opfer deS DampserzusammenstoßeS auf der Oder bei Stettin sind jetzt geborgen worden. Die Leichen des Ober- landeSgerichtssekretär Rohr und des Malergehilfen Krohn wurden aus der Oder gelandet. Die kleine Tochter des Schlossers Flack fand man tot in einer Koje des verunglückten Dampfers „Terra". * Görlitz, 25. Juli. In Hirschberg streiken die Zimmerer, in Bunzlau dauert der Maurerstreik fort. Italienische Arbeiter haben von den Streikenden Geld bekommen und haben sich wieder entfernt. * Hamburg, 25. Juli. Die krimiualpolizei- lichen Ermittelungen ergaben, daß Frau Schindler
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