Suche löschen...
Hohenstein-Ernstthaler Anzeiger : 14.06.1903
- Erscheinungsdatum
- 1903-06-14
- Sprache
- Deutsch
- Vorlage
- SLUB Dresden
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id1841177954-190306147
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id1841177954-19030614
- OAI-Identifier
- oai:de:slub-dresden:db:id-1841177954-19030614
- Sammlungen
- Saxonica
- Zeitungen
- LDP: Zeitungen
- Bemerkung
- Fehlende Seiten in der Vorlage
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
-
Zeitung
Hohenstein-Ernstthaler Anzeiger
-
Jahr
1903
-
Monat
1903-06
- Tag 1903-06-14
-
Monat
1903-06
-
Jahr
1903
- Titel
- Hohenstein-Ernstthaler Anzeiger : 14.06.1903
- Autor
- Links
- Downloads
- Einzelseite als Bild herunterladen (JPG)
-
Volltext Seite (XML)
Demokraten würden dabei — au« bloßer doktrinärer Abneigung gegen die Leben«mittelzölle — die Ge schäfte derjenigen extremen Agrarier besorgen, welche überhaupt keine Handelsverträge wünschen und würden nur erreichen, daß die Leben«mittelzölle de« Zolltarif« in unverminderter Höhe in Kraft treten. Ich bin der Ueberzeugung, daß langfristige Handel«- Verträge, welche auf Grund de« neuen Zolltarif« abgeschlossen werden, sowohl der Landwirtschaft, al« auch der Industrie Nutzen bringen werden und würde e« für einen schweren Fehler halten, ihnen meine Zustimmung zu versagen. Weiter sällt in die nächste Gesetzgebung»periode die Erneuerung der Heere«bewilltgungen, die zu letzt im Jahre 1899 auf 5 Jahre erfolgt sind. So schwer die Krieg«rüstung auch drückt, an der unser Volk zu tragen hat, so halte ich e« doch für au«- geschlossen, daß wir diejenigen Opfer versagen können und dürfen, die zur Verteidigung de« Vater lande« notwendig sind. Sollten Heere«vermehrungen gefordert werden, so wird deren Bedürfni« sorg- fällig zu untersuchen sein. Alle« Entbehrliche muß erspart, bloße Aeußerlichkeiten müssen vermieden werden. Aber auch eine Erhöhung der Heerer forderungen, deren Notwendigkeit nachgewiesen wird, muß bewilligt werden. Wer wollte e« verantworten unsere Soldaten, die Söhne und Brüder unsere« Volke», au« bloßen Sparsamkeitsgründen mit ge ringeren Waffen oder in unzureichender Zahl einem überlegenen Feinde und damit dem sicheren Ver derben entgegen zu schicken? Die sozialdemokratische Partei mäkelt auch nicht nur an der Höhe der Heeresforderungen, sondern will die Heeresvorlagen überhaupt ablehnen. Sie will da« stehende Heer abschaffen und durch ein Milizheer ersetzen. Letzteres ist schon wegen de« Mangel« an Disziplin geringwertiger, es würde, wie im Reichstage von sachverständiger Seite er klärt wurde, die Kosten nicht lohnen, die es verur sacht. Aber selbst wenn sich für einen Staat wie Deutschland ein brauchbare» Milizheer schaffen ließe, so würde doch die Zeit der Umwandlung unserer Heeretverfaffung eine solche Schwächung unserer Verteidigungskraft mit sich bringen, daß wir jetzt und solange wir von unerbittlichen Feinden um ringt find, nicht daran denken dürfen. Selbstverständlich soll und wird eine Weiterent wicklung und Verbesserung unserer Heeresverhält- nisse unausgesetzt angestrebt werden müssen. In der Armee selbst wird mit Eifer daran gearbeitet, und zwar nicht blos an der technischen Vervoll kommnung, sondern auch an der Bekämpfung der Duelle, Beseitigung der Soldatenmißhandlungen und Ueberwindung ähnlicher Mißstände, die mit unseren modernen bürgerlichen Empfindungen in Widerspruch stehen. Der Reichstag wird alle diese im Heere selbst vorhandenen Bestrebungen nachdrücklich und laut zu unterstützen haben. Nur wird bei jeder Kritik zu bedenken sein, daß sie dazu dienen soll, unser Heer zu fördern, nicht aber das Vertrauen unsere» Volke« zu ihm und unser Ansehen nach Außen zu untergraben. Die Errungenschaften unserer Sozialpolitik werden zu erhalten und weiter aurzubauen sein. Es ist eine Unwahrheit zu sagen, unsere deutsche Acbeiter- fürsorge — Arbeiterversicherungen und Arbeiter schutz — habe nicht« Nennen«werte« geleistet. Durch die Arbeiterverstcherungen wird jetzt schon jährlich eine halbe Milliarde Mark ausgebracht. Diese Sozialpolitik fortzuführen wird auch die Auf gabe de« nächsten Reichstages sein. Nur gilt e« weitere Schritte mit Vorsicht und Bedacht zu unter nehmen, jede Maßregel dem praktischen Bedürfni« anzupaffen und zu vermeiden, daß unsere Erwerbs stände durch eine Ueberhäufung mit Lasten und Fesseln konkurrenzunfähig werden. Nur wenn durch gesicherte Handelsverträge unsere Industrie und Landwirtschaft zu einer neuen Blüte kommen, nur wenn wir uns durch eine den Nachbarstaaten im ponierende Krieg«rüstung den Frieden erhalten, werden wir auch die Sozialpolitik weiter ausgestalten können. Ein Niedergang unserer wirtschaftlichen Verhältnisse, ein unglücklicher Krieg würden wahr- scheinltch auch diejenigen Errungenschaften zer- stören, die unserm Arbeiterstande bi» jetzt mit viel Mühe und Kosten geschaffen worden find. Endlich wird der Reichstag auf einer Reichs finanzreform zu bestehen haben, die da« Reich aus eigene Füße stellt. Jetzt ist er ein sehr unbequemer Gläubiger der. Einzelstaaten geworden, die den im Vorau« unübersehbaren Forderungen de« Reich« gegenüber nicht mehr wissen, wie sie ihre eigenen Finanzen in Ordnung halten sollen. Wenn e« dem nächsten Reich«1ag gelingt, diese vier Hauptaufgaben in befriedigender Weise zu lösen, so wird er unsere öffentlichen Angelegenheiten um ein bedeutende« Stück vorwärt« gebracht haben' Bei aller Festigkeit in der Vertretung seiner Stand punktes wird er auf ein gute« Einvernehmen mit den verbündeten Regierungen bedacht sein müssen. Denn nur au« dem Zusammenwirken beider können praktische Erfolge entstehen, und da« Recht der ver bündeten Regierungen ist durch dieselbe Verfassung geschützt, wie diejenige de« Neich«tag«. Wer daher nicht auf einen Zusammenbruch rechnet, au« dem aber nur Not und Elend, niemals die verheißene Glückseligkeit einer sozialistischen Gesellschaft hervor gehen könnten, der wird gleich mir für diejenigen Parteien etntreten müssen, die die Erhaltung unserer staatlichen und gesellschaftlichen Ordnung und die allmähltge Fortentwickelung unserer öffentlichen Ver hältnisse auf ihre Fahne geschrieben haben. Kaiser Franz Joseph von einem Irrsinnigen angefallen. Wien, 12. Juni. Als Kaiser Franz Joseph heute Nachmittag um 5 Uhr mit dem Flügeladju tanten Major Driancourt von der Hofburg nach Schönbrunn fuhr, trat dem Kaiser in der Maria- hilferstraße ein Mann mit drohend erhobenem Dolch entgegen. Der Kutscher der Hofequipage ver setzte ihm mit der Peitsche einen Schlag über die Hand. Unterdessen nahmen Passanten und Sicher- hett«wachmänner den Mann fest. Auf dem Polizei- kommiffariat wurde festgestellt, daß er 27 Jahre alt und irrsinnig ist, Jacob Reich heißt, Handels agent ist, bereit« in Irrenanstalten interniert war und gegenwärtig beschäftigung«Io« ist. Am 2. Ja nuar d. I. war er mittag« im Zeremoniendeparte- ment der Hofburg erschienen und hatte dort dem Beamten erklärt, er wolle ihn in einer für da« Reich hochwichtigen Angelegenheit sprechen. Man erkannte ihn schon damal« für irrsinnig, in«besondere al« er auf Befragen erwiderte, er sei der Sohn Gotte« und habe dem Kaiser hochwichtige Mitteil ungen über die Affäre der Prinzessin Luise von Sachsen zu machen. Er wurde damal« nach dem Psychiatrischen Institut gebracht und befand sich heute im städtischen Versorgung«hause. — Eine spätere Depesche au« Wien lautet: Ueber den eben stattgehabten Vorfall herrscht große Aufregung. Der Attentäter wurde von der Menge sofort um ringt und halbtot geschlagen, bevor die Polizei einschreiten konnte. Halb bewußtlos wurde er nach dem Kommissariat geführt. Wien, 13. Juni. Als Kaiser Franz Joses gestern in Schönbrunn eintraf, sprach er mit keinem Menschen ein Wort. Er legte sich auch zur ge wohnten Stunde, um 8 Uhr, schlafen. Wien, 13. Juni. Der Attentäter Jacob Reich wurde noch gestern Abend nach der Irrenanstalt überführt. OertNches «nd Sächsisches. Hohenstein-Ernstthal, 13. Juni. *— Schützenfest. Daß es auch dieses Jahr auf dem Schützenplatze viel zu sehen und zu hören gibt, beweisen die langen Zelt- und Budenreihen, die den geräumigen Festplatz bis auf die letzte Lücke ausgefüllt haben. Friedlich und einträchtig wohnen die verschiedenartigsten Schausteller, die der Zufall zu Nachbarn gemacht hat, beisammen, alle von dem einen Wunsche beseelt, daß das Wetter schön bleiben möge, um das Publikum herauszulocken nach dem Schießplätze und ihnen einen zahlreicyen Besuch und damit guten Verdienst zuzuführen. Diesem Wunsche schließen auch wir uns an! — Von den Stätten, die gediegene Unterhaltung und Zerstreuung bieten, seien besonders hervorgehoben: der erweiterte Konzert-Salon, in welchem als alter und guter Bekannter Herr Oswald Büttner aus Leipzig mit seinen 20 erstklassigen Künstlern unter Mitwirkung des bunten Theaters täglich ab wechselnde Vorstellungen gibt, während der Wirt des Schützenhauses, Herr Hermann Schmidt, mit ff. Speisen und Getränten für das leibliche Wohl der Besucher sorgen wird. Ferner das sein dekorierte und gemütlichen Aufenthalt für Damen und Herren bielende Kaffee- und Wein-Zelt der Frau Antonic Stephan mit schneidiger Bedienung. Bei dieser Gelegenheit sei auch auf die altrenommierte Müllersche Magdeburger Butter- und Schmalz. Kuchen-Bäckerei aufmerksam gemacht, die ihr Zelt wieder auf dem bekannten Platz vor der Schieß stube aufgeschlagen hat. Unter den eingetroffenen Schaustellungen nimmt der American Biograph mit feinen interessanten lebenden Darstellungen aus allen Weltteilen wohl die erste Stelle ein. Wir unterlassen nicht, den Besuch dieser Vorstellungen zu empfehlen, zumal die lebenden Bilder zum Teil bedeutende Weltereignisse veranschaulichen, die auch in neuerer Zeit das Interesse weiter Kreise erregten. Für die Lachmuskeln ist auch gesorgt durch ur komische Szenen, sowie phantastische Zauber pantomimen mit spaßhaften Verwandlungen. — Des weiteren seien empfohlen: Die Athleten-, Ringer- und Boxer-Truppe, bestehend aus dem russischen Meisterschafts-Athlet und -Ringer Anton Gerigk aus Warschau, dem Leichtgewichtsringer von Mitteldeutschland August Gehrmann aus Magdeburg und dem gefürchteten amerikanischen Box - Faustkämpser Anloni. — Barthels Hippo drom öffnet seine Pforten bereits heute abend mit einem großen Eröffnungs - Reiten auf lammfrommen, bildschönen Pferden. — Paul Pötzschs Münchener Universum bietet lebens große Nachbildungen in Wachs von historischen Persönlichkeiten, Tagesberühmtheiten und Abnor mitäten. — Hermann Schmidts Museum bringt neben zahlreichen, lebensgroß in Wachs modellierten Original-Sehenswürdigkeiten ü la Panoptikum in Berlin eine Galerie der Kaiser, Könige, Fürsten, Künstler, Dichter rc. und zum Schluß „Das Wundermädchen Marietta", das Rätsel der Ge lehrten. — Im übrigen bitten wir um gesl. Be achtung des Inseratenteils vorliegender Nummer. — Hoffentlich haben auch die Schützen und Gast schützen alle ruhig Blut und erzielen gute Treffer, denn die ausgestellten Gewinngegenstände ziehen an und würden jedermann eine Freude machen, namentlich denen, die sich bisher mit einem nie drigen Gewinn begnügen mußten. *— Das Logcnhaus, das bekanntlich im Garten und in seinen inneren Lokalitäten wiederum herrlich renoviert worden ist, wird auch während des Schützenfestes zweifellos von vielen Fremden besucht werden, da dasselbe als sehenswertes Etablissement weithin bekannt ist. Morgen Sonn tag findet großer Ball mit Schönheitsprämiierung statt, wobei jede Dame, die im Reformkleid erscheint, eine Prämie erhält. Die Preise sind im Lokale ausgestellt. *— Ueber die Zollverhältnisse Kanadas herrscht noch Unklarheit. Um Mißverständnisse auszuschließen, geben wir wieder, was der preußische Handelsminister der Berliner Handelskammer mit teilt: „Die kanadische Regierung hat im Parlament angekündigt, daß die Frist, binnen welcher die vor dem 17. April d. I. gekauften deutschen Waren geliefert sein müssen, um den Zuschlagszoll zu ver meiden, bis zum 30. September einschließlich ver längert werden soll." *— Jubelfeier der Kartoffel. Die Menschheit, die nach einem Dichterwort dazu „geboren ist, um Feldfrüchte zu essen", steht jetzt im Zeichen der neuen Kartoffeln. Die Kartoffel kann in diesem Jahre eine Jubelfeier begehen, denn seit 350 Jahren ist sie jetzt in Europa bekannt. * — Der Deutsche Tabarverein beschloß, mit dem zur Abwehr der amerikanischen Ringbestre bungen in Dresden gebildeten Komitee (namentlich soll der Zigarettenhandel in Europa von Amerika aus monopolisiert werden) in engste Beziehungen zu treten und die Bekämpfung des Tabaktrustes zu einer seiner Hauptaufgaben zu machen. * — Bo» der sächsisch-preußischen Grenze. In den Morgenstunden des 11. Juni entdeckte der Hilfsförster Koschany im Daubaner Forst, in ent legener Gegend an der sächsisch-preußischen Landes grenze, einen Landstreicher im tiefen Schlafe liegend, und daneben ein dreizehnjähriges Mädcken, ge bunden und geknebelt und vor Erschöpfung eben falls schlafend. Die Freude des Kindes beim An blick des Retters war unbeschreiblich; hatte es der Verbrecher doch nachts während eines Gewitters von Milkel aus über Teichdämme und durch dich ten Wald bis dahin verschleppt und mehrmals mit einem Messer bedroht! Der Verbrecher war ein Mann von 50 bis 60 Jahren und recht sauber gekleidet, angeblich ein Breslauer. Das Kind soll eine kranke Mutter in Weißig bei Königswartha haben; es hat mit einem kleinen Bruder in der Gegend von Luttowitz und Merka gebettelt, wobei sich ihnen der Fremde angeschlossen hat. Dieser wurde dingfest gemacht und in das Amtsgericht zu Niesky eingeliefert. * Hermsdorf, 13. Juni. Der zwischen Haus nummern 57 bis 65 belegene Teil der hiesigen Dorfstraße wird wegen Massenschüttung vom 15. bis 20. Juni für den gesamten Fährverkehr ge sperrt und letzterer auf die Waldenburger Straße und den Hermsdorf-Hohensteiner Kommunikations weg verwiesen. * Aus dem oberen Erzgebirge. In den hiesigen Gemeinden zeigt sich seit einiger Zeit das besonders starke Anwachsen und Eindringen von kirchlichen Sekten. So beabsichtigt die separierte evangelisch-lutherische Gemeinde in Hartenstein, die von Amerika tatkräftig unterstützt wird, daselbst den Bau einer eigenen Kapelle. Besonders eifrig dringen die Methodisten vor, die mit Vorliebe Angehörige der Gemeinschastspflege in ihre Kreise lenken. So versuchten Methodisten, von Schwarzen berg kommend, in Zwönitz sich ansässig zu machen und ein Haus für ihre Zwecke zu kaufen, was aber vereitelt wurde. Auch Baptisten suchen immer mehr Boden zu gewinnen und haben hier und da feste Gemeinschaften gebildet. * Dresden, 13. Juni. Für die vielhundert- köpfige Arbeiterschaft der großen Fabrik von Seidel und Naumann wird der heutige Tag ein seltener Freudentag sein. An diesem Tag sollen 250 000 Mark unter die Arbeiter verteilt werden. Die Arbeiterschaft hat diese hochherzige Stiftung der hinterlassenen Witwe und dem Sohne des ver storbenen Geh. Kommerzienrats Bruno Naumann zu verdanken. Für ein Jahr Tätigkeit erhält ein jeder Arbeiter 16 Mk. Einzelne Arbeiter erhalten infolge ihrer langjährigen Beschäftigung in der Fabrik Beträge bis zu 500 Mk. Ferner wird eine Arbeiter-Invaliden- und Pensionskasse mit einem Grundkapital von 250 000 Mk. in Kraft treten. Hierzu werden die Arbeiter keinerlei Beiträge zu I zahlen haben, wohl aber wird die Aktiengesellschaft vom Reingewinn des Unternehmens jährlich 1°/» der Kasse übermitteln. Arbeiter, die 30 Jahre ununterbrochen in der Fabrik gearbeitet und das 65. Lebensjahr vollendet haben, haben das Anrecht auf eine lebenslängliche Rente von 600 Mk. das Jahr; Arbeiter, die nach lOjähriger Arbeit in der Fabrik arbeitsunfähig geworden, erhalten eine laufende Unterstützung bis zu 300 Mk. das Jahr. Beim Tode eines die Altersrente oder eine Unter stützung beziehenden Arbeiters wird der Betrag ein Jahr lang an die Witwe oder Hinterbliebenen weitergewährt. * Chemnitz, 13. Juni. Gestern abend in der zehnten Stunde ist unser früherer Oberbürgermeister Dr. Andrä nach längerem Kranksein gestorben. Der Verstorbene, geboren am 20. September 1827 in Quakenbrück (Hannover), stand von 1874 bis 1896 an der Spitze unserer Stadtverwaltung, um dann nach einer an großen Erfolgen für die Stadt reich gesegneten Tätigkeit aus Gesundheitsrücksichten zurück zutreten. Dieser Zeitabschnitt, in welchem sich Chemnitz unter seiner von einem besonders reichen Wissen und weitjchauenden Gesichtspunkten getragenen, kraft vollen Leitung von anfangs etwa 78 000 bis zu 165000 Einwohnern und damit in die Reihe der deutschen Großstädte emporgeschwungen hat, wird in der Geschichte unserer Stadt stets eine der hervor ragendsten Stellen einnehmen und ihrem ehemaligen Oberhaupte ein unauslöschliches Andenken sichern. * Chemnitz Ein aufregender Vorgang spielte sich am Donnerstag abend im Wintergarten- Variätä ab. Anton Hafner, der erste deutsche Schleifenfahrer — wie er sich nennt — trat erst malig auf. Aus einer Höhe von etwa 10 m fällt die Fahrbahn ffchräg herab und bildet am Ende eine Schleife von etwa 6 Meter Durchmesser. Der kühne Fahrer durchstreifte die Strecke unter atemloser Spannung der Zuschauer. In der Mitte der Schleife angelangt, war der Schwung zu Ende, der Fahrer griff aber mit Geistesgegenwart nach dem seitlich angebrachten Netz, — sonst wäre er un fehlbar abgestürzt — und sprang von hier ab, ohne ernstlichen Schaden zu nehmen. * Zwickau, 11. Juni. 4000 Mark hat das Steinkohlenwerk C. G. Kästner an seine 40 In validen und Witwen aus Anlaß des anfangs dieses Monats erfolgten ersten Spatenstichs zu einem neuen Schachte auf Zwickauer Flur verteilt. Der alte Schacht des genannten Werkes in Bockwaer Flur hat den Betrieb eingestellt. * Zwickau. Die Karussel- und Schaukelbesitzer in der Amtshauptmannschaft Zwickau haben soeben ein Gesuch an das Ministerium des Innern ge richtet, in welchem sie bitten, die Verordnung vom 16. August 1902, nach welcher den Karusselbesitzern die Teilnahme an Schützenfesten und Vogelschießen auf dem Lande und in kleineren Ortschaften ver boten wird, zurückzunehmen. Die Karuffelbesitzer weisen auf die gewaltige Schädigung hin, welche ihrem Gewerbe durch diese Verfügung droht. * Crimmitschau, 12. Juni. Der nun schon über sieben Wochen währende Streik in der hiesigen Eisengießerei der Firma Paul u. Söhne ist gestern zu Ende gegangen. In einer Zuschrift an die Firma erklären die 15 noch am Orte befindlichen ausständigen Arbeiter den Streik mit heute für beendet und teilen ihre Adressen behufs eventueller Wiedereinstellung der Firma mit. — Weil der Rat zur Ausschmückung der Bahnhofstraße gelegentlich des 300 jährigen Jubiläums unserer Schützen gesellschaft 400 Mk. bewilligte, ward von feiten der Arbeiter-Vertreter im Stadtverordnelen-Kollegium ihm Frivolität in der Verfügung über die von den Steuecnzahlern aufgebrachten Gelder vor geworfen. * Riederschlcma. Ein nettes Früchtchen ver spricht der elfjährige Sohn einer hier wohnenden Witwe zu werden. In einem hiesigen Restaurant wurden schon seit langer Zeit Wahrnehmungen gemacht, daß von dem abends in der Büff Oasse als Wechselgeld für den nächsten Morgen zurück- gelassenen Gelde früh verschiedene Beträge gefehlt haben. Es stellte sich heraus, daß der elfjährige Junge in zirka 30 Fällen in den frühesten Morgen stunden unter allerlei Vorwänden sein Bett und die Wohnung verlassen, ein nicht gut schließendes Fenster der Gaststube benützend, in die letztere ein gestiegen war und die Kasse geplündert hatte, um das Geld in der Hauptsache an andere Kinder zu verschenken. * Neustädtel. Ein dreister Schwindel wurde hier am 6. d. M. von einem aus Schlesien stammen den Musiker verübt. Derselbe kam zu einem hie sigen Einwohner, den er im Besitz einer guten Trompete wußte, und erzählte demselben, er habe bei einer Leiche zu blasen, seine Trompete sei aber kaput und er könne erst in einigen Tagen eine neue erhalten. Schließlich bat er den Besitzer, ihm doch sein Instrument für die kurze Zeit zu leihen, was auch bereitwilligst getan wurde. Nachdem nun die gewährte Frist verstrichen war, ohne daß sich der Musiker mit der Trompete wieder eingestellt, wurde die Wahrnehmung gemacht, daß die ganze Erzählung Schwindel war. * Plauen i. V, 12. Juni. Hier droht nun auch noch der sechste Streik auszubrechen. Die Bauhandwerker planen eine allgemeine Lohn bewegung und beabsichtigen Forderungen an die Arbeitgeber zu stellen, deren Nichtbewilligung den Streik zur Folge haben wird. * Plauen, 12. Juni. Ein Großfeuer hat heute abend gegen 6 Uhr, wie der „Vogtländische An zeiger" meldet, das vierstöckige Spannereigebäude der Bleicherei F. W. Dischrait völlig vernichtet. Das Gebäude ist zusammengestürzt. Der Schaden ist beträchtlich, doch erleidet der Betrieb der Firma keine Unterbrechung, weil die übrigen Fabrikgebäude erhalten blieben. * Waldheim, 12. Juni. Die Untersuchungen der Behörden lassen es als sicher erscheinen, daß den Doppelmord in Massanei der Stallschweizer Max Arthur Kamprath aus Leisnig ausgeführt hat, der bei dem Gutsbesitzer Müller vor vier Jahren als Knecht gedient hat und ihm noch voriges Jahr bei der Ernte 8 Tage ausgeholfen haben soll. Kamprath hat sich einige Tage vor der Tat in Massanei aufgehalteu, hat Arbeit gesucht, teilweise auch gebettelt. Auch bei seinem früheren Brotherrn suchte er wieder in Dienst zu treten, wurde aber von der Wirtschafterin, der verehelichten Langhof, vom Hose gewiesen. Verdächtige, in drohendem Tone gehaltene Aeußerungen soll er dann wieder holt gegen Müller ausgestoßen haben. So mag ihm außer seiner momentan bedrängten Lage vor allem der Rachedurst die Mordwaffe in die Hand gedrückt haben. * Pirna, 11. Juni. Unter eigentümlichen Umständen hat vorgestern in Gersdorf der 14'^jährige Schuhmacherlehrling Feistner den Tod gefunden. Derselbe begab sich in der elterlichen Wohnung in eine Kammer, woselbst Wäsche leinen gezogen waren. Hier mag dem jungen unvorsichtigen Mann der Gedanke gekommen sein, das „Hängen" einmal zu probieren. Er machte sich eine Schlinge aus einer der Leinen, indem er auf den Bettrand stieg. Hiervon ist er aber abgerutscht, die Schlinge zog sich zu und der unüberlegte Streich halte die schlimmste Folge: der junge Mann büßte sein Leben am Stricke ein. Kleine Chronik. * Hammerstein, 11- Juni. Der Tod des Hauptmanns Leopold Weste vom Feldartillerie regiment Nr. 72, der am Montag auf dem Anstande als Leiche ausgesunden wurde, ist, der „Elbing. Ztg." zufolge, noch wenig aufgeklärt. Nach den ange stellten Ermittelungen hatte der Hauptmann seinem Burschen mitgeteilt, er wolle aus den ganz nahe ge- legenen Anstand gehen. Der Bursche sollte erst Nachkommen, wenn er gerufen werde. Der Bursche sah dem Offizier nach und bemerkte, wie er am WaldeSrande niederkniete. Unmittelbar daraus fiel ein Schuß. Als 1'/, Stunden vergangen nm en, ohne daß der Hauptmann gerufen hatte, sich d r Bursche mit einem Jagdwagen nach dem WaldeS- rand, wo er Herrn Weste mit einem Schuß in der Brust tot vorfand. Der Bursche lud die Leiche auf den Wagen und schaffte sie nach dec nahe ge legenen Försterei. Der Schuß war direkt ins Herz gegangen. * Dublin. Im hiesigen Zoologischen Garten tötete der Elefant Rama, der sich seit über 20 Jahren im Garten befindet, seinen Wärter. Dieser hatte dem Tier gerade befohlen, niederzuknieen, da er den kranken Fuß feine» Pfleglings verbinden wollte. Al« der Wärter zu diesem Zwecke neben dem Elefanten ntederkniete, versetzte ihm dis Tier einen furchtbaren Schlag mit dem Rüssel. Der Wärter fiel hin, und ehe er sich erheben konnte, hatte ihm der Elefant einen Fuß auf den Kopf gefitzt und diesen vollständig zerquetscht. Der Ele fant ist 60 Jahre alt. Man wollte ihn gestern durch einen vergifteten Apfel beseitigen, aber da« Tier verweigerte merkwürdigerweise dessen Annahme.
- Aktuelle Seite (TXT)
- METS Datei (XML)
- IIIF Manifest (JSON)