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ßulsnHerZayMait Dienstag, 13. Marz 1627 Beilage zu Nr. 62 j 7S. Jahrgang !kl MNMMWl W WMSMikM Deutscher Reichstag. 284. Sitzung, Montags den 14. März 1927. Auf der Tagesordnung steht die zweite Lesung des Haus halts des Reichswirtschaftsministeriums. ReichÄvirtschastsminister llr. Curtius gab einen Ueberblick über die Tätigkeit des Reichswirtschastsmini- steriums. Der Minister schilderte die in Gang befindlichen großen Statistiken und hob hervor, welche bedeutsamen Wandlungen Unserer wirtschaftlichen und sozialen Struktur gegenüber der Vor kriegszeit zu erkennen seien. An neuen Aufgaben seien die dl e i ch s- soo'hnungszählung, die Erhebung von Haus- Kaltsrechnungen, die Produktions- und Lohn- statistik, zu erfüllen. Der Vervollkommnung der Handels- ftatistik gelte eine dem Reichstag demnächst vorzulegende Gesetzes vorlage. Minister vr. Curtius machte daraus aufmerksam, daß die Berufsorganisationen nach dem Zusammenbruch zunächst eine treib hausartige Entwicklung genommen haben. Seit einigen Jahren sei aber ein Deharrungszustand eingetreten. Das Ziel der < <. Rationalisierung in Deutschland sei noch nicht erreicht. Die Vervollkommnung der Technik stehe noch zum großen Teil bevor. Das Reich werde dafür zu sorgen haben, daß nicht durch Politische Grenzen innerhalb Deutschlands di« wirtschaftliche Durchführung dieser Pläne zu Schaden komme. Endziel der ganzen Rationalisierung müsse die Wiederauf nahme aller brauchbaren Arbeitskräfte in den Arbeitsprozeß und di« Hebung der Kaufkraft der ganzen Bevölkerung sein. Wenn wir auch von diesem Ziel noch weit entfernt seien, so sei es doch völlig falsch, von einem Fehlschlag der bisherigen Rationalisierung zu sprechen, die bereits bewirkt habe, daß sich die rationalisierten Unternehmungen innerlich befestigt hätten und eine dauernde Ar beitsmöglichkeit böten. Aus einer Denkschrift über die bisherige Tätigkeit des Kartellgerichts führt« der Minister an, daß bis zum 1. Januar d. I. im ganzen rund 1600 Anträge durch das Kar tellgericht erledigt worden seien. Die Zoll- und Handelsvertragspolitik bewege sich auf einer durch die Verschiebungen des Welthandels gegen über der Vorkriegszeit veränderten Grundlage. Die Ausfuhr nach den europäischen Ländern sei im ganzen genommen geringer als vor dem Kriege. So sehr Deutschland danach trachte, das Handelsvertragssystem zum Abschluß zu bringen, so sei man noch immer vom Ziel entfernt und habe noch schwere Aufgaben >wie die Handelsverträge mit Polen, Frankreich und der Tschecho slowakei zu lösen. Minister vr. Curtius erhofft sich von der im Mai in Genf stattfindenden Weltwirtschaftskonferenz eine gewisse Erleichterung der allgemeinen handelspolitischen Lage. Die Einbringung eines neuen deutschen Zoll tarifs, die vom Reichstag gefordert werde, würde im Augen blick nur noch größere Verwirrung Hervorrufen. Der Minister kündigte eine Vorlage der Reichsregierung über die Ge- staltung der Agrarzölle für die Zeit nach dem 31. März d. I. an und verwies auf die neuen Wege, die man zwecks Steigerung der ^Ausfuhr zu gehen beabsichtige. s Auf dem Gebiete der . ) Geld- und Kreditpolitik hätten die Geldsätz« der Ausländsanleihen und des Jnlandskapi- tals im vergangenen Jahre eine beträchtliche Verminderung er fahren. Auch dieSpannungzwischenSoll- und Haben- Zinsen bei den Banken sei verringert worden. Trotzdem sei aber die Zinsbelastung noch immer außerordent lich hoch und bedenklich, wenn man erwäge, daß die mit diesen ^Sätzen belasteten Unternehmungen auf dem Weltmarkt mit Firmen izu konkurrieren haben, die erheblich geringere Zinsen zahlen. Man 'müsse jetzt daher ernst überlegen, ob und welche Maßnahmen zur Verbesserung des Geld- und Kreditsystems ergriffen werden können. Der Minister betonte weiter, daß sich der Staat mit besonderer .Sorgfalt des Handwerks und des m i t t e l st ä n d i s ch en ^Gewerbes annehmen müsse, das zweifellos in gefährdeter Lage 'sei. Ein wie starker Wille zur Selbstbehauptung im Handwerk -lebe, lehre auch ein Blick auf den winzig fortschreitenden Wieder- 'aufbau der Kreditgenossenschaften, deren Mitglieder zu einem erheblichen Te»l dem Handwerk angehören. Abg. Frau Sender (Soz.) weist auf das Mißverhält- n i s zwischen Produktion und Verbrauch hin; darin sieht sie den Grund der Wirtschaftskrisis, die deshalb nur durch Stei gerung des Gesamtwohlstandes bekämpft werden könne. Leider habe sich aber das Ministerium ganz der Führung der Kapita listen überlassen. Die Rednerin weist ferner auf die Aufsau gung der Kleinbetriebe durch Großindustrie mit Unter stützung der Großbankkreditpolitik hin; die Opfer seien Mittel stand und Arbeitnehmer. Die Handelspolitik der Regierung lasse jede Initiative vermissssen. Sie gebe den Kräften nach, die es verständen, ihre Wirtschaftsmacht in politischen Druck umzusetzen. Der Kampf gegen die Kartelle werd« erst dann Erfolg versprechen, wenn in die deutsche Wirtschaft durch Abbau der Zollmauern ein frischer Luftzug hineinfahre. Wie wenig dem Minister an der Hebung der Kaufkraft des Volkes liege, das beweise die Tatsache, daß er auf die Mietssteigerung hingewirkt habe. Wie leichtsinnig man dagegen Großindustrielle subven tioniere, zeige der Fall Krupp. Die Ufa suche neuerdings eine Subvention durch die Drohung zu erzwingen, sie werde sich an Amerika verkaufen, und die von der Mologa verlangte Subvention würde überhaupt Rußland zugute kommen. Abg. Vr. Reichert (Dnatl.) gibt zu, daß mit den Reichs geldern vorsichtig umgegangen werden müsse. Zu bekämpfen aber sei die Uebernahme wirtschaftlicher Betriebe durch die öffentliche Hand, weil die Betriebe dann unrentabel würden und sie außerdem, von Steuern befreit, eine unfaire Konkurrenz für die schwer belasteten Privatbetriebe würden. Die Rationalisierung habe auch gute Folgen. Sie habe endlich wieder eine Rente ge schaffen, und Bebel habe ja selbst gesagt: Ohne Profit raucht kein Schornstein! Die Rationalisierung dürfe nicht durch Verbot aller Ueberstunden durchkreuzt werden. Freilich solle man die Ueber- stunden auch nicht übertreiben. Außerdem habe die Rationali sierung den Transport wieder ermöglicht und dadurch Geld und Rohstoffe ins Land gebracht. Auch die Preissenkung im Innern werde kommen. Arbeitszeit dürfe man aber nicht rationalisieren nach Schema k'. Bei den deutsch-polnischen Verhand lungen müsse man unbedingt freie» Niederlassung»- recht fordern. Die Kartellauswüchse werden maßlos übertrieben. Ueber sozialisierte Monopole beklage sich dagegen kein Mensch. Abg. Schlaack (Ztr.) stellt fest, daß unser« Wirtschaft sich im Gesundungsprozeß befinde, aber manche Schwierigkeiten müßten noch überwunden werden. Unsere Handelsbilanz habe sich verbessert. Die Möglichkeit einer Mehrbeschäftigung von Arbeitern würde unserer Wirtschaft große Erleichterungen brin Schleichendes Gift. Roman von Reinhold Ortmann. 12s (Nachdruck verbotem) Sie schien bereit, umzukehren; aber Edith bestand darauf, daß sie in der eingeschiagenen Richtung weiter gingen. „Meinetwegen sollst du gewiß nicht von deinen Ge wohnheiten abweichen! Und ich würde die alte Billa auch gerne Wiedersehen. Wenn ich etwas sehr Läster liches aussprechen dürste " „Warum nicht, Liebste? Bei mir kommst du nicht leicht in Gefahr, mißverstanden zu werden!" „Dann möchte ich sagen, daß mir das Haus, darin ich vor vier Jahren euer Gast war, viel behaglicher und gemütlicher vorgekommen ist. als eure jetzige Prachtvilla. Um sich in einem Palast zu Hause zu fühlen, muß man doch wohl in einem Palast geboren sein." „Meinen Wünschen entsprach die Veränderung gewiß nicht — das darfst du mir glauben l" „Und doch hat Hermann das schöne Haus sicherlich nur gebaut, um dir Freude zu machen. Ich habe die feste Ueberzeugung, daß er immer zuerst an dich denkt bei allem, was er tut. Für seine eigene Person war er ja von jeher der anspruchsloseste Mensch, den man sich denken kann." „Wenn er es um meinetwillen getan hat, so hat er mich eben sehr wenig gekannt. Aber ich glaube auch nicht daran. Dein Bruder liebt es, den Leuten seinen Reichtum zu zeigen, weil er ihnen damit zu imponieren glaubt." „Was ja auch einigermaßen zutreffen dürfte. Ist er denn aber in diesen wenigen Jahren wirklich schon so sehr reich geworden?" Frau Marianne machte eine Schulterbewegung, die fast etwas Geringschätziges hatte. "Ich weiß es nicht. Um seine Gejchäjte habe ich mich nie gekümmert.^ Sie passierten das große Fabriktor, hinter dem der Pförtner in tiefer Ehrerbietung die Mütze vor ihnen zog, und wandten sich einem nur wenig abseits von den langgedehnten Werkstätten - Gebäuden liegenden, zwei stöckigen Hause zu, das noch ganz die typische Vittenform verflossener Jahrzehnte zeigte. „Von wem wird es denn jetzt bewohnt?" fragte Edith. „Von dem Oberingenieur vermutlich." „Nein. Bis auf das Kellergeschoß, das wir dem Pförtner überlassen haben, ist die Villa unbenutzt. Und sie soll es auch bleiben. Ich will nicht, daß fremde Menschen in den Räumen Hausen, die mit meinen teuersten Er innerungen verknüpft sind." „Das kann ich verstehen. Du hast deine Kindheit darin verlebt und dann auch die ersten Jahre deiner Ehe. Da muß ja jedes Winkelchen angefüllt sein mit lieben Reminiszenzen. Hinein kann man wohl jetzt nicht?" „Doch l Ich trage die Schlüssel zu den oberen Räumen immer bei mir. Wenn es dir also Vergnügen macht —" „Ach ja, Hermann wird doch hoffentlich nicht mehr auf uns warten." Sie traten ein, und Edith sah, daß drinnen alles ganz unverändert geblieben war. Bis aufs kleinste fand sie die etwas altmodisch vornehme Einrichtung wieder, die sie im Gedächtnis hatte. Von den Möbeln und dem sonstigen Hausrat schien nicht ein einziges Stück in das neue Haus hinübergewandert zu sein. „Das ist sehr hübsch," sagte sie, „aber man muß in der Tat recht wohlhabend sein, um sich den Luxus solcher Pietät zu gestatten. Uebrigens — warum habt ihr denn nicht deinen Bruder hier einauartiert?" „Ich habe Helmut den Vorschlag gemacht. Aber er fand, es sei zu weit von der Kaserne und zu nahe bei meinem Manne." Ueberrascht blickte das junge Mädchen auf. „Zu nahe bei deinem Manne? Das ist natürlich bloß Scherz gewesen. Sie stehen doch gut miteinander nicht wahr?" „Soweit man davon bei zwei so verschiedenartigen Menschen sprechen kann —Hier war meine» Vater» gen. Im Völkerbund müssen unsere Vertreter auf einen Abbau der Zollmauern hinwirken, sonst ist eine Verständigung unter den Völkern nicht möglich. Wir müssen dahin kommen Waren und nicht Menschen zu exportieren, und ein Mittel dazu ist die Han delsvertragspolitik. Unsere Ausfuhr steht uoch immer 3S bis 40 Prozent hinter der von 1914 zurück. Manche Zölle des Auslandes bedeuten geradezu eine Sperre für deutsche Waren. Der neue französische Zolltarif lasse wenig Hoffnung auf eine Besserung der Beziehungen. Zn den Konzernen hätten sich gewaltige Kapitalmächte konzentriert. Der Redner betonte weiter, daß es der deutschen Wirtschaft in letzter Zeit ohne Zweifel gelungen sei, auf dem Welt- markt zu konkurrieren. Das ganze Volk habe an der Rationalisierung das größte Interesse. Wenn sie auch vor übergehend Arbeitslosigkeit schaffe, so sei sie doch das ein zige Mittel, um durch wettbewerbsfähige Preise größere Märkte zu erschließen, die Produktion zu erweitern und damit die Ein stellung neuer Arbeitskräfte zu ermöglichen. Gerade im Inter esse der deutschen Wirtschaft, die auf dem Weltmarkt viel wieder einzuholen habe, seien die internationalen Wirtschaftspakte zu begrüßen, und es sei auch zu hoffen, daß die bevorstehende Welt wirtschaftskonferenz in dieser Hinsicht neue Anknüpfungs punkte bieten möge. Die Lösung des Reparationsproblems sei davon abhängig, daß unserer Wirtschaft keine übermäßigen Lasten aufgebürdet würden. In dieser Hinsicht habe der Dawesplan seine Probe noch nicht bestanden. Abg. Meyer-Berlin (Dem.) kritisiert die Außenhan delspolitik des Minist«rs Curtius, der es bisher nicht ge lungen sei, die europäischen Zollmauern abzubauen und 'im Innern der kalten Sozialisierung entgegenzuwirken. Der Redner begrüßt das Bekenntnis des Regierungsprogramms zur j Exportförderung, glaubt aber nicht an ihre Durchführung. Er fürchtet deshalb, daß die Regierung di« Entscheidung über wichtige Handelsverträge hinausschieben werde, um innerpolitische Krisen zu vermeiden. Im Interesse der Bauern wird Aufhebung der Futter- mitt elzöl le der letzten Novelle gefordert. Der Redner pole misiert ferner gegen die Verlängerung des Agrarzoll- Provisoriums, die kürzlich vovgenommen wurde. Er unter stützt den sozialdemokratischen Antrag, die Noggenzölle aufzuheben. Reichsmittelstandstagung des Zentrums. Unter dem Vorsitz des Vizepräsidenten des Reichstags, Esser, fand am Montag im Ingenieurhause eine Reichs mittelstandstagung der Zentrumspartei statt, um Wünsche und Forderungen des gewerblichen und kaufmännischen Mittelstandes entgegenzunehmen. Reichskanzler vr. Marx würdigte eingehend die Bedeutung des Mittelstandes für das Volks- und Staatsleben. Mit den vorgebrachten Wünschen setzten sich Reichsarbeitsminrster vr. Brauns, Reichsfinanz minister Köhler und der preußische Wohlfahrtsminister Hirtsiefer eingehend auseinander. Zahlreiche Abgeordnete des Reichstags und des Preußischen Landtags nahmen an der Sitzung teil. Neue polnische Vergewaltigung in der Minderheitöfrage. Kürzlich erschien in der evangelischen Minderheiten- schule in Laura Hütte eine Kommission der Wojewod- Arbeitszimmer, und in dem Raum nebenan ist er ge storben. Da ist noch alles unberührt. Ich war deinem Bruder sehr dankbar, daß er nach unserer Verheiratung diese beiden Zimmer nicht in Benutzung nehmen wollte. Er begnügte sich mit seinem Arbeitszimmer drüben in der Fabrik, und erst in dem neuen Hause hat er sich eins eingerichtet. Da, sieh — hier an meines Vaters Schreib tisch sind noch die Spuren des Diebstahls zu sehen, der während seiner letzten Lebenstage verübt wurde. Der Dieb hatte die Schubladen mit einem Stemmeisen oder einem ähnlichen Instrument aufgebrochen, und dabei ist das Holzwerk arg beschädigt worden. Aber es war mir, als ob auch das mit zu der Lebens- und Leidensgeschichte meines armen Vaters gehörte, und ich habe mich nie zu einer Ausbesserung entschließen können." „Von diesem Diebstahl habe ich nie etwas gehört. Hat man den Täter ermittelt?" „Nein. Es ist uns immer ein Rätsel geblieben, wie ein fremder Mensch unbemerkt in dies Zimmer gelangen und darin hantieren konnte, während nebenan immer jemand am Krankenbette meines Vaters sah. Auch die Polizei hat nichts herausbringen können. Und bei dem größeren Leid, das danials über uns verhängt wurde, haben weder Helmut noch ich diesem kleineren eine be sondere Bedeutung beimessen können." „Der Spitzbube wird doch auch hoffentlich keine allzu große Beute gemacht haben." . „Ich weiß es nicht. Eine Geldsumme, die für die Bestreitung der laufenden Ausgaben bestimmt war, pflegte mein Papa ja immer in seinem Schreibtisch zu verwahren. Aber sie dürfte kaum sehr erheblich gewesen sein. Und unter den Papieren, die ebenfalls ver schwunden waren, hat sich wohl kaum etwas Unersetzliches bekunden. — Willst du auch noch in den oberen Stock hinauf, Liebste?" „Wenn es dir nicht zu unbequem ist —. Einen raschen Blick wenigstens hätte ich ganz gerne in das Fremdenzimmer geworfen, das ich damals bswohtU«.*