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Hohenstein-Ernstthaler Anzeiger : 12.07.1903
- Erscheinungsdatum
- 1903-07-12
- Sprache
- Deutsch
- Vorlage
- SLUB Dresden
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id1841177954-190307129
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id1841177954-19030712
- OAI
- oai:de:slub-dresden:db:id-1841177954-19030712
- Sammlungen
- Saxonica
- Zeitungen
- LDP: Zeitungen
- Bemerkung
- Fehlende Seiten in der Vorlage
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
-
Zeitung
Hohenstein-Ernstthaler Anzeiger
-
Jahr
1903
-
Monat
1903-07
- Tag 1903-07-12
-
Monat
1903-07
-
Jahr
1903
- Titel
- Hohenstein-Ernstthaler Anzeiger : 12.07.1903
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Beilage zum Hohenstein-Ernstthaler Anzeiger Tageblatt. Sonntag, den 12. Juli 1903. Nr. 159. 30. Jahrgang Wochenschau. Es gibt keinen stillen Sommer mehr! Der Satz gewinnt von Jahr zu Jahr mehr Geltung, und die Fülle von sensationellen Ereignissen, welche sich gerade in der sogenannten Sauren-Gurkenzeit zusammendrängen, muß mitunter geradezu ver- blüsfen. Die Folge davon ist dann allerdings, daß Tatsachen, die noch vor zwanzig Jahren das Publi kum auf Monate hinaus beschäftigt hätten, heute in ebensoviel Wochen abgetan erscheinen. Wir können ganz gewiß von einer übergroßen Gleich giltigkeit des modernen Geschlechts gegenüber den Tages-Ereignissen sprechen; aber sie ist erklärlich, die' Feit bietet etwas gar zu viel, auch ein lebhaft empfindender Geist muß da nach und nach ab gestumpft werden. Es ist nicht zu leugnen, daß wir auf dem Wege sind, verhältnismäßig den Amerikanern in dieser Beziehung gesinnungsähnlich zu werden, die übermorgen vergessen haben, was heute geschehen ist. Zudem muß beachtet werden, daß auch in solchen Tagen die Sorge um die eigene Existenz nicht erlischt, daß auch sie dazu beiträgt, das Neue vor dem Neuesten vergessen zu lassen- . „ Vergegenwärtigen wir uns nur, was alles in der letzten Zeit unsere Aufmerksamkeit in Anspruch nahm: Die unerhörten serbischen Vorgänge, wer spricht heute noch groß davon, obwohl erst ein Monat seitdem verstrichen ist? Die Erörterungen über den Ausfall der Reichstagswahlen dauern in den Veröffentlichungen einzelner hervorragender Partei-Politiker wohl fort, aber die große Menge der Reichstagswähler hat diese Angelegenheit für jetzt von der Tagesordnung abgesetzt! Wir wissen nicht, ob wir „leider" oder „glücklicherweise" sagen sollen, denn wenn das politische Interesse auch nicht zu jeder Stunde die Hauptsache sein muß, so soll es doch nie erlahmen: aber die Tatsache steht fest. Wir haben den Kriegslärm im Orient gehört, eine ganze Reihe von sonstigen, recht wichtigen Meldungen sind aus fremden Ländern gekommen, vorüber heißt es, vorüber! Und nun sind noch die Meldungen aus Rom gekommen! Für lange Jahre hindurch kamen die Ereignisse im Vatikan eigentlich nur für die deutsche katholische Welt innerhalb unseres Vaterlandes in Betracht; die Mitglieder der evangelischen Kirche hatten keinen Anlaß, dem heiligen Stuhl eine be sondere Aufmerksamkeit zu widmen. Der Kirchcn- streit in Preußen hat dann auch in den Reichstag hinein seine Wellen geschlagen, die Zentrumspartei wuchs zu einem hervorragenden politischen Faktor heran, die päpstliche Entscheidung im Streit um die Knrolmeninseln mit Spanien folgte. Fürst Bismarck pflog mit dem Papst Leo XIII. einen historisch merkwürdigen Briefwechsel, und die wieder holten Besuche Kaiser Wilhelms II. in der päpst lichen Residenz ließen die Persönlichkeit des Ober hauptes der katholischen Kirche auch für nicht- katholische Deutsche an Interesse gewinnen. Es kann keinem Zweifel unterworfen sein, daß unter dem hervorragend klugen Papst Leo XIII. das römische Pontifikat eine Machtstellung erlangte, wie es sie manches Jahr vorher nicht mehr be saß : Der heilige Stuhl verlor den an Umfang nur kleinen Kirchenstaat, gewann aber dafür eine außerordentlich weitreichende geistige Autorität, einen hervorragenden politischen Einfluß, dessen ganze Bedeutsamkeit wohl erst in den kommenden Jahren erkannt sein wird. Die deutsche Reichs regierung hat mit diesem Einfluß gerechnet. Wir dürfen aber auch nicht verhehlen, daß ein großer Teil der deutschen Protestanten in dieser Beziehung seine eigenen und abweichenden Gedanken hatte, wie dieselbe auch in dem harten Kampf um die vom Grafen Bülow angedeutete Gesetzesvorlage wegen Abänderung des sogenannten Jesuitengesetzes zum Ausdruck gekommen ist. Diese und andere konfessionelle Streitigkeiten können aber nicht hindern, einzugestehen, daß in Leo XIII. ein Mann auf dem päpstlichen Stuhl saß, der eine Kampfnatur aller ersten Rages war, wenn er gleich jede Schroffheit mied, in Güte zu erreichen suchte, was sein Ziel war. Aber wo dieses Ziel auch nicht erreicht wurde, z. B. in der Frage der weltlichen Herrschafts- Wiederherstellung des Papsttums, wies Leo XIII. eine außerordentliche Beharrlichkeit auf. Er hat auf nichts verzichtet, was er für richtig erkannt; darin liegt seine Größe, darin aber auch die Waffe für die, welche mit der prinzipiellen Forderung des römischen Stuhles nicht einverstanden sind. „Sire!" So redete der erste deutsche Reichskanzler Leo XIII. in seinem Dankschreiben an, in welchem er die Verleihung eines päpstlichen Ordens am Abschluß des Karolinen-Zwistes anerkannte. Und ein König ist der Papst in der Tat gewesen, der eine Geistes kraft entwickelte, wie verschwindend wenige seiner Zeitgenossen. Und das will etivas sagen in dem langen, langen Leben! Die Politiker aller Länder zerbrechen sich nun die Köpfe über seinen Nach folger. Warum? Die Oberhäupter eines welt lichen Staates können in der Auffassung ihres hohen Amtes verschieden sein, die Inhaber des heiligen Stuhles werden es nie sein. Aendern kann sich nur die Form, der Inhalt wird derselbe un verändert für alle Zeiten bleiben, und damit ist für alle Zeiten von Allen zu rechnen. Die scharfe Verurteilung des vielgenannten Kasseler „Treber-Schmidt" wird in demjenigen Teil der deutschen Bevölkerung, der allen Anlaß hatte, die bösen Ereignisse des bösen Jahres nicht zu vergessen, mit Genugtuung begrüßt werden, höchstens wird man sich fragen, ob es nicht endlich doch er forderlich erscheint, die Maschen des Strafgesetzbuches für Kraft-Spekulanten, wie Treber-Schmidt es war, etwas fester zu ziehen. Und für Geister ver wandten Kalibers dazu! Zu seiner Zeit ist über diesen Punkt unendlich viel gesprochen und ge schrieben, aber die Farben dessen, was damals für unbedingt notwendig erklärt wurde, sind in zwischen bedeutend erblaßt. Es ist bei den letzten Reichstagswahlen von vielen Dingen gesprochen und geschrieben, die weit weniger wichtig waren, und darüber ist vergessen, daß der deutsche National wohlstand in den berüchtigten Krachjahren mehr gelitten hat, als er selbst in einem scharfen Zoll- krieg leiden könnte. Es ist indessen anzunehmen, daß der Reichstag in der kommenden Gesetzgebungs- Periode gut machen wird, was in der verflossenen Agitationszeit versäumt worden ist. Zeit dazu ist's jedenfalls und ganz gewiß. Im Auslande ist verhältnismäßig viel weniger Ruhe, wie bei uns, und wir Deutsche sind, wie so oft, immer noch am besten dran. Die Besuchsreise des französischen Präsidenten Loubet nach London — frühere französische Staatsoberhäupter mußten unter geringerem Zeremoniell den Weg dorthin zurücklegen — war ein großes Schaustück, nur war aber nichts von wirklichem Belang dahinter. Daß Franzosen und Engländer gute Freunde sein wollen, haben sie in der neuesten Zeit schon verschiedene Male gesagt, daß daraus nichts werden wird, wissen sie selbst am allerbesten. Diese beiden „dicken Freunde" sind so grundverschieden, daß sie nie zu wirklicher Intimität kommen. Neben der offiziellen Ver- himmlichung haben beide Teile ihre offenen Sorgen. Frankreichs innere Zustände sind keineswegs konsoltiert, und in England gibt neben Herrn Chamberlains unermüdlich breitgetretenen zoll politischen Zukunftsplänen das unerschütterliche Buren-Selbstgesühl in Südafrika genug zu denken. Und wenn das Parlament Millionen über Millionen für neue Marine-Ausgaben bewilligte, hat es dabei im Stillen doch bestimmt am allermeisten an Frank reich gedacht. In Oesterreich-Ungarn sind die allgemeinen Krisen verschärft, beendet die schwebenden Minister- fcagen. Aus das große innere Konflikts-Loch ist ein kleiner Flicken gesetzt, der nicht hallen kann. Tagesgeschichte. Deutsche» Reich. Berlin, 11. Juli. Der Kaiser dürste die bisher ausgeschobene Norolandreise am heutigen Sonnabend antcelen. — Ueber den Besuch des Kaiser« auf der „Kearsarge" während der Anwesenheit der ameri kanischen Geschwader« in Kiel bringt jetzt die „Assoxiated Preß" einen ausführlichen Bericht, dem folgende« zu entnehmen iß: Kaiser Wilhelm be trat einen der Doppeliütme und prüfte den Mecha- ni«mus. Leutnant Austin von der „Kearsarge" zeigte ihm, wie leicht und glatt sich der Turm drehen lasse. „Welches ist der wahre Wert dieser Türme?" fragte der Kaiser, sich an Kapitän Hemphill wendend. „Dar kann einzig der Kieg entscheiden, Sire," antwortete der Kapitän und entwickelte dem Kaiser die theoretische Wirkung der Geschützfeuerr. Der Kaiser sprach dann von einigen der letzten französischen Versuche mit Doppeltürmen, bei denen Schafe in dem einen Turm durch die Erschütterung im anderen Turm gelölet wurden. „Dar," sagte der Kapitän, „hat seinen Grund in den kurzen Kanonen, die die Franzosen anwandten. Die langen Geschütze der „Kearsarge" schützen den Boden vor zu großer Erschütterung." Indem der Kaiser ein Mitglied seiner Suite aus Kapitän Hemphill« Dienst auf einem Monitor, als diese zu erst zur Verwendung gelangten, und während an derer scharfer Seegefechte während de« Bürger kriege« aufmerksam machte, sagte er: „Diese Leute sind für uns Göller." Der Kaiser sagte ferner, der Kommandoturm sei der geräumigste, den er bisher gesehen habe. Mit den telephonischen und den Signalapparaten in jedem Teil de« Schiffer zcigle der Kaiser sich sehr vertraut, und er wies auf eine oder zwei gute Neuerungen hin. Die deutschen Konstrukteure sollen mit elektrischen Ver bindungen viel Schwierigkeiten haben und der Kaiser dafür großes Interesse zeigen. Für Zeit ist das allgemeine elektrische System auf der „Keac- sarge" nicht sichtbar, da er von zur Hälfte fest stehenden Konstruktionen eingefaßt ist. Während der Kaiser die Mannschaflrquartiere besichtigte, sprach er mit mehreren Blaujacken und fragte scherzend einen alten Matrosen, wie lange er diene. „24 Jahre." „Da« ist lange genug," jagte der Kaiser, „um Admiral zu werden." Al« die Be sichtigung der „Kearsarge" durch den Kaiser be endigt war, ging die Gesellschaft nach der Admirals- kajüle, und er folgte eine Viertelstunde allgemeiner Unterhaltung, während welcher Champagner gereicht wurde. Dann verließ der Kaiser das Schiff unter dem Donner von 23 Schüssen jeder amerikanischen Kriegsschiffe«. Unmittelbar darauf versammelte Admiral Cotton die Offiziere und Mannschaften um sich und hielt folgende Ansprache an sie: „Der Kaiser hat das Schiff schnell, aber gründlich in- spizierl. Der Kaiser ist ein gründlicher Kenner der Schiffstechnik und er hat sich sehr entzückt au«ge- sprachen von dem, wa« er hier gesehen hat. Ich danke den Offizieren und der Mannschaft für den Zustand de« Schiffe«. Ich hoffe, ein jeder wird daran denken, daß er ein Vertreter der Vereinigten Staaten ist und sich so führen, baß er sein Land und seine Flagge zu Ehren bringt. Wir sind hier auf Befehl de« Präsidenten Roose 1t. Es ist unsere Pflicht, alle« zu tun, war in unseren Kräften steht, um das Gefühl der Freundschaft und Herz lichkeit zwischen den Vereinigten Staaten und Deutschland zu erhalten. Drei Hurras für Se. Majestät den Kaiser!" — Der bayerische Staatshaushalt ergibt, wie die „M. N. Nachr." erfahren, nach der ungefähren Berechnung in der nächsten Finanzperiode 5 Mill. Defizit pro Jahr. — Gegen das gelinde Urteil in Sachen Hüssener sollen in Essen a. d. Ruhr, wo die Tat geschah, Protestocrsammlungen staltfinden. Frankreich. — Die Pariser Blätter fahren fort, die Er gebnisse der Reise des Präsidenten Loubet nach England zu verherrlichen. Nach einem Telegramm der Voss. Ztg. führt der „Figaro" in dieser Be ziehung dar folgende au«: Die Engländer wissen, wo unsere wesentlichen Interessen, und wir, wo die ihrigen liegen. Folglich kann man beiderseit« mit offenen Karten spielen. Die Londoner Festtage löschen die Empfindlichkeiten von gestern au« und bereiten den Verhandlungen von morgen die Wege vor. Die Verhandlungen, die beiderseit« mit dr.n Wunsche der Verständigung geführt werden, werden zum Ziele führen. Kühner noch äußert sich „Eclair": Ueber Delcassör Unterredung mit dem englischen Minister der Auswärtigen Lord Lansdowne hat man noch nichts erfahren. Sicher ist, daß man in London bedeutende Dinge geschafft und zwar aller dings kein eigentliche« Bündnis gestiftet, aber ein Einvernehmen hergestellt hat, dessen Wirkungen man nicht allein in den sranzösisch-englichen Beziehungen spüren, sondern dessen Folgen in der Politik aller europäischen Großstaalen einen Widerhall Hervor rufen werden. Frankreich hat nicht ohne Verab redung mit Rußland gehandelt. Frankreich« Diplv- matie ist bestrebt, zugleich den russischen und den eigenen Interessen zu dienen. Die englisch-franzö- fische Annäherung ist und kann nichts anderer sein, al« eine Vorrede zur englisch-russischen Annäherung. — Wir halten eine solche vorläufig für unmöglich. England. — Bei der Beratung der Vorlage über die Marinebauten im Unlerhause teilte der Zivil-Lord der Admiralität Protyman mit, die Regierung sei der Ansicht, daß der neue Flottenstützpunkt in Saint Margarets Hoppe vom strategischen Stand punkte au« wunderbar gelegen sei. Er nehme eine beherrschende Stelle ein, wa« die Norsee betreffe, und befinde sich in beträchtlicher Entfernung von irgend einer Tocpedostation, die durch einen mög lichen Feind besetzt werden könnte. Die Pläne wurden für eine Flottenbasi» im Maßstabe von Portrmouch oder Plymouth ausgestellt, aber c folge daran« nicht, daß die Admiralität eine so g oße Flottenbasi« errichten werde. Nach der Fertig stellung der Plö"e we/oe die Admiralität erwäg-m, was die dringendsten Erfordernisse seien. Di. Ar beiten würden so au«gfführt werden, daß sie msi möglichst geringen Kosten erwe: ert werden können. Zue.st würden Kasernen, Unterricht«gebäude und Krankenhäuser gebaut und dann werde die Frage der Dock« und Bassin« geprüft werden. Bulgarien. — Nach einer „Standard"-Meldung herrscht in Sofia faktischer Belagerungtzustand. Die Straßen werden die ganze Nacht von Infanterie abpatrouilliett. Wenn mehr als drei Personen zusammengehen od.r sprechen, werden sie ohne weitere« zerstreut. Der Fürsten Ferdinand Stellung wird jeden Tag be denklicher. Gerichtssaal. § Kirchberg, 10. Juli. Freigesprochen Haldas hiesige Schöffengericht den VcrbandSsekretär Pokorny in Zwickau und den Buchdrucker Keil in Wilkau von der Anklage des Hausfriedensbruches. Beide waren in >siner von den Kartellparteien nach Hartmanns dorf berufenen Wühlerversammlung, in denen Graf Hoensbroech sein Programm entwickelte, trotz Wider spruches des Einbccufers und Wirtes verblieben. Die Veranstalter der Versammlung nahmen als Mieter drs Saales an, das HauShercenrecht wahr nehmen zu können. 8 Mit einem seltenen Falle von Urkunden- fälschung in Verbindung mit Betrug hatte sich daS Dresdner Schwurgericht zu beschäftigen. Angeklagt ist der Handarbeiter Paul Otto Halang auS Sörigen bei Pillnitz, welcher früher in Diensten der Dresdner Straßenbahn stand und Mitglied der von der Gesellschaft gegründeten Sterbekasse ist. Im ver gangenen Herbst kam er infolge langer Krankheit und Arbeitslosigkeit in arge Not, dazu sollte er wegen Rückstandes der Miete auf die Straße gesetzt werden. Auf eine ganz besondere Weise half er sich, meldete am I. November dem stellvertretenden Standes, beamten Lautzsch den Tod seines um Pfingsten 1902 geborenen Sohnes Paul Ei ich an, obwohl das Kind damals völlig gesund war und heute noch lebt. Da Halang versprach, die notwendigen Ausweise noch selbigen Tages zu bringen, stellte der Beamte einen Totenschein aus. Halang legte diesen der Zahlstelle der Betriebskrankenkasse der Dresdner Straßenbahn vor und erhob daranf 10,30 Mark Sterbegeld. Halang wurde unter Annahme mildernder Umstünde zu 5 Monaten Gssüngnis verurteilt. 8 Bestrafter Brandstifter- Der Wirtschastk- gehilfe Oswald aus Obersteina halte in dec Nacht des 4. Mai die Scheune des Wirtschaftsbesitzers Hartmann in Rammenau angezündet, wodurch diese und auch das Gehöft des Webers Kluge eingeüschert und ein Schaden von 5100 Mk. angerichtet wurde. Wegen Brandstiftung wurde Oswald vom Schwur gericht zu Bautzen zu 3 Jahr°n 6 Monaten Zucht haus und 5 Jahren Ehrenrechtsverlust verurteilt. 8 Der Charge unwürdig. Vor dem Kriegs gericht der elften Division stand, wie man aus Breslau schreibt, der Unteroffizier d. L. vom Bezirks- kommando Wohlau, Hermann Seidel. Ec ist am 14. März vom Landgericht Glogau wegen Diebstahl und Jagdvergehen zu neun Monaten Gefängnis verurteilt worden. DaS Kriegsgericht erkannte noch auf Degradation, da der Unteroffizier durch die bei der Tat an den Tag gelegte ehrlose Gesinnung sich unwürdig gezeigt habe, weiter im Heere die Stellung eines Vorgesetzten einzunehmen. Das Unterosfizier- korpS des preußischen Heeres müsse in jeder Bezieh ung tadelfrei dastehen. 8 Kiel, 10. Juli. Vor der 1. Strafkammer begann heute der Prozeß gegen die früher in Kiel ansässig gewesenen, jetzt in Berlin, resp. Hannover wohnenden Kaufleute Albert und Jakob Philipps horn, welche angeklagt sind, im Jahre 1900 bei Lieferung von Flanell für die kaiserliche Marine einen Betrugsversuch damit gemacht zu haben, daß zwischen kontraktmäßiges Material minderwertiges geschoben wurde. Es sind 28 Zeugen, darunter Kapitän z. S. Graf Baudissin, sowie Staatsbeamte und Fabrikanten geladen. 8 Der vorletzte große Betrugsprozeß aus den unheilvollen Bank- und Geschäftskatastrophen des Jahres 1901, der gegen Terlinden in Duisburg, hat bekanntlich mit der Verurteilung dieses Mannes wegen Münzverbrechens mit Stempelfülschung zu 6 Jahren Zuchthaus und Ehrverlust auf die gleiche Dauer geendet, während der der Beihilfe schuldig befundene Prokurist Kosbadt mit 6 Jahren Gefängnis davonkam. Terlinden meldet Revision beim Reichs- gericht an. Ec ist viel schärfer verurteil! worden, als Treber-Schmidt, der allerdings nicht aller Straf taten, deren er beschuldigt, angellagt werden konnte, weil er nach Paris geflüchtet war und die Aus- liefeiung nur unter bestimmten Voraussetzungen erfolgte. Sonst hätte Schmidt vielleicht auch mehr als 2 Jahre 8 Monate Zuchthaus gekriegt. Weniger hart sind die früheren Direktoren der Leipziger Bank und der Preußischen Hypothekenaktienbank an gefaßt worden, gegen die bloß auf Gefängnisstrafen erkannt wurde. Zu welcher Strafe die noch vor Gericht stehenden ehemaligen Leiter der Pommern bank verdonnert werden, bleibt abzuwarten. 8 Kassel, 11. Juli. DaS Kriegsgericht verur teilte den Sergeanten Geller vom reitenden Jäger- Detachement in Langensalza wegen Mißhandlung eines Untergebenen und Verleitung zum Meineid zu 1 Jahr 2 Monaten Zuchthaus. 8 Erfurt, 10. Juli. Von dec hü'g-u Straf kammer wurde der ftü^e.e Lehrer und Rechner de« Spar- und Darlehrtorx'.ns zu Langewiesen bei Ilmenau, Selmar Rc.nla dt, wegen schwerer Ur kundenfälschung und UnE fchlagung zu fünf Jahren Gefängnis und fünf Jah cn Ehrverlust verurteilt. Der von ihm unterschlagene Betrag beläuft sich aus 121 000 Mark. Vermischtes. 1 „Heldentat" eines russischen Offiziers. Ein aufregender Vorfall ereignete sich vor einigen Tagen in Rjasan. Um 11 Uhr abends erschien plötzlich auf dem an der Anlegestelle haltenden Paffagierdampfer „Katschkow" ein Hauptmann in nicht ganz nüchternem Zustande. Er begann sofort mit den Offizieren und der Mannschaft Streit und wollte mit seinem Säbel die Matrosen in Stücke zerhauen. Dann drang er in den Kttchenraum und schlug den Koch zu Boden und wollte eben auf ihn einhauen, al« die Ma'roscn ihn von rückwärts bei den Händen ergriffen und ihm die Waffe Wegnahmen. Nach langer Unterredung gelang es endlich, den Offizier zu bewegen, den Dampfer zu verlassen. Nach zwei Stunden, cis bereits alles auf dem Dampfer sich zur Ruhe begeben hatte, wurden die Passagiere plötzlich durch Trommelschlag erweckt. In großer Aufregung eilten sie an Deck und sahen aus dec Landungsbrücke eine Kompagnie Reservisten untt.r Führung des betrunkenen Hauptmannes stehen. Im selben Augenblicke kommandierte der Hauptmann: „Ladet und legt an!" Nach einer Minute ängstlicher Spannung erscholl do« Kommando: „Gebt Feuer!" Aber statt der erwarteten Schüsse hörte man nur das Aufschlagen der Gewehrschlösser. Die Soldaten hatten nämlich keine Patronen bei sich; nur infolge dieses Umstande« wurde ein große« Unheil abgewandt. Nach einigen Hin- und Hcrmärschen am Ufer wollte der Offizier den ganzen Dampfer mit allen aus ihm befindlichen Leuten durch seine Soldaten in die Lust
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