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Hohenstein-Ernstthaler Anzeiger : 09.06.1903
- Erscheinungsdatum
- 1903-06-09
- Sprache
- Deutsch
- Vorlage
- SLUB Dresden
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id1841177954-190306092
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id1841177954-19030609
- OAI
- oai:de:slub-dresden:db:id-1841177954-19030609
- Sammlungen
- Zeitungen
- Saxonica
- LDP: Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
-
Zeitung
Hohenstein-Ernstthaler Anzeiger
-
Jahr
1903
-
Monat
1903-06
- Tag 1903-06-09
-
Monat
1903-06
-
Jahr
1903
- Titel
- Hohenstein-Ernstthaler Anzeiger : 09.06.1903
- Autor
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welch« die Gesinnung der Nation vertreten werde, sich mit ihm in Uebereinstimmung befinde. Die Kammer nimmt diese Worte mit äußerst lebhaftem Beifall auf und geht sodann zur Weiterberatung de» Flottenvoranschlag» über. Rußland. — Zwischen Nordamerika und Rußland be stehen „Unstimmigkeiten" wegen der Räumung der Mandschurei und der Gräuel in Kischinew. In Amerika finden Volk«kundgebungen gegen die russische Regierung statt. Der russische Botschafter in Washington und der nordamerikanische in Peters burg bemühen sich um eine Verständigung zwischen beiden Regierungen. Südafrika. — Die südafrikanischen Minenmagnaten beab sichtigen nach dem Londoner Daily Expreß eine riesenhafte Vereinigung zu bilden, um den Handel, die Industrie und die Minen in Südafrika voll ständig zu beherrschen, sowie die Märkte und Löhne maßgebend zu bestimmen. Die Waldbrände in Nord- Amerika. Große Waldbrände sind in Nordamerika häu figere Erscheinungen. Sie werden durch den frevel haften Leichtsinn verschuldet, mit dem die Holz fäller vorgehen. Im Winter werden in den un ermeßlichen Wäldern von Kanada, Michigan, Wisconsin usw. Millionen von Fichten gefällt. Nur die Stämme werden benutzt, die Zweige und daS Wipfelholz läßt man achtlos liegen. Wenn dann in der warmen Jahreszeit bei anhaltender Dürre ein solcher Riesenhaufen von Abfallholz in Brand gerät, so ist ein allgemeiner Waldbrand unvermeidlich. Bei der schwachen Besiedelung der Waldregionen ist an Löschen kaum zu denken, die Flammen dringen weiter vorwärts, überall neue Nahrung findend, und vernichten Wälder und Farmen, die Sägemühlen, Holzlager und die Ort- schäften, die auf ihrem Wege liegen, bis ein Strom oder See ihnen ein Ziel setzt, oder aber ein reich licher Regen sie löscht. Da der Boden in jenen Gegenden vielfach torfartig ist, wird auch dieser von den Flammen ergriffen, und es kann Vor kommen, daß das Feuer, auf der Oberfläche der Erde gelöscht, unterirdisch weiter fortglimmt und an anderer Stelle wieder auflodert. Furchtbare Katastrophen tragen sich häufig bei diesen Wald bränden zu. Eine der schrecklichsten war die Ver nichtung des Ortes Hinklei im Staate Minnesota im Sommer 1895. Mehr als 500 Menschen ver loren dort das Leben. Eine große Anzahl hatte sich in einen Teich geflüchtet. Aber die Flammen fuhren darüber hin, und die Menschen verbrannten selbst im Wasser. Nur ein kleiner Teil der Be wohner wurde durch einen Eisenbahnzug gerettet, dessen Personal sich mit Todesverachtung einen Weg durch die Flammen gebahnt hatte, lieber den großen Seen schwebt während derartiger Brände so dichter Rauch, daß man die Sonne als blut roten Ball erblickt und die Dampfer nur mit der äußersten Vorsicht fahren können. Welch' ungeheuren Schaden die jetzigen Waldbrände in den Vereinigten Staaten angerichtet haben, besagt das folgende Telegramm: Der Gou verneur des Staates Newyork wies 15000 Dollars zur Bekämpfung der Waldbrände im Adirondack- Gebirge und in den Wildparks der Catskill-Berge (Alleghany-Gebirge) an. Eine Unterdrückung des Feuers erhofft man jetzt nur noch von starken Regenfällen, die sich indessen vorläufig noch durch kein Zeichen ankündigen. Unter den durch das Feuer vernichteten Ortschaften befindet sich auch daS Kur« und Erholungsbad Lake Placid, einer der schönsten Plätze im Adirondack-Gebirge; es ist völlig vernichtet. Man wird jetzt versuchen, durch Abfeuern von Sprengbomben von Luftballons aus Regenfälle herbeizuführen. Die Beamten in den Neuengland-Staaten schätzen den durch die Trocken heit und die Feuersbrünste verursachten Schaden auf annähernd 70 Millionen Mark. Schiffskatastrophe bei Marseille. Der Dampfer „Jnsulaire", der Gesellschaft Fraissinet gehörig, stieß gestern, Sonntag mittag, mit dem derselben Gesellschaft gehörigen Dumpfer „Liban" auf der Höhe der Insel Maire zusammen und brachte ihn zum Sinken. Der „Liban" war von Marseille nach Bastia bestimmt und hatte etwa 200 Passagiere an Bord; es wird befürchtet, daß etwa 100 Personen das Leben eingebüßt haben. Der „Jnsulaire" kam von Toulon und Nizza. Der Zusammenstoß fand um 12'/, Uhr statt. Der Lotsendampfer „Blechamp", welcher sich in der Nähe der Unglücksstätte befand, leistete mit einem anderen Lotsenboot und dem österreichischen Kanonen boot „Balkan" sofort Hilfe. Der „Liban" sank 17 Minuten nach dem Zusammenstoß. Etwa 40 Reisende wurden vom „Blechamp" und dem öster reichischen Dampfer „Rakoczy" gerettet; 40 andere Reisende und 17 Matrosen vom Balkan aus gesammelt. Als das erste Rettungsboot auf etwa 40 Meter an den „Liban" herankam, neigte sich dieser plötzlich seitwärts und die Masten schlugen aus 1'/, Meter von dem Rettungsboot ins Wasser. Der Dampfer versank mit der Menge, die sich an den Leitern festklammerte. Ein herzzerreißender Schrei wurde gehört, dem bald Totenstille folgte. Die Maschinen explodierten und verursachten ein Zischen des Wassers, das fünf Minuten anhielt. 29 Leichen wurden aufgesammelt. Die Bureaus der Gesellschaft wurden geschlossen; die offizielle Verlustliste ist noch unbekannt. Oertliches und Sächsisches. Hohenstein-Ernstthal, 8. Juni. *— Zur Reichstngswahl. Infolge wieder holter Anfragen über die Bestimmungen deS Reglements für die Reich ktagswahlen geben wir in folgendem die wichtigsten Bestimmungen noch- mals wieder: Die Dauer der Wahlhandlung ist auf die Zeit von 10 Uhr vormittags bis 7 Uhr nachmittags festgesetzt. In Bezug auf die Stimm- zettel bestimmt tz 1l, daß sie 9 zu 12 Zenti meter groß, von mittelstarkem, weißem Schreib papier und mit keinem Kennzeichen versehen sein sollen; sie sind von dem Wähler in einem mit amt lichem Stempel versehenen Umschläge, der sonst keine Kennzeichen haben darf, abzugeben. D e Um schläge sind 12 zu 15 Zentimeter groß und aus undurchsichtigem Papier hergestellt. Ueber d'.e Ab gabe des Stimmzettels ordnet tz 15 folgendes an: Der Wähler, welcher feine Stimme abgeben will, nimmt von einer durch den Wahlvorstand in der Nähe des Zugangs zu dem Nebenraum aufgestellten Person einen abgestempelten Umschlag an sich. Er begibt sich dann in den Nebenraum, wo er seinen Stimmzettel unbeobachtet in den Umschlag steckt, tritt an den Vorstandstisch, nennt seinen Namen, sowie auf Erfordern seine Wohnung und übergibt, sobald der Protokollführer den Namen in der Wählerliste gefunden hat, den Umschlag mit dem Stimmzettel dem Wahlvorsteher oder dessen Ver treter, der ihn sofort uneröffnet in die Wahlurne legt. Wähler, welche durch körperliche Gebrechen behindert sind, ihren Stimmzettel eigenhändig in den Umschlag zu legen und diesen den Wahlvorsteher zu übergeben, dürfen sich der Beihilfe eines Ver trauensgenossen bedienen. * — Wegsperrung. Der Langenberg-Hohen stein-Ernstthaler Kommunikationsweg wird wegen Massenschüttung in Langenberger Flur vom 8. bis mit 13. dss. Mts. für den gesamten Fährverkehr gesperrt und letzterer über Obertirschheim (Gasthof zur Katze), Reichenbach und Falken verwiesen. * — Das Korn sängt zu blühen an! Wie hat sich doch die Natur in kurzer Zeit verändert! Noch vor etwa sechs Wochen zog der Winter noch mals abschiednehmend bei nns ein und zeigte uns noch einmal seine volle Macht, und nun — sechs Wochen später — blüht schon das Korn! Wer während der Feiertage Gelegenheit nahm zu einem Spaziergange durch Wald und Feld, der wird er staunt gewesen sein, wie die Natur in den letzten Wochen vorwärts geschritten ist. Die Zeit der Früchte steht schon bald vor der Tür. — Auch die Kornblumen fangen an zu blühen zur Freude aller Naturfreunde, weniger zu der des Landmanns, der sie wenig gern in seinen Kornfeldern sieht, zumal ihm oft durch unachtsam Pflückende eine Menge Halme niedergetreten werden. * — Die sächsische Staatsbahn-Verwaltung hat jetzt an ihre Dienststellen eine Anweisung ge geben, die gewiß mit Freuden begrüßt werden dürste. Die Wagen-Abteile, und zwar besetzte und unbe setzte, sollen nämlich während der warmen Jahres zeit regelmäßig gelüftet werden. Während der Fahrt find jedoch die Fenster unbesetzter Abteilungen geschloßen zu halten. Weiter soll darauf geachtet werden, daß die Wasserbehälter und Wasserkrüge in den Waschräumen der Wagen vor Abfahrt der Züge gefüllt werden und daß auf geeigneten Unter wegsstationen für Nachsüllung gesorgt wird. * — Leipziger Bank und EtaatsfiSkus. Dem Vernehmen nach hat der Vertreter des Staatsfis kus bezw. der Königl. sächs. Lotterie-Darlehnskasse, Rechtsanwalt Oberjustizrat von Schütz in Dresden, gegen das zu Ungunsten des sächsischen Staatsfiskus ergangene Erkenntnis des Oberlandesgerichts in Sachen der Leipziger Bank beim Reichsgericht Be rufung eingelegt. * — Von den Kaiscrmanövern. Der Kron prinz von Sachsen wird, wie die „Dr. N. N." gegenüber anderen Angaben aus Berlin erfahren, unbedingt während der Kaisermanöver sein Korps führen. Auch der Erbprinz von Meiningen werde an den Manövern hervorragenden Anteil nehmen. Der Kaiser wird angeblich zeitweise die beiden preußischen Korps und am letzten Tage alle vier Korps gegen einen markierten Feind führen. * — Vorsicht! Rnbelstücke, die für Taler aus gegeben werden, sind jetzt in manchen Gegenden Deutschlands im Umlauf. Der Verlust beträgt bei der Annahme 1,40 Mark. * — Im Garten röten sich die Erdbeeren, und damit beginnen für den Gartenfreund die Sorgen, wie er die zarten Früchte bei Regenwetter vor Bespritzen und Beschmutzen schützt. Der prak tische Ratgeber vergleicht in seiner neuesten Nummer an der Hand verschiedener Bilder die bekanntesten Schutzvorrichtungen und kommt zu dem Schluß, daß man nicht die Fruchtstiele schützen, sondern den Beeren eine Unterlage geben soll, Stroh, Ziegeln, Schieferstücke rc. Auf solcher Unterlage entwickeln sich die Beeren zur vollen Schönheit und bleiben auch bei längerem Regenwetter tadellos sauber und ansehnlich. Die Nummer mit dem Aussatz wird vom Geschäftsamt des praktischen Ratgebers allen Gartenfreunden aus Verlangen kostenfrei zugeschickt. * — Eine eigenartige Mahnung, die auch wir unseren Lesern ans Herz legen möchten, richtet ein auswärtiger Zeitungsverleger an seine Kund schaft, nämlich: „Wenn Sie etwas wissen, was zu wissen interessant ist, und was wir eigentlich wissen sollten, von dem Sie wissen, daß wir es nicht wissen — bitte lassen Sie es uns wissen, damit wir es auch wissen." * — Neber wunderbare Versuche mit dem neuen Metall „Radium" berichtet der Petersburger Gelehrte London in der Berliner Klinischen Wochen- schrist. Das Radium ist imstande, ein Säuge tier ans der Entfernung zu töten. Blinde er kannten im dunklen Zimmer auf einem von Radium beleuchteten Schirm die Schattenrisse der darauf liegenden Gegenstände. Zwei blinde Knaben haben auf diese Weise schon das ganze russische Alphabet I gelernt und können ganze Worte lesen. * — Neber den Schlaf der Schulkinder wurde eine für Mütter wertvolle Untersuchung in Schweden angestellt. Man fand die alte Erfahrung bestätigt, daß Schulkindern ein langer Schlaf durchaus not wendig ist; unter denjenigen Kindern, welche zu wenig schlafen, kommen um 25 Prozent mehr Krank- -eiten vor. Der Ansicht der mit dieser Untersuchung >etrauten Aerzte zufolge sollen Kinder von vier Jahren im Durchschnitt zwölf Stunden schlafen, Kinder von 7 Jahren 11 Stunden, neunjährige zehn Stunden, zwölf- bis vierzehnjähige neun bis zehn Stunden, junge Leute von 14 bis 21 Jahren acht bis neun Stunden. Zu kurzer Schlaf wird sehr häufig die Ursache von Blutarmut, Bleich sucht usw. * Langenberg, 8. Juni. Eine für gestern nachmitiag auf dem Gartengrundstück des Herrn Gutsbesitzer Nobis in Langenberg einberufene Wähler versammlung, in der Redakteur Noske-Chemnitz über die bevorstehende Reichstagswahl sprechen sollte, konnte nicht abgehalten werden, da der in Frage kommende Platz den behördlichen Anforderungen nicht entsprach, die Versammlung mithin verboten wurde. Zirka 300 Personen waren anwesend. * Lngau, 7. Juni. Am F eitag feierte hier der Berginvalid Sellmann mit seiner Ehefrau da« seltene F'st der diamantenen Hochzeit. Der Jubilar ist 83 Jahre, seine Gatlin 80 Jahre alt. Leid'r erfreut sich da« hochbetagte Jubelpaar nicht mehr körperlicher Rüstigkeit, namentlich da« alte Mütter« chen ist nicht imstande, die Stube zu verlassen. Auch sonst ist dar Paar nicht mit Glücksgütern geffonet. * Dresden, 6. Juni. Der Verband deutscher Gewerbeschulmänner, der in Dresden tagte, beschloß, an den Reichskanzler erneut die Bitte zu richten, allen kunstgewerblichen und Fachschulen mit vollem Tagesunterricht, deren Schüler das Reifezeugnis „gut" erhalten haben, das Recht zu gewähren, die Erlaubnis zum einjährig-freiwilligen Militärdienst zu erteilen. Oberbürgermeister Beutler führte aus, ohne gründliche kaufmännische Bildung könne das Gewerbe den Wettbewerb mit der Industrie nicht bestehen. Geh. Rat v. Seefeld versicherte, daß die preußische Regierung die Förderung des gewerb lichen Mittelstanoes eifrig anstrebe. * Drcödcn Im Februar d. I. erregte die Verhaftung des Begründers der „Elbgau-Preffe" und oer „Jllustr. Reise- und Bäderzeitung", des Herrn Alwin Arnold, großes Aufsehen. Gegen Herrn Arnold war auf Betreiben seines Geschäfts teilhabers Herm. Beyer die Untersuchung wegen Betrugs und Unterschlagung eingeleitet worden. Laut Beschluß des Königlichen Landgerichts zu Dresden vom 29. Mai ist nun auf Antrag der Staatsanwaltschaft Herr Alwin Arnold außer Ver folgung gesetzt worden, weil die erhobenen Be schuldigungen sich als unbegründet erwiesen haben. * Dresden, 6. Jnni. Ein unerhörtes Vor kommnis, das lebhaft an russische Zustände erinnert, wurde dieser Tage in der Neustadt aufgedeckt. Der Markthelser, gegenwärtig Arbeiter in einem Sand klopswerk, Paul Sadern, bewohnte mit seiner 81- jährigeu Pflegemutter Karoline Henriette Eger ein enges Parterrestübchen im Hinterhaus des Grund stücks Louisenstraße 81. Die alte Frau Eger be zog seit Jahren wöchentlich 4 Mark aus der Armenkasse und Sadern hatte die Verpflichtung, sie dafür zu ernähren und zu verpflegen. Der Pflegesohn ist aber ein schwächlicher, gebrechlicher Mensch, der selten ausreichende Arbeit findet und steht geistig auch nicht auf der normalen Stufe, die ihn zum Kampfe ums Dasein befähigt. So kam er denn immer mehr und mehr zurück, wurde gleichgültig und, wenn er nicht als Simulant gel ten soll, so muß man ihn sogar zeitweilig als tief sinnig bezeichnen. Er sprach von Geldern und suchte Sparkassenbücher, die er nie besaß. Die alte Mutter Eger wurde vor einigen Wochen vom Schlage gelähmt und seil dieser Zeit von den Nach barn nicht mehr gesehen. Trotzdem kam Sadern in dieser Zeit zum Armenpfleger seines Bezirkes und forderte für die alte Frau ein paar Schuhe; es ginge ihr wieder besser, sie könne ausgehen. In Wahrheit ließ er die alte Frau in Schmutz und faulem Stroh verkümmern, sodaß die Nachbarschaft schon seit mehreren Wochen, durch den entsetzlichen Geruch beunruhigt, der Wohlsahrtspolizei Mittei lungen machte. Als am 2. Pfingstfeiertage abends 10 Uhr die Nachbarn nach Hause kehrten, hatte der Geruch in solchem Maße zugenommen, daß man augenblicklich und dringend wohlfahrtspolizei liche Hilfe in Anspruch nahm. Der Beamte und ein Arzt fanden die alte Eger in hilflosem Zustand, und, wie der Arzt erklärte, im Sterben liegend, auf faulem Stroh, über und über vom eigenen Unrat beschmutzt. Sie wwde sofort nach dem Friedrichstädter Krankenhaus überführt, wo sie am andern Tage verstarb. — Sandern scheint die Tragweite seiner Handlungsweise nicht zu ermessen, er selbst hat in dem verwahrlosten Raume mit zu- gebracht und sich bei der Wohlfahrtspolizei selbst nicht beschwert. * Dresden, 7. Juni. Freiherr v. Niethammer, Exz., der Köuigl. bayrische Gesandte und bevoll mächtig e Minister am Kgl. sächsischen Hose, tritt mit Ende Juni von dieser Stellung, die er seit dem t. Dezember 1887 inne Hal, zurück. * Leipzig. Von den städtischen Körperschaften war ein Gesuch beider Stiaßenbahn-Gesellschasten, für Umsteigekarten 15 Pf , statt der bisherigen Ein heitspreises von 10 Pf., erheben zu dürfen, abge lehnt worden. Gegen diesen Entscheid haben die Gesellschaften die obere Verwaltungsbehörde ange- rusen, aber auch die Kgl. Kreishauptmannschasl hat entschieden, daß e« bei dem Einheitstarife von 10 Pfg. zu bleiben habe. * Chemnitz, 7. Juni. Eine für gestern in Hilber«dors angesetzte Versammlung reichttreuer Wähler konnte deshalb nicht stattfinden, weil der Wirt vom „Waldschlößchen" die Hergabe de« Saale« verweigerte, trotzdem er schon vor ca. 6 Wochen die Zusage gegeben halte. Die Zurücknahme ist, wie in verschiedenen anderen Fällen, auf die Einwirkung der Sozialdemokratie, die natürlich nach ihrer An gabe niemals Terrori»mu« au«übt, zurückzuführen. * Zwickau. König Georg hat für den 7. Juli m Hole! „Zur grünen Tanne" hier Wohnung be- teilen lassen. Der König trifft vormittag» 10 Uhr fier ein und wird am andern Vormittag nach dem Vogtland reisen. * Zwickau, 6. Juni. Gestern nachmittag in der 2. Stunde wollte ein 17jähriger Kaufmanns ehrling von dem flachen Dach eines Hinterhauses nach dem Treppenfenster vom 2. Stockwerk des auf der Zwickauer Straße von ihm bewohnten Hauses übersteigen und stürzte dabei auf ein mehr als 3 m tiefer gelegenes Glasdach über der Küche seines Hauswirtes hinab. Der Genannte durch schlug mit den Füßen zwei von den starken Glas scheiben und kam rittlings auf eine der eisernen Dachrippen zu sitzen, sodaß die Wucht des Auf schlages erheblich abgeschwächt und er vor weiterem Abstürzen bewahrt wurde. Anscheinend war er ohne Schaden weggekommen. * Plauen i. B, 7. Juni. Der hiesige Tischler« streik dauert nunmehr bereit- süns Wochen. E» ist, wie von Gehilfen be ichtet wird, noch keine Aussicht aus baldige Beilegung der Differenzen vorhanden. Die au«ständigen Tischlergehilfen haben in der Pfingstwoche je 3 Mark Zulage zu ihrer bisher 12 Mark betragenden Streikunterstützung erhalten. Auch hat die Lohnkommission der Gehilfen dafür Sorge getragen, daß die demnächst fällige Miete gezahlt wird; die Ausständigen sollen hierzu eben falls wieder eine Extraunterstützung erhalten. Die Zahl der Streikenden beträgt gegenwärtig noch 80; eine große Anzahl der ausständigen Gehilfe K Plaue., verlaffen. * Oelsnitz i. E , 6. Juni. Ein größerer Dieb stahl wurde bei einem hiesigen Restaurateur und Ladeninhaber verübt. Derselbe hatte einem Mädchen 500 Mark übergeben, um dieselben zur Post zu bringen. Das Mädchen legte den Beutel mit dem Gelde auf den Küchentisch und verließ die Küche, in der sich niemand weiter aufhielt, um sich anzukleiden. Während dieser Zeit ist nun ein Un bekannter durch den gleichfalls leeren Laden in die Küche gegangen und hat das Geld an sich ge nommen. Von dem Dieb fehlt jede Spur. * Elsterberg i. V, 6. Juni. Am gestrigen abend wurde die Bür germeisterwahl vollzogen. Der die Stadtgemeinderatssitzung leitende Vizebürger meister, Herr Heinze, gab bekannt, daß 48 recht zeitige und 8 verspätete Bewerbungen um die Stelle eingegangen seien. In die engere Wahl kamen die Herren Obersekretär Gebauer in Dresden, der früher Gemeindevorstand in dem jetzt nach Dresden ein verleibten Naußlitz war, und Bürgermeister Müller in Johanngeorgenstadt. Kurz vor der Wahlhand lung hatte Herr Müller telegraphisch mitgeteilt, daß er wegen des Baues der Johanngeorgenstädter Gasanstalt bei einer eventuell auf ihn fallenden Wahl das Bürgermeisteramt erst Mitte Oktober antreten könne. Das Stadtverordnetenkollegium wählte hierauf Herrn Obersekretär Gebauer-Dres den in geheimer Wahl einstimmig zum Bürger- meister der Stadt Elsterberg. Herr Gebauer tritt sein neues Amt am 1. Juli an. * Markneukirchen. Der Selbstmordversuch einer jungen Mädchens bildet gegenwärtig hier da« Tagesgespräch. Das bedauern«werte Mädchen brachte sich in den frühen Morgenstunden de« 2. Feiertag« in der Hausflur der elterlichen Wohnung je einen Schuß in die Brust und in die Schläfe bei. Bewußtlo« wurde sie einer Klinik in Plauen zugesührt. Al« Grund zur Tat nimmt man un glückliche Liebe an. * Schöneck, 6. Juni. Für eine kaum glaub liche Rohheit — der Maurer Schetelich in Marien« y hatte seiner Nachbarin, der GutSbesitzerSehefrou Hohmann daselbst, in Fortsetzung eine« Wortwechsel» mit einer Düngergabel da« linke Auge ausgestochei. — erhielt Schetelich 2'/, Jahre Gefängnis zuer« kannt, wurde außerdem auch zur Zahlung einer auf 1000 Mark bemessenen Entschädigung an Frau Hohmann verurteilt. * Klingenthal Franz Langhammer, der zweite an dem Verbrechen gegen den Kutscher Dotzauer beteiligte Messerheld, ist von der Polizei ebenfalls sestgenommen worden. Da« Befinden de« im Königl. Kreiskrankenstifl in Zwickau liegenden Kutschers Rudolf Dotzauer ist immer noch unver ändert. * Aue i S., 6. Juni. Spurlos verschwunden ist seit Mittwoch nachmittag der beim Postamt in Oberschlema angestellte Briesträger Seidel. Da er sich nichts hat zu Schulden kommen lassen, ist sein Verschwinden um so auffälliger. Seidel war seit 1. April in Oberschlema angestellt und hat eine Frau und 2 Kinder. * Zittau, 8. Juni. Das hiesige Stadtverord netenkollegium beschloß in seiner gestrigen Sitzung, 360 Mark für den Besuch der deutschen Städte ausstellung in Dresden durch 30 städtische Beamte und Vertreter der freiwilligen Feuerwehr zu be willigen. Ferner wurden 450 Mark für die Wieder einführung von Jugendspielen bewilligt. * Tanna, 6. Juni. Im benachbarten Ober- toskau starb ein öfters dort einkehrender nnd über nachtender 70jähriqer Bettler. Als man dem sonst harmlosen Mann im Spaß sagte, daß man nicht gewillt sei, ihm ferner Nachtquartier zu gewähren, da er schnell einmal sterben könne, meinte er: „Das wird wohl nicht so schnell gehen." Am andern Morgen fand man ihn tot in der Scheune des Zaps'schen Gasthofes vor, die Schnapsflasche krampf haft in beiden Händen. ' * Altenburg. Zum Retter seines Kindes wurde unbewußterweise jüngst ein Einwohner von Saasa. Eine 80jährige Frau hatte bemerkt, wie ein kleiner Junge in den Dorsteich fiel. Da sie selbst nicht Helsen konnte, bat sie einen gerade vorübergehenden Mann, daS Kind zu retten, und als dieser den Knaben ans Ufer gebracht hatte, erkannte er in ihm seinen eigenen Sohn. DaS Kind gab bereits keine Lebenszeichen mehr von sich, den Bemühungen eines mit dem RettungSwesen vertrauten alten Soldaten gelang es aber, den Jungen schon nach einigen Minuten zum Bewußtsein zu bringen.
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