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Wit timml »r. Martin kuihtl «ns dem EHng- — bergt bei Altenberg verbranni würbe — (Nachdruck verboten) Es war am Sonntage Lätare anno 1522. Auf dem Geisingberge bei Altenberg hatte man einen haushohen Holz stoß als Scheiterhaufen aufgerichtet. Nicht weniger als 25 Fuder Holz waren herbeigeschafft worden. Heute sollte hier oben der „Erzketzer Dr. Martin Luther" aus Wittenberg den Flammen übergeben werden. Wir lassen den bekannten Dominikanermönch Johann Lindner hierüber erzählen, der ja ein Augenzeuge jener Zeit war und der sich um die Auf zeichnung geschichtlicher Vorgänge in der Heimat als Chronist jener Tage sehr verdienstlich gemacht hat. Er schreibt über Luthers Verbrennung auf dem Geisingberge wörtlich also; „Anno Christi lAVLXXll (1522) namen yhn vor man nnd Weib, junl und alt, sämtlich, den nawen unchristlichen Artums Martin Luters höchsten Vomögens czu Vordamen, richten ein Bild czu, becleit wir Luter, furten vor Gerichte, do lichter und Scheppen daczu verordnet, auf anclage yn vorteilten czum fewer (wie einen erbhoupt Keczer) den sie in seiner gestalt mit grossen schall auf den umbliegenden bergk (Geisingbergl gebunden gefurt nach form gerichtshaltung, do sie dafür XXV fuder Holz vorschoft, verbcandten SuntagS Letare czu der Vll hör (Stunde) dasselbe bilde. Das fewir wart fern in Nehmen und der rauch gesehen." — Ein Bergmann aus Altenberg mußte der Ketzerrichter sein und das Todesurteil über ihn aussprechen und sodann über dem Bilde Luthers den Stab brechen. Darauf wurde Luther auf den Scheiterhaufen gebunden. Der Ketzerrichter gab hierauf das Zeicheu zum Anbrennen des Holzstoßes und bald loderten die Flammen zum nächtlichen Himmel empor. Befriedigt zog nun die Menge heim. Die Verbrennung Luthers geschah jedenfalls, um dem Herzog Georg dem Bärtigen, dem grimmen Feind Luthers, „einen Gefallen zu tun," da der genannte Herzog ja Schutz- Herr — Protector — des Altenberger Bergbaues war, und die Altenberger wollten doch „Lieb-Kind" bei ihm sein. Herzog Georg soll auch über den Vorgang recht befriedigt gewesen sein. — Doch das konnte nicht verhindern, daß Luthers Lehre auch in Altenberg und Geising viele Anhänger fand, und selbst jener Bergmann, der den Ketzerrichter spielen mußte, bekannte sich eines Tages zur evang.-luth. Kirche. Er bereute es bitter, das Todesurteil über Luther ausgesprochen zu haben Auch die meisten von denen, die jener Ketzerver brennung auf dem Geisingberge beigewohnt hatten, schämten sich jetzt nicht wenig, und hätten sie nur gewußt, wie sie das wieder gutmachen konnten, sie hätten es getan. Der Ketzer richter von Altenberg fand aber, wie auch der andere Berg mann, keine Ruhe und eines Tages im Jahre 1542 reisten beide nach Wittenberg, um dem Dr. Martin Luther sich vor die Füße zu werfen und ihn um Verzeihung zu bitten und „ihm zum Sühneopfer eine Stufe von rotgiltigem Erze zu überreichen." Der bekannte Bergprediger Matthesius in Joachims- thal, ein Freund Luthers, erzählt in seinen Schriften davon wörtlich folgendes: „Ungefährlich im 42sten Fahre (anno 1542) kommen 2 Bürger aus dem Thal gen Wittenberg und besuchen den Herrn Doctor, bringen ihm auch einen schönen Handstein mit von rothgüldenem Erz. Diesen beyden erzeiget er allen guten Willen und bittet sie zu sich. Ueber Tische spricht der eine: Herr Doctor, mein Gesell hat sich etwa hart an Ew. Ehrw. vergriffen. Denn da man Ew. W. auf dem Geisingberge in der Fastnacht verbrannte, hat er sich etwa daselbst zum Richteramt gebrauchen lassen und Ew. W. zum Feuer, wie Johann Hussen, vcrurtheilet: Nun aber zum Evangelio berufen, und die Wahrheit durch Ew. Lehre er kannt, ist ihm solches von Herzen leid, kommt und bittet um Gnade und Verzeihung seines thörlichen Unverstandes, will forthin durch Gottes Wort und Ewer Schrifften frömmer werden. — Doctor gefällt die Rede, wohlan, spricht er, weil es mit Unverstand gethan und sein pazistisch Feuer mir und meiner Lehre nichts schadet, seys vergeben und vergessen im Nahmen des Herrn. — Wie dieser Handel ein gut ehrlich Gelächter gab, spricht der Absolvierte: O Herr Doctor, ich danke Ew. Würd, aber ich habe noch eine große Schuld auf mir, bitt, ihr wollt mich auch davon absolvieren. Denn ich armer Bergmann habe mich in meiner Zeche verpufft und bin an die 500 Gulden schuldig. Wohlan, sagt Doctor, ihr Bergleute, wenn ihr am ärmsten seyd, so blühet euer Glück. Denn da haltet ihr an und sehet selber zu euern Zechen, unb Noth lehret euch beten, zu Kirchen gehen und nüchtern und mäßig seyn, darum wisset ihr selbst nicht, wie reich ihr seyd, ziehet heim, arbeitet treulich handelt redlich und glaubt und hofft an Gott Vater den Allmächtigen, den rechten Erz- Schaffer, im Namen seines Sohnes, der Silber und Gold ins Fisches Mund sprach (Matth. 17) und läßt immer Erz wachsen, und giebts zur rechten Zeit denen, die in ihren Zechen anhalten, und bei ihm im Gebet aushalten. Der reiche Gott wird mit euch seyn; auf seinen reichen Segen und milde Hand absolviere ich euch von aller eurer Schuld. — Ehe dieser Bergmann wieder zu Hause kommt, kriegt er Botschaft unterwegens, man hab in seiner Zeche auf dem seeligen Asar, gut Erz angetroffen, da löset er Geld, und giebt Ausbeute, und zahlet alles ab und behält noch Ueberlauf." Fr. Beruh.' Störzner Wie der Tod in Sekunda Gesangs- stunde gab o«» o Skizze von Friederike von Krosigk, Dessau In der großen Pause zeigte der Schulhof viel Aehn- lichkeit mit dem antiken Griechenland. Unter dem Portal wandelte gleich den Weisen Athens die göttliche Prima; links dröhnte der Boden von einem gewaltigen Wettlauf der Quartaner, und rechts hielt die Tertia ein großes Diskus werfen mit Bierfilzen ab. — Nur die Obersekunda fiel völ lig aus deni Rahmen. Sie stand, zu erregten Gruppen ge ballt, in der Ecke neben dem Fahrradschuppen; und die Reden, die da fielen, waren keineswegs Dithyramben. — „Schweinerei", sagte der dicke Hirsch und runzelte tue Den kerstirne. — „Mehr als das. Es ist eine Infamie", knirschte Leo Sander. Des Pudels Kern war, daß die ganze Klasse wegen ungebührlichen Lachens in der Gesangsstunde mit einem schweren Tadel ins Klassenbuch eingeschrieben worden war. Hirsch hatte einen seiner berühmten faulen Witze ge macht und zwar im denkbar ungünstigsten Moment, nämlich gerade, als für das bevorstehende Totenfest das alte ernst hafte Lied vom Schnitter Tod eingeübt wurde. Und Dr. Rödger, der sogenannte Uhu, der schon für gewöhnlich ziem lich grimmig durch seine große, runde Hornbrille äugte, hatte diesmal noch weniger Spaß als sonst verstanden. „Die Betragenszensuren sind natürlich restlos zum Teufel", grollte Krause. — „Aber es soll ihm teuer zu stehen kommen!" rief Sander und ballte die Fäuste in den Taschen. „Wißt Ihr was? Wir bringen ihm heute abend eine Katzenmusik!" — „Wird gemacht!" schallte es zur Antwort. Man beschloß, „Freut Euch des Lebens" zu singen, dreistimmig, immer mit k anstatt b. Krause sollte dirigieren. Man versprach sich ungeheuren Effekt von der Sache. Die kleine Villenkolonie draußen in der Vorstadt lag in tiefer Finsternis. Ein ka'ter Novembernebel beschränkte den Lichtkreis der spärlichen Gaslaternen auf die allernächste Umgebung. Ein einsamer Lichtschein drang noch aus einem nüchternen Backsteinhäuschen. Hier hauste im ersten Stock der Uhu mit einer alten grämlichen Wirtschafterin; denn er war Witwer und besaß nur eine einzige Tochter, die viel kränkelte und jctzt, wie man sich erzählte, in einer Lungen heilstätte Unterkunft gefunden hgtte. Als die Turmuhr elf schlug, sammelte sich eine dicht vermummte Schar unter Rödgers Fenstern. Alles ging nach Wunsch. Man erzielte eine ohrenzer reißende Musik, und als beim dritten Verse ein Beamter der Wach und Schließgesellschaft um die Ecke bog, war alles zerstoben . . . Hirsch und Sander blieben in der Nähe. Sie führten noch einen teuflischen Sonderplan im Schilde. — Eine halbe Stunde später waren Rödgers Fenster dunkel. Da schrillte die Hausklingel wie besessen, einmal, zweimal, dreimal . . . Endlich ging oben ein Fenster auf. „Wer da?" tönte die bekannte Stimme. — „Depesche!" heulte es zurück. „Hurra!" Ihre Großmutter hat'n Kind gekriegt!" Satanisches Gelächter. Das Fenster flog zu. Am nächsten Morgen hatte der Uhu in Obersekunda eine Lateinstunde zu geben. Man sah dem nicht ganz ohne Bangen entgegen. Die Erregung nahm noch zu, als die Tür aufging und — der Dirckwr eintet. Lohmann, der Primus, reckte sich in Positur und die anderen setzten un schuldige Mienen auf. Man war entschlossen zu leugnen; denn es war niemand erkannt worden, und der Uhu unter richtete in vielen Klassen. „Dr. Rödger kommt heute nicht", begann der Direktor. „Er ist an das Sterbebett seiner Tochter gerufen worden. Heute morgen war er einen Augenblick hier und zeigte mir die Depesche: Schwer erkrankt, Blutsiurz . . . -- erwartet Sie sehnlich.... Das Telegramm kam nachts ge gen zwei Uhr. Unbegreiflicherweise hat Dr. Rödger dem Boten nicht geöffnet. Nun erhielt er die Nachricht erst heute morgen, als der Frühzug langst fort war. Hoffent lich kommt er nicht zu spät. — Nun, Ihnen wird wohl eine Arbeitsstunde heute ganz willkommen sein." Die Klasse saß wie vom Donner gerührt. Von Ar beiten war natürlich keine Rede und auch die folgende Ma- thematikstunde war eine einzige Pleite. Wie unter einer schweren Last erledigte jeder mechanisch sein Tagewerk. Der nächste Morgen bestätigte die schlimmsten Befürch tungen: Rödger war eine Stunde zu spät gekommen. Verstört und ratlos schlich die Klasse umher, bis Hirsch aus einen Gedanken kam. Er schlug vor, das Lied vom Schnitter Tod unter Krauses Leitung tadellos einzuüben und in der nächsten Singstunde so gut zu singen, daß der Lehrer über ihre guten Vorsätze nicht mehr im Zweifel sein könnte. Gesagt, getan. Noch nie war in Sekunda mit sol cher Hingabe geübt worden. (Schluß folgt.) AoKbgen! Skizze von Marie Elisabeth Gebhardt Der D-Zug Hannover—Hamburg war ziemlich leer. In einem Abteil saßen sich in den Fenstencken nur ein Herr und eine Dame gegenüber. Draußen verhüllte die Nacht die Gegend. Die beiden achteten nicht darauf, sondern lehn ten in den Polstern und plauderten über allerlei schöne Ge genden, die sie bereits durchreist hatten. Beide waren vor nehm modern gekleidet. Jetzt ergriff die Dame ihr Zigaret tenetui aus Schildpatt, um sich eins der kleinen Tabakröllchen anzuzünden. Jedoch der Herr kam ihr zuvor und bat: „Versuchen Sie doch einmal eine meiner Zigaretten, Gnädigste! Sie sind aus bestem türkischen Tabak, ich kann sie wirklich empfehlen." Die Dame schaute ihr Gegenüber einen Augen blick prüfend an und sagte dann: „Ich nehme Ihr Aner- ; bieten an unter der Bedingung, daß Sie sich aus meiner s Dose bedienen, wir also tauschen. Dann können wir ver suchen, wessen Glimmröllchen besser sind." Der Herr war einverstanden, und der Tausch erfolgte. Eine kleine Weile glitt die Unterhaltung noch in vorheriger Lebhaftigkeit dahin. Dann wurde der Herr einsilbiger. Sein Kopf fiel an die Seitenlchne, der Rest der Zigarette entglitt den erschlaffenden Händen. Ec schlief. Die Dame hatte ihn unter gesenkten Lidern aufmerksam beobachtet, sie wollte sich nun erheben, um die Festigkeit seines Schlafes zu prüfen, aber ganz plötzlich klappten ihre Lider fest zu. Auch sie schlief. Der Zug hielt mehrmals. Reisende kamen in daä ! Abteil und verließen es wieder. Die Schläfer erwachten nicht. Der Zug verließ Hamburg-Hauptbahnhof, als Zug führer und Schaffner durch den Gang kamen und die Schläfer erblickten. Sie traten in das Abteil, um sie zu wecken. Erst nach mehrfachem Rütteln gelang dies. Zunächst erwachte der Herr, starrte die Beamten entsetzt an, erblickte darauf sein noch schlummerndes Gegenüber, das nun gleichfalls erwachte: „Wo sind wir?" „Wir werden gleich in Altona sein," sagte der Schaffner. „Aber ich wollte doch in Hamburg aussteigen!" Ter Beamte zuckte die Achseln und verließ das Abteil. Jeder der beiden prüfte beim Zusammenpacken des Gepäcks, ob alles noch vorhanden sei. Es fehlte nichts. Die Dame ergriff ihr Köfferchen und verließ fluchtartig das Abteil. Der Herr folgte ihr, nachdem er den großen aber merkwürdig leichten Koffer ans dem Netz gehoben. Eben fuhr der Zug in die Halle des Altonaer Bahn hofes, da sagte der Herr halblaut zu der vor ihm stehenden Reisegefährtin: „Diesmal ist unser beiderseitiges Geschäft mißglückt, liebe Kollegin Wenn wir wieder einmal Zusammen treffen, so wollen wir lieber mit- als gegeneinander arbeiten." Die Kollegin nickte mit bittersüßem Lächeln, sprang aus dem Zug und entschwand im Gewühl des Bahnhofs den Blicken des Kollegen aus der edlen Gaunerzunft. Durch! „Das krieg' ich nie fertig!" sagen die Mutlosen, Aenqstlichou, und fangen erst gar nicht an. „Ob ich das wohl schaffe?" meinen die Zweifelnden, Unsicheren und beginnen, um bald achselzuckend wieder aufzuhören. „Durch!" ermuntern sich die Mutigen, Zu- packenden, Starken und greisen zu, schaffen, bahnen sich Schritt für Schritt einen Weg und gelangen ans Ziel. Da liegt ein großer Berg Arbeit vor ihnen, da droht eine Enttäuschung, da hat ein Mißerfolg hochgespannte Hoffnungen vernichtet. „Durch!" Sich glicht den Mut nehmen lassen! Nicht immer nur an das Miß- sgeschick denken, das ein jeder im Leben hat, — vielmehr sich der Erfolge erinnern, die auch ein jeder erlebt hat. Nicht trotzig, toll kühn, felbstüberhebsam, frivol, unüberlegt losrennen, um nach kurzer Zeit müde zu werden, die Unmöglichkeit des Ans-Ziel- Kommens einsehen und geschlagen zur Seite treten. Nein! Erst ruhig überlegen, dann aber durch! Dev Versteck hinter der Tapete. Die Neugier der Frauen hat nicht nur die Heinzelmänner aus den Arbeitsstätten der Schneider vertrieben, sie hat schon manches Unheil im Einzelleben wie im Leben der anderen angecichtet. Daß Neugier schließlich noch nach sechs Jahren ins Gefängnis führen kann, beweist ein Fall, der sich kürzlich in Berlin zugetragen hat. Seit sechs Jahren hatte eine junge Frau in Berlin eine wegen Diebstahls über sie verhängte Strafe von einem Jahr Gefängnis zu verbüßen, der sie sich unter Mithilfe der Angehörigen stets durch geschicktes Verstecken zu entziehen wußte. Obwohl die Kriminalbeamten wiederholt sowohl die Wohnung der Ver urteilten wie die der Angehörigen durchsuchten, fanden sie keine Spur der Gesuchten. Um endlich hinter das Versteck der Frau zu kommen, wurde die Wohnung der Angehörigen fortgesetzt ein gehend beobachtet. Als die Gesuchte am 11. März wiederum ihre Verwandten aufsuchte, folgten ihr die Beamten nach einiger Zeit. Da trotz eingehenden Suchens die Verurteilte in der Wohnung nicht aufzufinden war, blieb einer der Beamten in der Wohnung zurück, um hinter des Rätsels Lösung zu kommen. Kaum daß die übrigen Beamten die Wohnung verlassen hatten und voll kommene Stille in den durchsuchten Räumen herrschte, öffnete sich ganz vorsichtig eine — bei bester Beobachtung nicht zu er kennende — Tapetentür, und heraus schaute die lange Gesuchte, die jetzt gleich nach Moabit gebracht wurde. Welt und Wissen. Der Handkuß einst und jetzt. Gewiß ist der Handkuß in der guten Gesellschaft auch heute noch üblich, aber es läßt sich nicht leugnen, daß er aus der Mode zu kommen droht. Er wird im modernen Zeitalter durch den kameradschaftlichen Händedruck abgelöst, genau stz