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147, 29. Juni 1931. Redaktioneller Teil. Börsenblatt f. S-Dtschn. Buchhandel. Art, wie die Bremer Presse arbeite, sei vorbildlich und nachahmens wert. Wle die Erfahrungen, die sie bei ihren Handpressendrucken machte, später dem maschinell hergestellten Verlagsbuch zugute kamen, so müßten auch die in stiller Kleinarbeit erreichten Resultate Ein zelner imstande sein, die gesamte Buchproduktion Amerikas auf eine höhere Stufe zu heben. — Es sind ähnliche Gedankengänge, wie sie auch bei uns Vorkommen. Hinter ihnen stehen Weltanschauungen, die mit einem Falsch ober Richtig nicht abgetan sind. Es fehlt in Amerika eine unserer Neuen Topographie verwandte moderne Richtung. Auch die Lobpreisen der Maschine haben und wollen nichts mit ihr zu tun haben. Man ist bewußt konservativ. Die vornehme Einfachheit der klassischen Linie wird jedem betont individuellen und modernen »Stil« vorgezogen. Aber nun nicht etwa so, daß man nach einem bewährten Rezept überall dem gleichen Schema huldigt. Vielen amerikanischen Werken sieht man an, wie stark an ihnen probiert und gearbeitet wurde, bis die bann so selbst verständlich ausschende Einfachheit erreicht wurde. Es ist auch be kannt, baß von einem ersten Setzer drüben viel mehr verlangt wirb als bei uns, daß von allen Arbeitern in Druckerei und Verlag außerordentlich viel verlangt wird. Da jede Minute, die man sür einen Arbeltsgang braucht, ausgeschrieben werden muß, hat der Arbeitgeber eine genaue Kontrolle über das, was der Einzelne leistet, kann außerdem Gewinn ober Verlust jedes Auftrags leicht seststellen und dadurch die Rentabilität des gesamten Betriebes genau über wachen. Die vier Bücher, die die I-Lbosicke ?ress 1939 im eigenen Verlag herausgebracht hat, sind die Verwirklichung von W. A. Kittredges Anschauungen. Sie legen ein gutes Zeugnis für sein und seiner Presse Können ab. Allerdings darf man wohl nicht nach den Kosten fragen, die gerade durch den mit vielen Korrekturen belasteten Ma schinensatz verursacht wurden, und mutz in Betracht ziehen, daß die Illustrationen von den besten Buchkünstlern des Landes (Dwig- gins, Kent, R. Ruczicka, E. A. Wilson) stammen. Auch ist der Preis der numerierten Ausgabe nicht gerade niedrig (8 15—29), Aber der Ersolg dieser Bücher, die vorher keinen Verleger fanden, war so groß, daß nun die Verleger gern ein nach den gleichen Grund sätzen gedrucktes Buch der I-slrosicks kress übernehmen und von ihm Volksausgaben veranstalten. Äußerst bezeichnend für die amerikanische Einstellung ist das Ge schick der Lpiral ?rsss. Die seit 1926 bestehende Presse hat einige ausgezeichnete kleinere Bücher, mit farbigen Zeichnungen und Holzschnitten, gedruckt und verlegt, in der Hauptsache aber für große Firmen gearbeitet, die ihre saubere, gediegene und geschmackvolle Art schätzten. Sie hatte bereits einen guten Rus, als die verschiedene Auffassung, die ihre beiden Besitzer, I. Blumenthal und G. Hoff man, von der Druckgestaltung hatten, vor kurzem das Ende der Presse herbeiführte. Blumenthal, die Werke der Bremer Presse, in der er eine Zeillang gearbeitet hat, als Ideal vor Augen, kon servativ und »klassisch« eingestellt, mißbilligte die moderne und freiere Art, die Hoffman bevorzugte, so sehr, daß er zurücktrat, und da sein Partner ihn nicht abfinden konnte, die Zerstückelung der Presse erfolgte. Auch die bekannt guten Leistungen von Druckerei und Verlag W. E. Rudges liegen innerhalb des Bereichs alter, bewährter Formen, sind aber, obwohl Caslon und Garamond bevorzugt werben, in ihren Einzelheiten nicht langweilig, da der Geschmack von Künst lern wie Br. Rogers, Fr. W. Gouby and Fr. Barbe sber heutige Hauskünstlerl, lm Verein mit dem großen technischen Können der Firma zu gesteigerten Leistungen führte. Auch arbeitet man in einem kleinen Ort vor New Dork <Mt. Vernon) ; vom einstöckigen <!> Haus aus sieht man Bäume, Gärten, Wiese und Himmel: Schön heit und Ruhe der Natur in der unmittelbaren Nähe der Weltstadt müssen ja die Arbeit jedes Einzelnen wohltuend verdichten und mit ruhiger Kraft erfüllen. Die von Rudge meisterhaft ausgeführten Aquatone-Drucke — eine besondere Art von Offsetdruck, patentamt lich für Amerika geschützt — mit ihren lichten, leise ineinander ver- schwlmmenden Farbtönen, nehmen es mit unseren Licht- oder Offset drucken leicht aus, wenn sie sie nicht sogar manchmal in der Feinheit der Schattierung Lbertreffen. Die Reproduktionen von wildblühen- ben amerikanischen Blumen gehören jedenfalls zu den besten Wieder gaben von farbigen Blumen überhaupt, und ich war sehr glücklich, als man mir einige Probedrucke von ihnen schenkte. Zu den in Amerika wie im Ausland meist genannten jüngeren amerikanischen Buchgestaltern gehört Elmer Adler mit seiner Presse, den Lyuson Lrillters. Mt Recht. Denn Adler kann und weiß sehr viel, hat entwicklungsfähige Pläne, ganz be stimmte Vorstellungen, wle ein Druck aussehen mutz, eigene Grund sätze und neue Ideen. Er besitzt ein äußerst seines künstlerisches Gefühl, bas mit einem idealistischen verbunden ist: die Presse, eine 618 Organisation, an der außer Adler noch drei Männer, ein Zeichner <W. D -Teague), ein Drucker <H. L. Cansield) und ein beratender Typograph <D. Stlve) beteiligt sind, will nicht in erster Linie Geld verdienen, sondern ökonomische und künstlerische Grundsätze so vereinen, baß die Qualität nie unter Zelt und Kosten, die sür sie notwendig waren, zu leiden hat. Künstlerische Qualität, Ge diegenheit der Arbeit und typographische Stilreinheit fordert sie von jedem Druckwerk. Durch eine sorgfältige Auswahl von Schriften, langsame und gründliche Arbeit — sechs Monate oder ein Jahr durchschnittlich ssogar 5 Jahre) für ein Werk — genaue Kenntnis der Meisterdrucke aller Jahrhunderte — die Bibliothek der Presse besitzt gut erhaltene, wertvolle alte und neue Druckdcispiele aller Völker —, erreicht Adler, was er will. Bei seinem guten Freund Alfr. A. Knopf und im lianckom Hous«, mit dem die Lz-nson Printers in loser Bindung stehen (und bei anderen), sind seit der Gründung 1923 eine Menge vorzüglich hergcstellter Werke erschienen, die, ohne modern zu sein, ihre eigene Note haben. — Auch die seit 1939 bestehende bibliophile Vierteljahrsschrist Pds Oolopdon besitzt sie. Wie die Presse ist das Colophon ein idealistisches Unternehmen! in bezug auf Mitarbeiter, Themen und Abonnenten international eingestellt. Da jeder Beitrag seine eigene Druckgestaltung hat, die die Lz-usou krluters ebenso überwachen wie Len Text — die ver schiedenen Aufsätze werden in verschiedenen amerikanischen und europäischen Druckereien hergestellt —, enthält jeder Band ein höchst lebendiges und abwechslungsreiches Anschauungsmaterial heutiger Buch- und Druckkünst. Ein harmonisches Gesamtbild des ganzen Jahrganges, wie es z. B. das englische Fleuron bot, darf man hier freilich nicht erwarten, aber mit Qualität, Fülle und Eigenart des Gebotenen kann keine deutsche bibliophile Zeitschrift wetteifern. Man kann nur wünschen, daß das Colophon, das, ohne Einnahmen durch Anzeigen zu haben, in beschränkter Auslage (3900) zu einem Preis von k 15 tm Jahr erscheint, trotz der nun auch für Amerika schlechten Zelten weiterbestehen möge, schon aus dem Grund, weil ein »enthusia stisches Abenteuer«, wie die Herausgeber cs nennen, in unseren Tagen selten vorkommt. Die Werbetypographen (^ckeertising Izxograpkers oder l.vpai-l Es ist ganz natürlich, daß in einem Land, in dem Wirtschaft und Geschäft den Mittelpunkt des Lebens bilden, nicht der Werk druck an erster Stelle steht, sondern der im scharsen Konkurrenz kampf eine wichtige Rolle spielende Werbedruck. Da die Kosten der Werbung so sehr verbilligt werden müssen, als nur irgend mög lich, fand man heraus, daß es wirtschaftlicher ist, wenn man diese wichtige Nebentätigkeit nicht selber ausllbt, sondern sie einer Spezial- sirma übergibt. Aus diesem Bedürfnis entstanden die Vermittlungs stellen der Lckvertlsing Lgencies (Werbeagenturen) — etwa 5669 in New Uork, 3099 in Chicago —, die nichts weiter tun, als An regungen und Vorschläge zu geben, die Verbindung mit Werbe künstlern und -typographen übernehmen, den genehmigten Entwurf aussühren und drucken lassen und ihn nach kürzester Zeit dem Kun den fix und fertig ins Haus bringen. Wie großen Wert die Ameri kaner aus gut lesbare, vornehm komponierte, die Augen des eiligeck Kunden anziehende und festhaltende Werbung legen, erkennt man erst ganz bei den Werbetypographen (ackvertlslng t^xograpkors). Ich bin sehr froh, daß ich eine ihrer größten und bekanntesten Firmen in Chicago, Hayes-Lochner Jnc., besichtigen konnte und durch ihren typographischen Leiter, H. L. Robertson, alle erdenkliche Auskunft bekam. Der wichtigste Bestand eines derartigen Betriebes ist das Schriftenmaterial. Je reichhaltiger es ist, desto leichter kann man die verschiedenen Bestellungen schon allein durch die Type variieren. Die von der Agentur bestellten Anzeigen, Prospekte, Empfehlungskarten, Ankündigungen usw. werden, wenn eine Skizze des Kunden beiliegt, nach dieser ausgearbeitct, sonst nach eigenen Entwürfen ll.avoulch. Dabei kommt es vor allem auf die glückliche Wahl der Type an — sie mutz zum Charakter des betreffenden Stückes wirklich passen —, aus die harmonischen Zusammenstellungen verschiedener Schrift arten, aus Größe und Ausgleichen von Überschrift und Text, den gesamten Satz, den richtigen Durchschuß und die Zurichtung. Wenn Bilder oder besonderer Zierrat gewünscht wird, werden sie von Firmen, die speziell die Werbelllustration pflegen, ergänzt. Die Arbeit der Typartists besteht ausschließlich in der typographischen Bearbeitung von Werbedrucksachen, also in Entwurf und Satzgestal tung (Hand- und Maschinensatz). Sie sind eine Art Satzsabrikanten. Sind Satz und Zurichtung beendet und dlc Druckform in den Schließ rahmen gespannt, ist auch ihre Arbeit zu Ende. Sie wird dann von den Galvano- und Stereotypieranstalten übernommen, denn bekannt lich druckt man ln Amerika, wenn es sich um hohe Auflagen handelt, so gut wie gar nicht vom Satz. Eine derartig weitgehende Speziali sierung erzielt natürlich ganz andere Resultate, als wenn Richt fachleute Werbung nebenbei erledigen. Jeder einzelne Betrieb hat