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Nr. 107. Pulsnitzer Tageblatt. — Montag, del- 9. Mai I9L7 Seile k> satsonmäßige Belebung ist aber nicht hinreichend, um die an und für sich hochiiegenden Handwerkslöhnc noch mehr zu erhöhen. Mit der Belebung der Handwerkswirlschaft hat sich auch der Arbeitsmarkt verbessert. Es ist hier und da schon sogar zu einer ge wissen Verknappung der Facharbeiter gekommen. Es machen sich hier die Nachteile der Beschränkung der Freizügigkeit, wie sie durch die Wohnungswirtschaft gegeben sind, sehr hinderlich bemerkbar. Protestkundgebung der Seamtenschast. Erhöhung der Beamte nbesoldung gefordert. Im Dresdener Gewerbehause fand eine stark besuchte Kundgebung des Deutschen Beamtenbundes statt, zu der u. a. auch der frühere Reichsminister Dr. Külz erschienen war. Dr. Bartsch vom Reichsverband der Kommunalbeantten re ferierte über die Besoldungsverhättnisse der Beamtenschaft und betonte zum Schluß, es sei an der Zeit, daß Reichsregierung und Reichstag endlich einsehen, daß es mit einer schlechtge stellten Beamtenschaft für Reich und Staat unmöglich ist. über die Schwierigkeiten der Zeit hinwegzukommen. Nach lebhafter Aussprache kam die Versammlung zur An nahme einer Entschließung, in der die Beamtenschaft ihre Empörung über die dauernde Verschleppung der nun schon schon seit Jahren ihr als Staatsnotwendigkeit ver sprochenen Besoldungsreform zum Ausdruck bringt und ver langt, daß die Versprechungen endlich einmal eingelöst werden und daß sich der Reichstag sofort nach seinem Wiederzusammen tritt erneut mit der Besoldungsfrage befaßt mit dem Ziele, eine sofortige und ausreichende Erhöhung der Beamtenbe soldung mit Rückwirkung wenigstens vom l. April 1927 an durchzusühren. Von der sächsischen Regierung wird erwartet, daß sie sich für diese Forderungen im Reichsrat einsetzt oder unverzüglich von sich aus eine wirkungsvolle Hilfe für die sächsische Beamtenschaft in die Wege leitet. Der Saaienstand m Sachsen. Die Frühjahrsbestellung noch zurück. Der Monat April brachte für das ganze Land vorwiegend trübes, kühles und regnerisches Wetter. Die Regenfälle wieder holten sich in solcher Regelmäßigkeit und Stärke, daß der Boden mit Wasser übersättigt wurde und die Dränagen kaum im-- stände waren, den Wasserübcrschuß zu entfernen. Die Winter saaten haben sich in trockenen warmen Lagen zufrieden stellend entwickelt. Unter weniger günstigen Verhältnissen sind sie durch die naßkalte Witterung in der Entwicklung zurückgehalten worden, so daß besonders Wintergerste und Winterweizen bereits gelbe Spitzen zeigen. Die Auswinte rungsschäden stellen sich als recht umfangreich bei Roggen in den Gebirgslagen heraus, wo trotz der verwendeten starken Aussaatmengen ein durchweg dünner Stand der Saat festzu stellen ist und die spätgesäte Frucht durchgängig neu bestellt Werden muß. Die häufigen Regenfälle des Aprils h i e l t e n d i e F r ü h- jahrsbestellung allgemein auf. Vor allem in Ost- fachsen und den mittleren und höheren Lagen ist die Bestellung noch Weit zurück und die Saat vielfach erst zur Hälfte oder einem Viertel in den Boden gebracht. Die Bestellung der Kar toffeln und Rüben ist selbst in trockeneren Lagen noch nicht überall begonnen worden. Die Entwicklung des Klees war im allgemeinen dort günstig, wo der Boden keine stauende Nässe auswies. Dagegen ist er in feuchten Lagen zurückgeblieben und durch den infolge der Nässe auftretenden Kleekrebs weiter geschädigt worden. Die Wiesen haben sich gut besetzt, wenn sie ausreichend entwässert wurden. Wo das nicht der Fall war, Ütten sie unter VersumpsuM und Versauerung. Infolge der nassen Witterung hat die Verunkrautung der Äcker rasche Fortschritte gemacht, zumal die erforderlichen Pflege arbeiten, Eggen und Hacken, nicht ausgeführt werden konnten. Vereinzelt traten Mäuseschäden auf. Auch Maulwürfe und Krähen machen sich bisweilen nachteilig bemerkbar. In der Gegend von Plauen nahmen Hamster überhand, die sich von Thüringen her ausbreiten. Vie Vajazz». Apparate sind Glücksspiele. Sine Leipziger Gerichtsentscheidung. Ein« prinzipielle Entscheidung füllte das Leipziger Land gericht in der Frage, ob die bekannten Bajazzo-Apparate als gewerbsmäßige Glücksspiele anzusehen sind oder nicht. Ein gewisser Kunath hatte eine Reihe solcher Apparate in ver- phievenen Gastwirtschaften aufgestellt. Die Polizei beschlag nahmte einen derselben und stellte Kunath eine Strafver fügung über SOO Mark zu. Hiergegen beantragte Kunath ge richtliche Entscheidung. Die Sachverständigen kamen zu dem Ergebnis, daß die Bajazzo-Apparate kein Geschicklichketts-, son dern ein Glücksspiel seien, denn auch der geschickteste Spieler könne nur 10 Pfennige Gewinn erzielen. Das Gericht schloß sich dieser Entscheidung an und verurteilte K. zu 300 Mark Geldstrafe nebst Einziehung des Apparats rind Veröffent lichung des Urteils auf seine Kosten in den Fachzeitschriften des deutschen Gastwirtsgewerbes. WM» MM! Heitere Erzählungen aus der Westlausitz von Herm. Weise, Pulsnitz. — Zu haben beim Verfasser und Bernh. Lindenkreuz. Börse undHandel. Amtliche sächsische Notierungen vom 7. Mi. Dresden. Bei kleinen Umsätzen hielt die rückläufige Bewegung der Kurse an. Ganz vereinzelt waren kleinere Gewinne zu verzeichnen. Aber auch die Kursverluste bewegten sich im großen und ganzen in bescheidenen Grenzen. Nur in Textilwerten waren erhebliche Kursrückschläge zu verzeichnen. Deutsche Jute gaben 14, Dittersbacher Filz 7 A nach. Ferner verloren Chemnitzer Spinner S, Baumwollspinnerei Zwickau 4 A. Am Bankenmarkt erlitten Darmstädter 814, Braubank 7X sT Verlust. Sächsische Bank erholten sich dagegen um 1)4 A. Am Maschiuenmarkt büßten Schönherr 5, Schubert u. Salzer Genutzscheine 414 A ein. Von den Brauereiaktien wur den Schössershos mit 12, Aschaffenburger mit 5 A gedrückt, während Waldschlößchen ihren Wert um 5 A erhöhen konnten. Leipzig. Die Börse verkehrte lustlos. Die Umsätze hielten sich in engen Grenzen. Größere Abstriche ergaben sich für Kühl-Transit (12), Siemens Glas (7), Leipziger Baum wollspinner (5 A). Am Anlagemarkt notierten Staatsfonds schwächer, Pfandbriefe und Stadtanleihe behauptet. Chemnitz. An der Börse war ein leicht befestigter Charakter vorwiegend, der den Anschein erweckte, als ob die Abwärtsbewegung der Kurse wieder zum Still stand gekommen sei. Vielfach hörte man wieder reine Geld kurse. Eine ganze Anzahl Papiere konnten ihren Wert er höhen, doch bewegten sich die Gewinne im allgemeinen in be scheidenen Grenzen. Bei kleinem Geschäft lag auch dl Frei verkehr fest. Berliner Börse vom Sonnabend. Die Wochenschlußbörse brachte anfangs einige Kurserholun gen. Allerdings sind von feiten des Publikums noch verschiedent lich Verkäufe getätigt worden, die bei einzelnen Papieren auch Kursabschwächungen hervorriefen. Das Geschäft war jedoch außerordentlich still, und die Spekulation handelte im Verlaufe nur unter sich. Die Tendenz schwankte schließlich sehr, da die Baissespekulation wieder mit Verkäufen hervortrat. Amtliche Dcvisen-Notierung. Devisen lln Reichsmark! 7. Mai 6. Ma> Geld Brie> Geld Br>ei Rrw York . . 1 s London .... I Amsterdam . 100 GW. Kopenhagen . 100 Kron. Stockholm , . 100 Kron. Oslo 100 Kron. Italien.... 100 Lire Schweiz ... 100 Fres. Paris..... 100 Frcs. M 4,215 20,474 168,70 112,50 112,71 108,06 22.36 81,05 >6,515 4/225 20,526 169,12 >12.78 112,99 109,24 22,42 84,25 16,555 M 4,2145 20,475 168,71 112,50 112,70 198,88 22,19 81,04 16,515 M. 4,2245 20,527 169, >3 112,78 112,98 1(9.16 22,25 81,24 16,555 Brüssel , ... 100 Belga Prag ..... 100 Kron. Wien 100 Schill. 58,60 12,478 59,32 58,74 12,518 59,46 58,60 12,479 59.34 58,74 12,519 59,48 Spanien . . . 100 Peset. 1 franz. Franc 0,16 Rm 1 Zloty 0,47 Rm. Bankdiskont: Be Brüssel 514, Italien 7. Ko Oslo 414. Paris 5 Prag 5 Ostdevisen: Bukarest 47,22 B, Riga 81 G 81,40 Noten: Große Polen 46,1 74.51 ., 1 Belga clin 5 (L penhagen Schweiz 2,67 G B, Kow 1 G 47,2 71.69 0,59 Nm ombarö 7 5, Londo 3L- Stc 2,69 B, no 4I,49l 9 B. Klei 74 53 1 Lira ), Amsler n 4)4. 2 >ckholm 4 Warschau G 41,7 ne Polen 74.71 0,22 Rm., dam 3^ Ikadrid 5, Wien 6. 46,98 G 35 B, — 46,71 G j 47,19 B, Letten 80,65 G 81,45 B, Esten 1,105 E 1,115 B, Lit. ; 41,24 G 41,66 B. Effektenmarkt. Am Markt der heimischen Renten war die Ab lösungsanleihe ohne Auslosung mit 22,12 nach 22,37 zu haben. Die Schutzgebietsanleihe war mit 12,87 Prozent etwas höher. Montanaktien konnten anziehcn. Kaliwerte durchweg befestigt. Elektrowerte gingen zurück. Am Markt der Maschinen- und Motorenfabriken waren außer Loewe und Berlin-Karlsruher Industrie noch Schubert L Salzer um 8 Prozent befestigt. Von sonstigen variabel gehan delten Werten lagen Sarotti schwach trotz des nicht ungünstigen Abschlusses. Amtlich festgesetzte Preise an der Produktenbörse zu Berlin. (Getreide und Oelsaaten per 1000 Kilogramm, sonst per 100 Kilogramm, alles in Reichsmark.) Weizen, märkischer 30S—312, Mai 306, Juli 300—299, Septbr. 270 u. Brief, matt. Roggen, märkischer 273—277, Mai 276 u. Brief, Juli 261,75—261, Septbr. 230, matt. Gerste, Sommergerste 240—260, feine Sorten über Notiz, Wintergerste 225—235, still. Hafer, märkischer 241 bis 245, feine Qualitäten über Notiz, Mai 244, Juli 239—238,50, matter. Mais loko Berlin 192—195, behauptet. Weizenmehl per 100 Kilogramm frei Berlin brutto inkl. Sack (feinste Marken über Notiz), 37,25—39,25, abgeschwächt. Roggenmehl per 100 Kilogr. frei Berlin, brutto inkl. Sack, 36,50—38, abgeschwächt. Weizen- kleie frei Berlin 15,75, stetig. Roggenkleie frei Berlin 17,25 bis 17,50, stetig. Viktoria-Erbsen 42—58, feine Sorten über Notiz, kl. Speiseerbsen 27—30, Futiererbsen 22—23, Peluschken 20—22, Ackerbohnen 20—22, Wicken 21—24, Lupinen, blaue 14—15, Lupi nen, gelbe 15,50—17, Rapskuchen 15,50—16, Leinkuchen 19,70—20, Trockenschnitzel 13,60—13,80, Soya-Schrot 20—20,50, Kartoffel flocken 34,30—34,80. Amtlicher Berliner Schlachtviehmarkt. Auftrieb: 2007 Rinder, darunter 646 Ochsen, 458 Bullen, 903 Kühe und Fär sen, 1700 Kälber, 4530 Schafe, 8628 Schweine (zum Schlachthof Direkt seit letztem Viehmarkt 1244), 54 Auslandsschweine. Verlauf: Bei Rindern und Kalbern ruhig, gute gesucht; bei Schafen glatt; bei Schweinen lebhaft. Preise: Ochsen: a) 60—61, b) 55—57, c) 50 bis 52. d) 35—45; Bullen: a) 55—56, b) 52—53, c) 50—51, d) 47 bis 48; Kühe: a) 46—50, b) 38—44, c) 30—35, d) 22—26; Färsen: a) 58—60, b) 54—56, c) 48—50; Fresser: 41—46; Kälber: a) —, b) 70—87, c) 50—63, d) 40—48; Schafe: a) 62—66, b) 53—60, c) 40 bis 50, d) 25—35; Schweine a) —, b) 57—58, c) 56—57, d) 54—55, «) 52—53; Sauen: 51—53. Berliner Butterpreise. Amtliche Notierung im Verkehr zwischen Erzeuger und Großhandel, Fracht und Gebinde gehen zu Käufers Lasten: 1. Qualität 153, 2. Üualität 146, abfallend« Sor ten 132 M. Tendenz: Ruhig. Wild und Wildgeflügelprcise per 14 Kilogramm. Rot- wild mit Abschußattest 0,70—0,80; Kaninchen, wilde, große, Stück 1,80—2,—; Wildschwein, schwer 0,40; do. mittel 0,50—0,60. — Zahmes Geflügel (geschlachtet): Hühner, hiesige Suppen-, )4 Kilogramm 1,10—1,20. do. Ila 0,80—0,90, do. Poulets 14 Kilo- gramm 1—1,15, Holländer, fette 1,15—1,20, Hähne, alte 0,85—0,90, Tauben, junge, Stück 0,90—1,—; do. alte, Stück 0,70—0,75; Gänse la. junge 14 Kilogramm 1,50—1,60, do. IIn. 1,20—1,30, Enten, junge, Ila. 1,40—1,60; Puten, Hähne, 14 Kilogramm 1,00—1,15, do. Hennen 1,20—1V0. Die Preise sind die omckichen Berliner Markt hallenpreise einschließlich Fracht Spesen und Provision. Am Telephon Theo: Hallo, Hallo, Rolf Du? Rolf: Ja, Theo, was ist los? Theo: War heute mit Gerda beim GUHr Tee. Rolf: Nu», wie war's? Theo: Fein, Gerda tanzt einfach fabelhast, nur schade, daß ich ihr im Tanz nicht ganz gewachsen bin; Du weißt ja, ich trcle meiner Partnerin manchmal aus die Füße . . . Rolf: Du mußt eben Tanzstunde nehmen . . . Theo: Ja, Gerda zuliebe will ich's gerne tun; Gerda schien sehr traurig, weil meine schwarzen Chevreaux»Schuhe auf ihre hübschen grauen Schühchen schwarze Flecken gemacht haben. — Rolf: Du bist zwar sonst Kavalier und weißt über Kosmetik Be scheid, aber über die Schuh Kosmetik will ich Dir einen Rat geben: Laß Deine fchwarzen Chevreaux Schuhe nur noch mit Nigrin Extra putzen, dann färben sie nicht mehr ab und Gerda empfehle Nigrin flüssige Rcinigungspolitur, dann wird alles wieder gut . . Theo: Danke, ich werde es heute abend Gerda sagen, sie kommt nämlich Hallo — Hallo — — Telephonistin: Sprechen Sie noch? — Schluß Sonne und Mond. X 9. 5. Sonne: A. 4,17 v., U. 7,37 n. Mond: A. 11,25 n., U. 2,20 n. 10. 5. Sonne: A. 4,15 v., U. 7,38 n. Mond: A. 12S5 v.. U. 2,41 n. Schleichendes Gift. Roman von Reinhold Ortmann. 85f (Nachdruck verboten) So stand sie vor der Tür, mit verhaltenem Atem, und von der kalten kleinen Waffe in ihrer Rechten kroch etwas lähmend durch ihren Arm empor an ihr Herz Sie fürchtete sich jetzt. Sie fürchtete sich mit jedem Pulsschlag mehr. Da gab es drinnen plötzlich ein gedämpftes Poltern, ein Schlagen, das wie Erlösung durch die Stille klang — Und zwei Sekunden später stand Frau Marianne in der geöffneten Tür. Ein rascher, instinktiv sicherer Griff — und die Lichter des elektrischen Kronleuchters flammten auf in blendender Helle. „Wenn Sie sich rühren —ich schieße ohne Besinnen I* Der Mann, der auf dem Boden vor dem geöffneten Schreibtisch gekniet hatte, war emporgeschnellt — nun taumelte er zurück, und abwehrend hoben sich seine Arme. „Nicht schießenl — Um Himmels willen — nicht schießen! Ich rühre mich nicht — aber nehmen Sie um Himmelswillen die Waffe weg, gnädige Frau!" Frau Marianne sah, daß er halb sinnlos war vor Angst. Sein fratzenhaftes Lakaiengesicht hatte eine graue Färbung angenommen, und der Blick der ausdruckslosen Augen war stier auf die Mündung der toddrohenüen Waffe gerichtet. Er stand gegen die Wand gedrückt, und Frau Marianne hatte wohl wirklich nichts Mehr zu fürchten. Bei einer verdächtigen Bewegung brachte sie ja ein Schritt auf die Diele in Sicherheit. Und um dem Mann vollends die Lust zu irgendwelchen Widersetzlichkeiten zu nehmen, rief sie leise hinaus, ohne doch den Blick von ihm zu lassen und auch ohne die Hand mit dem Revolver zu nächst zu senken: „Lisbeth!" „Gnädige Frau ?" kam es zurück. „Drücken Sie auf die Glocke! Der Portier soll herauf kommen !" „Gnädige Frau — haben Sie doch nur Erbarmen ich bin ein unglücklicher Mensch — ich komme ins Zuchthaus, j wenn Sie nickst Erbarmen Haven, gnädige Frau " In winselndem Jammer fiel er auf die Knie. Voll Ekel sah die junge Frau auf das elende Zerrbild eines Menschen; aber sie rief doch hinaus: „Herr Zehle soll zunächst noch an der Haustür bleiben. Sie brauchen ihm nicht zu sagen, was hier vorgeht. Aber halten Sie sich auf einen Ruf bereit!" Sie hörte die Glocke wiederholt in der Pförtnerwoh nung anschlagen, die sich in den Kellerräumen der Villa befand. Nun erst ließ sie den Arm sinken. „Ich weiß eigentlich nicht, weshalb ich Sie nicht ein fach festnehmen lasse. Ich sehe gar keine Veranlassung, aus der ich Mitleid mit Ihnen haben sollte." „Ich bin ein unglücklicher Mensch, gnädige Frau. — Gnädige Frau wissen es vielleicht nicht mehr, aber mein Vater war doch Werkführer in der Fabrik, und er hat mich immer so auf den Kopf geschlagen — er war immer betrunken — und " „Wenn Sie mir derartige Geschichten erzählen wollen, rufe ich sofort die Leute." „Ich kann doch nichts anderes sagen, als was die Wahrheit ist Ich hab' ja anständig bleiben wollen. Aber der gnädige Herr hat mir gedroht, mich zu entlassen, ! obwohl ich mir doch nichts habe zuschulden kommen lassen. ! Wenn der gnädige Herr mich nicht gescholten hätte, wäre es gewiß nicht so weit gekommen!" „Hatte auch mein armer Vater Sie gescholten als Sie seinen Schreibtisch aufbrachen?" Kein Wort brachte der Mann hervor. Hilflos bewegte er die Lippen, ohne daß ein Laut verständlich wurde. Draußen hörte man jetzt den Portier mit dem Mädchen sprechen. Da sagte Frau Marianne, bebend vor Entrüstmm: „Und Sie erwarten, daß ich Mitleid mit Ihnen habe? ' — Mit einem Menschen, der meinen sterbenden Vater bestohlen hat?" Er war vorher wieder aus seiner knienden Stellung Mgesianden, bas heißt, er hatte sich langsam an der Wand j emporgeschoben. Nun fiel er aufs neue in die Knie und rutschte auf sie zu. „Haben Sie doch nur Erbarmen, gnädige grau Ich hab ja damals nichts gefunden. Fünfzig Mark - wahrhaftigen Gott, es waren nicht mehr wie fünfzig Mark. Und dann haben sie mich gleich geiaht, wie ich eine Klei nigkeit weggenommen habe — und weil ich schon einmal bestraft war, als junger Mensch, bin ich gleich anderthalb Jahre ins Gefängnis gekommen Und nun komm' ich ins Zuchthaus, wenn die gnädige Frau nicht Eivarmen haben! — Ich hätt's nicht getan, ich hätt's wahrhaftigen Gott nicht getan, wenn mich dec gnädige Herr nicht ge scholten hätte, und wenn ich nicht hätte entlaßen werden sollen I — Ich bin ein unglücklicher Mensch — Sie werden Erbarmen haben, gnädige Frau!" „Sie haben sich doch nur hier engagieren lassen, weil Sie gehofft haben, wieder eine Gelegenheit zum Einbruch zu finden!" „Nein doch — ich hab' anständig bleiben wollen, ich hab nichts genommen, die ganze Zeit nicht, die gnädige Frau können meine Sachen durchsehen lassen. Ich bin ein unglücklicher Mensch — mein Vater hat mich aui den Kopf geschlagen - —" Er heulte und gestikulierte und winselte, und dl« Szene wurde der jungen Frau so unerträglich, daß sie ihr ein Ende machen mußte. Nur eine Frage hatte sie noch. „Es ist damals nicht nur Geld weggekommen. Es hat allerlei sonst aus dem Schreibtisch gefehlt. Was haben Sie damit gemacht ? Haben Sie das vernichtet ?" „Nein doch, gnädige Frau — ich hab' es noch, ich hab' es alles aufgehoben. Es war eine Mappe — ich dachte, es wär' Geld darin, aber es waren bloß Zeich nungen und Papiere, ich hab' es nicht gebrauchen können, aber wegwerfen wollt' ich es nicht. Wenn die gnädige Fr„u Erbarmen haben und mich nicht anzeigen wollen, m will ich es wieder beschaffen - —" (Fortsetzung folgt.)