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Tabellarischer Satz 50«/, Aufschlag. — Bei zwangsweiser Einziehung der Anzeigengebühren durch Klage oder in KonkurSfSllen gelangt der oolle Recknungsbettag unter Wegfall von Preisnachlaß in Anrechnung. Bis »/,10 Uhr vormittags eingehende Anzeigen finden am gleichen Tage Aufnahme Das Pulsnitzer Tageblatt ist das zur Veröffentlichung der amtlichen Bekanntmachungen der Amtshauptmannschaft Kamenz, des Amtsgerichts und des Stadtrates zu Pulsnitz sowie der Gemeinderäte Großnaundorf und Weißbach behördlicherseits bestimmte Blatt Hauptblatt und älteste Zeitung in den Ortschaften des Pulsnitzer AmtSgertchtSbezirkS: PulSnitz, PulSnitz M. S., Großröhrsdorf, Bretnig, HauSwalde, Ohorn, Obersteina, Niedersteina, Weißbach, Ober- und Riederlichtenau, Frtedersdorf, Thiemendorf, Mittelbach, Großnaundorf, Lichtenberg, Klein-Dittmannsdorf Geschäftsstelle: PulSnitz, Albertstraße Nr. 2 Druck und Verlag von S. L. Försters Erben (Inh. I. W. Mohr) Schriftleiter: I. W. Mohr in PulSnitz Nummer 81 Mittwoch, den 8. April 1S27 7». Jahrgang Roggenmord! Wir wollen ein freies Dol! werden. Wenn man diesen politischen Grundsatz zu dem obersten für Deutschland er- »eben will — er ist es unzweifelhaft —, so kommt man zu der Erkenntnis, daß .Befreiungspolitik" die Politik der Eelbsternähruna bedingt. Unser ganzes Denken und Tun sollte auf diese erste Voraussetzung jeder Befreiung ge- richtet sein. Ist die Sekbsternährung aber möglich? Die Antwort lautet Ja. Die hervorragendsten landwirtschaftlichen Sach- verständigen sind der Ueberzeugung, daß bei entsprechend eingestellter Wirtschaftspolitik selbst auf unserem beschränk- ten Boden mit verhältnismäßig geringen Mitteln und kurzer Zeit die Nahrungsfteiheit unseres Volkes zu erreichen ist. Voraussetzung ist, daß die Landwirtschaft den Glauben an die eigene Kraft wiedergewinnt. Dazu gehört Einsicht irr die Notwendigkeit sachgemäßer Detriebsmethoden. Er- tragssteigerung, die schon durch Verbesserung des Stalldün- gers, durch Sortenauswahl, Drillkultur, vervollkommnete Auslesemaschinen, Uebergang zur strengen Fruchtfolgewirt, schäft, Einführung des Saatgutzwanges, Indienststellung der Grund Wasserkraft usw. zu erzielen wäre, wäre neben der Verbesserung der maschinellen, gerätlichen und baulichen Landwirtschäftstechnik hier das große Problem. Die Politik der Nahrungsfteiheit steht wesentlich auf der Grundlage des Roggens, kann daher als Roggenpolitik be zeichnet werden. Deutschland ist Roggenland. Das schließt in sich die Bürgschaft einer neuen Zukunft. Deshalb wollte seinerzeit Helfferich auch die Währung aus Roggen aufbauen. Roggen war unser preisbildender Faktor, wie dann später die Verbindung zwischen Eisen und Kohle. Nach Zerreißung dieser Verbindung hätte man zum Roggen zurückkehren sollen. Die Ernährung haben wir in steigendem Maße losgelöst vom Roggen und auf ausländischen Weizen verschoben. Wir stehen vor einem unerhörten Rückgang im Verbrauch von Roggenmehl und gleichen ihn aus durch Einfuhr teueren ausländischen Weizens und Weizenmehls. Unseren guten deutschen Roggen aber sichren wir zu Minderpreisen aus. vor allem nach England und Dänemark, wo er verfüttert wird. Wir zahlen Williamen für unnötige Einfuhr frem den Weizens und lassen dafür die eigenen Ernährungsgrund lagen verkümmern. Trotz der Wiedereinführung von Zöllen tm Gesetz vom 17. August 1925 sind 1926 noch 120 000 To. Weizenmehl eingeführt worden (gegen 17 700 To. 1913, wo auch noch 194 000 To. ausgeführt wurden). Das be deutet für den deutschen Verzehrer eine Verteuerung der Browersorgung um etwa 50 Millionen Mark jährlich, da Das Wichtigste Wie aus Moskau gemeldet wird, sind in Turkestan und Buchara 48 Priester verhaftet worden, denen Religion-Propaganda gegen die Sowjetlegierung zur Last gelegt wird. Die Priester werden nach Sibirien verbannt werden. Wie Echanger aus Mexi'o-city berichtet, haben die Regierungstruppen am Sonnabend drei Gefechte mit Aufständischen im Staate Jalisco gehabt, und dabei die Rebellen in die Flucht geschlagen. 25 Auf ständische wurden getötet. Auf der Loire scheiterte eine mit 12 Personen besetzte Barke. Sämtliche Passagiere ertranken. Das Weiße Haus rechnet infolge der französischen Ablehnung, an der von Coolidge vorgeschlagenen Abrüstungskonferenz teilzunehmen, mit großer Zurückhaltung Englands und bedauert deshalb die französische Entscheidung. Am Comer-See stürzte sich ein Arbeitsloser mit seinen beiden Kindern im Alter von acht und zehn Jahren ins Wasser. Alle drei er- tranken. In der Osterwoche tritt der fünfte Evangelische Reichselterntag in Hil desheim zusammen. Im Reichstag entspann sich eine lebhafte Debatte über Außenpolitik und Konkordatssrage. In der Genfer Abrüstungskommission kam eine Einigung über die Luftfahrt zustande. Dr. Stresemann gab eine neue Erklärung zur Konkordatssrage ab; für die Demokraten nahm StaatSminister a. D. Koch zu der Frage Stellung. Der Polizei gelang es, den oberschlesischen Kindermörder zu verhaften. Auf der Zeche Engelsburg verunglückten vier Bergarbeiter. Wie aus Moskau gemeldet wird, tobt auf dem schwarzen Meer »in schwerer Sturm, dem das griechische Schiff Alexandrol zum Opfer gefallen ist. Die Geschwindigkeit des Windes beträgt 17 Sekun denmeter. In den höheren Lagen des Erzgebirges ist in der vergangenen Nacht erneut Schneefall eingetreteu. Vom Fichtelberg werden 12 cm Neu schnee bei einer Temperatur von 3 Grad unter Null gemeldet. Die Konkordatsfrage vor dem Reichstag Stresemann Mr ei« Reichskonkordat Eine bemerkenswerte Feststellung — Getrennte Protestnote an China — Die Lage in China Ausschuß Auskunft zu gelben, soweit das möglich fei. Dasselbe gelte von der Chinafrage. Waffenlieferungen nach China im Ein verständnis mit der Reichsregieruna hätten nickt stattaefunden. Deutscher Reichstag. SOS. Sitzung, Dienstag, den 5. April 1V27. Auf der Tagesordnung steht die dritte Lesung de« Reichshaushaltsplanes für 1027. Abg. I>r. Hilferding (Soz.) behandelt zunächst die Etel- Kmg der Deutschnationalen in der Regierungskoalition. Es gebe auch bei den Deutschnationalen Männer, die einsehen, daß die Wiederherstellung der Monarchie nur nach einem fürchterlichen Bürgerkriege möglich wäre. Diese Männer haben daher die neuen Richtlinien anerkannt und damit die unbedingte Zustimmung zu der bisherigen Außenpolitik ausgesprochen. Vas könne mit einer gewissen Genugtuung festgestellt werden. Durch zweifelhafte Er- klärungen hätten die Deutschnationalen nach ihrem Eintritt in die Regierung Unehrlichkeit in die Politik getragen. Die erste Frucht der neuen Arbeitsgemeinschaft sei eine Subvention von 45 Mil- lionen an Bayern zur Aufrechterhaltung seines aufgeblähten Ver- waltungsappavates. Der Redner wendet sich gegen die Haltung der Deutschen Bolkspartei in wirtschaftlichen Dingen. Seine Fraktion lehne den Etat ab al« Protest gegen den Par- tikularismus, gegen staatsrechtlichen Rückschritt und als Demon stration für den Einheitsstaat. Auch für den Gesamtetat können wir die Derantworttung nicht übernehmen. — Abg. Torgler (Komm.): Wenn di« Sozialdemokraten den Etat ablehnen, so möchte ich beinahe sagen: »Welch ein« Wendung durch Gottes FügungI" Die Opposition der Sozialdemokraten sei nur eine Scheinopposition und werde es auch in Zukunft bleiben. Die Steuerlast beträgt jetzt schon 15 Milliarden, während sie 1013 in Reich, Ländern und Gemeinden zusammen nur 4F Milliarden betrug. — Abg. Diet - rich-Baden (Dem.) verlangt Klarheit und Durchsichtigkeit des Etats und spricht seine Befriedigung darüber aus, daß die Re- gierungsparteien einen Antrag vorgelegt hätten^ dessen Gedanken sie dem demokratischen Antrag entlehnten. Der Redner bespricht dann die Ae«k«v»«g 0r. Stresemanns zu» Konkordatssrage. Di« Freude der Demokraten darüber, daß sich da wieder «in gemeinsamer kulturpolitischer Boden für die liberalen Parteien zu finde» schien, sei aber leider nach der neuen Erklärung Strese manns von kurzer Dauer gewesen. Der Redner spricht die Hoffnung aus, daß beim Reichs» fchulgesetz sich wieder ein gemeinsamer Boden für die liberalen Parteien finden werde. — Abg. Or. Bredt (Wirtsch. Dereingg.) erklärt, dieser Etat erfülle seine Partei mit großer Sorge, mit besonderer Sorge aber die Erklärung der Regierung, daß die meisten Ausgaben zwangsläufig seien. Ein« Gesundung unserer Finanzen sei nur durch Kürzung des Gesamtetats um fast eine Milliarde möglich Die jetzige Steuerlast könne vom deutschen Volke einfach nicht mehr getragen werden. Die Steuereingäng« seien viel zu hoch eingeschätzt. Das mache die Wirtschaftliche Ver einigung nicht mit. — Abg. Graf Reventlow (Nat.-Soz.) weist darauf hin, daß wir jetzt bereits die Reserven angreisen müssen, um nur den Haushalt ins Gleichgewicht zu bringen. Der Haushalt wird bewilligt. , « Beim , ' Haushalt des Auswärtigen Amtes bekämpft Abg. Stöcker (Komm.) die zum ersten Male in den Etat eingestellten Ausgaben für den Völkerbund. Abg. Müller- Franken (Soz.) beantragt Aussetzung der Verhandlungen, bis ReichsauHenminister Or. Stresemann erschienen ist. Der Antrag wird angenommen und di« Sitzung unterbrochen. Gleich nachdem Or. Stresemann in den Plenarsaal getreten ist, nimmt die Sitzung ihren Fortgang. Sofort erhält der Sozial demokrat Or. Breitscheid das Wort. Er stellt fest, daß die Regierungsparteien in der Außenpolitik formell einig seien, wie auch di« Sozialdemokratie dies« Außenpolitik billig«. Der Redner fragt ferner den Außenminister nach dem Stand der albanischen Angelegenheiten. Reichsaustenminister Or. Stresemann erklärt, in der Konkordatsfrage bestehe kein Gegensatz zwischen dem Außenminister und dem Parteiführer. Er habe gegenüber der For derung einer grundsätzlichen Ablehnung eines Konkordats erklärt, baß es sich hier um eine ganz andere Situation handele, nachdem einzelne Länder Konkordate bereits abgeschlossen hätten oder vor bereiteten. Er habe gebeten, di« Sache leidenschaftslos zu be handeln und di« weitere Entwicklung in Preußen abzuwarten. Sem« Erklärungen deckten sich mit der Erklärung der Reichs regierung. Ueber di« albanische Frag« könne er im gegenwärtigen Augenblick nicht öffentlich sprechen. Es fänden Verhandlungen statt über eine Regelung, die di« Sicherheit geben soll, daß der Friede zwischen den beteiligten Mächten nicht gestört werd« und daß die albanische Unabhängigkeit selbst gesichert sei. Wir seien Wer diele Bespr^ung unterrichtet. Er sei -bereit, im AuMMrttgen Abg. Dietrich. Baden (Demi) vermißt eine klare Stellung nahme Or. Stresemanns in der Konkordatssrage. Reichsaustenminister vr. Stresemann erwidert, die ganzen Verhandlungen in dieser Frage befinden sich «och im Anfangsstadium der Ressorts. Er sei daher nicht in der Lage, eine amtliche Erklärnng dazu abzu geben. Aus seiner Persönlichen Auffassung mache er kein Hehl. Nachdem mit Bayern ei« Konkordat abge schlossen sei, nnd vielleicht auch mit Preusten eins zn- stände käme, sei er der Meinung, dast man auch ein Reichskonkordat abschlietzen solle. Die Stellungnahme rm einzelnen wird oavon avyangen, welchen Znyalt diese Abmachungen haben werde«« Der Haushalt des Auswärtigen Amtes wird erledigt. Es folgt der Haushalt des Reichsministeriums des Juuern. Abg. Sollmann (Soz.) betont, der Reichsaußemninister habe am Sonntag zum entschiedenen Kampf gegen ein preußisches Konkordat aufgerufen, heute erkläre er dagegen den Abschluß eines Neichskonkordats für zweckmäßig. Der Redner bemängelt die Kürzung der Mittel für küturelle Zwecke. Reichsfinanz Minister Köhler gibt zu, daß sm in den Tin- nahmen übersättigter Reichsttat diese kulturellen Fonds ganz an ders bedenken könnte und müßte. Die Länder müssen sich d«r Kulturpflege m»hr annehmen. Die Frage derHeraubildung der Lehrer und der Behebung der Not der Junglehrer sei eine reine Ländersache. Di« Abstimmungen über das Reichsinnenmini st e- rium wurden zurückgestellt. Es folgte der Haushalt des Reichsarbeitsministeriums. Auf eine sozialdemokra tische Anfrage teilte der Reichsarbeitsministcr Or. Brauns mit, daß im November ein Wohnungsbauprogramm fertiggestellt war. Eine Denkschrift werde dem Reichstag vorgelegt werden. An schließend wurde der Haushalt des Reichsministeriums für Ernährung und Landwirtschaft und des Wehrministeriums verhandelt. Abg. Frau Bohm-Schuch (Soz.) verlangt Wiederher stellung der gestrichenen Mittel für Kinderspeisung. Di« Regierungsparteien wollten statt der fünf Millionen jetzt nur vier Millionen wieder bereitstellen. Dieser elende Schacher um eine Million sei unerhört angesichts der Not der hungernden Kinder. Beim Wehrministerium verlangte Abg. Creutzburg (Komm.) Abschaffung der Reichs wehr. Abg. Müller-Franken (Soz.) lehnte kommunistische Angriffe ab. Ohne den Spartakus-Bund hätte die Reichswehr eine ganz andere Entwicklung genommen. Die Sozialdemokratie lehne den Etat nicht aus grundsätzlichen Erwägungen ab. Ls folgten dann die Abstimmungen. Beim Reichsministerlum des Innern werden eine Million Mark zur Förderung des Turn- und Sportwesens wieder eingestellt, ferner SOO 000 M. für die Studentenhilse und 500 000 Mark zur Bekämpfung der Maul- und Klauenseuche. Für die Junglehrer enthält der Haushaltsplan 2H Milli- Sven Mark. Die Sozialdemokraten und Demokraten beantragen Er höhung dieses Betrages auf 6 Millionen Mark. Der Antrag wird abgelehnt. Die Regierungsparteien beantragen Streichung der 2L Millionen Mark, da die Versorgung der Junglehrer Auf gabe der Länder sei. Der Streichungsantrag wird mit 104 gegen 185 Stimmen bei einer Enthaltung anaenommen. Belm Arbeitsministerium werden 50 Millionen für produktive Erwerbslosenfürsorge gestrichen, 25 Millionen für Kleinrentner neu eingesetzt. Neu eingesetzt werden ferner 72 Millionen Reichsbeitrag für die Invalidenversicherung. Die unterstützende Erwerbslosenfürsorge wird von 200 auf 450 Millionen erhöht. Beim Ernährungs haushalt werden die Beihilfen für bäuerliche Wirtschafts- beratung mit 1,9 Millionen wiederhergestellt und 700 000 M. zur Bekämpfung von Pflanzenschädlingen neu bewilligt. Ein sozial demokratischer Antrag, für Kinderspeisungen 5 Millionen auszu- setzen, wird mit 218 gegen 170 Stimmen bet einer Enthaltung abgelehnt. Ein Antrag der Regierungsparteien, 4 Millionen für diesen Zweck zu bewilligen, wird angenommen. Für Kredite an die Treibnetzheringsfischerei werden 1,1 Million wieder eingesetzt.